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Von der Plantage in den Hamburger Hafen

Mexiko Liquidambar Maragogype Perl,
2 x 250 g, ganze Bohne.

Eine absolute Kaffee-Rarität mit Namen Maragogype Caracol. Diese ganz besondere Bohne stammt von der Plantage Liquidambar im Süden Mexikos. Es handelt sich um eine Mutation des Coffea Arabica mit extrem großen Bohnen. Die Kirschen dieses Kaffeestrauches bilden anstelle von zwei kleinen Bohnen eine große rundliche Bohne. Im Kaffeesäckchen. DM 19.95

Mit diesen Worten wird das Exportgut aus Chiapas unter der Rubrik ''Caféhaus-Tip'' im Katalog des Bremer Versandhauses Paul Schrader & Co., nach eigenem Dafürhalten »seit 1921 im Dienste anspruchsvoller Kunden«, angepriesen. Bis die Kaffeebohnen in die akkuraten Portionssäckchen gelangen, ist es jedoch ein weiter und seit der Plantagengründung bis zur Besetzung 1994 gleich gebliebener Weg.

Zu Beginn der Ernteperioden quälten sich schwer beladene Lastwagen die staubigen Straßen zu den Kaffee-plantagen hinauf. Dicht an dicht drängten sich die Familien der Wanderarbeiter auf den Ladeflächen der LKWs. Personenbegrenzungen gab es ebensowenig wie Sitzplätze. Mehrere Stunden mußten die Arbeitsuchenden auf den zugigen Pritschen ausharren. Sie kamen oft von weit her. Aus den Dörfern in den Hügeln nahe San Cristóbals zum Beispiel, wo die Böden karg sind und eine Selbstversorgung der Familien nicht zulassen, seit Beginn der 80er Jahre auch zunehmend aus dem von einer repressiven Militärdiktatur heimgesuchten Nachbarland Guatemala. Jedes Jahr machten sich die Menschen auf den Weg zu den Sammelstellen, um die beschwerliche Fahrt zu den Kaffeeplantagen anzutreten. Wenn die Fahrer, die im Volksmund Polleros, »Geflügelhändler« genannt wurden, ihre Last beim Verwalter abgeliefert hatten, wurde abgerechnet. Für jede arbeitsfähige Person, und das sind in Mexiko mit Ausnahme der Säuglinge alle, erhielten sie vom Finquero eine Prämie. Diese betrug nicht selten umgerechnet zehn US-$ und wurde den zukünftigen TagelöhnerInnen vom Lohn abgezogen.

Der Arbeitstag begann früh. Noch vor Sonnenaufgang verließen die Familien die Baracken und begaben sich zur Essensausgabestelle. Ein paar Tortillas, Reis, eine Kelle heiße Bohnen und Kaffee bildeten das Frühstück. Zwischen zwei und fünf Pesos wurden dafür pro Person und Tag in Rechnung gestellt. Mit einsetzender Morgendämmerung verließen die Kolonnen die Siedlungen, um auf den ihnen zugewiesenen Flächen ihr Tageswerk zu verrichten. Die Männer und Frauen begannen mit den oberen Zweigen, während die Kinder die Kaffeekirschen von den niedrigeren Ästen klaubten und die auf den Boden gefallenen Früchte zusammensuchten. Die Hänge sind steil und bieten nur unsicheren Halt. Langsam füllten sich die Bastkörbe. Mit zunehmender Sonnenstrahlung verändert sich im Dickicht der Bäume und Sträucher die Luft. Die Feuchtigkeit, die sich während der Nacht angesammelt hat, beginnt zu verdunsten. Unter dem dichten Blätterdach breitet sich eine heiße Schwüle aus.

Abbildung 3.5: Villistas präsentieren ein Foto, das die Freundschaft der Schimpf-Hudlers mit dem PRI-Gouverneur Patrocinio González Garrido dokumentiert
Villistas präsentieren ein Foto, 16.68k

Ameisen, Moskitos und andere Stechinsekten hinterließen auf den ungeschützten Armen, Hälsen und Gesichtern der KaffeepflückerInnen rote brennende Male. Nach dem Mittagessen, das unter den Sträuchern eingenommen wurde und aus ein bißchen Pozol bestand, in Wasser aufgelöstem süßen Maisteig, wurde bis in den Abend hinein weitergepflückt. Nun mußten die bis zu 70kg schweren Kaffeesäcke zum Beneficio geschleppt werden, oft mehr als einen Kilometer entfernt. Auch die Kinder hatten ihre Last zu tragen. Der Arbeitstag der TagelöhnerInnen endete erst, wenn ihr Tagespensum abgewogen und auf Lochkarten vermerkt war. Während sich die Männer in einem Wassergraben Schweiß, Staub und Müdigkeit vom Körper wuschen, bereiteten die Frauen auf kleinen Feuern das Abendessen: ein paar Tortillas, Reis, eine Kelle heiße Bohnen und Kaffee.

Inzwischen hatte die industrielle Weiterverarbeitung der Kaffeekirschen begonnen. Auf Liquidambar wurde nicht nur die eigene Ernte aufbereitet, sondern auch in der Region aufgekaufter Pergamino, Kaffeebohnen, die aus der Kirsche herausgeschält und getrocknet, aber nicht weiterverarbeitet sind. Schließlich verfügte kaum einer der Tausenden von Kleinproduzenten über die hierfür notwendige Maschinerie.

Erst wenn aus den roten Kaffeekirschen handverlesener Rohkaffee geworden war, wurde er auf LKWs geladen und auf die Reise zu den Abnehmern in Übersee geschickt: F.L.Michaelis in Bremen, E.F.Installé in Antwerpen, Eurocafé in Dubai, P.L.Lorenzen Nachf. in Le Havre, Paulig in Helsinki... Die meisten Kontingente verließen Mexiko jedoch gen Hamburg zu den Kaffee-importfirmen Schlüter & Maack, Rehm & Co, List & Beisler, Intercambio, Kaffee-Lagerei CSC, Gollücke & Rothfos GmbH, Union Einkaufs- und Handelsgesellschaft, Hamburger Coffee Company und natürlich die Karl Hudler GmbH.



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