Wir *dokumentieren* jetzt eine Information aus der Zeitung
fatal
vom Februar 1995
Nachdem die Wagenburg "Bambule", die im Karo-Viertel auf einer ungenutzten Gruenflaeche steht, ueber ein Jahr geduldet worden war, versuchte die Stadtentwicklungsgesellschaft (STEG) die BewohnerInnen im Fruehjahr '94 raeumen zu lassen, was jedoch von der Polizei abgelehnt wurde, da fuer sie die rechtliche Situation nicht eindeutig war. Daraufhin bemuehte sich der Bezirk Mitte, mehrere Raeumungsverfuegungen zu erwirken, die jedoch immer wieder durch formale und inhaltliche Fehler hinfaellig wurden. Erst Ende November '94 setzte sich der Bezirk in der zweiten Gerichtsinstanz beim Oberverwaltungsgericht Hamburg durch. Waehrend der vorangegangenen Monate hatten die BewohnerInnen der "Bambule" und ihr Anwalt immer wieder versucht, mit STEG und Bezirk ins Gspraech zu kommen, was jedoch von den Behoerden stets abgelehnt worden war. Von der STEG anberaumte Termine wurden von dieser nicht eingehalten, und selbst oeffentlich auf BuergerInnenversammlungen gegebene Gespraechzusagen waren wenige Tage spaeter bereits wieder fuer null und nichtig erklaert.
Gleichzeitig solidarisierten sich im Karo-Viertel immer mehr Menschen mit der "Bambule", die sich sehr um eine Einbindung in das Viertel bemuehte. Die BauwagenbewaohnerInnen wurden nicht als Soerenfriede, sondern als NachbarInnen betrachtet. Kinder spielten auf dem Bauwagenplatz, und Frauen trauten sich nachts wieder auf die Strasse, weil sie wussten, dass sie in der Naehe der "Bambule" sicher waren.
Die DemonstrantInnen beschraenkten sich darauf, die Polizei mit Pflastersteinen und Leuchtspurmunition daran zu hindern, bis zur Wagenburg vorzudringen. Zu den zahlreichen Verletzungen der PolizistInnen kam es, weil die Polizeikraefte trotz ihrer anfaenglichen Unterlegenheit immer wieder gegen die Barrikaden anrannten und zurueckgeworfen wurden. Ausserdem schienen die StaatsschuetzerInnen nicht recht mit Traenengas umgehen zu koennen, da sie es entweder nicht weit genug, in den Gegenwind oder aber gleich in die eigenen Reihen feuerten, was hinter den Barrikaden fuer nicht wenig Verwirrung sorgte. Erst spaet in der Nacht, als die Raeumtrupps eintrafen, gelang es der Polizei, die Strassen freizuraemen, doch von den DemonstrantInnen erwischten sie keine(n) mehr, da diese sich laengst zurueckgezogen hatten.
Weder die BewohnerInnen noch die Mehrzahl der SympatisantInnen wollten Randale und verletzte PolizistInnen. Viele haben lange mit sich gerungen, bevor sie Steine in die Hand nahmen, angesichts der festgefahrenen Situation jedoch keine andere Moeglichkeit mehr gesehen, den Lebensraum der BauwagenbewohnerInnen zu verteidigen. Es haette nur ein wenig mehr Gespraechsbereitschaft von Seiten der Behoerden bedurft, um die Krawalle zu verhindern. So jedoch traegt der Bezirk Mitte letztlich die Verantwortung fuer die Ausschreitungen. Und waehrend Behoerden und Medien weiter gegen die "Bambule" hetzen und ihre Starrkoepfigkeit nicht aufzugeben bereit sind, haben sie die BewohnerInnen der Wagenburg laengst mit den AnwohnerInnen des Karo-Viertels zusammengesetzt und gemeinsam ueber die Anlaesse und Folgen der Strassenschlacht diskutiert. Ueberzeugender und mutiger kann wohl nicht klargemacht werden, wer in diesem Streit die besseren Argmente hat.
Die STEG (Stadterneuerungs- und Entwicklungsgesellschaft) ist formal ein Privatunternehmen (GmbH), untersteht jedoch faktisch der Stadt, die 51% der Anteile haelt. Die STEG ist zustaendig fuer die Sanierung der Hamburger West-City (Ottensen, Karo-Viertel, Schulterblatt), foerdert Privatsanierungen und plant oeffentliche Massnahmen zur Stadtteilerneuerung. Das Ansehen der STEG in den betroffenen Stadtteilen ist in den letzten Jahren stark gesunken, weil viele der Planungen an den Vorstellungen der StadtteilbewohnerInnen vorbeigingen. Luxusmoderisierungen, mangelnder Kooperationsbereitschaft und fehlendes Fingerspitzengefuehl in Krisenherden haben dazu beigetragen, dass nicht wenige Menschen im westlichen Hamburg sich mit den zahlreichen militanten Aktionen gegen die STEG-Bueros offen oder zumindest versteckt solidarisch erklaert haben. Letztlich ist die STEG jedoch kein Entscheidungstraeger, sondern an die Baubehoerde und die Bezirke gebunden.
aus: fatal, Zeitung fuer Politik, Umwelt, Kultur und Soziales Februar-April 1995
(z)
Infogruppe Hamburg (ifghh@krabat.comlink.de)
c/o Schwarzmarkt
Kleiner Schaeferkamp 46 20357 Hamburg