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Mon Feb 28 19:38:44 2000
 

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[camp99radio]

[Aufruftext]

[[ Das [camp99radio] ist ein freier, netter, kleiner Stein im Äther, ein Signal, das man/frau sich nehmen kann oder nicht, ein Argument, das niemals davoneilt und dennoch in den unendlichen Weiten des Grenzlandes entschwindet. (Erst wenn der oder die letzte durchs Ziel gelaufen ist haben wir gewonnen.) Das [camp99radio] handelt nicht strategisch, sondern taktisch - es ist jederzeit bereit zum Empfang und zum Senden. Dabei ist die Struktur von [camp99radio] vollkommen undurchsichtig; die Standardfrage der Macht: Wer ist hier verantwortlich? fällt in ein großes schwarzes Loch! Keine DJs, keine Anmoderatation. Das kann doch gar sein! Dennoch gibt es handelnde Personen, die der festen Überzeugung sind: Wer nicht zuhört, hat gerade was besseres vor! Jenseits Radio. Jenseits der Grenzen, der ferngesteuerten Hoergewohnheiten. Sinnlos und dazu noch umsonst. Diese Personen sind daran zu erkennen, dass sie immer mit irgendwelchen Geräten hantieren oder gar nichts tun; Debatten führen, Fragen stellen, Mikrofone mit sich herumtragen, vielleicht auch Audiocassetten ausleihen und vergessen sie zurueckzubringen. Aus der Sicht der (informierte) Macht trudelt das [camp99radio] sehr chaotisch, das macht aber nix, „denn deren Chaos ist schliesslich nicht unser Chaos, so wie deren Ordnung nicht unsere Ordnung ist.“ (Agentur Bilwet) ]]

André Simon, Markus Gehring, Genc Greva und andere

[Links und Bauplan]

Camp99radio
Ein Text von den MacherInnen

Auf dem Grenzcamp gab es, wie letztes Jahr, wieder ein Camp-Radio. Es machte also Sinn Radios mitzubringen: Radiowecker fürs Zelt, fette Ghettobluster für die Wiese und tragbare für Unterwegs und auf Aktionen. Alle waren aber auch herzlich eingeladen, bizarre Töne mitzuschleppen Und einen vagen Wundermix zu veranstalten, in der tiefen Nacht. Eher kein Vinyl. Also, jenseits des ‘Auflegens’...

Das [camp99radio]
INFORMIERTE - über letzte und ungültige Wahrheiten;
UNTERHIELT - den antirassistischen Widerstand gegen das herrschende Grenzregime;
BILDETE - Banden.

Auf dem Camp gab es viele Kommunikationsflächen: Das Küchenzelt, das Plenumszelt, den Frauen/Lesben-Bereich, den Bauwagen-Halbkreis, die diversen Treff-Zelte der einzelnen Städte im Labyrinth. Das Radio-Zelt war dazwischen: die Antenne an den Masten des Küchenzelts, inmitten und vermittelnd in der Mitte des Camps, sowas wie Megahertz im Herzen!

Das [camp99radio] war eine offene und eine geschlossene Grenze zu gleich. Seine Bauteile kamen aus aller Welt. Die am meisten gereiste Maschine war der Mixer aus den U.S.A., die am wenigsten die Batterie aus der nächsten Tanke. Kein Wort an dieser Stelle, woher die Bauteile dieser Bauteile stammen: Grenzenloser Warenverkehr der kapitalistischen Welt. Der schönste Augenblick war, als zwei Freunde aus Moskau nach fünf Tagen ‚on the road’ in die Sendung platzten und sagten: „Wir sind jetzt da!“ und die Geschichte ihrer Reise ins Mikrofon erzählten, mit offenem Daumen am Strassenrand des halben Kontinents. Es war der Abend der Gesprächsrunde von ‚Deep Europe’: Menschen aus Polen, der Ukraine, aus Tschechien und vom Balkan, aus Großbritannien, Russland, den Niederlanden usw. Sie schilderten ihre Erfahrungen mit der Grenze und ihren Widerstand. Eine schöne, präzise, Sendung zum zuhören - oder weghören.Egal. Offene Grenzen. Wie die Rythmen der Trommeln von The Voice. Eine Stimme unter vielen. Das Radio-Zelt als Platz der Übergänge.

Oder auch ganz anders: Das Radio-Zelt als Ort der Stabilisierung eigener Identitäts-Inseln, noch im besten Sinne verstanden als Wille zur Gegeninformation. Ein Parforce-Ritt durch die ritualisierte Politik-Monokultur.
Der Höhepunkt war eine Sendung gegen unsere treuesten Hörer und Hörerinnen von der Waldfraktion (BGS verwandelt euch in Bäume). Ein Moderator in bester Privatfunk-Ästhetik beleidigte konsequent den Feind. Ein symbolisches Grenzkontrollprogramm nach dem Motto: ‚Wir, die Guten sind hier, und ihr, die Schlechten seid dort draussen im Äther. Das Radio-Zelt ermöglichte also Beides: Den praktischen Versuch Grenzen zu ignorieren, und die Praxis Grenzen zu organisieren, um seinem eigenen Kontext zu fröhnen.

Dennoch: Das brachte Bewegung ins Spiel: Die Lust und Überzeugung das Medium sich anzueignen und zu nutzen. Erst wenn der oder die letzte durchs Ziel geht, haben wir gewonnen! Äther-StrategInnen und TaktikerInnen. Beides spiegelte das Camp und machte das Dilemma der aktuellen Diskussion, was offene Grenzen in unserer Praxis bedeuten hörbar.

Und so war’s am Allerschönsten, als abends die Bühne platzte vor ZuhörerInnen, die alle dachten, nur zu feiern und damit jedes Sendungsbewusstsein im lauten und chaotischen Rauschen des Aethers in sich zusammenbrach. Da war das kleine Radiozelt auf einmal voller FunkerInnen.

Nun ganz praktisch: Das [camp99radio] bestand aus Konsum-Ware: Alle Geräte sind im Handel kostengünstig greifbar. Der Sender selbst war reinste Sahne und in Stereo. Ein simpler Monobauplan, dessen Nachbau etwa eine Stunde dauert, liegt hier an.

Hörproben des [camp99radio] gibt es unter folgender Adresse:
www.nonato.de/radioarc.htm
und eine Internetseite des Radios unter:
www.nonato.de/99radio

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