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Online seit:
Tue Dec 17 21:59:27 1996
 

Vorwort


Im Sommer 1995 fand die antirassistische Fahrrad- und Aktionstour an der Oder/Neiße-Grenze statt. Ziel der Tour war, Informationen über die Arbeitsweise des BGS zu sammeln, Öffentlichkeitsarbeit gegen die Festung Europa zu machen und sich mit antirassistischen Gruppen an der Grenze auszutauschen & zu vernetzen.
Die Tour wurde von der Antirassismus AG der FöGA initiiert und von verschiedenen Gruppen in der BRD vorbereitet. An der einwöchigen Tour beteiligten sich ca. 40 Personen.

Dieser Reader will die während und nach der Tour gesammelten Informationen zusammenfassen. Der Reader wendet sich damit an alle TeilnehmerInnen der Tour und gleichfalls an interessierte Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen, die Näheres zur deutschen Ostgrenze und die Rolle des BGS erfahren wollen.

Da die meisten Texte des Readers erst im Nachhinein geschrieben wurden, spiegeln sie nicht unbedingt die Meinung aller TouteilnehmerInnen wider. Weitere Diskussionen, Recherchen und Aktionen zum Thema sind erwünscht.
Der erste Text berichtet etappenweise von unseren Erfahrungen bei der Tour und enthält die von uns vor Ort gesammelten Informationen.
Die folgenden vier Texte versuchen eine allgemeine Zustandsbeschreibung zur Ostgrenze, dem BGS und der "Festung Europa" zu liefern. Zum größten Teil stellt dies lediglich eine Zusammenfassung schon publizierter Informationen dar.

Im folgenden dokumentieren wir das Interview mit dem Chef des Grenzschutzamtes Frankfurt/Oder, verantwortlich für die gesamte deutsch-polnische Grenze, welches von einigen TeilnehmerInnen während der Tour geführt und gefilmt wurde.
Die Erzählung eines Rumänen über seine Flucht haben wir mit aufgenommen, weil sie sehr deutlich beschreibt, wie sich die Grenzüberwachung auf die Flüchtlinge auswirkt.

Es scheint sich kaum Widerstand an der Grenze gegen den BGS zu regen. Die individuellen, unorganisierten Widerstandshandlungen, die es sicherlich gibt, kommen nur selten an die Öffentlichkeit. Trotzdem sind sie ungemein wichtig, denn die konkrete Hilfe von GrenzbewohnerInnen kann es einzelnen Flüchtlingen ermöglichen, die Grenze zu passieren.

Um aufzuzeigen, was es an organisierten und politischen Widerstand gegen die Grenze gegeben hat, dokumentieren wir ein Interview mit den GrenzgängerInnen und die Erklärung der Revolutionären Zellen. Natürlich existieren auch vielfältige legale Widerstandsformen. Wir möchten hier nur auf zwei Beispiele verweisen. Die "Grenztour zu den neuen Mauern Europas" fand im Herbst 1993 statt. Die von der grünen Europaabgeordneten Claudia Roth organisierte Tour führte die "Prominenz" der Flüchtlings- und Antirassismusarbeit zur deutschen Ostgrenze und in die "sicheren" Nachbarländer Polen und Tschechische Republik. Diese Tour erreichte eine große Medienresonanz und deckte mehrere Skandale auf, wie den Einsatz von Bundeswehrsoldaten an der Grenze. (Es gibt eine sehr gute Videodokumentation zur Tour von Oliver Tolmein.)

Das Multikulturelle Zentrum in Zittau (MUK) organisierte im November 1993 eine Konferenz mit deutschen, polnischen und tschechischen Flüchtlingsinitiativen aus der Grenzregion, um eine grenzüberschreitende Vernetzung zu beginnen und die Beratungstätigkeit zu internationalisieren. (Das MUK veröffentlichte dazu eine Studie mit dem Titel "Menschenwürde an der Grenze".) Aktuellere Beispiele sind natürlich unsere Radtour, die Recherchearbeit der Forschungsgesellschaft für Flucht und Migration & der Antirassistischen Initiative Berlin und die Bemühungen der FöGA, weitere Aktionen an der Grenze bzw. zur Grenze durchzuführen.

Und: Widerstand gegen die Grenze und die "Festung Europa" darf sich nicht auf die Grenzen beschränken, sondern kann und muß überall stattfinden. Die Hürden, die es zu überwinden gilt, um in die "Festung Europa" zu gelangen, befinden sich nicht nur an den Schengenaußengrenzen, sondern schon weit davor - in den "sicheren Drittstaaten" - und tief im Landesinneren. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Funktionalität der Landesgrenzen abgenommen hat. Außerdem denken wir, daß auch die Unterstützung der Gruppen an der Grenze sehr wichtig ist, da in den meist kleinen Städten die linke Szene mit dem Abwehren faschistischer Aktivitäten voll ausgelastet ist.

Im Reader geht es dann weiter mit der Dokumentation unserer Demoreden, Flugblätter, den Pressereaktionen und einer Einschätzung der Tour (von einigen TeilnehmerInnen).

Im Anhang befinden sich wichtige Adressen - vor allem von den Gruppen, die an der Grenze aktiv sind - sowie eine Literaturliste.

Wir möchten noch mal allen Personen und Gruppen danken, die uns bei der Durchführung der Tour und der Zusammenstellung des Readers unterstützt haben!