LOTTA DURA

 

Nr. 10/97

 Ulrichsberg

 

 

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Was blieb vom Ulrichsberg?

 

"Ja das bürgerliche Interesse möchte gerade jedes andere, ihm entgegengesetzte, in das eigene Scheitern hineinziehen; so macht es, um das neue Leben zu ermatten, die eigene Agonie scheinbar grundsätzlich, scheinbar ontologisch. Die Ausweglosigkeit des bürgerlichen Seins wird als die der menschlichen Situation überhaupt, des Seins schlechthin ausgedehnt." (Ernst Bloch)

Das "kommando z. a. l. a." führte uns mit seinem Angriff auf das Täterdenkmal am Ulrichsberg nicht nur die post-faschistische Volksgemeinschaft vor, sondern auch eine Linke, die in weiten Teilen aus lauter Angst vor Haiders autoritär-plebiszitären Führerstaat bereits in diesem lebt. Ihr fiel Großteils nichts besseres ein, als sich in Distanzierungen von der gelungen Aktion am braunen Berg zu überschlagen. So wie den ÜberbringerInnen schlechter Nachrichten diese angelastet und verübelt werden, machten viele die AngreiferInnen auf die österreichische Normalität für diese verantwortlich. Der nächtliche Besuch am Ulrichsberg habe "der Sache" geschadet, tönte es aus der Mitte bürgerlicher AntifaschistInnen. Fragt sich nur welcher Sache: Standen die Bemühungen des "anständigen Österreichs", die alljährliche NS-Helden-ehrung abzustellen, unmittelbar vor ihrem erfolgreichen Abschluß? Schadete das "kommando z. a. l. a." nicht vielmehr allen abwiegelnden Selbstvergewisserungen und Versuchen, es sich in diesem Land irgendwie (politisch) einzurichten?

MIT DER DEFENSIVE UMGEHEN!

Die Reaktionen auf die Aktion gegen den Ulrichsberg sind ein weiterer deutlicher Ausdruck der hegemonialen Kräfteverschiebung. Unter dem Druck des Anti-Antifaschismus löste sich spätestens seit der (ökologisch motivierten) versuchten Sachbeschädigung von Ebergassing zuerst das liberale bis linke Segment aus KünstlerInnen und kritischer Intelligenz weitgehend auf. Mit der hingenommenen Kriminalisierung des Antifaschismus und Khols "Verfassungsbogen" gingen nicht nur viele Essentials des zivilen Widerstandes und der außerparlamentarischen Opposition den Bach runter, sondern auch so manche bürgerlich-rechtsstaatliche Errungenschaft. Wer schon einmal versucht hat, eine antifaschistische Demo durchzusetzen und sich dabei auf die Versammlungsfreiheit zu berufen, weiß, wovon wir sprechen. Wer das Kesseltreiben gegen Wolfgang Purtscheller aus der Nähe beobachtet, ebenfalls.

Im Wegfall des Großteils jener demokratischen Kräfte, die in ihrem Engagement gegen den expandierenden Überwachungsstaat und dessen Komplizenschaft mit Faschisten wichtige BündnispartnerInnen waren, sind die Kräfteverschiebungen nach Ebergassing durchaus mit dem "Deutschen Herbst" zu vergleichen.

Die Restlinke wirkt heute weitgehend gehetzt und überbietet sich in Unterwerfungshandlungen unter die staatliche/massenmediale und - was zunehmend in eins fällt - "freiheitliche" Definitionsmacht. Diese bestimmt, was in der politischen Auseinandersetzung erlaubt ist. In ihren Versuchen, das vorgegebene Terrain nicht zu verlassen, ist die Restlinke der Sagenfigur Sisyphus nicht unähnlich: mit jeder Demutsgeste und Gefälligkeit geht etwas an Boden verloren. Diejenigen, die für sich die immer rigider werdenden Vorgaben akzeptierten, ließen sich nicht nur in ihrer unmittelbaren politischen Praxis einschränken, sondern beschleunigten damit auch die Kräfteverschiebung. Sie reproduzierten so die eigene Schwäche. Wer sich von allem, was nicht den vorgegebenen Spielregeln entspricht, reflexartig distanziert, egal, um was es sich jeweils konkret handelt, der befördert daneben den Abbau des kritischen Unterscheidungsvermögens. So wie in der Nacht alle Katzen grau sind, wird heute jede linksradikale und antifaschistische Regung mehrheitlich als "Terror" identifiziert.

Wir wagen mal zu behaupten, daß eine derartige Aktion wie die gegen das NS-Heldenmal - in Zielauswahl, eingesetzten Mittel und Bekennung ebenfalls rasch und eindeutig als antifaschistisch identifizierbar - vor zehn Jahren anders rezipiert worden wäre. Das "Terror"-Geschrei wäre wohl auf die Rechte und den Boulevard beschränkt geblieben. Das Bedürfnis, sich umgehend zu distanzieren, wäre nicht derart verbreitet gewesen. (Was nicht heißen soll, daß direkte Aktionen außerhalb jeder Kritik stünden!)

Explizit ausgenommen von all dem sollen die indirekt Betroffenen werden: die Zusammenhänge der SlowenInnen und slowenischen PartisanInnen in Kärnten, die sich ebenfalls von dem
Angriff auf den Ulrichsberg distanzierten, befinden sich in einer anderen Lage wie die AntifaschistInnen im DÖW, "Falter", der Sozialistischen Jugend, der KPÖ oder der Partei der Grünen. Sie sind in diesem Land seit 1945 mit dem Stigma des "Fremden" und des/der "VolksfeindIn" belegt. Als Opfer und WiderstandskämpferInnen ziehen sie den Haß der "Deutschkärntner" auf sich. Ständig der (zunehmend auch offen ausgesprochenen) Drohung ausgesetzt, beim geringsten Aufmucken gegen den post-faschistischen Konsens den rechten Volkszorn zu erfahren, reagierten sie auf verständliche Art und Weise. Ihre Angst ist eine andere als das damit kokettierende Gehabe mancher PflichtdistanziererInnen.

Den Gegebenheiten vor Ort in Kärnten hätte aber das "kommando z. a. l. a." Rechnung tragen müssen: sich (wenn auch unabsichtlich) nach einer dort lebenden slowenischen Partisanin zu nennen, ist ihr gegenüber nicht gerade rücksichtsvoll. Es wäre jedoch verlogen und auch unsinnig, die Aktion mit dem Verweis auf eine drohende Zunahme der Angriffe auf slowenische Zusammenhänge zu verdammen. Damit würden die "heimattreuen" AngreiferInnen ein Stück weit entschuldigt werden.

Ähnlich verhält es sich mit dem allgemeinen Verweis auf eine Zunahme der Repression gegen die antifaschistische, radikale Linke: die Apparate reagieren weniger auf unser Tun als daß sie ihr Verhalten den politischen Verhältnissen und Erfordernissen anpassen. Notfalls wird der Anlaß zum Losschlagen auch erfunden. Wir müßten vielmehr unsere Strukturen unabhängig von konkreten Vorfällen so gestalten, daß sie derartige Schläge möglichst
unbeschadet aushalten.

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