Wieviel Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen werden heute mit Genickschuß
auf den Müllkippen gefunden? In welchem Land werden die Folterer bestraft,
die tausend Oppositionelle an die Elektroden anschlossen? Wieviel Journalisten
und Journalistinnen gelten als "verschwunden"? Wo werden die, die für
Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen nicht als "Terroristen" und "Terroristinnen"
denunziert und eingekerkert? Wieviel politische Gefangene gibt es heute
- im "Jahr der Menschenrechte"? Und die internationale Öffentlichkeit,
was erfährt sie davon, was will sie davon wissen?
50 Jahre nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte ist die Rede von den Menschenrechten allgemein geworden.
Die Menschenrechte sind es nicht.
Dreiviertel der Menschheit werden tagtäglich enteignet, der gesellschaftliche
Reichtum wird zum Eigentum Weniger. Definition und Anwendung der Menschenrechte
sind eine Frage der Macht. Es kommt immer nur darauf an, wer was tut: Die
eingeschlagenen Köpfe politischer Gefangener in der Türkei dienen
der "Aufruhrbekämpfung", die Live-Übertragungen von Hinrichtungen
im amerikanischen Fernsehen der "Verbrechensbekämpfung", die Massaker
an brasilianischen Landlosen dem "Schutz des Eigentums", das offizielle
Recht zur Folter in Israel dem "Friedensprozeß". Und die Genfer Flüchtlingskonvention,
sie schützt heute weniger denn je.
Wir sind Menschenrechtsorganisationen, Solidaritätskomitees und
revolutionäre Gruppen aus Palästina, Kurdistan, Italien, Baskenland
und Deutschland. In unseren Ländern wird gefoltert. Es gibt "Verschwundene"
und den "schmutzigen Krieg". Es gibt Isolationsfolter, Hochsicherheitsgefängnisse,
politische Sonderjustiz und vielfältige Konzepte sogenannter "präventiver
Aufstandsbekämpfung". Zusammen gibt es in unseren Ländern fast
20.000 politische Gefangene - weltweit werden es an die Hunderttausend
sein.
In den letzten 15 Jahren hat sich der global entfesselte Kapitalismus
bis in die letzten Winkel der Erde ausgedehnt. Seine Macht und Wirtschaft
definiert sich als "das beste System der Welt". Sein Sieg soll Frieden,
Freiheit und Wohlstand bringen. Für die Mehrheit der Menschen bedeutet
es lediglich Armut und Unterdrückung.
Wenn heute von Palästina die Rede ist, wird nicht von Besatzung
sondern vom Frieden gesprochen. Aber was ist das für ein Frieden,
in dem es 3000 politische Gefangene gibt? Was ist das für eine Demokratie,
in der Mörder wie Pinochet auf Lebenszeit in Amt und Würden bleiben,
während diejenigen, die sich den Gewehren der Diktatur mit aller Entschlossenheit
entgegenstellten, noch immer gefangen sind? Die Gewerkschaftsopposition
Indonesiens und die FreiheitskämpferInnen Osttimors sind nach dem
Rücktritt Suhartos noch immer nicht frei. Warum?
Befriedung oder Befreiung? Wir sagen: Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen
Frieden. Und Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Abschaffung
der Todesstrafe, Schluß mit Folter und schmutzigem Krieg, Freiheit
für die politischen Gefangenen und Bestrafung der Folterer und Mörder
- diese Ziele, sie sind richtig und sind nicht verwirklicht. Sind wir uns
darin einig, können wir nur einen Schluß ziehen: Die Gründe
zu kämpfen sind nicht weniger, sondern mehr geworden. Wir sagen nicht
wie gekämpft werden muß, aber wir sagen: Ein Kampf um Menschenrechte
verlangt den Kampf gegen jene Verhältnisse, die der Durchsetzung des
Rechts auf Emanzipation, Menschenwürde und Selbstbestimmung entgegenstehen.
Uns eint die Erfahrung: allein sind wir zu schwach, um wirkliche Veränderungen
durchzusetzen und die politischen Gefangenen zu befreien. Wir kennen das
mutige Beispiel der peruanischen MRTA-Guerillas. Sie setzten ihr Leben
ein für das die Freiheit ihrer Gefangenen - Sie verloren es, weil
sie alleine standen gegen Fujimoris Terrorismus und die Beihilfe der Internationalen
Staatengemeinschaft.
Wir kennen aber auch die Kraft internationaler Solidarität. Sie
war beispielsweise stark genug, bis in die Todeszellen der Weltmacht USA
zu dringen und den schwarzen Revolutionär und Journalisten Mumia Abu
Jamal bis jetzt vor den weißen Scharfrichtern zu schützen.
Solidaritätskomitees und Angehörigenorganisationen, Basis-
und Befreiungsbewegungen, revolutionäre Organisationen und oppositionelle
Gruppen, Menschenrechts- und Anwaltsvereinigungen!
Internationale Zusammenarbeit, Unterstützung, Hilfe und Solidarität
ist die Bedingung für die Freiheit und den Schutz politischer Gefangener.
Bisher ist unsere Zusammenarbeit oftmals zufällig, sporadisch und
nur selten koordiniert. Das schwächt uns und stärkt die Macht
der Gegner. Internationaler Kampf braucht Diskussion. Damit wollen wir
in Berlin anfangen. Bringen wir unsere Analysen, Erfahrungen und Perspektiven
zusammen.
Freiheit für alle politischen Gefangenen weltweit!
ADAMEER (Palästina), Coordinamente Mumia Abu Jamal (Italien), Gestoras Pro Amnistia (Baskenland), Libertad/ Organisationskomitee (Deutschland)
Kontakt:
Konferenzbüro, Yorkstr. 59, 10965 Berlin
Email: konferenz@libertad.de