Die Geschichte des 18. März

Vom Tag der Pariser Commune zum bundesweiten Aktionstag für Solidarität und Widerstand gegen staatliche Unterdrückung

Der 18. März 1995, der Tag der politischen Gefangenen, wurde auf Initiative von "Libertad!" als bundesweiter Aktionstag wieder ins Leben gerufen: als Kampftag für die Freiheit der politischen Gefangenen und der Solidarität gegen staatliche Unterdrückung. Seitdem finden an diesem Tag auf Initiative von "Libertad!" und der "Roten Hilfe" in vielen Städten Veranstaltungen, Kundgebungen und Aktionen statt.

Historischer Hintergrund

Der 18. März hatte in der Geschichte der Klassenkämpfe schon mehrfach Bedeutung. 1848 trat das sich entwickelnde Proletariat (zeitweilig zusammen mit dem aufbegehrenden Kleinbürgertum) gegen Junker, Aristokratie und Großbourgeoisie an. 1871 kämpfte das Pariser Proletariat gegen dieselben Feinde und konnte für einige Wochen die Machtfrage für sich entscheiden. Seither ist die Pariser Commune ein Begriff in der Geschichte der Klassenkämpfe, und bis in die 20er Jahre galt der 18. März innerhalb der ArbeiterInnenbewegung als " Tag der Pariser Commune". Auch deshalb wurde er seit 1923 von der Internationalen Roten Hilfe (IRH) als " Internationaler Tag der politischen Gefangenen" begangen.

Der 18. März 1848 steht für die Barrikadenkämpfe der Berliner proletarischen Massen, die militant gegen das preußische Militär vorgingen. Im ganzen Land hatten sich Regionen des Widerstands und des Aufruhrs herausgebildet, in denen sowohl gegen Junker und Feudalherren als auch gegen die mit der Aristokratie verbundene Großbourgeoisie rebelliert wurde Es wurde um grundlegende demokratische Freiheiten, die Volksbewaffnung und das Assoziationsrecht1 gekämpft. Doch schließlich blieb das Jahr 1848 nicht nur als Jahr des Aufbruchs und Aufbegehrens im Bewußtsein der Menschen haften, sondern gleichzeitig auch als Jahr der Niederlage, der siegreichen Konterrevolution: weil der Klassenkampf in Frankreich nicht entschieden war und der revolutionäre Aufbruch im späteren Deutschland durch ein Bündnis aus Bourgeoisie, Junkertum und restaurativ-reaktionärer Monarchie blutig niedergeschlagen werden konnte ließ sich das verängstigte Kleinbürgertum in die Arme der Reaktion treiben.

Übrig blieb die Macht des Großbürgertums und der Junker, gefestigt durch Wahlen (Drei-Klassen-Wahlrecht), Nationalversammlung und liberaldemokratische Verfassung.

1871 - Die Pariser Commune

Als Ergebnis des preußisch - französischen Krieges kommt es am 25. Januar 1871 zur Kapitulation Frankreichs durch die republikanische " Regierung der Nationalen Verteidigung" unter Thiers und Favre. Da die Last der Ergebnisse der Kapitulationsverhandlungen das französische Volk tragen soll, kommt es in ganz Frankreich zu Aufständen. Nach Monaten blutiger Kämpfe um Paris übernimmt am 18. März die republikanische Nationalgarde in Paris die Macht und proklamiert, innerhalb von zehn Tagen Wahlen zum Rat der Commune abzuhalten.

Damit ist in Paris das Volk an der Macht. Thiers und Favre fliehen nach Versailles und verbünden sich mit Preußen, um die Commune zu zerschlagen und Paris zurückzuerobern.

Die Rache der französischen Bourgeoisie an den CommunardInnen endete mit Hilfe des preußischen Militärs fürchterlich. 25.000 Menschen starben beim Sturm auf Paris, 3.000 ließen in den Gefängnissen ihr Leben, 13.700 wurden verurteilt, die meisten zu lebenslänglichen Strafen. Die Bourgeoisie Frankreichs hatte blutig triumphiert, die Herrschenden Europas klatschten Beifall angesichts der Niederlage des ersten Versuchs einer wirklichen Volksherrschaft.

Der Tag der politischen Gefangenen 1923

1923 wurde durch die IRH ( Internationale Rote Hilfe) zum ersten Mal der 18. März als "Internationaler Tag der politischen Gefangenen" ausgerufen. Die Reaktion auf die erfolgreiche Revolution in der Sowjetunion und die instabile Lage der kapitalistischen Staaten nach dem ersten Weltkrieg führte zu einer massiven Verschärfung im Kampf gegen die revolutionären Kräfte. Der weiße Terror wütete allerorts. In zahlreichen Staaten Nord- und Osteuropas wurden schon 1918 Konzentrationslager errichtet, in denen allein in Finnland mehr als 26.000 Menschen umkamen. In Bulgarien und Bessarabien wurden ca. 30.000 Menschen ermordet, in Polen wurde mit Giftgas gegen streikende ArbeiterInnen vorgegangen. In Deutschland ließen Sozialdemokraten auf streikende und hungernde ArbeiterInnen und Matrosen schießen und revolutionäre FührerInnen einkerkern oder, wie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, ermorden.

Weil zahllose RevolutionärInnen in Kerkern landeten und auch ihre Familien unter politischer Repression und materieller Not litten, entstanden in mehreren Ländern, unter anderem in Polen und Bulgarien, lose Hilfsorganisationen, in denen vor allem die Angehörigen der getöteten, verhafteten oder geflohenen RevolutionärInnen wirkten. In Deutschland gründeten sich die ersten Hilfsvereine bereits 1919, aus denen sich die Rote Hilfe Deutschland entwickelte. Auf Anregung von Julian Marchlewski wurde am 22. November 1922 auf dem IV. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale die IRH gegründet. Einer der ersten Beschlüsse der IRH betraf die Durchführung eines internationalen Tages der politischen Gefangenen, der bereits ein halbes Jahr später, am 18. März 1923, zum ersten Mal stattfand.

Mit diesem "Internationalen Tag der politischen Gefangenen" sollte vor allem das Bewußtsein und die Solidarität für die Lage der gefangenen GenossInnen weltweit erzeugt und verankert werden und zum praktischen Ausdruck kommen.

Solidarität und Widerstand gegen staatliche Unterdrückung heute

An der Lage der politischen Gefangenen hat sich im Laufe der Zeit nichts geändert. Die Worte von Clara Zetkin aus dem Jahre 1932 zum zehnjährigen Bestehen der IRH machen dies deutlich: "Das ganze kapitalistische Gefängnissystem ist darauf angelegt, die politischen Gefangenen körperlich und seelisch zu zermürben, Folterungen, Karzer, Einzelhaft, geisttötende Arbeit, Schikanen wie Fernhaltung revolutionärer Presse und Literatur, schlechte Kost usw. sind tägliche Erscheinungen." Auch wenn Clara Zetkin noch nichts über faschistische Mordfabriken oder die moderne Erforschung der weißen Folter als sensorische Deprivation gegen Gefangene wissen konnte, so könnte ihre Beschreibung auch in den heutigen Tagen verfaßt worden sein. Doch Clara Zetkin verharrte natürlich nicht nur in der Beschreibung und Anklage der Zustände. Sie forderte internationale Solidarität für die politischen Gefangenen ein. "Die wichtigste Unterstützung für die Gefangenen", so schrieb sie, "ist zweifellos die moralische. Sie müssen die Gewißheit haben, daß ihre Klassenbrüder sie nicht vergessen haben. Dieses Bewußtsein wird nicht nur ihr Schicksal erleichtern, sondern sie auch als ungebrochene revolutionäre Kämpfer in die Reihen der Revolution zurückführen."

Auch heute zeigt sich, daß Repression in ihrer Anlage und Struktur stets auf die Zerstörung revolutionärer Prozesse gerichtet ist. Am härtesten betroffen sind natürlich die Gefangenen, die der staatlichen Gewalt uneingeschränkt und ungeschützt ausgeliefert sind.

Die Notwendigkeit der Solidarität mit den politischen Gefangenen und allen aufgrund ihrer fortschrittlichen Tätigkeit und Gesinnung von Repression Betroffenen, zieht sich von den Gefangenen und Gefolterten des März 1848 bis zu den politischen Gefangenen in den Knästen der Welt des Jahres 1998. Auch heute ist eine Bewegung daran zu messen, wie sie sich zu ihren Gefangenen verhält.

1 Das Recht, sich in Parteien, Interessenverbänden zusammenzuschließen.