Deutschland unterstützt angeblich die PKK – Die Bundesregierung gibt sich schuldbewusst

Ministerpräsident Erdoğan läuft Amok gegen Parteienstiftungen

Elmar Millich

Anlässlich der Eurokrise tritt die Bundesregierung gerne als Schulmeister gegenüber den südeuropäischen Ländern auf, welche Sparanstrengungen auf Kosten der Bevölkerung durchzuführen sind, damit weiter Geld fließt. Im Gegensatz dazu scheint ihr aber im Umgang mit dem türkischen Minis­terpräsidenten Erdoğan jedes Selbstbewusstsein abhanden gekommen zu sein. Seit Kurzem treibt die AKP-Regierung bezüglich der angeblichen PKK-Unterstützung in Deutschland eine Sau nach der anderen durchs Dorf, während die Reaktion der Bundesregierung darin besteht, wie ein zur Rechenschaft gezogener Schüler aufzulisten, was Deutschland schon alles gegen die PKK unternommen hat.
Den Anfang setzte Erdoğan im Oktober 2011 mit der Behauptung, die Stiftungen deutscher Parteien würden die PKK unterstützen. Diese Äußerung bewirkte quer durch alle politischen Kreise nur Kopfschütteln. Sollten die Stiftungen etwa schwarze Kassen unterhalten, aus denen gegen einschlägige strafrechtliche Bestimmungen Geld an die PKK fließt? Genaueren Nachfragen wich Erdoğan dann aus. Bei einem einige Wochen später erfolgten Türkeibesuch von Außen­minister Westerwelle wurde das Ganze als „Missverständnis“ heruntergestuft.
Kaum hatten sich die Wogen geglättet, legte die AKP nach. Anlässlich der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei fuhr symbolisch ein Zug die alte Strecke von Istanbul nach München. An Bord waren neben damaligen Gastarbeitern der ersten Generation auch der türkische Parlamentspräsident Cemil Çiçek. Völlig am Anlass vorbei polemisierte er gegenüber der Presse, in Deutschland würden doppelt so viele PKK-Mitglieder leben wie in den Kandil-Bergen. Und auch Ministerpräsident Erdoğan stieß bei den darauffolgenden offiziellen Feierlichkeiten als Gast in Berlin gegenüber der Bundeskanzlerin ins gleiche Horn: Wer es hinnehme, dass die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans in Europa Medien betreiben und Geld sammeln könne, der mache sich mitschuldig am Tod von Frauen und Kindern durch Terroranschläge, gab er während einer Festrede von sich.

Nun sind das eigentlich Töne wie zwischen Ländern, die kurz vor einem Kriegsausbruch stehen, und nicht wie zwischen angeblich befreundeten Partnern. Entsprechend ernste Worte und klare Reaktionen hätte man von der Bundesregierung erwartet. Hier herrschte jedoch Fehlanzeige. Auf die Provokation Erdoğans in seiner Rede erwiderte die Kanzlerin noch an gleicher Stelle, dass man im Kampf gegen den Terrorismus an seiner Seite stünde. Fast schon unterwürfig war die Reaktion von Innenminister Friedrich auf die Vorwürfe von Staatspräsident Gül anlässlich eines Staatsbesuchs in Deutschland Anfang September, die PKK würde vom demokratischen Umfeld in Deutschland profitieren. Akribisch listete er auf, wie viele kurdische Vereinigungen in Deutschland schon verboten und wie viele Anhänger der PKK schon zu Haftstrafen verurteilt worden sind. Ein noch schärferes Vorgehen, so äußerten Zeitungskommentare, scheitere an der Rechtsstaatlichkeit Deutschlands.

Nun müsste sich Deutschland eigentlich objektiv betrachtet keine Vorwürfe anhören müssen. Beginnend mit dem PKK-Verbot 1993 war Deutschland, egal unter welcher Regierung, in Europa immer Vorreiter gewesen, wenn es darum ging, die politischen Spielräume der kurdischen Exilbewegung durch Kriminalisierung einzuschränken. Daran hat sich aktuell nichts geändert, im Gegenteil: Mit dem politischen Entschluss im Verlauf dieses Jahres, angebliche Mitglieder der PKK auch nach § 129b (Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung) zu verfolgen, hat die Repression noch einmal eine neue Qualität erlangt. Die Bilder in Deutschland bei kurdischen Demonstrationen, wenn Polizisten unter massivem Gewalteinsatz Personen festnehmen, weil sie Bilder von Öcalan oder Fahnen kurdischer Organisationen bei sich tragen, unterscheiden sich kaum von denen in der Türkei. Auch die kurdischen Medien stehen schon lange im Fokus der deutschen Sicherheitsbehörden, wie die temporären Verbote gegen die Zeitung Özgür Politika und den Fernsehsender ROJ TV in der Vergangenheit gezeigt haben. Die Beschlagnahmung eines Übertragungswagens von ROJ TV im September 2011 und ein aktuelles Strafverfahren gegen Yeni Özgür Politika wegen des angeblichen Zeigens von PKK-Symbolen zeigt, dass diese Linie weiterverfolgt wird. Mit dem Verbot der für den 26. November in Berlin geplanten Großdemonstration gegen das PKK-Verbot wurde das Demonstrationsrecht für KurdInnen de facto ausgehebelt. [s. S. 57]

Demokratie-Bonus der AKP aufgebraucht
Worauf zielt also Erdoğan mit seinen Anschuldigungen? Viele Kommentatoren sind der Meinung, dass in der angespannten Konfliktlage in den kurdischen Gebieten der hauptsächliche Adressat das heimische Publikum ist. Richtig ist, dass entgegen allen Fakten Verschwörungstheorien, bei denen wahlweise Europa oder die USA die PKK unterstützen, um analog zum Vorgehen im Kosovo die türkische Nation zu spalten, immer Konjunktur haben. Aber die Erklärung greift zu kurz. Es handelt sich hier auch um eine Flucht nach vorn. Erdoğan hat in den letzten Wochen der gesamten kurdischen Bevölkerung und auch den türkischen Intellektuellen, die nicht bereit sind, sich der AKP-Linie zu beugen, den totalen Krieg erklärt. Kommentatoren schreiben offen von einer „tamilischen Lösung“ der kurdischen Frage. Gleichzeitig schickt sich die AKP-Regierung an, im Nachlauf des „arabischen Frühlings“ über ihre Kontakte zu den Muslimbrüderschaften die Hegemonie in der Region anzustreben. Aktuell betreibt die Türkei die aktive militärische Destabilisierung Syriens.
Hier ergeben sich auch die Gefahren für die AKP-Herrschaft. Es verträgt sich nun mal nicht auf Dauer, sich gegen­über den arabischen Massen als Hüter der Palästinenserinteressen und Menschenrechte aufzuspielen, während man im eigenen Land die Rechte der kurdischen Bevölkerung brutal unterdrückt. Wenn etwa der arabische Sender Al-Dschasira anfangen würde, die Entwicklungen in Kurdistan im Zusammenhang mit dem arabischen Umbruch zu sehen und entsprechend zu kommentieren, hätte die Türkei ein Problem, wie letztens ein kurdischer Kommentator anmerkte.
Die Sensibilisierung der europäischen Öffentlichkeit und der Medien für Demokratiedefizite in der Region ist durch den „arabischen Frühling“ gewachsen. Noch schafft es die türkische Regierung, ihren Mix aus laizistischer Demokratie und Islamismus als neues Modell für die Region zu verkaufen. Aber zunehmend mehren sich die kritischen Stimmen in Europa. Durch die kürzlich erfolgte Strafanzeige deutscher AnwältInnen gegen Erdoğan bei der Bundesanwaltschaft wegen Kriegsverbrechen waren die Praktiken der türkischen Armee bezüglich der Ermordung gefangener Guerillas und des Einsatzes chemischer Waffen zumindestens kurzfristig in den Medien präsent. [s. S. 47 ff.]Auch die Verhaftung der gesamten kurdischen Opposition und neuerdings auch türkischer Intellektueller im Rahmen der KCK-Verfahren und ähnlicher politischer Prozesse wird allmählich kritisch betrachtet. Der Bonus, den die AKP-Regierung durch reale demokratische Veränderungen in den ersten Regierungsjahren aufgebaut hat, ist langsam aufgebraucht. Zurzeit sitzen so viele politische Gefangene wie noch nie seit dem Militärputsch von 1980 im Gefängnis. Erste Kommentatoren ziehen Vergleiche zu der Situation in China. Spätestens seit der kompletten Auswechselung des militärischen Generalstabs im August kann die Regierung auch nicht mehr sabotierende Anhänger des Kemalismus als Sündenböcke für Menschenrechtsverletzungen vorschieben. Die zunehmende Gleichschaltung der Medien, die Besetzung aller staatlichen Ämter mit Vertrauenspersonen der AKP sowie der wachsende Einfluss des Fethullah-Gülen-Ordens schaffen Misstrauen bei den Verbündeten und in der Öffentlichkeit. Dass die Nervosität der türkischen Regierung in diesem Punkt steigt, zeigt auch der Umgang mit Menschenrechtsdelegationen aus Deutschland. So wurden im September zwei Mitglieder einer Delegation zur Untersuchung der Todesumstände von Andrea Wolf nachts für mehrere Stunden festgenommen und verhört. Gegen einen Teilnehmer einer anderen Delegation ebenfalls im September wurde in den türkischen Medien eine beispiellose Hetze als PKK-Helfer durchgeführt.
Um ihre Unterdrückungs- und Vernichtungspolitik in Kurdistan ungestört umzusetzen, ist es für die AKP-Regierung wichtig, sich in der internationalen Öffentlichkeit als Opfer terroristischer Angriffe darzustellen, wie es auch Israel seit Jahrzehnten schafft, den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung umzukehren. So erscheinen die Vorwürfe Erdoğans gegen Deutschland auch als Hilferuf, das seit dem 11.9.2001 bestehende politische Primat des internationalen Kampfs gegen den Terror unbedingt aufrechtzuerhalten, das unter dem arabischen Umbruch und der militärischen Erfolglosigkeit in Afghanistan langsam bröckelt.

Was treibt aber die deutsche Bundesregierung zu ihrer Leisetreterei gegen die türkische Polemik in Sachen PKK-Unterstützung? Erdoğan scheint hier Narrenfreiheit zu besitzen wie auch bei seinen Drohungen gegen Israel, welche der erklärten „Freundin des israelischen Volkes“ Angela Merkel keine Stellungnahme wert waren, während die unappetitlichen Ausfälle des iranischen Staatspräsidenten Ahmadinejad regelmäßig zu scharfen Reaktionen führen.
Hier sind mehrere Gründe ausschlaggebend. Zum einen beruht Diplomatie auf Geben und Nehmen. Bei den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens etwa war die PKK nur ein Thema von vielen. Ebenso standen die türkischen Forderungen im Raum, dass Deutschland den EU-Beitrittsprozess der Türkei aktiver unterstützen soll und eine Änderung der deutschen Visa-Politik beim Einreisen türkischer Staatsbürger. Hier nutzt die deutsche Politik schon seit Jahren die Tatsache aus, dass die internationale Stigmatisierung der kurdischen Bewegung als terroristisch für die Türkei oberste außenpolitische Priorität hat. Durch Zugeständnisse beim „Kampf gegen den Terror“ lassen sich für Deutschland, wenn auch auf dem Rücken der kurdischen Bevölkerung, eben Zugeständnisse in Bereichen vermeiden, die innenpolitisch wehtun, ohne dass die Beteiligten ihr Gesicht verlieren. Die Erpressbarkeit der Türkei bezüglich ihrer eigenen Kurdenpolitik zeigt auch die von der PKK schroff zurückgewiesene Ankündigung des israelischen Außenministers Liebermann, bei einer weiteren Zuspitzung der Situation zwischen Israel und der Türkei die PKK zu unterstützen.
Wichtiger aber noch für Erdoğans aggressives Auftreten gegenüber angeblichen Machenschaften der PKK in Europa ist die Tatsache, dass er sich hier der Unterstützung durch die USA sicher ist. Führende Vertreter der USA haben immer wieder öffentlich bekräftigt, dass sie ihrerseits Druck auf die europäischen Verbündeten ausüben wollen, wenn es darum geht, etwa die Ausstrahlung von ROJ TV zu unterbinden oder Finanzströme auszutrocknen. In den USA hat hier ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Unter Präsident Bush wurde die Türkei auf eine Kurdenpolitik gemäß Zuckerbrot und Peitsche eingeschworen. Auf der einen Seite konsequentes militärisches Vorgehen und politische Isolation gegenüber der PKK. Auf der anderen Seite aber auch substantielle kulturelle und demokratische Zugeständnisse gegenüber den KurdInnen, um der PKK die Verankerung in der Bevölkerung zu nehmen. Geblieben scheint davon nur die Peitsche. Dass der erste Auslandsbesuch nach seiner Wahl Präsident Obama in die Türkei führte, war ein deutliches Signal, welche Rolle die USA ihr in der Zukunft beimessen würden. Durch den „arabischen Frühling“ und das sich abzeichnende neue Hegemoniemodell aus Islamismus light und exportorientierter Bourgeoisie hat die Bedeutung Ankaras noch einmal zugenommen. Neben der militärischen Unterstützung durch die USA scheint auch die politische Zerschlagung der gesamten kurdischen Bewegung und des Konzepts einer Demokratischen Autonomie von ­Washington gedeckt zu werden. Entsprechend halten sich auch die Europäer zurück. Im Gegensatz zu früheren gelegentlichen Vorstößen ist von einer politischen Lösung der kurdischen Frage nirgendwo mehr die Rede, auch wenn sie dringender notwendig wäre denn je.

Türkei und Deutschland haben die gleiche Sicht
Aber natürlich gibt es auch jenseits äußeren Drucks innerhalb des deutschen Establishments aus Politik, Sicherheitskräften und Medien eine langjährige und tiefe Ablehnung gegenüber der kurdischen Bewegung. Deutschland hat in den letzen 20 Jahren nie einen Versuch unternommen, eine politische Lösung der kurdischen Frage zu initiieren, sondern die Türkei in ihrem Kriegskurs immer unterstützt. Deutschland ist hier nicht nur Getriebener, sondern auch Treiber.
Kehren wir noch mal zu Erdoğans Vorwurf zurück, die politischen Stiftungen der Parteien würden die PKK unterstützen. Die Vorwürfe zielen hauptsächlich auf die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), die Heinrich-Böll-Stiftung (Die Grünen) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung (DIE LINKE). Diese Stiftungen unterhalten Kontakte zu der kurdischen Partei BDP, die in Kurdistan die Mehrheit der BügermeisterInnen stellt, als auch zu zivilgesellschaftlichen Organisationen, von denen viele im Dachverband DTK organisiert sind. Genau gegen diese Organisationen richten sich die oben erwähnten KCK-Verfahren. Die Mehrzahl der über 4 000 politischen Gefangenen der letzten Zeit stammt aus diesem Umfeld. Erdoğans Angriffe waren durchaus als Warnschuss gedacht, dass sich Europa nicht in die KCK-Verfahren einzumischen hat, auch wenn dieser Schuss eher nach hinten losging. Nach der PKK sollen nun auch die kurdischen Parteien und Zivilorganisationen außenpolitisch isoliert werden.
Natürlich hätte eine Bundesregierung, die sich ständig zu Demokratie und Rechtsstaat bekennt, die Gelegenheit zum Konter nützen müssen, die Türkei solle lieber die politische Verfolgung ziviler Organisationen und gewählter PolitikerInnen einstellen als die kooperierenden deutschen Stiftungen anzugreifen. Stattdessen erfolgten, wie schon erwähnt, die peinliche Aufzählung von Innenminister Friedrich, was schon alles gegen die PKK getan wurde, und das anschließende Herunterspielen von Außenminister Westerwelle auf ein „Missverständnis“. Im Hintergrund scheint hier nicht nur Diplomatie zu stehen, sondern eine gemeinsame Sichtweise der deutschen und der türkischen Regierung auf die kurdische Bewegung. Grundlage der KCK-Verfahren in der Türkei ist, um es kurz zu umreißen, dass, wer Forderungen erhebt, die auch von der PKK gestellt werden – etwa muttersprachlicher Unterricht oder mehr regionale Autonomie –, als Mitglied eben dieser PKK verurteilt werden kann. Somit wird der gesamte Teil der kurdischen (und auch türkischen) Bevölkerung, der sich für kurdische Forderungen einsetzt, zur Kriminalisierung freigegeben. Genau diese Repressionsschiene verfolgt auch die Bundesrepublik schon seit Jahrzehnten. Wer sich nur ansatzweise im politisch aktiven kurdischen Umfeld aufhält, sei es durch Vereinsbesuche oder Teilnahme an Demonstrationen, muss mit Bespitzelung, ausländerrechtlicher Diskriminierung und auch Strafverfahren rechnen. Der Logik der türkischen KCK-Verfahren folgt auch der deutsche Verfassungsschutz. In seinem letzten Bericht wurde die Kampagne „TATORT Kurdistan“ als PKK-Kampagne bezeichnet. Forderungen nach einem Stopp der Waffenlieferungen an die Türkei und dem Verzicht auf Staudammprojekte sind halt dann staatsgefährdend, wenn sie aus einem bestimmten politischen Umfeld kommen. Diese Einschätzung des Verfassungsschutzes wurde von der Bundesregierung auf eine Kleine Parlamentarische Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) explizit bestätigt. Zwischen offener Kriminalisierung zivilgesellschaftlicher Organisationen in der Türkei und Vorfeldkriminalisierung durch den Verfassungsschutz in Deutschland steht dann noch die sich im Abbau befindende „Rechtsstaatlichkeit“, aber die Sicht der Dinge ist die gleiche. Auch die Medien flankieren: Unter dem Titel „Eine nützliche Verbindung“ erschien am 23.10.2011 in der FAZ-Sonntag ein recht reißerisch aufgemachter Artikel über die Kooperation zwischen der Partei DIE LINKE und der PKK. Der Kernvorwurf zielte darauf, dass YEK-KOM als laut Verfassungsschutz legale Basis der illegalen PKK zur Wahl kurdischstämmiger Landtagsabgeordneter der Partei DIE LINKE aufgerufen hatte. Aus einem völlig legalen und öffentlichen Vorgang – auch türkische Organisationen forderten in der Vergangenheit ihre Mitglieder etwa zur Wahl der SPD auf – wird hier ein konspirativer Vorgang konstruiert, der die Sichtweise des Verfassungsschutzes kritiklos übernimmt. Natürlich haben auch kurdischstämmige MigrantInnen das Recht, durch Mitgliedschaft in deutschen Parteien Lobby für ihr Anliegen zu machen. So etwas nennt man gemeinhin Integration. Die Weise, in der in dem Artikel kurdischstämmige Abgeordnete als Trojanische Pferde der PKK diffamiert werden, steht der Hetze gegen die gewählten Parlamentsabgeordneten der BDP in der Türkei nicht viel nach.
Die Reaktions- bzw. Nichtreaktionsweise der Bundesregierung auf die Vorwürfe von Erdoğan beruht neben imperialis­tischen Interessen auch auf einem subjektiv gemeinsamen Feindbild gegenüber der kurdischen Bewegung, das über lange Jahre gewachsen ist. Es ist Aufgabe der Öffentlichkeit, diesen Konsens aufzubrechen und nach neuen Lösungswegen im Umgang mit der kurdischen Frage zu suchen. Sowohl in der Türkei als auch in Deutschland.