Der 10. PKK-Kongress

Die Vollendung des Neuaufbaus

Zusammenfassung von Gesprächen mit Cemil Bayık, Murat Karayılan und Duran Kalkan

Die Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) reorganisierte sich im April 2005, nachdem sie sich 2002 für aufgelöst erklärt hatte. Vom 21. bis 30. August 2008 fand ihr 10. Parteikongress statt. Die PKK ist seit 30 Jahren eine wichtige politische Kraft im Mittleren Osten, die auch in der Zeit ihrer Inaktivität nichts von ihrer Bedeutung verloren hatte. Sie ist eine Bewegung, die über eine große Dynamik verfügt, mit deren Hilfe sie sich erneuern und den Anforderungen anpassen kann. Seit gut sechs Jahren befindet sie sich in einer solchen, für viele EuropäerInnen nicht leicht nachzuvollziehenden, Phase. Der folgende Text wird sicherlich zum Verständnis aktueller politischer als auch PKK-interner Entwicklungsprozesse beitragen können. Es handelt sich dabei um eine Zusammenstellung von Auszügen aus ursprünglich separat bei der Nachrichtenagentur ANF nach dem Kongress veröffentlichten (9.–13.9.08) Interviews mit den drei PKK-Gründungsmitgliedern Cemil Bayık, Murat Karayılan und Duran Kalkan zum 10. PKK-Kongress.

Welche Besonderheiten kennzeichnen die Phase, in der Ihr 10. Kongress stattfand?

Cemil Bayık: Wir durchleben im Mittleren Osten den dritten Weltkrieg. Das globale Kapital versucht, seine Herrschaft zu errichten auf der Grundlage der Neutralisierung von Staaten, die ihren Nationalstatus aufrechterhalten wollen, und der Erstickung der Freiheitsalternative der Völker. So soll der Mittlere Osten dem globalen Kapital vollständig zugänglich gemacht werden. Wir haben unseren 10. Kongress in einer Phase durchgeführt, die bestimmt ist von militärischen Auseinandersetzungen im Irak, in Afghanistan, im Kaukasus und von der angespannten Lage in Iran und Kirkuk. Während der Mittlere Osten im Ersten Weltkrieg im Rahmen der Interessen des Kapitalismus neu geordnet wurde und im Zuge dieser Neuordnung Nationalstaaten entstanden, spielte sich der Krieg in Kurdistan ab. Als Resultat dessen wurde Kurdistan in vier Teile zerlegt und dem kurdischen Volk seine Existenz abgesprochen. Das kurdische Volk ist seitdem gefangen im System der Verleugnung und Vernichtung. Während das globale Kapital heute danach trachtet, die Region erneut mit Krieg neu zu ordnen und den Einfluss von Nationalstaaten zu brechen, tobt auch diesmal der Krieg in Kurdistan. Die Staaten, allen voran die Türkei, Iran und Syrien, versuchen, den Status quo des Mittleren Ostens aufrechtzuerhalten und dabei auch den Irak auf ihre Seite zu ziehen, um die kurdische Freiheitsbewegung zu bekämpfen. Gegen die Angriffe sowohl des globalen Kapitalismus als auch der Kräfte des Status quo, die die Freiheitsbewegung unter ihre Kontrolle bringen oder sie zumindest neutralisieren wollen, führen wir vielleicht den größten und würdevollsten Kampf unserer Geschichte.
Man will unseren Vorsitzenden Abdullah Öcalan – der eine freie Gesellschaft zu errichten sucht – und die PKK unter Kontrolle bekommen, zumindest neutralisieren, um die kurdischen Kollaborateure an die Macht zu bringen und alle Kurden dem Kapital unterstellen zu können. Deshalb wird gegen unseren Vorsitzenden und gegen die PKK der Druck erhöht, Isolation und Angriffe werden verstärkt. Seit Jahren stehen wir als Bewegung im Kampf mit dem System der Verleugnung und Vernichtung. Die PKK ist inzwischen nicht nur in Bezug auf die Lösung des kurdischen Konflikts zur dritten Kraft geworden, sondern auch bei der Lösung der die Menschen und Gesellschaften heute betreffenden Probleme. Sie möchte die gesellschaftlichen Probleme mit der demokratischen Kommunalität lösen. Aus diesem Grunde gerät sie zu den Vertretern des globalen Kapitals und zu den Kräften des Status quo in Konfrontation. Unsere Widersprüche mit ihnen sind tiefgründig und wir befinden uns im ständigen Kampf. Diese Kräfte repräsentieren die Gesellschaften von Staaten, wir hingegen streben ein demokratisches und freiheitliches System außerhalb von Staaten an.
USA und EU arbeiten gemeinsam an der Intervention des globalen Kapitals im Mittleren Osten. Durch die Ent­wicklung des türkisch-irakischen Bündnisses wollen die USA in der Region verstärkt von der Türkei profitieren. Mit der Förderung des politischen Islam im Mittleren Osten und mit der Stärkung der Kollaboration in Kurdistan versuchen sie, den gegenwärtigen Status quo zu kippen. Auf dieser Grundlage intervenieren sie wiederholt zur Beeinflussung des politischen Aufbaus der Türkei. Ein gewisser Erfolg lässt sich auch beobachten. Die Türkei wurde in die Führung der Organisation der Islamischen Konferenz gebracht und zum nichtständigen Mitglied im UN-Sicherheitsrat gewählt. Außer in den Konflikten in Georgien, dem Kaukasus, Afghanistan, Pakistan, dem Irak wird sie auch gebraucht in den Auseinandersetzungen zwischen Iran und USA, Syrien und Israel, Palästina und Israel, Libanon und Israel. Mit Armenien scheint sich die Situation zu entspannen. Alles das realisiert durch den Druck der USA, die Türkei Schritt für Schritt auf ihre Linie zu bringen. Der politische Islam entfaltete in der Türkei seine Wirkung. Es ist zu beobachten, dass die türkische Republik ihre Hülle wechselt. Während sie die ihr von den USA auferlegte Rolle annimmt und neben den USA und der EU auch die Unterstützung der regionalen Kräfte des Status quo hinter sich hat, sucht sie unsere Bewegung zu vernichten und auf diese Weise zur Regionalmacht zu avancieren. Die USA wollen die Kurden für sich gewinnen, um von ihnen zu profitieren. Die PKK steht ihnen da im Weg, daher soll sie überwunden werden. Die Stärkung des Einflusses des Nationalismus soll Kurdistan dem globalen Kapital zugänglich machen. Ohne das scheint ihr Erfolg in der Region nicht leicht realisierbar.
Mit diesem Ziel war gegen unsere Bewegung ein internationales Komplott entwickelt worden. Dessen erste Etappe bestand in der Neutralisierung unseres Vorsitzenden, er wurde verschleppt und gefangen genommen. Dann kam die zweite Etappe mit der Verrätergruppe in der Bewegung. Dieser Verrat, diese Provokation versuchte, uns in das System einzugliedern, und fügte uns einen gewissen Schaden zu.
Gegenwärtig kann man sagen, dass die Komplott-Kräfte die dritte Etappe eingeleitet haben. Diese sieht vor, alle der Linie unseres Vorsitzenden verbundenen Kader zu liquidieren, um die übrig Gebliebenen ins System zu integrieren. Aus diesem Grunde haben die USA die PKK zum gemeinsamen Feind erklärt und ihre Unterstützung für die Türkei verstärkt. Sich darauf verlassend versuchte die Türkei im letzten Herbst und Winter, ihr Vorhaben zu vollenden, und setzte alles ihr Mögliche ein. Unsere Bewegung sagte der Wirkung der Provokationslinie den ideologischen und organisatorischen Kampf an und entwickelte ihn. In diesem Rahmen begannen wir die Offensive „Êdî bes e – Es reicht!“.
Infolge unseres Kampfes haben wir es geschafft, die Bewegung erneut zu sammeln und wichtige politische Resultate zu erzielen. Der Widerstand in Gabar, Oramar und Zap sowie der Volksaufstand, der vom 15. Februar bis zum 4. April anhielt, durchkreuzten die gegnerischen Pläne und neutralisierten sie zum größten Teil. Es war regelrecht eine Freiheitsrevolution.
Die Rechnung ging bei der dritten Etappe des Komplotts nicht auf. Die zu diesem Zweck in In- und Ausland geschaffenen Allianzen begannen, sich zu lösen. Daraufhin gab es im Juli 2008 neue Bündnisse zwischen den USA und der Türkei sowie zwischen AKP und Militär und Vereinbarungen zur Liquidierung der kurdischen Freiheitsbewegung. Die Angriffe wurden erneut aufgenommen. Mit dem Irak wurde ein strategischer Pakt geschlossen. Die Einbeziehung der südkurdischen politischen Kräfte in diese Politik der Verleugnung und Vernichtung war ebenfalls geplant.
Das Beharren auf dieser Politik ist deutlich. Wenn sie ihre Angriffe in diesem Herbst und Winter ausdehnen können, ist die Ausweitung des Krieges in Nordkurdistan auf gesamt Kurdistan beabsichtigt. Es ist abzusehen, dass Pläne zur Beteiligung Irans und der südkurdischen politischen Kräfte geschmiedet werden, um die Guerilla in Südkurdistan zu vernichten. Eine erneute umfangreiche Militäroperation nach Südkurdistan zum Herbst ist höchst wahrscheinlich. In den Wintermonaten soll diese Operation auch in Nordkurdistan stattfinden.
Das Verhalten Irans bezüglich der PKK ähnelt dem der USA. Beide wollen die PKK unter ihre Kontrolle bekommen, damit sie die Kurden benutzen können. Hierfür unterstützen beide die Türkei in ihrer Politik gegen die PKK. Die zunehmenden Spannungen mit den USA und die Erfolglosigkeit bei der Kontrolle über die PKK haben die iranische Politik ins Leere laufen lassen. Dasselbe Schicksal werden auch die USA erfahren. Wenn der geplanten Großoffensive gegen unsere Bewegung im Herbst und Winter ein Erfolg versagt bleibt, ist zu erwarten, dass sich eine neue politische Atmosphäre anbahnt. Unser Ziel ist es, dafür zu sorgen.

War Ihr Kongress turnusgemäß oder ein außerordentlicher?

Cemil Bayık: Nach der Satzung war er fällig, sogar etwas überfällig. Zudem machten bestimmte wichtige Entwick­lungen in Kurdistan, die sich von Zeit zu Zeit beschleunigen, einen Kongress erforderlich. Darauf hatte sich unsere Bewegung notwendigerweise vorzubereiten und sich zu ordnen. Dies war einer der wesentlichsten Gründe für den 10. Kongress, diesen Angriffen vorbereitet entgegenzutreten und sie ins Leere laufen zu lassen, um die Resultate in eine neue politische Lösungsatmosphäre einfließen lassen zu können. Neben der effektiven Abwehr der Angriffe geht es auch darum, die demokratische nationale Einheit zu entwickeln und mit den benachbarten Völkern Dachparteien zu gründen. Außerdem haben wir uns über die Behebung der Mängel bei der Guerilla und beim Volksaufstand auseinandergesetzt.

Wenn man der Propaganda des türkischen Staates und seiner Armee Glauben schenkt, so zerfällt Ihre Bewegung. Dem steht die Tatsache gegenüber, dass Sie genau in der Zeit, in der diese Propaganda täglich verbreitet wird, erst die Kongra-Gel-Vollversammlung und anschließend den 10. PKK-Kongress durchführen.

Murat Karayılan: Die Erklärungen von türkischer Seite sind als Teil der speziellen Kriegsführung zu betrachten. Sie entsprechen nicht der Wahrheit. Die Tatsache, dass wir zwei wichtige Kongresse binnen kurzer Zeit durchführten, ist Beweis dafür.
Es gibt keinerlei unterschiedliche Haltungen innerhalb unserer Bewegung. Auch der auf unseren letzten Versammlungen gestärkte Einheitsgeist widerlegt diese Art von Behauptungen.
Was die Erklärungen des türkischen Generalstabschefs betrifft, kann ich sagen: Entweder belügen sie sich selbst oder eine große Sinnestäuschung soll herbeigeführt werden. Es ist kein Geheimnis, dass die türkische Armee von den USA neue Technik für Geheimdienst, Aufklärung und Schutz der Luftwaffe gegen Beschuss erhalten hat. Nun verfällt der Generalstab der Illusion, damit alle Möglichkeiten der Welt in der Hand zu halten, ihre Macht auszuweiten. Das stimmt aber so nicht, denn würde die Technologie der US-Amerikaner wirklich das erwünschte Resultat erzielen, dann hätten sie heute in Irak und Afghanistan nicht diese Probleme. Hätte Israel mit dieser Technologie eine unüberwindliche Stärke erreicht, so hätte es die Niederlage im Libanon nicht erlebt.
Wie gesagt, die türkische Armee belügt sich selbst, oder besser gesagt, die Behauptungen, wir würden zerfallen, seien nicht imstande zu mobilisieren, hätten keine Unterschlupfmöglichkeiten, sind Resultat der psychologischen Kriegsführung. Sie stimmen nicht. Wir sind lediglich von einer offeneren Kommunikation und gewissen Transparenz unserer Stellungen zur Guerilla-Aktionsweise übergegangen. Diese Taktik ist äußerst reichhaltig, um jede Art von Technologie ins Leere laufen zu lassen. Sie stützt sich auf menschliche Kraft, Fähigkeiten und Denken. Jeder technologiegestützte Krieg gegen diesen reichen Kampfstil der Guerilla ist zum Scheitern verurteilt.
Der Generalstabschef hatte erklärt, mit der neuen Technologie die Gebiete der Guerilla in ein Big-Brother-Haus zu verwandeln. Wie konnten wir dann in nur kurzer Zeit diese wichtigen Kongresse abhalten? Diese Art von Versammlungen ist normal für uns. Die meisten unserer Versammlungen finden in dieser Größenordnung statt, d. h. viele GenossInnen kommen zusammen. Wir haben in der letzten Zeit viele ähnliche Versammlungen gehabt. Unsere Arbeit hält ununterbrochen an. Diese Äußerungen dienen lediglich dazu, die eigene Bevölkerung zu belügen.
Seit dem Beginn des bewaffneten Kampfes vom 15. August 1984 sind 24 Jahre vergangen, in denen annähernd zehn Generalstabschefs das amtiert haben. Alle erklärten zum Amtsantritt, sie würden sehr entschlossen gegen den Terror vorgehen, die Stärke der türkischen Armee demonstrieren und die PKK liquidieren. Aber bekanntlich hatte keiner von ihnen je Erfolg dabei. Yaşar Büyükanıt ist sogar einer unter ihnen, der am wenigsten erfolgreich war. Er ist in die USA gereist, hat gebettelt um technologische Hilfe und hat sich mit dem Iran verbündet. Aus seiner Sicht hat er mit technologischer und politischer Unterstützung aus USA, Israel und Iran die größten Angriffe der letzten Jahre durchgeführt. Aber es waren genau die Jahre, in denen unsere Bewegung sich am stärksten entwickelte. Folglich muss erkannt werden, dass mit Kriegsgeschrei, ständigen Attacken dieses Problem nicht zu lösen ist.

Auch der neue Generalstabschef Ilker Başbuğ hat sich ähnlich erklärt. Wie bewerten Sie diese Äußerungen?

Murat Karayılan: Auch Başbuğ hat mit einigen Ergänzungen gesagt: „Wir werden den Nationalstaat bis zum Schluss verteidigen. Weil der Krieg bislang nicht sehr koordiniert geführt wurde, konnte das beabsichtigte Ergebnis nicht erzielt werden.“ Das ist falsch. Man kann sich nicht gegen den Lauf der Geschichte stellen. Wenn der Nationalstaat überall auf der Welt überwunden wird, so wird er auch in der Türkei überwunden werden. Der Nationalstaat hat eine Geschichte. Er ist ein mit der Französischen Revolution 1789 entstandenes gesellschaftlich-politisches Gebilde. Jetzt wird er Schritt für Schritt überwunden. Auch die Behauptung, der Erfolg im Kampf gegen uns sei ausgeblieben, weil der Krieg nicht ausreichend koordiniert werde, ist ebenfalls Unsinn. Denn der staatliche Konsens bestand bereits 1994. Schon damals wurde gegen unsere Bewegung ein totaler Krieg unter Einbeziehung aller staatlichen Institutionen begonnen und durchgeführt. Auch jetzt haben wir eine ähnliche Situation. Vielleicht meint er damit, dass Polizei und Militär von unterschiedlichen Zentren aus geleitet werden. Es ist ein internes Problem von ihnen, aber die Türkei hat all ihre Möglichkeiten und ihre Kraft gegen uns eingesetzt und blieb trotzdem erfolglos. Sie ist auch dazu verdammt. Diese Verleugnungs- und Vernichtungspolitik wird in Kurdistan keinen Erfolg haben. Denn hier ist das Bewusstsein, ein Volk, eine Nation zu sein, vergesellschaftet, es hat sich regelrecht zu einer Kultur entwickelt. Die PKK ist heute in Kurdistan ebenfalls eine Kultur. Die PKK als Bewegung kann zwar liquidiert werden, aber die PKK nicht. Es ist nur empfehlenswert, diese Realität zu sehen.

Die PKK hatte auf ihrem 8. Kongress ihren Namen geändert, 2005 folgte dann ihr Neuaufbau. Warum wurde Ihr Kongress 10. Parteikongress genannt?

Duran Kalkan: Wir haben auf dem 8. PKK-Kongress eine Namensänderung vorgenommen, das stimmt. Später gab es die Diskussion, ob sich die PKK aufgelöst habe oder nicht. Fakt ist, dass in den Jahren 2002 und 2003 in ihrem Namen keinerlei Aktivitäten durchgeführt wurden. Die PKK hat eine ideologische Erneuerung und paradigmatische Wandlung erfahren. Sie hatte in den Jahren 2002 und 2003 gewisse Schwierigkeiten bei der Suche nach Lösungswegen für die Freiheits-, Gleichberechtigungs- und Demokratieprobleme der Menschheit. Unser Vorsitzender hat diese Zeit als diejenige bezeichnet, in der wir für die anstehenden Probleme der Menschheit keine Lösungen entwickeln konnten. Folglich hieß es: „Wenn die Phase anhalten soll, so kann es über eine andere Art von Partei laufen. Es wäre nicht richtig zu sagen, die PKK der Vergangenheit wird fortgesetzt.“ In diesem Rahmen schlug er in seinem „Manifest der Demokratischen Zivilisation“ von 2001 Namensänderungen für bestimmte Organisierungen vor. Aber er wollte, dass die PKK für den Süden Kurdistans weiterbesteht, für Bereiche, in denen der ideologische Kampf notwendig ist.
Der Vorschlag unseres Vorsitzenden für Namensänderungen gewisser Strukturen mündete auch mit dem Einfluss der Verrätergruppe in eine Namensfindung außerhalb von Parteien. Er stellte sich Namen wie Volksbefreiungspartei und Ähnliches vor. Auf unserem 8. Kongress 2002 beschlossen wir statt einer Partei das System eines Kongresses namens KADEK. November 2003 wurde anstelle des KADEK der Kongra-Gel gegründet. Der Vorsitzende wollte die PKK innerhalb des Kongra-Gel als eigenständiges Komitee organisiert wissen. Als die Bewegung auch dies nicht hinbekam, kam im Frühjahr 2004, also zwei Jahre nach der Namensänderung, die Neugründung der PKK erneut auf die Tagesordnung. April 2004 wurde mit dem Neugründungskomitee der PKK die Phase der Neugründung begonnen. April 2005 mündete dieses Komitee in ein neues Gebilde.
Diese Phase bezeichneten einige als Namensänderung, andere als die Auflösung der PKK. Richtiger wäre zu sagen: eine Zeit, in der die PKK nicht aktiv war. Für bestimmte Bereiche wurde der Name geändert und es gab einen gewissen Bruch. Aber es ist wichtig, die PKK richtig zu definieren und zu begreifen. Sie gründet sich weniger auf Kongresse oder die praktische Arbeit, für sie ist vielmehr ausschlaggebend, eine Führungs- und Märtyrerpartei zu sein. Daher ist es wichtig, diese Phase aus Sicht unseres Vorsitzenden zu analysieren. Er hat in keiner Weise eine Auflösung erlebt. Zwar wurde in diesen zwei Jahren nicht mit dem Namen gearbeitet, aber in der Praxis war es immer PKK. Wie gesagt, der Vorsitzende machte deutlich, dass es uns schwerfiel zu entscheiden, ob wir die PKK annullieren oder nicht, weil wir für die ideologischen Probleme der Menschheit keine Lösung entwickeln konnten. Die Schwierigkeit bestand darin, dass es trotz vorhandener Kritik des globalen Systems und trotz einer Bewertung und Kritik der Zerfallsphase des Realsozialismus, trotz einer Kritik ihrer Fehler und Mängel problematisch war, an ihrer Stelle eine neue ideologische Linie zur Lösung der ideologischen Menschheitsprobleme zu entwickeln.
Er machte die notwendigen Recherchen und Analysen und gelangte nach entsprechenden Überlegungen zu einem Paradigmenwechsel. Er stellte fest, dass der Grund dafür, warum Ideologien, die Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie für sich beanspruchen, die Probleme der Menschheit nicht lösen konnten, in ihrer staats- und machtorientierten Ausrichtung liegt. Davon ausgehend befass­te er sich mit den Problemen und entwickelte entsprechende Lösungen. Grundlegende Fragen wie z. B. „Warum bleiben Ideen mit Freiheits-, Gerechtigkeits- und Demokratieanspruch erfolglos?“ oder „Warum ist der Sozialismus, obwohl er in der Sowjetunion an der Macht war, nach 70 Jahren zerfallen?“ beantwortete er verständlich und nahm entsprechende Korrekturen vor. Er überwand dabei eine Kritikform, die sich nur am Rande herantastet. Er hinterfragte vielmehr den Widerspruch zwischen dem Geist der Ideologie und ihrer Umsetzung und löste ihn auf. Der Geist der Freiheit war Demokratie, sie strebte nach der Abschaffung jeder Ordnung der Unterdrückung und Ausbeutung. Aber bei der Erreichung dieses Zieles wurden Mittel wie Staat, Macht und Krieg angewandt.
Staat und Macht bedeuten Ungleichheit, Unterdrückung, Ausbeutung und Gräuel, und so hielt unser Vorsitzender fest, dass damit Freiheit, Gleichheit und Demokratie nicht zu erreichen, sondern nur mit entsprechenden Mitteln zu verwirklichen seien. Diesen Widerspruch bewertete er als zentralen Irrtum des Realsozialismus, der für seine Niederlage und seinen Zerfall verantwortlich gewesen sei. Folglich benannte er als entsprechendes Mittel die Demokratie. Er vereinte Sozialismus, Freiheit und Gleichheit mit der Demokratie und entwickelte ein Gedankensystem, das zur Lösung der Hauptprobleme der Menschheit imstande ist. Er meinte: „Wenn wir einen ideologischen Ausweg finden, können wir den Weiterbestand der PKK gewährleisten.“ Auf dieser Grundlage erneuert kann die PKK als eine Organisation, die die Menschheitsfragen angeht, weiter existieren. Denn das ist ihr Anspruch. So wurde die Neugründung der PKK aktuell. Folglich stand eine Annullierung der PKK nie wirklich auf der Tagesordnung, sondern sie hat ideologisch und philosophisch eine einschneidende Wandlungs- und Erneuerungsphase durchgemacht.
Schließlich wurde am 4. April 2005 der neue Aufbaukongress der PKK durchgeführt. Er stellte also den 9. PKK-Kongress dar und der jüngste dann den 10. in der PKK-Chronologie. Man könnte auch sagen, es ist der 2. Aufbaukongress. Beides stimmt.

Was waren die konkreten Tagesordnungspunkte Ihres Kongresses? Womit haben Sie sich auseinandergesetzt?

Murat Karayılan: Die 6. Vollversammlung des Kongra-Gel und der 2. Neugründungskongress der PKK, oder anders ausgedrückt der 10. PKK-Kongress stellen eine Antwort auf all die Angriffe gegen unsere Bewegung dar. Seit letztem Jahr werden wir in der Türkei (Nordkurdistan), im Iran (Ostkurdistan), im Irak (Südkurdistan) aus der Luft, auf dem Boden auf jede Art und Weise angegriffen. Unsere Bewegung hat diese Angriffe mit ihrem Widerstand in Form der „Êdî bes e“-Offensive beantwortet. Allen voran die bedeutende Haltung unseres Vorsitzenden auf Imralı, seine richtige Linie, sein Beharren, seine Entschlossenheit sowie die Widerstandsleistung der Guerilla und die Haltung unseres Volkes, das immer stärker seinen Vorsitzenden, seine Guerilla, seine Märtyrer und seinen Kampf annimmt, haben alle Attacken ins Leere laufen lassen.
Alle Versammlungen wurden auf dieser Basis durchgeführt. Aus diesem Grunde werten wir die Resultate dieser Versammlungen als Antwort auf die Angriffe. Wie Sie wissen, läuft seit 1992 ein internationaler Angriff, der 1998 forciert wurde und unseren Vorsitzenden direkt zum Ziel hatte und zu seiner Gefangennahme führte. Wir nennen ihn internationales Komplott. Nicht nur der türkische Staat oder die türkische Armee, sondern auch andere internationale Kräfte beteiligten sich an dieser Liquidierungsphase. Die Verschleppung unseres Vorsitzenden ist ein offener Beweis dafür. Das Komplott setzte sich dann in Form von Angriffen von innen und außen, politischer und diplomatischer Belagerung, der Aufnahme in die „Liste terroristischer Organisationen“ fort. Auf dem 10. Kongress sind wir zu dem Schluss gelangt, dass all diese Angriffe erfolglos geblieben sind. Denn Angriffsziele waren die von unserem Vorsitzenden in Kurdistan entwickelte Linie, die vernichtet werden sollte, außerdem sein Einfluss. Aber wir sehen, dass die Linie unseres Vorsitzenden und sein Einfluss stärker sind als je zuvor.

Sie waren auch anwesend auf dem Gründungskongress der PKK 1978. Welche grundsätzlichen Veränderungen hat Ihrer Meinung nach die PKK seitdem erfahren und wie definieren Sie die Hauptfaktoren für diese Veränderungen?

Duran Kalkan: Diese Frage ist zweifellos sehr wichtig, über die man lange nachdenken und diskutieren sollte. Sie wird uns sicherlich auch in Zukunft beschäftigen. Man muss wissen, dass die PKK nicht als Nachahmung, als Wiederholung oder als Verlängerung des Realsozialismus entstand. Schon bei ihrer Entstehung wies sie im Vergleich zur Realität des Realsozialismus Unterschiede auf. Sie war folglich nicht der verlängerte Arm des Realsozialismus in Kurdistan und sie entstand auch nicht auf derselben Grundlage. Was war der Unterschied? Ihr Kader-Verständnis war ein anderes. Zwar berief sich die PKK auf ihrem Gründungskongress auf die Statuten realsozialistischer Parteien. Dort wurde als Mitglied definiert, wer Parteiprogramm und Satzung akzeptiert, regelmäßig Beiträge zahlt und sich kontinuierlich an den Parteiaktivitäten beteiligt. Aber für das Kaderprofil auf dem Gründungskongress der PKK galt nur der erste Teil, d. h. sie akzeptierten Programm und Satzung. Kein Mitglied zahlte Beiträge. Doch gaben sie sich mit ihrem ganzen Leben dem Kampf hin. Um auf diesen Widerspruch zu verweisen, sagte der Vorsitzende nach dem Gründungskongress: „Ihr könnt ja von euren Vätern eure Beiträge nehmen.“ Denn niemand von den Gründungsmitgliedern hatte Arbeitsmöglichkeiten. Bei uns galt auch nicht, regelmäßig an Parteiaktivitäten teilzunehmen, sondern 24 Stunden im Dienst der Partei zu stehen. Wie an diesem Beispiel zu sehen, allein bei der Definition der Mitgliedschaft wurden zwei von drei Punkten variiert. Diese Definition ist wichtig. Die Kader und die Art ihrer Verkörperung zeigen eigentlich Lebensverständnis und Ideologie einer Partei. Denn sie entwickeln das Parteileben. Unser Parteileben und die Kadermaßstäbe unterschieden sich sehr von dieser Art, die ihre Beiträge zahlen und für ein paar Stunden am Tag für die Partei arbeiten.
Des Weiteren beinhaltete unser Verständnis von einem Kader, dass er die Partei nicht als einen bürokratischen Machtapparat sieht, aus der Macht der Partei keinen individuellen Profit zieht, sondern die Prinzipen von Freiheit, Gleichheit und Demokratie hochhält, sich zur Verwirklichung dieser Prinzipien vollkommen einbringt. Auch das stellte einen wichtigen Unterschied dar. Obwohl die PKK eine Partei war, die vom Realsozialismus und seiner Haltung zur nationalen Befreiung beeinflusst war, wies sie Unterschiede in ihrem Kader- und Parteiverständnis auf, denn mit einer realsozialistischen Annäherungsweise wäre in Kurdistan nichts zu gewinnen gewesen. Es gab andere kleinbürgerliche Gruppierungen, die es versuchten, aber keine konnte eine ernsthafte Organisation werden. Sie verloren mit der Zeit ihre Kraft. Mit einer individualistischen, profitorientierten und Beamtenmentalität hätte man in Kurdistan niemandem imponieren können, man hätte keine Menschen zusammenbringen und für nationale Befreiung, nationale Identität, für Freiheit und Demokratie mobilisieren können. Kurzum, die Bedingungen in Kurdistan machten eine andere Partei notwendig und hierfür eine korrekte Analyse der Voraussetzungen dort. Danach bedurfte es der Stärke, eine entsprechende ideologische Prinzipieneinheit zu entwickeln. Dies zu theoretisieren ist vielleicht nicht schwer, aber dabei glaubwürdig zu sein ist eine andere Sache. Dafür hieß es, sich an diese Ziele zu binden, mutig und selbstlos zu sein sowie sich mit Leidenschaft die Prinzipien von Freiheit, Gleichheit und Demokratie zu Eigen zu machen. Diese Realität führte zur ersten Differenz zum Realsozialismus.
Um die Bedingungen für den zweiten wesentlichen Unterschied darstellen zu können, ist es wichtig, den 3. Parteikongress zu behandeln. Wir bezeichnen diese Phase als die Zeit der Parteiwerdung. Der Vorsitzende nannte diese Offensive „Parteiwerdung im Rahmen der nationalen Befreiung“. Als Beispiele wurden hier Mahsum Korkmaz und Agit angeführt, also Parteiwerdung im Rahmen der Guerilla. Er sah eine Guerillapartei vor. Die kurdische Guerilla unterscheidet sich von anderen. Wir erhielten unsere Guerillaschulung in Palästina. Aber mit den Maßstäben der palästinensischen Guerillas hätte man in Kurdistan nicht agieren können. Sie waren nicht ausschließlich Guerillas. Noch wichtiger war, dass sie für das Fortbestehen des Familiensystems als Teil der herrschenden Staatsordnung sorgten. Sie kamen für eine bestimmte Zeit, um sich als Guerillas zu betätigen, und gingen dann wieder und führten ihr Familienleben. Dies ist bei der kurdischen Guerilla völlig überwunden. Der Guerilla in Kurdistan hat sein individuelles Leben verlassen und sich ausschließlich dem Guerillaleben gewidmet. Das heißt, es gibt kein individuelles, sondern ausschließlich ein kommunales Leben. Die individuellen, familiären Eigenschaften des etatistischen Systems sind überwunden.
Der sich von den realsozialistischen Mitglieds-Eigenschaften unterscheidende Kadercharakter aus der Anfangszeit machte auf dem 3. Parteikongress einen weiteren Entwicklungssprung. Das hatte nicht nur militärischen Wert, sondern war vielmehr von ideologischer und organisatorischer Bedeutung. Ein solcher Guerilla vollzieht in ideologischem Sinne einen totalen Bruch mit der herrschenden Ordnung, er bricht gewissermaßen mit dem hierarchischen System des Staates und der Macht. Daher gab es auf dem 3. Kongress eine ernsthafte ideologische Erneuerung des Sozialismusverständnisses, die realsozialistische Linie der individuellen, familiären, kleinbürgerlichen Gleichberechtigung und Freiheit wurde überwunden. Eine solche Maßnahme hat auch innerhalb der Gesellschaft Veränderungen in der Annäherung an Freiheit und Gleichheit hervorgerufen. Sie zerstörte das individuelle Familienleben.
Des Weiteren wurde durch die klare Haltung gegen das kleinbürgerliche Familienleben auch das Bewusstsein für die Befreiung der Frau entwickelt und die Frauenbefreiung zur Grundlage der Freiheitslinie gemacht. In dieser Frage hat die PKK sicherlich einige ideologische Schablonen des Realsozialismus beseitigt. Die Machtstruktur des Staates und der Familie wurde auf den Ebenen von Guerilla, Kader und Parteileben gebrochen. Mit diesem ideologischen Wandel ging auch eine Änderung in der organisatorischen Entwicklung einher. Eine klare und transparente Parteidefinition wurde geboten, die Parteibürokratisierung ebenfalls überwunden. Ohne eine solche Veränderung hätte die Exis­tenz der Guerilla womöglich nicht gewährleistet werden können, da eine ernsthafte Stagnation eingetreten war. Die PKK vollzog daraufhin diese wichtige ideologische Erneuerung, organisatorische Restrukturierung und Erneuerung ihres taktischen Verständnisses. Es wäre nicht falsch, diese Phase der drei Kongresse als Zwischenstufe zu definieren zwischen dem Gründungskongress mit seiner Variation realsozialistischer Prinzipien und dem Bruch mit dem realsozialistischen Paradigma.
Wie kam es dazu, warum diese Veränderungen? Wir lehnten es an die Entwicklung der Guerilla an. Wir sahen, dass es außer der Guerilla keinen anderen Weg gab, wenn die nationale demokratische Bewegung entwickelt und nationaler Widerstand geleistet werden sollten, d. h. keine andere Möglichkeit für den Kampf um Freiheit und Demokratie in Kurdistan. Die Guerilla muss beständig sein, denn es ist nicht möglich, auf eine andere Weise Propaganda und Politik zu machen, im taktischen Kampf Entwicklungen hervorzurufen. Keine Bewegung mit anderen Taktiken war je erfolgreich. In der politischen Atmosphäre nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 wäre es ohne die Guerilla gar nicht möglich gewesen, nationale Identität und Werte wie Gleichheit, Freiheit und Demokratie konsequent zur Sprache zu bringen und sich dafür einzusetzen. Daher war die Guerilla eine unverzichtbare taktische Haltung. Um unter den Bedingungen Kurdistans eine unbesiegbare, widerstandsfähige und beständige Guerilla schaffen zu können, waren die besagten ideologischen, organisatorischen und taktischen Veränderungen notwendig. Ohne sie, ohne das Verständnis von Freiheit, Gleichheit und Demokratie sowie ohne entsprechende Kader und Organisationsverständnis wäre die Guerilla nicht aufrechtzuerhalten.
Es wäre unmöglich, mit dem Familienmodell der hierarchischen Staatsordnung und mit Guerillaverständnis, Kadermaßstäben, Parteileben des Realsozialismus in Kurdistan einen Guerillakampf zu führen. Einmal abgesehen von einer beständigen Guerilla, es wäre nicht einmal möglich, jemanden in die Berge zu mobilisieren. Keine Organisation mit dem Realsozialismus als Grundlage und in Beziehung zu kommunistischen Parteien ist je in die Berge gegangen, hat einen Schritt zur Organisierung eines Guerillakrieges unternommen. Aber wenn eine Organisation von der Guerillataktik überzeugt ist und daran festhält, muss sie entsprechend Lebensmaßstäbe, Mentalität, ideologische Prinzipien entwickeln, damit die Guerilla sich entfalten und ihre Beständigkeit wahren kann. Dies wurde auf dem 3. Kongress vollzogen. Eine Erneuerung fand damals vor diesem Hintergrund statt.
Wir standen vor dem Dilemma: entweder nationale Identität, Kultur, Freiheit, Gleichheit und Demokratie aufgeben oder, wenn wir es ernst meinten, entsprechende Vorkehrungen treffen. Die dritte Wandlungsphase wurde von unserem Vorsitzenden 1993 begonnen. Als strategischer Wandel begann sie mit dem ersten einseitigen Waffenstillstand. Bis dahin war es Strategie der PKK, den Staat mit Waffengewalt zu stürzen und an seiner Stelle einen neuen zu errichten. Aber ein Waffenstillstand bedeutete: „Ich nehme Abstand davon, Dich stürzen zu wollen, auf der Grundlage gewisser Veränderungen Deinerseits will ich mit Dir eine Lösung anstreben.“ In diesem Sinne fand eine strategische Veränderung bei der PKK und unserem Vorsitzenden statt, die auch entsprechende Taktik, Organisation, Ideologie benötigte. All dies wurde bis 1998 nicht entwickelt, weil der Wandel keine theoretische Definitionstiefe erreichte. Die Phase wurde vonseiten der Bande sabotiert und verhindert.
Unser Vorsitzender hatte es im Sommer ‘98 klar erkannt. So konnte es nicht mehr weitergehen: „Wir haben zwar den strategischen Wandel auf die Tagesordnung gebracht, ihn aber nicht umsetzen können. Wir müssen ihn daher vollenden, ihn tiefgründig angehen, und den entsprechenden ideologischen, organisatorischen und taktischen Wandel ebenfalls.“ Eigentlich hatte er schon im August ‘98 diese Entscheidung getroffen und infolgedessen am 1. September den dritten einseitigen Waffenstillstand verkündet. Aber wir wissen, dass das internationale Komplott diesen Schritt mit seinem Angriff gegen unseren Vorsitzenden beantwortete, der die Bewegung vernichten sollte.
Ungeachtet der Angriffe – wenn auch unter sehr schweren Bedingungen – vertiefte unser Vorsitzender die begonnene Phase. Er wollte als erstes eine neue Analysegrundlage schaffen. Er verlängerte die Waffenstillstandsphase, schlug den Rückzug der bewaffneten Kräfte in den Süden (Nordirak) vor und versuchte so, die Voraussetzung für die Umsetzung der neuen Strategie und den Vollzug der notwendigen Veränderungen zu schaffen. Dann machte er sich an die Erneuerung von Ideologie, Organisation und Taktik im Sinne des Strategiewandels. Zuerst entwickelte er die Lösung der „Demokratischen Republik“, als die demokratische friedliche Lösung der kurdischen Frage. Seine Verteidigungsschrift vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte war ein Programm für eine friedliche demokratische Lösung der kurdischen Frage im Rahmen des Mittleren Ostens. Das war nur ein Teil der Arbeit. Denn er befasste sich mit einer möglichen Lösung der kurdischen Frage aus Sicht der herrschenden Staaten. Wie aber die kurdische Haltung in diesem Lösungsmodell aussehen sollte, war nicht vollständig beantwortet. Denn noch immer war die Lösung einer klassischen nationalen Befreiungsbewegung enthalten. Aber diese war weltweit längst überholt und bot keine Erfolgs­chancen mehr, bildete also eigentlich keine Lösung. So kam es zu der Situation, dass die PKK mit ihren Ideen keine zeitgerechte Lösungskraft mehr darstellte.
Nach einer enormen ideologischen Recherche- und geistigen Analyseleis­tung gelangte der Vorsitzende 2003 auch an diesem Punkt zu einer Lösung. Worin bestand sie? In der Kritik der kapitalistischen Modernität, also in der Veränderung der Paradigmen. Er fand die Lösung in der Analyse der Beziehungen zwischen Sozialismus und Staat und zwischen Demokratie und Staat. Bis dahin wurden Sozialismus und Demokratie im Zusammenhang mit dem Staat gesehen. Es gab den staatlichen Sozialismus, staatliche Demokratie. Es war nicht möglich, Sozialismus und Demokratie außerhalb des Staates zu definieren, obwohl beide im Widerspruch zu ihm standen. Diesen bis dahin in Sozialismusverständnis und theoretischer Lehre gegebenen wichtigen theoretischen Fehler hat er behoben. Der Paradigmenwechsel trat an diesem Punkt auf den Plan. Er befreite Sozialismus und Demokratie von Staat und Staatsmacht und verband beide miteinander. Auf diese Weise entwickelte er ein Verständnis vom „Demokratischen Sozialismus“, die Einheit zwischen dem Prinzip der Gleichheit und Demokratie. Das stellte eine historisch bedeutende theoretische Entwicklung dar.
Bis dahin hatten sich alle Freiheits- und Demokratiebewegungen im Kampf gegen die 6 000-jährige Staatszivilisation immer über den Staat definiert. Sie glaubten, ihr Ziel durch Errichtung eines neuen Staates erreichen zu können, folglich blieben sie alle erfolglos. Denn mit den Mitteln der Unterdrückung und Ausbeutung sind Freiheit, Gleichheit und Demokratie nicht zu erreichen. Freiheit und Gleichheit bedürfen eines eigenen Mittels. Unser Vorsitzender hat auch dieses gefunden: die Demokratie.
So verband er Freiheit und Gleichheit mit Demokratie und schuf in der sozialistischen Theorie einen Paradigmenwechsel. In diesem Zusammenhang kam eine neue Sozialismusdefinition auf, eine Bestimmung des Demokratischen Sozialismus. Staat und Macht wurden als Mittel zur Verwirklichung des Demokratischen Sozialismus aus dem Weg geräumt und an deren Stelle der „demokratische Konföderalismus“ eingeführt. Ein Organisierungsmodell, in dem sich die Gesellschaften außerhalb des Staates organisieren und keine Unterdrückung, Ausbeutung, Ungleichheit und Ungerechtigkeit vorkommen. Ein gesellschaftliches Organisierungssystem, in dem alle gesellschaftlichen Gruppen – ihre eigene demokratische Organisierung aufbauend – in einem konföderalen Beziehungssystem zueinander stehen. Er hat auf diese Weise die sozialistische Gesellschaft an dieses System gelehnt.
Anschließend vereinte er dies mit der Definition der Demokratischen Republik, d. h. mit seiner demokratischen Autonomielösung und entwickelte ein neues Lösungsprogramm für die kurdische Frage. Nicht nur der kurdischen Frage, allen gesellschaftlichen Problemen machte er diese Lösung zugänglich. Ein Programm, mit dem Frauenfrage, Klassenfrage, nationale, ethnische Konflikte zu lösen wären.

Die PKK ist eine regionale politische Kraft, die von internationalen politischen Kräften, die in der Region aktiv werden wollen, berück­sichtigt wird. Auf welcher Grundlage haben Sie Ihre Stärken und Probleme diskutiert?

Cemil Bayık: Die PKK steht auf der Tagesordnung aller politischen Akteure, die in der Region leben oder an ihr interessiert sind. Alle Kräfte, die im Mittleren Osten politisch aktiv sind oder hier ihre Interessen verfolgen, können ihre Ziele nicht erreichen, ohne sich mit der PKK zu befassen. Gegenwärtig gibt es in der Region eine Auseinandersetzung zwischen dem globalem Kapital und den Regionalstaaten, die ihren Status als Nationalstaaten aufrechterhalten wollen. Während sie gegeneinander kämpfen, sind sie auch sehr darum bemüht zu verhindern, dass sich die freie Alternative der Völker entwickelt. Neben den USA und den Kräften des Status quo gibt es noch diejenigen, denen beide Seiten gegen den Strich gehen. Diese Völker wollen mit der Alternative der Demokratie und Freiheit ihre Probleme lösen. Es mag sein, dass diese Alternative gegenwärtig noch schwach ist, aber mit einer richtigen Führung kann es sich rasch ändern.
Die PKK kämpft als Freiheitsalternative der Völker und zeigt dabei eine feste Haltung, was zu ständigen Auseinandersetzungen zwischen PKK und gegnerischen Kräften führt. Diese wollen deshalb die PKK neutralisieren, die hingegen mit aller Kraft Widerstand leistet. Daher gibt es im Mittleren Osten nicht nur die USA und die Status-quo-Protagonisten. Es gibt auch die PKK und im Namen der PKK die Freiheitsalternative der Völker. Die Entwicklungen haben bislang gezeigt, dass keine Politik oder Lösung sich ohne Weiteres entwickeln konnte, in die die PKK nicht involviert ist. Sie hat bewiesen, dass sie nicht einfach aus dem politischen Feld des Mittleren Ostens herauszudrängen und unter Kontrolle zu bekommen ist. Auch kann sie nicht vernichtet und neutralisiert werden. Trotz dieser Realität beharren die Kräfte des globalen Kapitalismus und des Status quo auf ihrer bisherigen Vernichtungspolitik.
Welches Sozialismus- und Marxismusverständnis hat die PKK und wie definiert sich ihre antikapitalis­tische und antiimperialistische Identität?
Duran Kalkan: Wir sind selbstverständlich eine sozialistische Bewegung. Aber keine Fortsetzung des Realsozialismus mit dem Verständnis vom Sozialismus des 19. und 20. Jahrhunderts. Wir haben tiefgreifende Veränderungen und Erneuerungen beim Sozialismus durchlebt. Die wichtigste ist unser Paradigmenwechsel. Wir finden eine sozialis­tische Linie, Ideologie nicht richtig, die etatistisch und folglich machtorientiert ist. Sie ist ein Fehler, ein Irrtum, ohne Aussicht auf Erfolg. Wir entnehmen dies der historischen Analyse und führen so den Beweis. Wir haben konkrete Kritik und Belege. Folglich haben wir uns vom theoretischen Sozialismusverständnis des 19. und 20. Jahrhunderts entfernt, sind weit entfernt von Sozialdemokratie, nationaler Befreiung, Sowjetsozialismus. Wir haben sie alle kritisiert als Konfessionen des hierarchisch-etatistischen Systems, weil sie die Art des Sozialismus verkörpern, die das etatistische Machtparadigma nicht überwunden haben. Wir haben die Umkehr, den Zerfall des Sowjetsozialismus, das Verschmelzen von nationaler Befreiung und Sozialdemokratie mit dem Liberalismus des Kapitalismus damit verknüpft. Folglich bestimmen wir uns über einen unterschiedlichen Sozialismus.
Unser Vorsitzender hat ihn als den wissenschaftlichen demokratischen Sozialismus definiert, wir nennen ihn Demokratischer Sozialismus. Wir sind dagegen, dass der Sozialismus mit dem Staat in Verbindung gebracht wird. Wir sind dafür, ihn mit Demokratie in Zusammenhang zu bringen. Wir sind davon überzeugt, dass die Freiheits- und Gleichheitsprinzipien des Sozialismus nur dann im Leben der Gesellschaft realisierbar sind, wenn sie mit der Demokratie verbunden werden. Wir haben auch Ideen, mit welchem System es praktikabel wäre. Wir definieren es als Demokratische Kommunalität oder Demokratischer Konföderalismus.
Wir sehen die Gleichberechtigung nicht nur als absolute Gleichheit wie die Kleinbürgerlichen. Diese Art von Gleichheit kritisierten Lenin und andere ebenfalls. Die kleinbürgerliche Gleichheit wurde als Gefahr betrachtet. Aber ihnen ist es nicht gelungen, sie in der Praxis zu überwinden. Die Praxis der UdSSR hat das nicht geschafft. Wir sind nicht für eine Gleichheit, die alles nivelliert. Unser Vorsitzender bezeichnete sie als die Pharao-Gleichheit. Sie erinnert an die Sklaverei. Es ist eine Gleichheit tief unten, in der Armut, und nicht im Reichtum, im Wachstum, in der Entwicklung. Unser Verständnis von der Gleichheit im Reichtum, in Wachstum und Entwicklung ist, dass alle ihre Fähigkeiten grenzenlos einsetzen können und so viel nutzen können, wie es ihrem Bedürfnis entspricht. Dasselbe gilt auch für die Freiheit. Wir trennen die Freiheit vollkommen vom Freiheitsverständnis des bürgerlichen Liberalismus. Wir lehnen jede Art von Willkür im Sinne der Freiheit ab. Wir definieren Freiheit als Disziplin, Organisiertheit und Verantwortung.
Wir lehnen den Marxismus nicht ab. Aber wir bestimmen uns auch nicht wie die klassischen Marxisten als solche. Wir sagen auch nicht, dass wir die Nachfolger des Marxismus sind oder auch nicht. Unserem Vorsitzenden zufolge geht es in der Phase seit dem Neolithikum bis heute auf der Grundlage des Demokratiekampfes um die natürlichen kommunalen Gesellschaftswerte. Wir nennen es die Geschichte des Freiheits- und Demokratiekampfes. Innerhalb dieser Geschichte entstanden viele unterschiedliche Gedankenströmungen, die in Organisierungen und Aktivitäten mündeten. In unterschiedlichen Gebieten der Welt gab es Aufstände und Aktionen bis heute. Religionen, philosophische Strömungen tauchten auf. Der Marxismus stellt die letzte große Idee dieser freiheitlich-demokratischen Bewegungen im 19. Jahrhundert dar mit dem Anspruch, Freiheit und Gleichheit gegen den Kapitalismus zu entwickeln.
Sie bildet eine wichtige Etappe in der Geschichte des Kampfes der Menschheit für Freiheit und Gleichheit. Sie ist eine große Bewegung. Eine Bewegung, für die Millionen von Menschen gekämpft und Hunderttausende ihr Leben verloren haben. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde sie zur weltweit größten ideologischen Strömung. Auf diese Weise hat sie die Menschheitsgeschichte beeinflusst. Daher ist sie keine Ideologie, die banal zu behandeln wäre. Aber gegenwärtig erlebt sie einen Rückgang und Rückfall. Die Bedingungen, unter denen sie im 19. und 20. Jahrhundert entstand, wurden Ende des 20. Jahrhunderts zum größten Teil überwunden. Wir haben die Gründe versucht zu analysieren. Unsere Bewegung entstand von der nationalen Befreiung und dem marxistischen Klassenkampf beeinflusst. Aber wir haben mit der Zeit sowohl aufgrund der praktischen Entwicklungen in Kurdistan als auch infolge des Zerfalls des Realsozialismus neue Ideen entwickelt. Hierbei haben wir auch die Mängel des Marxismus analysiert und korrigiert. Wir haben uns daher nicht vom Marxismus gelöst oder lehnen ihn ab, wir haben ihn lediglich überholt. Wir definieren die neue Freiheits-, Gleichheits- und Demokratielinie für das 21. Jahrhundert, folglich definieren wir den Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Weil es unserem Vorsitzenden gelungen ist, nennen wir es Apoismus. Wir scheuen uns nicht, dies auch so auszudrücken.
In der Identität des Apoismus sind Antikapitalismus und Antiimperialismus elementar. Aber auch hier unterscheiden wir uns von grobem Materialismus und dogmatischer Dialektik. Diese Strömungen sind heute nur verbal antikapitalistisch und antiimperialis­tisch. Im Kern aber leben sie Kapitalismus und Imperialismus und lassen sie leben. Wir versuchen, uns mental, emotional, im Bewusstsein und im Handeln von ihnen zu lösen, sie zu überwinden. Auch eröffnen wir ihnen keinen Frontalkrieg. Wir sehen den Kapitalismus als eine Gesellschaftsform, die wir mit unserem Lebensgefühl zu bewältigen und zu bekämpfen trachten sowohl im Leben des Einzelnen als auch im sozialen Leben. Wir wollen den Kapitalismus aus unserem Leben auslöschen. Kurdistan ist geteilt und imperialistische Kriege werden in unserem Land geführt. Hier ist zumeist die Teile-und-herrsche-Politik des Kapitalismus betrieben worden. Folglich sind wir gegen die imperialistische Hegemonie.
Wir setzen uns nicht nur dafür ein, seine Hegemonie in Kurdistan zu brechen, sondern auch im Mittleren Osten und auf der Welt. Wir verfügen über ein theoretisches Verständnis und über das Modell eines Gesellschaftssystems, den Demokratischen Konföderalismus, mit dem die Menschen in Kurdistan, in der Region und auf der ganzen Welt gegen Kapitalismus und Imperialismus kämpfen und sich davon befreien können, um ihr eigenes Lebenssystem aufzubauen. Wir stehen folglich dem Kapitalismus nicht alternativlos gegenüber.

Wie würden Sie die Ergebnisse Ihres Kongresses darstellen? Welche Bedeutung hat er für den Freiheitskampf in Kurdistan?

Duran Kalkan: Unser 10. Kongress war eine erfolgreiche Versammlung. Allgemein wurden für unsere Bewegung Grundsatzvereinbarungen getroffen. Worum handelt es sich dabei? Wir stärkten unsere Entschlossenheit, bis zuletzt Widerstand gegen die Verleugnungs- und Vernichtungsangriffe zu leisten. Entschieden wird dieser Widerstand übergreifend von der Guerilla bis zu den Volksaufständen geleistet werden.
Das zweite ist die Vereinbarung, dass für einen solchen Widerstand eine Organisierung notwendig ist. Folglich beschlossen wir die Entwicklung der gesellschaftlichen Organisierung, also den demokratischen Konföderalismus des kurdischen Volkes. Das als eine der Hauptaufgaben. In diesem Sinne bildet die PKK die bestimmende Aufbaukraft des demokratischen Konföderalismus. Eine Führungskraft, die die Richtlinien entwickelt, die entsprechende Organisierung schafft, die Gesellschaft, die Frauen, die Jugend, die Werktätigen, eben alle aufklärt und Bewusstsein vermittelt, entsprechende Dienste leistet und somit die Aufgabe hat, dieses System aufzubauen. Eine Führungskraft, die nicht selbst die Führung verkörpert, sondern mit Kongressen und Räten die Führung der Gesellschaft organisiert und entwickelt.
Als drittes gab es Beschlüsse zu den Beziehungen und Bündnissen. Es wurde entschieden, gegenüber den Plänen des Feindes, die Kurden gegeneinander aufzuhetzen, wachsam zu sein und sie nach Möglichkeit ins Leere laufen zu lassen, Abstand von internen Auseinandersetzungen zu nehmen, die nationale Einheit auf der Grundlage der Strategie der demokratischen Nation aufzubauen. Des Weiteren daran gebunden die kurdische Demokratie, die demokratische Einheit auf der Grundlage des demokratischen Konföderalismus und folglich Geschwisterlichkeit mit den benachbarten Völkern zu entwickeln.
Im Hinblick auf die äußeren politischen Kräfte werden wir die Politik verfolgen, sie von ihrer bisherigen Politik der Unterdrückung und Angriffe abzuhalten. Sie sollen wenn möglich ihren Beitrag leisten und die demokratische Lösung des kurdischen Konflikts fördern. Wenn sie das kurdische Volk und die Freiheitsbewegung nicht angreifen, werden auch wir niemanden angreifen. Aber im Falle eines Angriffs werden wir uns natürlich verteidigen.
Wie sollen all diese Beschlüsse umgesetzt werden? Natürlich mit einer starken Parteiwerdung. In diesem Sinne stellt der 10. Kongress die Vollendung des Neuaufbaus dar, womit die neue Parteiwerdung auf der Grundlage der apoistischen Linie vollzogen wurde. Auf dem Kongress wurde die provokative Strömung, die die innere Einheit schädigt und zerstört, kritisiert und verurteilt. Es war daher ein Kongress, der die ideologische und organisatorische Linie gestärkt hat.
Eine wesentliche Eigenschaft unserer Bewegung ist die Anwendung von Kritik und Selbstkritik, mit der gegen jede Art von Rückständigkeiten und gegen die Einflüsse des Systems der Klassen- und Geschlechterkampf ausgetragen wird. So auch auf unserem letzten Kongress. Unsere Wut und Scham, die wir gegenüber dem seit zehn Jahren anhaltenden Imralı-System der Untaten und Unterdrückung sowie gegen jeden Einfluss des Systems empfinden, brachte uns zu ernsthafter Infragestellung und Kritik und Selbstkritik. Es war daher ein starker Erneuerungs- und Einheitskongress. Unser wichtigster Beschluss beinhaltet die totale Ablehnung des Imralı-Systems. Daher definierte unser Kongress sich als Kongress für die Freiheit von Abdullah Öcalan. Unser Hauptaugenmerk liegt auf der Gewährung und Realisierung seiner Freiheiten.
Die PKK hat das Imralı-System zeit seines Bestehens nie akzeptiert, sie hat es immer abgelehnt. Aber bislang betrachtete sie es geduldig als eine Kampfphase. Aber nun beschloss sie entschieden seine Bekämpfung. Das Imralı-System wird vernichtet werden. Diejenigen Kräfte, die das Imralı-System aufrechterhalten, wollen uns vernichten. Wir aber sagen, dass ihr System zerstört werden wird. Das Foltersystem Imralı wird vernichtet und folglich wird unser Vorsitzender Öcalan frei sein. Das ist eine aktuelle Aufgabe, die nicht auf die Zukunft verschoben werden kann. Wir wissen ganz genau, dass die Freiheit unseres Vorsitzenden die Freiheit des kurdischen Volkes und Kurdistans ist. Sie ist die Freiheit der Frauen und der Jugend. Daher ist die zentrale Parole unseres Kongresses: „Lasst uns eine Partei werden, den Vorsitzenden Öcalan und Kurdistan befreien!“ Auf der Grundlage dieses Mottos und in diesem Geiste wurde unser Kongress durchgeführt. Wir werden unsere Beschlüsse mit allen Mitteln und mit großer Entschlossenheit umsetzen, egal wie viel Aufwand, wie viel Selbstlosigkeit, wie viel Aktivitäten notwendig sind.