Die Realität der PKK

Der 27. November 1978

Von Idris Güzel

Die PKK ist in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts aufgrund der revolutionären Entwicklungen und der Bedingungen für die Menschen in Kurdistan gegründet worden. Eigentlich wollte die PKK die höchste Stufe der Menschheitsgeschichte des Mittleren Ostens vertreten. Aber seit ihrer Gründung ist die Realität der PKK nicht richtig verstanden worden. Ein Grund dafür ist, dass die PKK sich den Weltmächten unterwerfen sollte, dies aber mit ihrer Ideologie nicht vereinbar war. Ein weiterer Grund war die Unfähigkeit einiger Organisationsmitglieder. Dies konnte während des 15-jährigen bewaffneten Kampfes und bei der Strategieänderung vor einigen Jahren nicht richtig verstanden oder vermittelt werden.
Die PKK-Bewegung wurde mit der Aufnahme ihrer Aktivitäten in der Westtürkei nicht nur mit der Gegnerschaft der türkischen Regierung konfrontiert. Auch ideologische und politische Angriffe der kurdischen und türkischen Linken blieben ihr nicht erspart. Für die türkische Regierung war die PKK eine veraltete Bewegung, für die linken Organisationen jedoch eine anarchistische, kurdisch nationalistische, abenteuerlustige - Dörfler, die keine Chance im Leben haben. Später, als die PKK ihre Strategie geändert hatte, wurde sie mit weiteren Beschuldigungen konfrontiert. Einige erkannten darin eine militärische Niederlage und Schwächung, andere sahen, dass mit der Entführung des PKK-Generalsekretärs Abdullah Öcalan eine Strategieänderung der Bewegung in dieser schwierigen Situation notwendig war. Egal, was getan wurde, die Welt wurde mit der Realität der PKK konfrontiert. Es ist eine Tatsache, dass das kurdische Problem ein internationales geworden ist. Nach dem Friedensvertrag von Lausanne wollte niemand das kurdische Problem wahrhaben, mit der Gründung der PKK nach einigen Jahrzehnten ist es verständlich geworden.

Um die Gründe zu verstehen, müssen die Bedingungen in dieser Zeit betrachtet werden
Die Geschichte des kurdischen Volkes beschreibt eine tausende Jahre währende Zeit der Unterdrückung durch Araber, Römer, Hellenen, Perser und türkische Osmanen. Dies war auch zugleich das Ende der kurdischen Eigenständigkeit und Historie, ein schweres Schicksal für ein Volk. In der kurdischen Geschichte fanden von Zeit zu Zeit immer wieder Aufstände statt, und trotz des Widerstands war die kurdische herrschende Klasse mit ihrem beschränkten lokalen Stammescharakter nur auf ihre Vorteile bedacht und erfuhr Niederlagen.
Das kurdische Volk wurde im Verlauf seiner Geschichte gespalten und gebrochen und letztendlich nach dem Abkommen von Lausanne auf vier große Teile aufgeteilt. In dieser Konstellation lebt es schon 80 Jahre unter der Herrschaft der Türkei, Syriens, des Iraks und Irans.
Weil die PKK-Bewegung diese Realität an die Öffentlichkeit brachte, erfuhr sie heftige Reaktionen. Die Leugnung des kurdischen Volkes wird auch von den Weltmächten geteilt, was radikale Maßnahmen und Bewegungen der PKK hervorrief. Vor allem die Leugnungs- und Assimilationspolitik der türkischen Regierung wurde von kurdischer Seite beantwortet.
Auch wenn die PKK in dieser modernen Welt aus der marxistisch-leninistischen Ideologie hervorgegangen ist, liegen ihre Grundlagen doch in den sozialen und ökonomischen Bedingungen Kurdistans.
Kurdistan ist ein Land, in dem in den 50er Jahren ein klassisches Unterdrückungssystem herrschte mit feudalen Verhältnissen im Agrarbereich.
Die Entwicklung des Kapitalismus in der Türkei wirkte sich um 1950 auch bis Kurdistan aus, veränderte wie nicht anders zu erwarten die sozialen und ökonomischen Verhältnisse und erschütterte das Land. Aber mit der Entwicklung des Kapitalismus in Kurdistan wurden der Arbeiterklasse im Osten neue Tore geöffnet. In diesen Jahren gab die Kompradorenklasse in Kurdistan den Ton an. Sie wurde durch ihre Zusammenarbeit mit der Türkei geboren, handelte deshalb unterdrückerisch und antidemokratisch. Die kurdische Gesellschaft fiel durch Verrat, Mangel an Persönlichkeit und die Verleugnung ihrer Geschichte in die Hand fremder Besatzungskräfte, diese Abhängigkeit hielt auch in der Zeit der Republik weiter an. Gegen diese Unterdrückung und Verleugnung der kurdischen Geschichte führte die PKK ihre bewaffneten Aktionen gegen die Vertreter des Großgrundbesitzes aus.
Die PKK wurde am 27. November 1978 durch eine Gruppe von Vorkämpfern gegründet und hat in den Anfangsjahren Lenins bolschewistisches Parteimodell übernommen. Ein Grund dafür war die fehlende Organisationserfahrung der kurdischen Gesellschaft, ein weiterer die Aneignung der sozialistischen Ideologie. Die PKK ist auch unter dem Einfluss des nationalen Freiheitskampfes in Vietnam und seines militärischen Strategen Giap gegründet worden. Die Anfangsphase des bewaffneten Kampfes 1984 konnte nur mithilfe einer Strategie einen langen Volkskampf überstehen. Überhaupt hat die PKK wie auch andere linke Gruppierungen unter dogmatischen Einwirkungen gelitten, doch im Unterschied zu den anderen Organisationen in weit geringerem Maße. Mit diesen Eigenschaften verfügt sie seit ihrer Gründung über Rückhalt in der Bevölkerung. PKK-Gründer Abdullah Öcalan spielt mit seinem Volkscharakter eine wichtige Rolle, er ist überzeugt von Völkerfreundschaft und Geschwisterlichkeit. Die PKK wurde 1978 illegal gegründet, aber die Bedingungen dieser Zeit ermöglichten erst nach einem Jahr die Bekanntgabe. Ihre Ideologie richtete sich gegen Imperialismus, Unterdrückung und feudale Verhältnisse. Unterstützung von außen wurde nicht abgewiesen, aber man wollte eigene Kräfte mobilisieren. Mit dem Sturz des sozialistischen Systems in den 90er Jahren kippte das nationale, militärische und politische Gleichgewicht und eine Strategieänderung wurde in Erwägung gezogen. Außerdem fand eine rasche Entwicklung von Wissenschaft und Technik mit grundlegenden Veränderungen statt und überholte die theoretischen Vorarbeiten. Auch die PKK hat viele Jahre diesen Wandel nicht wahrhaben wollen. Mit Abdullah Öcalans Arbeiten wurde die veränderte Situation analysiert und im Jahr 2000 die Strategie geändert. Der KADEK war das Ergebnis. Die PKK hat am 2. August 1999 nach langem Krieg einen Waffenstillstand ausgerufen, um einen strategischen demokratisch-politischen Kampf führen zu können, und gab dies mit ihrem 7. Kongress bekannt. Diese Veränderungen schafften trotzdem keine umfassende Demokratie in der Türkei und auch das kurdische Problem wurde wieder nicht gelöst. Hätte man die Guerilla aufgelöst, wäre dies bei dem Verhalten der türkischen Regierung einem politischen Selbstmord gleichgekommen. Die Entwicklung der PKK wurde von vielen als falscher Schritt angesehen. Der KADEK hat das Erbe der PKK angetreten. Doch er verfügt über eine andere Ideologie, die einer Zeitgenössischen Demokratischen Zivilisation. Während die PKK ein freies unabhängiges Kurdistan außerhalb des jetzigen Territoriums der Türkei vertrat, ist die Option des KADEK eine demokratische Entwicklung in den bestehenden Grenzen aller vier Teile Kurdistans.
Die Zeitgenössische Demokratische Zivilisation ist die Verbindung zwischen den Ideologien der westlichen und der östlichen Kultur. Dass der Sozialismus nicht abgelehnt wurde, bedeutet aber nicht gleich (real)sozialistisch. Demokratie ist ein erfolgreiches System, das sich entwickelt, bei der Demokratisierung des Islam, des Sozialismus und desgleichen. Die Verwirklichung dieses Systems im Mittleren Osten würde Demokratie in der Türkei, im Iran, Irak, Syrien und Freiheit in Kurdistan bedeuten. Aus diesen Gründen hat der KADEK grundsätzliche Reformen in der Organisation durchgeführt. Wie der Name schon sagt, ist der KADEK (Freiheits- und Demokratie-Kongress Kurdistans) ein Kongress.
Dass die PKK nach 25 Jahren Organisierung in einen Kongress umgewandelt wurde, ist als großer Erfolg zu werten, es heißt auch, dass die PKK-Bewegung sich erneuert und verändert hat. Viele dachten, dass sich nach der Entführung von Abdullah Öcalan die PKK auflösen würde; sie haben sich geirrt - wie in den Gründungsjahren. Wenn die Veränderungen aber nicht stattgefunden hätten, wäre es mit großer Wahrscheinlichkeit zur Auflösung gekommen.
Mit diesem Überblick über 25 Jahre Geschichte der PKK können nicht alle Details berücksichtigt werden, aber die wichtigsten Veränderungen wurden benannt. Nach 25 Jahren der PKK kann diese Realität besser erfasst und in der Zukunft noch besser verstanden werden.