Am 15. August 2003 starb unser Freund Erdal

Vorbild und Freund

Ein Nachwort auf Engin Sincer (Heval Erdal)

Gemessen an der geleisteten Arbeit, an Kühnheit, Bewusstsein, Verbundenheit mit der Bevölkerung und Willenskraft war unser Freund Erdal ein vorbildlicher Aktivist. Sein ganzes Leben hat er dem Freiheitskampf gewidmet, auf jedem Gebiet sowie in schwierigen Zeiten ist er immer Vertreter dieser Arbeit gewesen.
Der Freiheitskampf hat heute ein bestimmtes Niveau erreicht und verfügt über viele Werte; zweifellos ist das den Menschen zu verdanken, die ihr Leben für die Freiheit gaben. Ob in den Bergen, Gefängnissen oder Metropolen, überall brachten sie mit ihrer Entschlossenheit den Freiheitskampf des kurdischen Volkes ein Stück weiter.

1969 ist unser Freund Erdal in Pazarcik geboren. Seine Familie und sein Bekanntenkreis sind in den späten 70er Jahren durch die neue Entwicklung der PKK und deren Freiheitsbewegung beeinflusst worden. Nach dem Massaker von Maras war die Familie gezwungen Kurdistan zu verlassen und nach Deutschland zu gehen. Bei deutschen Freunden ist Erdal sehr beliebt gewesen und hat in seiner Umgebung tiefe Spuren hinterlassen.

Heval Erdal machte sich in seinen jungen Jahren mit der kurdischen Volksdemokratie und dem Freiheitskampf bekannt. Die Familie war patriotisch gesinnt und mit Pazarciks ersten Revolutionären Mustafa Yöndem (Erdal) und Battal Evsan verwandt. Kemal Pir, einer der Gründerkader der Freiheitsbewegung, hat die Familie Mitte der 70er Jahre besucht. Das alles hat bei ihnen eine nachhaltige Wirkung gezeigt.
Die Beziehung zur Bewegung hat die Familie auch in Deutschland weiter aufrecht erhalten. 1986 hat Heval Erdal die Mainzer Kurdistan-Kulturvereinigung besucht, nach kurzer Zeit ist er dort tätig geworden. Im darauf folgenden Jahr war er in Frankfurt Mitbegründer der YCK (Vereinigung der Jugendlichen Kurdistans). In der Anfangszeit seiner Aktivitäten erlitt er einen Verkehrsunfall und fiel ins Koma. Die Ärzte gaben seinem Leben keine Chance mehr; Heval Erdal kämpfte und gesundete nach 8 Monaten wieder. Zu dieser Zeit waren Ali Sapan und sein Onkel Hüseyin Özserik, die sich um ihn kümmerten, Angeklagte im Düsseldorfer Prozess. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus trat Erdal nach kurzer Zeit der Freiheitsbewegung bei.
Vor seinem Eintritt in die Bewegung stand Heval Erdal unter dem starken Einfluss des Freundes und späteren Märtyrers Hüseyin Celebi. Bei einem Treffen mit ihm in Köln hat er die Entscheidung über seinen Beitritt getroffen und diese seinen Eltern nach der Rückkehr eröffnet. "Ich werde euch nie vergessen", sagte er beim Abschied von seiner Familie und hat sich bis zuletzt an diese Worte gehalten. Der Beitritt von Heval Erdal war die Gelegenheit für Hüseyin Celebi: "Ich habe für mich einen Ersatz gefunden, jetzt kann ich nach Kurdistan zurückkehren." Diese Worte wurden Wirklichkeit und Hüseyin Celebi ging Mitte 1991 nach Kurdistan. Zu dieser Zeit hieß Heval Erdal noch Hayri. Der Name Erdal wurde ihm von Hüseyin Celebi vorgeschlagen.
Ab diesem Zeitpunkt war Heval Erdal in Deutschland für die Öffentlichkeitsarbeit und Diplomatie verantwortlich.
Die Freundinnen und Freunde in diesem Lebensabschnitt wurden von Heval Erdal durch seinen Fleiß, seine Verbindlichkeit, sein Wissen und Wissensdrang stark beeindruckt. Die Freiheitsbewegung entwickelte sich rasant und 1992 ging auch Heval Erdal nach Kurdistan. Zuerst besuchte er die Mahsum-Korkmaz-Akademie, die jedoch 13 Tage später geschlossen wurde. Dort begegnete er zum ersten Mal Abdullah Öcalan. In den Tagen vor dem Wechsel in die Berge pflegte er das Beisammensein mit ihm. Als Abdullah Öcalan ihn wegen seiner Art nach Mustafa Yöndem fragte, bejahte Heval Erdal seine Verwandtschaft mit ihm. Der damalige PKK-Generalsekretär Abdullah Öcalan wies ihn darauf hin, dass sein Name nun nicht mehr Hayri, sondern Erdal lauten sollte. Nach diesen Tagen in der Akademie wurde Heval Erdal nach Haftanin (Gebirge im irakischen Kurdistan an der Grenze zur Türkei) versetzt. Kurz nach seiner Ankunft begann im Oktober 1992 der Südkrieg. Der Freund wurde sogleich in die Kämpfe verwickelt und verletzt. Trotz seiner Verletzung mussten ihn die Freunde und Freundinnen zur Aufnahme in ein Krankenhaus überreden.

In Botan wurde er akzeptiert
In Botan nahm er in der Bewegung einen wichtigen Platz ein. Botan gilt als das Herz der kurdischen Freiheitsbewegung. Heval Erdal wurde in Botan aufgrund seiner geleisteten Arbeit, Kühnheit und Selbstaufopferung akzeptiert. Dort entwickelte er sich vom stellvertretenden Gruppenkommandanten zum Bataillonskommandanten. Letztlich stieg er zum Gebietskommandanten auf. Auf dem 6. Parteikongress wurde er als Mitglied ins Zentralkomitee gewählt. Bei der Ausübung der Gebietskommandantur überließ er die täglichen Aufgaben nicht den anderen, sondern war beim Jagen, im Gefecht und auch beim Feuer-machen stets vorn dabei. Das wurde von den Freundinnen und Freunden als vorbildlich angesehen.
Heval Erdal blieb etwa 10 Jahre in Botan und durchquerte das ganze Gebiet. Er kannte jeden Punkt, jede Ebene und jede Höhle. In seiner Zeit in Botan wurden neben ihm Hunderte zu Märtyrerinnen und Märtyrern. Jede und jeder Einzelne haben tiefe Risse in ihm hinterlassen. Heval Erdal wurde Verantwortlicher in Botan.

In seinen Tätigkeiten war er immer Vorbild
Mit seiner Praxis in Botan war er stets Vorbild. Er hatte die Linie des Generalsekretärs Abdullah Öcalan beibehalten und diese immer in allem, was er tat, angewandt. Er war in jeder Hinsicht eine Quelle der Moral.
Nach dem 7. Parteikongress arbeitete er in Europa. Dort nahm er an der Arbeit in der kurdischen Bevölkerung teil. Die Menschen, die ihn kennen lernten, beurteilten ihn als fleißigen, lebensfreudigen und bescheidenen Freund.
Später übernahm er diplomatische Aufgaben. Dabei knüpfte er neue Beziehungen und wurde auch hier in kurzer Zeit zum vorbildlichen Militanten. Als eine Gruppe junger Freundinnen und Freunde der Bewegung neu beitrat und sich von Heval Erdal verabschiedete um nach Kurdistan zu gehen, berührte ihn das zutiefst. Es erinnerte ihn an 1992, als er selbst sich mit dem gleichen Enthusiasmus verabschiedet hatte.

Die Rückkehr nach Kurdistan
Im Frühling 2003 wurde er wieder nach Kurdistan beauftragt. Mit großer Begeisterung nahm er diese Nachricht entgegen. Heval Erdal wurde nach der 15.-August-Feier bei einem durch eine Patrone verursachten Unfall zum Märtyrer. Seinen Platz zu füllen wird schwer werden. Nachdem Mustafa Yöndem (Erdal) bei einer 15.-August-Feier 1989 zum Märtyrer geworden war, ereilte dieses Schicksal nun auch Heval Erdal. Heval Erdal wird in unserer Freiheitsbewegung immer leben!