GegenDruck Nr. 21 - März 1998
zurück
Inhalt
weiter

Eine Zusammenfassung der Ereignisse um den "Drogenpavillion“

Gehe über Los und ziehe nichts ein -
und wer hat die Schloßallee?

Momentan ist Ruhe eingekehrt um die Einrichtung der Kontaktstelle für Abhängige von illegalisierten Drogen. Geeignete Räumlichkeiten scheinen gefunden, die letzten Klagen von AnwohnerInnen sind abgewiesen, der ehemalige "Drogenpavillion“ ist abgerissen, die mobile Polizeiwache vor der Drogenberatungsstelle ist abgerückt und die Kontaktstelle steht kurz vor der Eröffnung.
Erhitzten sich noch vor wenigen Wochen die Gemüter, wurden bei jedem neuen möglichen Standortvorschlag der Kontaktstelle eiligst Nachbarschafts- und Bürgerinitiativen gebildet (gd berichtete). ChefInnen mit AbeiterInnen, LehrerInnen mit SchülerInnen, Alternative mit Konservativen und Liberalen empörten sich gemeinsam, zwar mit teilweise unterschiedlichen Argumenten, dennoch gegen eine Kontaktstelle in ihrer Nähe.
Ach, tut das gut, wenn die Massen, so in einer Linie, gemeinsam ihre Meinung vertreten. Das hat so einen Hauch von Demokratie, ihr wißt schon, da wo jeder mit der Faust auf den Tisch hauen darf und sagen: so nich, nicht mit mir und nicht hier und jetzt, alles andere ist mir schnuppe. Und wenn ganz viele hauen, nein, dann gibt es kein Erdbeben, dann haben sie eine Mehrheit. Und die Mehrheit gewinnt in der heutigen Demokratie. Immer. Also ist doch ganz einfach, kräftig mitgehauen, auf den Tisch, versteht sich, oder du gehörst zur Verliererseite. Da wirste dann meistens im Regen stehengelassen. Wörtlich. Im Regen der Besserwisserei, was sich gehört und was nicht, und das es eh schon vorher klar war, daß man mit solchen spinnerten Ideen nicht weit kommt.
Scherz beiseite, zurück zum ernsten Thema und die Highlights kommen wie erwartet erst am Schluß.
Die letztendliche Entscheidung des Stadtrates für die Einrichtung der Kontaktstelle im Veterinäramt ist natürlich nicht ohne Befriedungszugeständnisse zugunsten der eigentumschützenden Initiativen gefallen. Die Maßgaben, unter denen ein Entscheidung herbeigeführt werden konnte, sollen binnen sechs Monaten nach Inbetriebnahme umgesetzt worden sein, ansonsten soll der Standort aufgegeben werden. Zu den einfach zu erfüllenden Maßgaben gehört, daß nur BielefelderInnen "betreut“ werden sollen. Fragt man nach dem Sinn, kommt man hier auf den Gedanken, daß der Fetisch Sparen zugeschlagen hat, illegalisierte Drogen als ein "Großstadt“-problem ausgemacht werden und auswärtige BesucherInnen der Einrichtung schlechte Karten haben, da es auf dem Land keine vergleichbaren Einrichtungen gibt.
Desweiteren soll ein Nachbarschaftsbeirat gebildet werden. Unklar ist welche Funktionen oder Befugnisse dieser haben soll. Also ein Mitsprache- und Entscheidungsrecht oder die Ausrichtung einer Selbsthilfegruppe gegen die Ängste der "betroffenen“ AnwohnerInnen. Als letzter Punkt findet sich einer, der am schwierigsten einzuschätzen und damit eine sehr streitbare Maßgabe ist. Es soll eine offene, unkontrollierte Szene in Bielefeld vermieden werden. Nicht geäußert wurde sich bislang, wie und wer das beurteilt oder beurteilen kann. Es braucht also nur jemand auf die Idee kommen, eine Gruppe Menschen an einer nahegelegenen Staßenecke, die von den Äußerlichkeiten(!) als der Szene zugehörig identifziert werden können, als Beweis für eine offene Szene halten, da sich diese ja nicht mehr auf dem ihnen zugewiesenen öffentlichen Gelände befinden.
Der Einrichtung von sogenannten "Fixerstuben“ oder Gesundheitsräumen, in denen sich in einer hygienisch akzeptablen Umgebung ein "Schuß“ gesetzt und gebrauchte Spritzen gegen sterile getauscht werden können, wurde aus mehreren Gründen, unter anderem der rechtlichen Grauzone, abgelehnt. Der Kommentarschreiber des Westfalenblatts, Manfred Matheisen, begrüßte das Querstellen der CDU mit folgenden Worten: "Wenn die Stadt selbst - oder ein von ihr beauftragter Träger - Räume bereitstellt, in denen sich Süchtige Spritzen setzen dürfen, wie will man jungen Leuten dann noch klar machen, daß Drogen Leben vernichten können?“ Abgesehen davon, daß junge Leute vermutlich weniger zu seinem Leserklientel gehören, sei im geraten, wenn er schon auf die lebensgefährdende Wirkung von Drogen hinauswill, es anhand von den bisher öffentlich erlaubten und geförderten Drogen, wie Alkohol oder Nikotin zu erklären.
Diese Aufgabe sollen eigentlich StudentInnen der Fachhochschule für Sozialwesen in Bielefeld erlernen und übernehmen. Das haben sie auch ganz gut raus, deshalb konnte die Studentische Initiative die Zusammenhänge und den Status der Abhängigen von illegalisierten Drogen ihrem Dekan erklären. "Ein kausaler Zusammenhang, daß Abhängige gleichsam kriminell seien, ist nicht existent, da sie erst durch gesellschaftliche Lebensbedingungen kriminalisiert werden. Typisch für die in der Stellungnahme propagierte -offene Hochschule- ist, daß die Realität, die konkreten Lebensbedingungen ausgeblendet werden. Statt menschliche Lebensverhältnisse für alle Menschen zu schaffen, wird ein Menschenbild vertreten, daß den Menschen auf ein einziges Merkmal reduziert (z.B. Abhängigkeit) und marginalisierte Gruppen ausgrenzt. Die Konsequenz daraus bedeutet, daß diese Randgruppen und Minderheiten gegeinander ausgespielt und durch das Kapital instrumentalisiert werden ("Der nützliche Feind Junkie“). Aus einer solchen Logik zielen elitäre Bevölkerungsgruppen ihren Nutzen.“
Diesem Brief war eine Tischvorlage vorausgegangen, indem der gelplante Standort in der ehemaligen Kaserne begrüßt wurde, der wollte der Dekan aber aus folgenden Gründen nicht zustimmen: "Die geplante Einrichtung eines "Drogenpavillons“ im gleichen Gebäudekomplex ist bei allem Verständnis für die Notwendigkeit eines Hilfsangebotes für Drogenabhängige mit dieser Zielsetzung (der Hochschule - die Redaktion) nicht vereinbar. Wie die Erfahrungen der Fachhochschule Bielefeld an einem früheren Standort und die Erfahrungen andernorts gezeigt haben, ist ein "Dorgenpavillion“ nicht nur mit dem Aufenthalt von Drogenabhängigen im Pavillion selbst verbunden, sondern führt zu einer Konzentration von Drogenabhängigen und möglicherweise auch von Dealern sowie zu Beschaffungskriminalität in einem größeren Radius um diese Einrichtung.“
Die Erklärungen der StudentInnen konnte oder wollte der Dekan Prof. Dr. Heinz Neuser allerdings dann doch nicht verstehen. Die StudentInnen forderten daraufhin verständlicherweise seinen Rücktritt, sie konnten ja auch nichts Konstruktives bei ihm lernen.
Auch in einigen anderen sozialen Einrichtungen wunderte man sich über die Haltung des Dekans. Das blieb allerdings nicht ohne Folgen, leider im wesentlichen für die StudentInnen.
Die Leitung der Psychiatrischen Klinik Gilead in Bethel stellte zunächst die Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Bielefeld ein, d. h. es werden keine Praktikumsplätze zur Verfügung gestellt, keine Beratung durchgeführt und keine Diplomarbeiten begleitet. Der Kreis 74, das IBZ, das Antidiskriminierungs Büro und der Bielefelder Flüchtlingsrat werden der Fachhochschule Bielefeld zunächst für ein Jahr keine Praktikumsplätze zur Verfügung stellen.

Toni

Home
Archiv
Inhalt
Links