Angehörigen Info

Nummer 188, 3.12.1996

Herausgegeben von Angehörigen, Freunden und Freundinnen politischer Gefangener in der BRD


Birgit Hogefeld

Birgit Hogefeld zu lebenslanger Haft verurteilt

Nach über zweijähriger Verhandlungsdauer wurde Birgit Hogefeld (Bild) vom OLG Frankfurt wegen "Mitgliedschaft in der RAF sowie zweifachen Mordes und fünffachen Mordversuchs" zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Im "Komplex Bad Kleinen" - in dem ihr die Bundesanwaltschaft "Mord an dem Polizeibeamten Newrzella" vorgeworfen hatte - wurde Birgit Hogefeld freigesprochen.


Bestürzende Entwicklungen im Verfahren von Mumia Abu-Jamal

Internationaler Aktionstag und dringender Spendenaufruf für Mumia Abu-Jamal

Liebe FreundInnen, liebe UnterstützerInnen von Mumia Abu-Jamal, vor einem Jahr, im August 1995, drohte dem ehemaligen Black Panther-Aktivisten und bekannten afroamerikanischen Journalisten Mumia Abu-Jamal die Hinrichtung durch die Giftspritze. Abu-Jamal war 1982 nach einem zweiwöchigen Prozeß und mit Hilfe gefälschter Beweise und erpreßter ZeugInnen wegen Mordes an einem weißen Polizeibeamten in Philadelphia zum Tode verurteilt worden. Er selbst hatte in dem Prozeß mehrfach seine Unschuld beteuert.
Aufgrund einer breiten internationalen Protestbewegung und der juristischen Bemühungen von Abu-Jamals Anwaltsteam unter Leitung des New Yorker Bürgerrechtsanwalts Len Weinglass war der prozeßführende Richter Albert F. Sabo gezwungen, Abu-Jamals Hinrichtungsbefehl auszusetzen. Allerdings lehnte Richter Sabo, der 1992 den Vorsitz im Prozeß gegen Abu-Jamal geführt hatte, dessen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab. Im Februar diesen Jahres legte Len Weinglass vor dem Obersten Gerichtshof von Pennsylvania Berufung gegen Sabos ablehnende Entscheidung ein. Mittlerweile gibt es eine Reihe von wichtigen und bestürzenden neuen Entwicklungen in Abu-Jamals Verfahren.

Die Zeugin Veronica Jones

Im Mai dieses Jahres gelang es den Privatermittlern von Abu-Jamals Anwaltsteam, die Zeugin Veronica Jones ausfindig zu machen. Veronica Jones gehörte zu den AugenzeugInnen des Geschehens in der Nacht vom 9. Dezember 1981, als der Polizeibeamte Daniel Faulkner erschossen wurde und Abu-Jamal schwerverletzt verhaftet wurde. In einer ersten schriftlich protokollierten Zeugenaussage bei der Polizei erklärte die damals 21jährige Veronica Jones, die damals als Prostituierte arbeitete, daß sie Schüsse gehört habe und zwei Männer vom Tatort wegrennen sah. Einige Monate nach dieser Aussage wurde Veronica Jones verhaftet und mit einer Raubüberfallanklage in Untersuchungshaft genommen. Wenige Tage vor dem Beginn des Prozesses gegen Abu-Jamal erhielt sie in der Untersuchungshaft Besuch von zwei Polizeibeamten. Die Beamten erklärten ihr: "Wenn ich gegen Abu-Jamal aussagen würde und ihn als Schützen identifizieren würde, müßte ich mir keine Sorgen mehr wegen des Verfahrens gegen mich machen. Die Polizisten bedrohten mich, indem sie mich daran erinnerten, daß ich ansonsten eine 15jährige Haftstrafe zu erwarten hätte. Ich wußte, daß mich jahrelanger Knast erwarten würde, wenn ich auch nur irgendetwas tun würde, um Abu-Jamals Verteidiger zu helfen." (Zeugenaussage von Veronica Jones vom 2.10.1996)

Veronica Jones wurde aus derUntersuchungshaft im Prozeß gegen Abu-Jamal als Zeugin vorgeführt. Während ihrer Aussage saßen die beiden Polizeibeamten in ihrem Blickfeld im Gerichtssaal. Veronica Jones widerrief ihre ersten Aussagen bei der Polizei und erklärte, daß sie niemanden vom Tatort habe wegrennen sehen. Auf Nachfragen von Abu-Jamals damaligem Verteidiger erklärte sie außerdem, daß die Polizei ihr - sowie einer anderen Prostituierten namens Cynthia White - das Angebot gemacht habe, daß sie weiterhin unbehelligt als Prostituierte arbeiten könne, wenn sie gegen Abu-Jamal aussagen würde. Richter Sabo ordnete an, diesen Teil ihrer Aussage aus dem Verhandlungsprotokoll zu streichen.

Kurze Zeit nach ihrer Aussage wurde Veronica Jones auf Kaution entlassen und die Anklage gegen sie fallengelassen.

Nachdem die Privatermittler von Abu-Jamals Rechtsanwaltsteam im Frühjahr dieses Jahres Kontakt zu Veronica Jones aufgenommen hatten, entschied sie sich, die Wahrheit über die Nacht vom 9.12.1981 und das Zustandekommen ihrer Aussagen im Prozeß gegen Abu-Jamal zu erzählen. Abu-Jamals Anwaltsteam legte der Öffentlichkeit und Richter Sabo daraufhin eine eidesstattliche Versicherung von Veronica Jones vor und beantragte ihre Vernehmung als Zeugin im Berufungsverfahren beim Obersten Gerichtshof von Pennsylvania.

Am 30.September ordnete der Oberste Gerichtshof eine Zeugenvernehmung von Veronica Jones durch Richter Albert F. Sabo an - entgegen dem Antrag der Verteidigung, die zum wiederholten Mal die Ablösung von Richter Sabo wegen Befangenheit beantragt hatte.

Bei ihrer Zeugenanhörung am 1. und 2. Oktober 1996 berichtete Veronica Jones dann noch einmal ausführlich von dem Druck der Polizeibeamten, der sie zu den Aussagen gegen Abu-Jamal gezwungen hatte. Schon während der Anhörung bezeichnete Richter Sabo ihre Aussagen als "reine Erfindungen". Am Ende der Anhörung beantragte die Staatsanwaltschaft die Festnahme von Veronica Jones aufgrund eines angeblich zwei Jahre alten Haftbefehls wegen Scheckbetrugs. Richter Albert F. Sabo folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft, und Veronica Jones wurde aus dem Gerichtssaal in Untersuchungshaft genommen und erst am nächsten Tag auf $ 10.000 Kaution freigelassen.

Mittlerweile hat Richter Sabo am 1. November 1996 in einer schriftlichen Bewertung für den Obersten Gerichtshof die Aussagen von Veronica Jones als "irrelevant und erfunden" bezeichnet. Er lehnt eine Wiederaufnahme des Verfahrens weiterhin ab. Abu-Jamals Anwälte haben auch gegen diese Bewertung Berufung beim Obersten Gerichtshof von Pennsylvania eingelegt.

Wichtig ist, sich vor Augen zu führen, daß Veronica Jones keinerlei Vorteile von ihrer jetzigen Aussage für Abu-Jamal - die sich im übrigen mit dem schriftlichen Protokoll ihrer polizeilichen Vernehmung am 9. 12.1981 deckt - hat. Im Gegenteil: Sie hat mittlerweile ihren Job verloren, und ihre Festnahme im Gerichtssaal kann nur als Einschüchterung aller potentiellen EntlastungszeugInnen für Abu-Jamal verstanden werden.

Die weitere Entwicklung

Noch ist nicht absehbar, wann der Oberste Gerichtshof von Pennsylvania über den Berufungsantrag entscheiden wird. Abu-Jamals Anwälte haben eine mündliche Anhörung beantragt, aber das Gericht kann auch nach Aktenlage entscheiden. Es wird angenommen, daß diese Entscheidung im Winter 1996/97 getroffen wird.

Abu-Jamals Anwälte sehen es als vordringlichste Aufgabe an, weitere AugenzeugInnen der Nacht vom 9. 12.1981 zu finden. Denn Veronica Jones ist bei weitem nicht die einzige Augenzeugin, die von der Polizei zu belastenden Aussagen gegen Abu-Jamal gezwungen wurde. Wie im Fall von Veronica Jones, die mehrfach ihren Namen und ihren Wohnort gewechselt hatte, gestaltet sich allerdings das Auffinden der anderen AugenzeugInnen sehr schwierig und kostspielig.

Neue Schikanen

Seit Anfang November diesen Jahres hat die Gefängnisbehörde von Pennsylvania eine neue Anordnung für den Umgang mit Medieninterviews mit Gefangenen verabschiedet. Seit dem Inkrafttreten dieser Anordnung dürfen keinerlei Radio- und Fernsehinterviews mit Gefangenen (diese Regelung gilt für alle Gefangenen im Bundesstaat) gemacht werden. Journalisten dürfen nur noch Telefoninterviews führen oder mit einem Bleistift und einem Notizblock bei einem Besuch "Interviews" machen. Diese Regelung, die auch schon seit den Gefängnisrevolten im letzten Jahr im Bundesstaat Kalifornien praktiziert wird, verhindert de facto jegliche Berichterstattung über die Situation von Gefangenen. Im Fall von Mumia kann sie nur als Versuch gewertet werden, seinen Zugang zur Öffentlichkeit weiter einzuschränken.

"Für Mumia Abu-Jamal bedeutet finanzielle Unterstützung den Unterschied zwischen Leben und Tod"

Laut einer Studie einer US-amerikanischen Juristenorganisation belaufen sich die Kosten zum Erreichen eines Wiederaufnahmeverfahrens für einen Todesstrafengefangenen auf eine bis drei Millionen Dollar. Je länger die Verurteilung zurückliegt - und bei Mumia Abu-Jamal sind es mittlerweile 14 Jahre -, desto teurer wird es, ZeugInnen zu finden, Gutachten zu bezahlen usw. Viele Menschen in den USA und in anderen Ländern haben mittlerweile Geld für Mumia Abu-Jamals Wiederaufnahmeverfahren gespendet - und doch ist es nur ein Bruchteil dessen, was normalerweise veranschlagt würde.

Obwohl Mumias Anwaltsteam, das aus vier AnwältInnen besteht, beispielsweise mehr als 50 % der Arbeit pro bono macht. Mumia Abu-Jamal und seine Familie sind mittellos und daher vollkommen auf Spenden angewiesen.

Bis jetzt haben die Spenden die Kosten der Verteidigung und Ermittlungen knapp gedeckt, denn "kurz vor dem Hinrichtungstermin haben viele Menschen gespendet", so Len Weinglass. "Aber seit der Aussetzung des Hinrichtungsbefehls sind die Spenden dramatisch zurückgegangen. Dabei benötigen wir gerade jetzt dringend Geld, um die Suche nach weiteren ZeugInnen fortsetzen zu können. Für Mumia Abu-Jamal bedeutet finanzielle Unterstützung den Unterschied zwischen Leben und Tod. "

Wir möchten Euch/Sie bitten, Mumia Abu-Jamals Kampf um ein Wiederaufnahmeverfahren - um sein Leben und seine Freiheit - zu unterstützen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten:

 

Internationaler Aktionstag am 9. Dezember

Am 9. Dezember diesen Jahres - dem 15. Jahrestag von Abu-Jamals Verhaftung - findet ein internationaler Aktionstag statt. Abu-Jamals UnterstützerInnengruppe "International Concerned Family and Friends" bittet darum, daß an diesem Tag durch Petitionen und Faxe an Pennsylvanias Gou-verneur Thomas Ridge mit der Forderung nach einem neuen Verfahren für Abu-Jamal und einer unabhängigen Untersuchung zu den Verletzungen von Abu-Jamals Bürgerrechten Nachdruck verliehen werden soll. In den USA wird es eine zentrale Aktion in New York geben - eine ganztägige Blockade des Börsenviertels an der Wall Street.

Spendenaufruf

Darüber hinaus bitten wir Euch/Sie, für Mumia Abu-Jamals Prozeßkosten zu spenden. Die Spenden werden von dem zentralen Konto der bundesdeutschen Mumia Abu-Jamal Solidaritätsgruppen direkt an Rechtsanwalt Len Weinglass weitergeleitet.

Wir möchten uns schon im voraus für Eure/Ihre Unterstützung bedanken und fügen noch einen Dankesbrief von Mumia Abu-Jamal vom Oktober dieses Jahres bei.

Mit freundlichen Grüßen
Mumia-Soligruppe Berlin im Winter 1996
(für den bundesweiten Zusammenschluß der Mumia-Soligruppen)

Spendenkonto: Sonderkonto Mumia Abu-Jamal, Archiv '92, Kto-Nr. 1008738701, BLZ 290 101 11, BfG Bremen

 

Petition

An die US-Botschaft in Bonn:

Fax-Nr. (02 28) 33 36 01

und an Gouverneur Thomas Ridge, Pennsylvania:

Fax-Nr. 0 01/7 17-7 83-13 96 oder 0 01-7 17-7 87-78 59

Dear Mr. Ambassador,

dear Governor Ridge,

today 15 years ago, the African American journalist and ex-Black Panther Mumia Abu-Jamal was arrested and falsely charged with the killing of a police officer in Philadelphia. Mumia Abu-Jamal has been sentenced to death. Currently, Abu-Jamal's death-warrant has been stayed and his defense team is appealing for a new trial. We support Mumia Abu-Jamal's demand for a new and impartial trial. We also demand that Judge Albert F. Sabo be removed permanently from the case. We also demand that Attorney General Janet Reno starts an independent federal investigation of the human rights abuses that occurred in Abu-Jamal's case. We urge Pennsylvania's Governor Thomas Ridge to refrain from signing a new execution warrant for Mr. Jamal and to stop executions in Pennsylvania.

Sincerely

 

"Ich danke Euch allen"

Brief von Mumia Abu-Jamal

Liebe Brüder, Schwestern, FreundInnen und UnterstützerInnen, Ona Move!

Während wir die aktuelle Phase des Widerstandes beginnen, werde ich durch die Umstände gezwungen, Euch folgendes zu schreiben:

Unsere Bewegung ist gewachsen und wächst weiterhin - mal mehr und mal weniger schnell. Dadurch säen wir die Idee des Widerstands immer breiter. Darin drückt sich vor allem die harte und aufopfernde Arbeit von vielen guten Leuten aus, von denen viele gerade diesen Brief lesen werden. Ihr macht gute Arbeit! Und ich möchte mich dafür bei Euch allen bedanken!

Es war und ist kein einfacher Kampf angesichts eines derart hinterlistigen Gegners: Viele Menschen von Vermont bis Minnesota, von Philly bis Frisco wurden von der Polizei geschlagen und verhaftet! Einige von uns haben hautnah erfahren, wie dieses "Gesetz" der Ungerechtigkeit funktioniert, der Angriff des Systems auf die sog. "freien" Menschen, auf die Menschen außerhalb der Knastmauern, die einfach nur wagten, die Wahrheit zu sagen. Die Schlußfolgerung daraus liegt auf der Hand: Wenn du für deine Rechte kämpfen mußt, dafür geschlagen wirst, man dich anlügt und dich juristisch auflaufen läßt, wenn du auf diese Rechte bestehst, dann kann das alles hier nicht ganz so frei sein, oder?

Aber war es das jemals?

Auch meine Anwälte sind alles andere als frei. Wir sind sehr glücklich darüber, daß uns ein so fähiges und aufopferndes Anwaltsteam zur Seite steht, das von dem brillianten Rechtsanwalt Len Weinglass angeführt wird, der meine Verteidigung übernahm, als diese Bewegung nicht einmal einen kleinen Raum füllen konnte.

Len und Co. haben hart und mit geringen Ressourcen gegen diesen Staat gekämpft. Die Spendenkampagne für den juristischen Teil der Kampagne wurde und wird vor allem vom "International Concerned Family and Friends of Mumia Abu-Jamal" (durch den Black United Fund) und dem "Committee to Save Mumia Abu-Jamal" (durch die Bill of Rights Foundation, New York City) durchgeführt. Die Spendenkampagne hat bis jetzt dafür gesorgt, daß unseren AnwältInnen die notwendigen Mittel zur Verfügung standen, um Privatermittler zu bezahlen, ZeugInnen aufzufinden und vorzuladen und um Sachverständige bezahlen zu können.

Kurz gesagt: Die Spenden haben es ermöglicht, überhaupt vor Gericht auftreten zu können. Dabei handelt es sich um eine Justiz, die uns mit einer unglaublichen Feindseligkeit und grenzenloser Boshaftigkeit begegnet. Die Juristenzeitschrift "American Lawyer" schrieb über das Verhalten des Gerichts während unserer letzten Anhörung für das Wiederaufnahmeverfahren: "Richter Sabo glänzte durch Befangenheit, triefte von Parteilichkeit für die Staatsanwaltschaft und versuchte unverhohlen, Rechtsanwalt Weinglass zu schikanieren, dessen Verhalten im Gerichtssaal so korrekt war, wie das von Richter Sabo unkorrekt war. "

Wir sind alle Teil eines gemeinsamen Kampfes! Es gibt viele, die mit ihren Füßen, ihren Schreibwerkzeugen oder mit der Sprühdose kämpften - einige haben durch ihre Gebete gekämpft -, und alle sind wichtig und wertvoll in diesem Kampf. Meine Familie, meine FreundInnen und ich selbst schätzen jeden einzelnen und jede einzelne von Euch sehr. Ich danke Euch allen. Allen, die geholfen haben (und allen, die helfen wollen), die gerichtliche Auseinandersetzung überhaupt möglich zu machen, herzlichen Dank für Eure Spenden!!!

 

Aus dem Todestrakt

Mumia Abu-Jamal, 3. Oktober 1996


Pressemitteilung zum Prozeß gegen Monika Haas

Am Dienstag, den 19. November 1996, wurde das Urteil gegen Souhaila Andrawes verkündet.


Während der Urteilsverkündung rief Souhaila Andrawes in norwegischer Sprache, daß Monika Haas NICHT die Waffen nach Mallorca transportiert habe. Der Vorsitzende des Senats ließ diesen Satz nicht übersetzen: Er habe es schon verstanden. Auf Proteste aus dem Zuschauerraum ging er nicht ein und fuhr mit der Urteilsverkündung fort.

Später wiederholte Souhaila Andrawes diesen Satz auch auf Englisch und schrieb auf einem Blatt Papier auf, daß Monika Haas die Waffen nicht transportiert habe. Sie versuchte, Bundesanwalt Homann dieses Papier zu überreichen, dieser weigerte sich aber, es anzunehmen.

Am Donnerstag, den 21.11.96, präsentierte Bundesanwalt Homann im Prozeß gegen Monika Haas plötzlich einen neuen Zeugen, der zur Zeit im Libanon in Haft ist und wegen anderer Straftaten eine lange Haftstrafe zu erwarten hat. Bundesanwalt Homann behauptete, daß dieser Zeuge aussagen werde, er sei am 7. Oktober 1977 mit Monika Haas und ihrer Tochter Hanna nach Mallorca geflogen und habe die Waffen übergeben.

Tatsächlich dieser Zeuge bisher nur ausgesagt, er sei am 9. Oktober 1997 allein nach Mallorca geflogen und habe einen Brief übergeben. Er konnte Monika Haas auch nicht identifizieren.

Es steht zu befürchten, daß die Bundesanwaltschaft den Zeugen noch zu einer von ihr dringend benötigten Aussage bringen will, so wie sie dies auch bei Souhaila Andrawes bei den Vernehmungen in Oslo zunächst geschafft hat.

Dieser Zeuge könnte in einer ähnlichen Zwangslage sein wie Souhaila Andrawes bei den Vernehmungen durch deutsche Behörden in Norwegen.

Wir bitten Sie, den Prozeßverlauf und insbesondere die Aussagen dieses plötzlich präsentierten Zeugen aufmerksam und kritisch zu beobachten und darüber zu berichten.

Forum für Monika Haas, Frankfurt, 26. 11.96

 

Prozeßtermine

Dienstag, den 17. 12., Donnerstag, den 19.12., Montag, den 23. 12. (hier Beginn um 13.00 Uhr) Donnerstag, 2. 1., Beginn - außer am 23.12. - immer jeweils um 10.15 Uhr, OLG Frankfurt.

 

Infos

Die Prozeßerklärung von Monika Haas
(33 Seiten) vom 31. Oktober 1996 ist gegen 3 DM zu beziehen über:

Forum für Monika Haas, Postfach Bodo Lube 18 01 48, 60082 Frankfurt.

 

"Der Prozeß gegen Monika Haas"

- die Dokumentation einer Veranstaltung des Komitees für Grundrechte und Demokratie, des Forums für Monika Haas, der Bunten Hilfe Frankfurt/Main und des Frankfurter Frauenbündnisses 8. März am 21. März 1996 in Frankfurt/Main -

kann für 8 DM bezogen werden über:

Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., An der Gasse 1, 64759 Sensbachtal.


Zeugenvorladungen vor dem BGH im Verfahren gegen Steinmetz - die nächste Runde ist eröffnet

Mit ihnen oder gegen sie

Am 14.11.1996 erhielt unsere Genossin Ursel Quack eine "Zeugen"-Vorladung des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe im Verfahren nach 129a gegen den VS-Agenten Steinmetz.


Zuletzt hatte das Bundeskriminalamt einen Vernehmungsversuch am 9.10.1996 gestartet. An diesem Tag fand im Landeskriminalamt Saarbrücken die Rückgabe der bei Hausdurchsuchungen 1994 beschlagnahmten Gegenstände statt. Zu diesem vom BKA vereinbarten Termin war der Leiter des Ermittlungsverfahrens im BKA gegen Steinmetz angereist. Ursel lehnte eine Vernehmung ab, woraufhin der BKAler die Weitergabe der Angelegenheit nach Karlsruhe ankündigte.

Das Verhör beim Bundesgerichtshof soll am Donnerstag, 28.11.1996, ab 14 Uhr stattfinden.

Der 129a-Prozeß gegen unsere Genossin ist gerade fünf Monate um. Sie wurde vom Oberlandesgericht Koblenz zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 20 DM verurteilt. Es trifft uns zwar, aber es erstaunt uns nicht, daß jetzt eine Vorladung ins Haus flattert, die zu einer weiteren Runde von Vernehmungsversuchen gehört. Bisher wissen wir von noch drei weiteren Vorladungen im gleichen Zeitraum.

Mit unserer politischen Mobilisierung gegen den Staatsschutzprozeß in diesem Jahr vor dem Oberlandesgericht Koblenz ging es uns darum, der von der Staatsschutzjustiz beabsichtigten Entpolitisierung, Spaltung und Aufrechterhaltung der Zersplitterung der radikalen Linken entgegenzuwirken. Mit unserer Mobilisierungslinie "Die Linke muß eine Kraft werden, die in der Lage ist, die Staatsschutzangriffe gemeinsam zurückzuschlagen" wollten und wollen wir gegen staatliche Repression Schritte zu politischer Einheit, zu solidarischem, gemeinsamem Verhalten entwickeln; ausgehend davon, daß sich keine einzelne Gruppe, kein Zusammenhang allein gegen die Repression durchsetzen kann.

Wir haben auch - gerade vor dem Hintergrund der Defensive radikaler linker Politik und der damit einhergehenden Entpolitisierung - deutlich gemacht, daß es auf keiner Ebene eine Kooperation mit Polizei und Justiz geben wird.

In der Mobilisierung waren starke Momente von solidarischem und entschlossenem Verhalten. Es gab relativ viel Interesse an dem Prozeß. Jedoch unseren Vorschlag für eine politische Linie gegen staatliche Repression haben wir bislang weder selbst noch gemeinsam mit anderen Gruppen weiterentwickeln können.

Die aktuellen Zeugenvorladungen gehören zu den Möglichkeiten, die die über 10jährige Tätigkeit des VS-Agenten Steinmetz in der radikalen Linken für die Staatsschutzapparate geschaffen hat. Im Zusammenhang des Ermittlungsverfahrens gegen Steinmetz gab es bereits neun Vorladungen, die zur Verhängung von Beugehaft gegen sechs Personen führten. Im Februar 1996 gab es gegen 25 weitere Personen, haupt-sächlich aus Wiesbaden, Vorladungen vor das Bundeskriminalamt, zu denen niemand von ihnen hinging. Zwei von diesen Leuten sind nun auch vor den Bundesgerichtshof geladen.

Am massivsten war bisher das Wohnprojekt Fritzlaer Straße in Frankfurt betroffen. Fünf Hausdurchsuchungen, vier BewohnerInnen befanden sich ab Dezember 1995 mehrere Monate in Beugehaft.

In diesem Zusammenhang wurden Auseinandersetzungen um den Komplex Aussageverweigerung angestoßen; mit Veranstaltungen, Beteiligung an überregionalen Aktivitäten gegen Repression, Knastkundgebungen usw. wurde konkrete Solidarität entwickelt. Mit ihrer Positionierung "Wir lassen uns nicht beugen!" setzten die Betroffenen eine Trennungslinie zu den Staatsschutzapparaten.

Andrea Wolf, eine ehemalige Bewohnerin der Fritze, entzog sich ihrer Vorladung vor die Bundesanwaltschaft am 20.7.1995 und lebt seither in der Illegalität. Sie ging davon aus, daß der "Zeugen"-Vorladung als nächster Schritt folgen wird, sie zur Beschuldigten zu machen. Inzwischen läuft gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen 129a, "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" und "Beihilfe zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion" (gemeint ist die Sprengung des Knastneubaus Weiterstadt durch die RAF).

Das zeigt, wie fließend der Übergang von der "Zeugin" zur "Angeklagten" ist.

Umgekehrt ist der bisherige Verlauf gegen Ursel: Vor einem halben Jahr noch Angeklagte, soll sie jetzt "Zeugin" im gleichen politischen Kontext sein.

Uns ist bewußt, daß mit dem Termin vorm BGH die Drohung von Ordnungsgeld oder Beugehaft verbunden ist, aber wir sehen uns in der kurzen Zeit nicht in der Lage, den politischen Druck zu schaffen, der dies verhindern könnte. Auch wenn wir jetzt keine auf den Termin ausgerichtete Mobilisierung anpacken und uns klar ist, daß wir darüber hinaus wenig in der Hand haben, um die Situation kurzfristig zu wenden, haben wir nicht vor, die weitere Entwicklung nur begleitend zu kommentieren. Allerdings sehen wir über die Solidarität zu Ursel und allen in diesem Zusammenhang mit Zwangsmaßnahmen Betroffenen hinaus zur Zeit kaum direkte Anknüpfungspunkte für uns - das müssen wir sowohl aus der im Sommer gelaufenen Mobilisierung gegen den Prozeß in Koblenz als auch aus unserer unmittelbar eigenen Situation sagen. Dazu nur so viel: Wir befinden uns zur Zeit in einer Phase innerer Klärung und teilweiser Neuorientierung - ein Einschnitt, der im Grunde schon im Dezember letzten Jahres anstand, den wir aber damals bewußt wegen des anstehenden Prozesses gegen unsere Genossin verschoben haben.

Was Ursel zu "Steinmetz" gegenüber der Linken zu sagen hatte, zu ihrem fast vierjährigen Kontakt und zu ihrer politischen Verantwortung darin, haben wir schon im August 1994 in unserer Aufarbeitung zur Krise der revolutionären Linken "Like a Rolling Stone ..." veröffentlicht. Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt wissen, daß sie keine Aussagen von unserer Genossin bekommen werden - ihre Versuche und Druckmittel scheitern seit zwei Jahren. Aber sie können es nach ihrem Selbstverständnis nicht dulden, daß sich jemand offen ihren Interessen widersetzt. Eine üblicherweise vorhergehende Vorladung vor die BAW haben sie sich denn auch geschenkt und gleich den BGH bemüht, der an Ort und Stelle entsprechende Beugehaftmaßnahmen aussprechen kann.

Es ist offensichtlich, daß die BAW das laufende Verfahren gegen Steinmetz konsequent als Hebel gegen Teile der radikalen Linken einsetzt, um die Zusammenarbeit mit ihnen unter Androhung von Beugehaft zu erzwingen. Grundsätzlich ist dazu zu sagen, daß für die Staatsschutzorgane jede Information verwertbar und Teil eines Puzzles ist und letztlich politisch und operativ der Verbesserung ihrer Aufstandsbekämpfungspläne dienen kann. Ursel ist weder eine der ersten noch mit Sicherheit eine der letzten, die im Zusammenhang mit dem VS-Agenten vor den BGH muß. Gleichzeitig zeichnet sich aber auch auch ab, daß es nur wenig bis keine Verständigung darüber unter den Betroffenen gibt, ganz zu schweigen von einem gemeinsamen Verhalten gegenüber diesem fortgesetzten Staatsschutzangriff.

Wir halten vor diesem Hintergrund eine Aussageverweigerung für die klarste und auch politisch richtige Umgangsweise.

Keine Kooperation mit den Staatsschutzbehörden!

Aussageverweigerung vor Bundesanwaltschaft und Bundesgerichtshof!

basis, Alte Feuerwache, Am Landwehrplatz 2, 66111 Saarbrücken


Gisel Dutzi freigesprochen

 

Vom Vorwurf der Staatsverleumdung (90a) ist die ehemalige Gefangene Gisel Dutzi vom Amtsgericht Frankfurt freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 3.000 DM (60 Tagessätze zu 50 DM) gefordert. Anlaß für dieses Verfahren war eine Rede Gisels vor dem Knast in Frankfurt-Preungesheim, in der es um die Kontinuität staatlicher Verfolgung nach 1945 ging. Stattgefunden hatte diese Kundgebung anläßlich des 50. Jahrestages der Zerschlagung des Faschismus. Laut "Frankfurter Rundschau" vom 20. 11.96 wird die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch keine Rechtsmittel einlegen.

Bereits Anfang Juni wurde schon die presserechtlich verantwortliche Redakteurin Christiane Schneider wegen dieses im "Angehörigen Info" 168 veröffentlichten Beitrags vom Amtsgericht Hamburg freigesprochen.

Gegen die Ausgaben 174, 176, 177 und 181 wird weiter ermittelt. (d. Red.)


Letzte Meldung

Wie wir aus der "Südd. Ztg." vom 23.11.96 erfahren haben, ist Christel Fröhlich nun von Italien an Frankreich ausgeliefert und dort sofort angeklagt und inhaftiert worden (siehe auch "Angehörigen Info" 187).


Postkartenaktion an die kurdischen politischen Gefangenen

"Die BRD-Imperialisten haben im Rahmen ihrer Maßstäbe und ihnen entsprechende Methoden geschaffen. Aber wir sind keine Menschen, die im Rahmen ihrer Maßstäbe sind. "

Meral Kidir, Gefangene aus dem Düsseldorfer PKK-Prozeß 1989

 

Am 26. November 1996 jährt sich zum dritten Mal das Datum, an dem kurdische Vereine und Organisationen durch die Bundesregierung verboten wurden (sogenanntes PKK-Verbot).

Trotz vieler verschiedener Initiativen und Aktionen und einer öffentlichen Diskussion um die Aufhebung des Verbots hat sich an der Verfolgung von Menschen, die den kurdischen Befreiungskampf unterstützen, nichts geändert.

Ganz im Gegenteil: Mit der Durchsuchung des kurdischen Fernsehsenders Med-TV am 18.9.1996 in Brüssel und damit seiner faktischen Schließung hat die Repression in Europa einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die Durchsuchungen, Festnahmen und Abschiebungen gegen Kurdinnen und Kurden, aber auch die Repression gegen andere Internationalistinnen und Internationalisten dauern unverändert an. Fast wöchentlich laufen Durchsuchungen und Festnahmen.

Am 22.10.1996 wurden in Süddeutschland zeitgleich in mehr als 25 Orten über hundert Privatwohnungen, Geschäftsräume und Vereine von Kurdinnen und Kurden durchsucht. Drei Kurden wurden dabei festgenommen.

Erst jüngst veröffentlichte der "Focus" und türkische Tageszeitungen einen Hetzartikel gegen die kurdische Tageszeitung "Özgür Politika", den Kurdischen Roten Halbmond (Hevya Sor a'Kurdistane) und deutsche Kurdistansolidaritätsgruppen.

Sie werden bezichtigt, Rekrutierungsarbeit für die kurdische Guerilla zu leisten.

Welche Interessen verfolgt die BRD?

Seit Jahren unterstützt die BRD mit militärischer und wirtschaftlicher Hilfe den Folterstaat Türkei. Ebenfalls seit Jahren werden Sympathisantinnen und Sympathisanten des kurdischen Befreiungskampfes und die türkische Opposition diffamiert und von den deutschen Sicherheitsbehörden verfolgt. Vor drei Jahren eröffnete die BRD mit dem PKK-Verbot eine neue Front gegen den kurdischen Befreiungskampf. Als einer der größten Handelspartner hat die BRD ein Interesse an der Stabilisierung der Türkei. Gleichzeitig erfüllt die Türkei als NATO-Verbündete für die BRD und USA eine militärische und geostrategische Funktion gegenüber den arabischen Ländern und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Erst kürzlich besuchte der türkische Staatspräsident Demirel die BRD, um hier über die Zollunion und die Europäische Union, aber auch über das PKK-Verbot zu sprechen. Die verlautbarte Kritik an der Menschenrechtssituation in der Türkei hinderte bundesdeutsche Politiker nicht, weiterhin ihre bewährten Beziehungen fortzusetzen. Obwohl der Rechtsanwalt Bakir Caglar, der die Türkei vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verteidigt, sein Amt mit der Begründung, die Menschenrechtslage in seinem Land ließe sich überhaupt nicht verteidigen, niederlegte, werden Sanktionen nicht einmal angedacht. Stattdessen wurde Demirel versprochen, das PKK-Verbot in der BRD auf keinen Fall aufzuheben. Der kurdische Befreiungskampf gewinnt von Tag zu Tag an Stärke. Verschiedene Verhandlungsangebote, unterstützt von langen einseitigen Waffenstillständen seitens der PKK, wurden unbeantwortet gelassen. Gäbe es nicht die Unterstützung der BRD und ihrer imperialistischen Verbündeten, hätte der kurdische Befreiungskampf längst gesiegt.

Der größte Teil der revolutionären Gefangenen in der BRD sind die kurdischen politischen Gefangenen.

Die Zahl der kurdischen politischen Gefangenen in der BRD geht in die Hunderte. Der größte Teil von ihnen sitzt wegen dem sogenannten Verstoß gegen das Vereinsgesetz ( 20), einem Paragraphen, der seit dem PKK-Verbot gegen alle angewandt wird, die angeblich die Arbeit der Organisation weiterführen, d. h. den kurdischen Befreiungskampf unterstützen. Gleichzeitig laufen vor den Oberlandesgerichten in Stuttgart, Frankfurt und Hamburg exemplarische 129a-Prozesse wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer angeblichen terroristischen Vereinigung innerhalb der PKK. In München und Düsseldorf sind solche Prozesse in Vorbereitung. Im gleichen Zusammenhang fordert die BRD weiterhin die Auslieferung des ERNK-Sprechers Kani Yilmaz aus Großbritannien, um ihm hier den Prozeß zu machen.

 

Der 129a-Prozeß in Hamburg

In Hamburg läuft der 129a-Prozeß gegen die Gefangenen Meryem Yagicibulut und Azime Yilmaz und den Gefangenen Sait Bilgin seit millerweile 8 Monaten. Die verachtende und rassistische Vorgehensweise der Bundesanwaltschaft (BAW) und des Strafsenats unter Vorsitz des Richters Mentz gegenüber den Gefangenen und ihrer Verteidigung ist kaum noch zu überbieten. Alle Gefangenen müssen während der Gerichtspausen den Saal verlassen und werden in den Keller gebracht, sie werden schikaniert und ausgeschlossen, falls sie zur Zeugenvereidigung nicht aufstehen, werden unterbrochen und in Gesprächen mit ihrer Verteidigung behindert. Den RechtsanwältInnen wird bei unliebsamen Äußerungen das Mikrofon abgeschaltet und die Verteidigung auf alle erdenkliche Art und Weise behindert. Seit Beginn des Prozesses wurde noch keinem einzigen Antrag der Verteidigung stattgegeben. Kurdischen Zeugen und Zeuginnen wird offen mit Abschiebung gedroht, wenn sie nicht die gewünschten Aussagen machen. Trotzdem hat sich das Gericht in eine Sackgasse manövriert. Statt daß Zeugen und Zeuginnen die von Gericht und BAW gewünschten Aussagen machen, beschuldigen sie größtenteils die ermittelnden Beamten, sie während der Aussage unter Druck gesetzt zu haben, keinen Dolmetscher hinzugezogen zu haben etc. Auch die Zeugen der Polizei helfen da nicht viel weiter.

Das Gericht schikaniert in dieser ausweglosen Situation, wo es nur kann: Ordnungshaft gegen eine Prozeßbesucherin wegen eines Lachens und Androhungen von Besuchsverboten. Am meisten bekommen die Gefangenen die Mißerfolge des Gerichts zu spüren: fast jede ein- und ausgehende Post wird beschlagnahmt, ansonsten dauert selbst eine kurze Postkarte mindestens 3 Wochen; sie sitzen nach wie vor, seit mittlerweile 2 Jahren, in Isolationshaft, Besuche finden nur 2 Stunden im Monat mit Trennscheibe und Überwachung durch das Landeskriminalamt (LKA) statt, Besuche werden ihnen nicht angekündigt, so daß sie jedes Mal überraschend aus ihrem "Alltag" gerissen werden, ständig gibt es Zellendurchsuchungen, der Bezug von Büchern wird durch langwierige Genehmigungsverfahren behindert, und der Besuch von Gemeinschaftsveranstaltungen, wie z.B. Sprachkursen, ist ihnen verboten. Zusätzlich sind sie als Nicht-Deutsche Schikanen und rassistischen Angriffen ausgesetzt. Das Gericht setzt auf die Demonstration seiner Macht und unmißverständliche Behandlung der Gefangenen, um deren Kräfte aufzureiben und nach außen das Bild eines gefährlichen "Terroristenprozesses" aufrechtzuerhalten. In der "Sonderbehandlung" von politischen Gefangenen können detusche Gerichte aus einem reichhaltigen Erfahrungsschatz schöpfen.

 

Solidarität mit den kurdischen politischen Gefangenen!

Wir arbeiten in einem FrauenLesben Kurdistan Solidaritätskomitee zur Unterstützung des Freien Frauenverbandes Kurdistan (YAJK) und zur Unterstützung des kurdischen Befreiungskampfes. Als feministische Internationalistinnen sehen wir es als unsere Aufgabe, revolutionäre, fortschrittliche Bewegungen und besonders feministische Organisationen und FrauenLesbenbewegungen in anderen Ländern zu unterstützen. Wir sehen es auch als unsere Aufgabe, uns hier mit den Angriffen auf den kurdischen Befreiungskampf auseinanderzusetzen und uns mit den Kurdinnen und Kurden zu solidarisieren. Besonders gilt dabei unsere Solidarität den Gefangenen des imperialistischen Patriarchats.

Wir rufen euch deshalb auf, mit Massen von schönen, farbigen, kämpferischen Postkarten die Isolation der Gefangenen anzugreifen und zum PKK-Verbotstag eure Solidarität zum Ausdruck zu bringen!

Es ist möglich, den meisten Gefangenen in einfachen und kurzen Sätzen auf deutsch zu schreiben. Briefmarken und (Blanko)Postkarten kommen auch rein. Zum Schreiben hier noch ein paar Vorschläge:

Size karsi 129a davasi oldugunu ögrendik. Wir haben von dem 129a-Prozeß gegen euch erfahren.

Sizin yaninizdayiz. Size Guc, sevgi ve dayanismamizi gönderiyoruz. Wir sind an eurer Seite. Wir schicken euch Liebe, Kraft und unsere Solidarität.

PKK yasagi kaldirilsin! Aufhebung des PKK-Verbots!

Yasasin uluslararasi dayanisma! Hoch die internationale Solidarität!

Yasasin halklarin kardesligi! Es lebe die Geschwisterlichkeit der Völker!

Baris hemen simdi! Frieden jetzt sofort!

Gerilla vuruyor, Kürdistani kuruyor! Die Guerilla kämpft und baut Kurdistan auf!

Kürdistan fasizme mezar olacak! Kurdistan wird das Grab des Faschismus werden!

Tüm devrimci tutsaklara özgürlük! Freiheit für alle revolutionären Gefangenen!

Kürdistana özgürlük, biji biji YAJK! Freiheit für Kurdistan, biji biji (es lebe) YAJK!

Dünya capinda kadinlarin kurtulusu icin! Für Frauenbefreiung weltweit!

 

Adressenliste:

- Meryem Yagicibulut, Azime Yilmaz, Sait Bilgin, OLG, 3. Strafsenat, Sievekingplatz 2, 20357 Hamburg

Senol Güngor, Dogan Öcerik, OLG, Zeil 42, 60313 Frankfurt

- Zülfiye Sanil, Mehmet Karayilan, Mehmet Nuri Akdeniz, Mehmetsirin Üner, OLG, Ulrichstr. 10, Postfach 10 36 53, 70182 Stuttgart

- Fevzi Alkan, Kemal Coskun, Erhan Sari, OLG, Prielmayerstr. 5, 80335 München

- Haydar Ergül, Nihat Azut, OLG, Cecilienallee 3, Postfach 20 02 10, 40474 Düsseldorf

- Shapour Badoshiyeh, Ismail Özden, Murat Ekinci, Ilhan Ektas, Ahmed Demir, BGH, Herrenstr. 45a, Postfach 16 61, 78133 Karlsruhe

Gefangene aus dem Düsseldorfer und Celler 129a-Prozeß:

- Ali Aktas, JVA Schwalmstadt, Postfach, 24613 Schwalmstadt

- Hasan Hayri Güler, JVA Bochum, Krümmede 3, 44791 Bochum

- Naim Kilic, JVA Düsseldorf, Postfach, 40210 Düsseldorf

Absender/in nicht vergessen!

Schickt Protestbriefe an Richter Mentz, 3. Strafsenat, OLG, Sievekingplatz 1, 20357 Hamburg, Fax (0 40) 3 34 49 76 67. Besucht den Prozeß! Termine zweimal wöchentlich, im Wechsel dienstags, mittwochs und mittwochs, donnerstags, jeweils 9. 30 Uhr, ab 12.12.1996 Weihnachtspause, Staatsschutzsaal, Eingang neben dem Strafjustizgebäude, Sievekingplatz.


Wahrheit? Was für Wahrheit?

Stellungnahme der Informationsstelle Kurdistan zum "Focus"-Artikel "Deutsche PKK-Soldaten" in der Ausgabe des "Focus" 43/1996


Durch verschiedene fragwürdige Einsätze (Bad Kleinen, Plutoniumschmuggel) hat sich die Glaubwürdigekeit der bundesdeutschen Geheimdienste gen Nullpunkt geneigt. Was tun, wenn der Lack abfällt? Schnell war der Sündenbock gefunden: Alles wäre gar nicht so schlimm gewesen, hätten die Medien mitgespielt. Also ordnete man die Öffentlichkeitsarbeit der Institutionen neu. Ein Produkt dieser "Neuordnung" sind u. a. die in Regelmäßigkeit erscheinenden "Focus"-Artikel über "Enthüllungen" der spezifischen Zusammenarbeit von Deutschen und der "terroristischen PKK". Kurden, die schon lange in Deutschland leben, und kurdische Institutionen werden da ebenso in eine zweifelhafte Öffentlichkeit gezerrt, wie deutsche OppositionspolitikerInnen der Bündnisgrünen oder PDS, KirchenvertreterInnen oder Einzelpersonen, die aus persönlicher und politischer Überzeugung heraus aktive Solidaritätsarbeit zu Kurdistan machen. Der verantwortliche Redakteur Hufelschulte gehört offenbar zu den Journalisten, denen das für journalistische Arbeit notwendige Rückgrat abhanden gekommen ist. Unbelastet von journalistischer Neugier auf den Hintergrund einer Geschichte angelt Hufelschulte Informationen aus den bis unters Dach gefüllten VS-Computern, mischt diese kräftig durcheinander und präsentiert dann seine reißerische Story.

Wahrheit? Was für Wahrheit?

Ein weiterer Vertreter dieser Journalistenspezies ist Horst Zimmermann. Seine Artikel über die angebliche Gefährdung der "inneren Sicherheit" der BRD werden gern in regionalen Tageszeitungen als Hintergrund-analysen veröffentlicht. Auch er verwertet ausschließlich Informationen der Geheimdienste und präsentiert sie als wissenschaftliche Analyse, als Realität. Offenbar gehören zu diesem erlauchten Journalistenkreis auch solche der türkischen Presse. Denn fast immer bei besonderen "Enthüllungen" über die kurdische Befreiungsbewegung ERNK und PKK und ihre "deutschen Unterstützer" erscheint ein nahezu wortgleicher Artikel in türkischen Tageszeitungen.

Zum "Focus"-Artikel "Die deutschen PKK-Soldaten" ("Focus" 43/1996) merken wir an:

1. Auf dem Bild S. 38, Bildunterschrift: "Im Krieg für Kurdistan: eine Deutsche in voller Kampfmontur" und ebenso auf dem Bild S. 40 mit der anzüglichen Unterschrift: "Spaß im Erdbunker: kurdischer Kämpfer mit Genossin" ist Barbara Kistler zu sehen. Barbara Kistler war Schweizerin. Sie hatte langjährige enge Kontakte zur türkischen Linken, wurde in der Türkei bei Razzien auch festgenommen. Wann genau ist uns nicht bekannt, aber sie schloß sich der damaligen TKP/ML-TIKKO an. Die TIKKO ist eine bewaffnete türkische Organisation, die zeitweise sogar in harter Konkurrenz zur Arbeiterpartei Kurdistans PKK stand. Barbara Kistler wurde bei einem Gefecht im Winter 1992 durch türkische Soldaten schwer verwundet und starb an den Folgen der Verwundung.

2. Am Ende des besagten "Focus"-Artikels geht Hufelschulte auf Andrea Wolf ein. Sie wird mit Haftbefehl wegen angeblicher Beteiligung am RAF-Anschlag auf den Knast Weiterstadt gesucht und hat sich ihrer drohenden Verhaftung entzogen. Wo immer Andrea Wolf sich auch aufhält, "unter den Fittichen der PKK" ist sie nicht. Denn sie schreibt selbst in einem - sicherlich auch Herrn Hufelschulte bekannten - Brief vom Juli 1996 (dokumentiert im "Angehörigen Info" Nr. 185 vom 6. 9.1996): "Ich bin weder in einem PKK-Lager noch habe ich etwas mit Weiterstadt zu tun. " Ein seriöser Journalist hätte diesen öffentlichen Brief erwähnen müssen.

Über die genannten Einzelpersonen hinaus werden die prokurdische türkischsprachige Tageszeitung "Özgür Politika" als angeblicher "Ansprechpartner für PKK-Freiwillige" genannt und ebenso die medizinische Hilfsorganisation Kurdischer Roter Halbmond, Heyva Sor a Kurdistane. Sogar das Haus von Heyva Sor mit Ortsangabe wird abgelichtet. Das wirkt wie eine Auffordernung an militante türkische Nationalisten. Oder soll es ein Signal an die Bundesanwaltschaft sein? Wurde mit Heyva Sor gesprochen? Wurde mit der Zeitung "Özgür Politika" gesprochen?

Der Artikel über die angeblichen "deutschen PKK-Soldaten" vermittelt den Eindruck, die Geheimdienste wollten mit den wirr gestreuten Pseudo-Informationen einen Grund schaffen, die erwähnten Personen "zum Abschuß freizugeben". Interesse, Solidarität und Sympathie sollen gebrochen werden. Die erwähnten kurdischen Institutionen sollen in aller Öffentlichkeit diffamiert, der kurdische Befreiungskampf als terroristisch, verachtenswert und schmutzig dargestellt werden. Diese Methode entspricht der Propaganda der türkischen Regierung. Diese Art "Berichterstattung" nennt man auch "Kriegspropaganda". Es ist Propaganda eines "Krieges niedriger Intensität" (low intensity warfare).

Weiter weiß Hufelschulte in "Focus" von einem "Freiwilligenheer" aus Bonn, Berlin und Bielefeld zu berichten. Städte wie Aachen und Hamburg werden genannt, die eine bestimmte Anzahl von "Männern und Frauen" zur "militärischen Ausbildung" geschickt hätten. In den oben genannten Städten gibt es z. T. aktiv arbeitende Solidaritätsgruppen. Diese Arbeit wird offenbar nicht gesehen und soll kriminalisiert werden. Bereits der VS-Bericht des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 1995 "würdigt" die Kurdistan-Solidarität über mehrere Seiten als eine besonders gefährliche Truppe. Und jetzt bilden sie also schon ihre "Soldaten" bei der PKK aus?

 

... so schwer ist der aufrechte Gang

Es ist kaum 20 Jahre her, daß es eine Selbstverständlichkeit für fortschrittlich denkende Menschen in der BRD war, praktische internationale Solidarität mit Unterdrückten von Terrorregimen zu üben. Schulklassen, Kirchengemeinden, Betriebe nahmen freundschaftliche Beziehungen zu Schulklassen, Kirchengemeinden und Betrieben in El Salvador, Nicaragua, Vietnam, Angola und anderen Ländern auf, in denen Befreiungsbewegungen kämpften. Arbeits- und Gesundheitsbrigaden machten sich auf den Weg, um die unterdrückten Menschen in ihrem Kriegsalltag zu unterstützen. Wir erinnern daran, daß Anfang der 80er jahre die El Salvador-Solidarität sogar ein Waffenkonto bei der Berliner "Tageszeitung" eingerichtet hatte. Das Konto "Waffen für El Salvador" wurde jahrelang geführt. Niemand wurde damals von deutschen Behörden strafrechtlich verfolgt. Spendenquittungen für die ERNK aber werden heute in Deutschland zum Anlaß genommen, Vereine und Einzelpersonen zu kriminalisieren und als "Terroristen" zu stigmatisieren. Es wird als Unterstützung von "Terroristen" dargestellt, wenn eine Krankenschwester oder ein Arzt sich einem medizinischen Team der kurdischen Guerilla anschließt. Und wenn InternationalistInnen nach Kurdistan gehen, um dort mit der Bevölkerung oder der Guerilla zu leben, weil sie die Auswirkungen des von Deutschland unterstützten Krieges der türkischen Armee kennenlernen wollen, sind sie gleich "deutsche PKK-Soldaten"?

Seit langem gibt es Internationalistinnen und Internationalisten in Kurdistan. Sie kommen aus den arabischen Ländern, der Türkei und Europa. Sie kommen auch aus Deutschland. Sie leben, kämpfen und arbeiten auch in den Reihen der PKK: Die Bilder, die in dem "Focus"-Artikel "enthüllt" werden, stammen aus einer Reportage der Zeitung "Özgür Politika" aus dem Jahre 1993. Schon damals gab es einen ausführlichen Fernsehbericht als auch eine umfangreiche Reportage in der "Woche" mit der auf einem Foto im "Focus"-Artikel abgebildeten Kani. Wer mehr über die Motivation dieser Menschen erfahren möchte, kann es in verschiedenen Veröffentlichungen nachlesen. Ihre Entscheidung ist kein Geheimnis. Ende der 30er Jahre zogen Intellektuelle und Künstler zu Hunderten in den spanischen Bürgerkrieg, um Spanien gegen die Faschisten zu verteidigen. Auch die kurdische Befreiungsbewegung PKK kämpft gegen Faschismus und Unterdrückung. Sie kämpft um Befreiung. Es ist ein legitimer Kampf.

Ist es nicht verständlich, daß bei der umfangreichen militärischen, wirtschaftlichen und politischen Unterstützung, die das türkische Regime von der Bundesregierung erhält, sich deutsche Oppositionelle an die Seite der vom türkischen Regime Unterdrückten stellen? Egal ob in Kurdistan, der Türkei, ob in Deutschland oder einem anderen Land der Welt: Aktive Solidarität können wir nur begrüßen. Es ist eine Lebenseinstellung, die zeigt, daß Menschen noch aufrecht gehen können.

Es ist urdeutsche Herrschaftstradition, Menschen zu Untertanen zu machen und den aufrechten Gang zu denunzieren. Es gibt aber auch eine Tradition in Deutschland, sich der Denunziation zu widersetzen. Dieser Tradition fühlen wir uns verbunden.

Bonn, 31.10.96, Informationsstelle Kurdistan e.V

Türkei/Kurdistan: Hungerstreiks nach Verhandlungen erfolgreich beendet


Verhandlungen einer Delegation von Angehörigen und Anwälten mit dem zuständigen Republikstaatsanwalt für das Gefängnis Aydin, in dem 102 PKK- und DHP-Gefangene im Hungerstreik waren, wurden zunächst am 8.11. ohne Erfolg abgebrochen. 12 Gefangene wurden in lebensbedrohlichem Zustand ins Krankenhaus gebracht, wo sie jede Behandlung verweigerten. Am 49. Tag, als bereits 15 Hungerstreikende in lebensbedrohlichem Zustand im Krankenhaus lagen, wurden die Gespräche mit dem Staatsanwalt Özler wiederaufgenommen, das Klima war laut IHD- und CHD-Vertretern schon positiver, aber es kam noch zu keinem Ergebnis. Am 51. Tag besuchten 30 Angehörige der Hungerstreikenden in Ankara die Parteizentralen der DYP, ANAP und RP, um sie zur Erfüllung der Forderungen aufzufordern. Am gleichen Tag unterzeichnete die Verhandlungsdelegation der Anwälte des IHD und CHD mit der Staatsanwaltschaft und dem Gefängnisdirektor in Aydin ein 18-Punkte-Protokoll, der Hungerstreik wurde beendet. Das Protokoll beinhaltet vor allem Garantien für die Kommunikation zwischen den Gefangenen, Besuche von Angehörigen und Freunden, Vorbereitungsmöglichkeiten der Verteidigung, Bezug von Publikationen, Verbesserung der Lebensbedingungen. Auch der Hungerstreik in Konya wurde mit der Einigung auf ein 18-Punkte-Protokoll beendet. Eine Woche vorher kam schon eine Einigung in den Gefängnissen Elbistan und Malatya zustande. Seit dem 27. 9. waren vor allem PKK-Gefangene in Amasya, Burdur, Erzurum, Elazig, Nazilli, Ordu, Trabzon und Zile im Solidaritätshungerstreik.

Der Hungerstreik im Gefängnis Malatya wurde am 4. 11. nach über einem Monat beendet. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat die Forderungen nach Besuchen unter den Gefangenen zwischen den Blocks und die Möglichkeit, Besuche von draußen zu empfangen, anerkannt.

Im E-Typ-Gefängnis Amasya wurde der Hungerstreik am 50. Tag am 10. 11. mit einer Einigung zwischen dem Direktor, dem zuständigen Staatsanwalt und Gefangenenvertretern beendet. Künftig soll es zweiwöchentliche Treffen zwischen den Gefangenenvertretern und der Gefängnisleitung geben, bei denen alle Probleme gelöst werden sollen, und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Gefangenen, die im gleichen Verfahren angeklagt sind, wurden zugesagt.

Im Gefängnis Ceyhan waren 230 Gefangene seit dem 8. 11. im Hungerstreik.

Am 7. 11. traten 220 Gefangene in Antep in einen unbefristeten Hungerstreik im Rotationssystem zur Unterstützung der Hungerstreikenden in Aydin und Konya.

Im Gefängnis Ümraniye traten 75 PKK-Gefangene in einen unbefristeten und TDKP-Gefangene in einen 3tägigen Solidaritätshungerstreik für die Gefangenen in Aydin und Konya.

Im Gefängnis Diyarbakir waren 400 PKK-Gefangene ab dem 8. 11. im Hungerstreik.

Im Gefängnis Zonguldak zündeten am 9. 11. vier Gefangene, die in Isolationszellen verschleppt wurden, aus Protest ihre Decken an.

Am 1. 11. begann die Staatsanwaltschaft in Üsküdar ein vor der Öffentlichkeit und den Anwälten geheimgehaltenes Ermittlungsverfahren wegen "Sachbeschädigung" gegen 48 Gefangene, die während des Todesfastens im Gefängnis Eskisehir bei Nachricht vom Tod des Gefangenen Aygün Ugur spontan protestierten. Die ersten 3 Angeklagten Bülent Ayan, Bülent Bagci und Özgür verweigerten die Aussagen und riefen "Nieder mit dem Faschismus! Es lebe der Sozialismus!", als sie zum Gefangenentransporter zurückgeschleppt wurden. Daraufhin wurden sie im Gerichtsgebäude von 20 Gendarmeriekräften zusammengeschlagen und die Treppe hinuntergeschleift. (aus: "Biji" Nr. 109 vom 18. 11.96)

Neue Hungerstreiks in Burdur, Kirklarell und Batman


Die PKK-Gefangenen im Gefängnis Burdur sind seit dem 9. 11. im Hungerstreik, weil Gefangene in Isolationszellen verschleppt wurden und Zeitungen nicht ausgehändigt werden.

Am 13. 11. traten 150 PKK-Gefangene im Spezialgefängnis Batman erneut in einen unbefristeten Hungerstreik im Rotationssystem, weil die mit dem vorherigen Hungerstreik erkämpften Rechte von der Gefängnisleitung erneut verletzt werden. Es wurden wieder Gefangene in Isolationszellen verschleppt, neue werden trotz ihres ausdrücklichen Wunsches nicht in die Blocks der politischen Gefangenen gelassen, die Gefangenenvertreter werden nicht anerkannt, und die Besucher werden wieder beleidigt und schikaniert.

Im Gefängnis Kirklarell traten am 12. 11. vier politische Gefangene in den Hungerstreik, weil sie gegen ihren Willen dort in einen Block der "Abschwörer" gebracht wurden und weil ihre Angehörigen bei Besuchen Beleidigungen und Schikanen ausgesetzt sind. Sie fordern seit langem ihre Verlegung zu den politischen Gefangenen nach Gebze. Angehörige der Gefangenen im Gefängnis Sagmalcilar und der Redakteur der Wochenzeitung "özgür atilim", Ferhat Akcay, wurden nach einem Besuch im Gefängnis vorübergehend festgenommen und bei der "Anti-Terror"-Einheit der Polizei gefoltert. Der Verein TUHAD (Solidaritätsverein der Angehörigen politischer Gefangener) in Diyarbakir, der bereits am 9. 10. mit einem einmonatigen Vereinsverbot belegt wurde, weil die Vereinsräume auch von Nichtmitgliedern aufgesucht wurden, ist nur wenige Tage nach seiner Wiedereröffnung am 16. 11. von der Polizei überfallen worden. Die Polizisten rissen Fotos der bei dem Gefängnismassaker am 24. 9. in Diyarbakir ermordeten Gefangenen von den Wänden, beschlagnahmten das Archiv und drohten mit einer erneuten Schließung, weil Nichtmitglieder anwesend waren.

(aus: "Biji" Nr. 110 vom 26. 11.1996)

Erfolg eines Sikh-Exilpolitikers vor dem Europäischen Gerichtshof


Während der ERNK-Europasprecher Kani Yilmaz seit über 2 Jahren in Großbritannien unter Sonderhaftbedingungen in Abschiebehaft sitzt, hatte ein Exilpolitiker der Sikhs, der wie Kani Yilmaz im Gefängnis Bedfort inhaftiert war, durch eine Klage beim Europäischen Menschenrechtsgericht am 15.11. Erfolg und mußte vom britischen Innenministerium freigelassen werden.

Es wird von manchen Kreisen erwartet, daß dieses Urteil auch Auswirkungen auf den Fall Kani Yilmaz haben könnte und daß es künftig Abschiebungen in Verfolgerstaaten unmöglich machen würde. Allerdings zeigt der skandalöse Fall, daß die britische Regierung hartnäckig ausländische Exilpolitiker verfolgt, sie arbeitet auch weiter an einem Gesetz, alle ihr mißliebigen politisch aktiven Ausländer abzuschieben.

Sing Cahahal wurde 6 Jahre lang in Abschiebehaft gefangengehalten! Er lebt seit den 70er Jahren in Großbritannien und bekam 1974 eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Wegen seiner Unterstützung des Befreiungskampfes der Sikhs im Punjab wurde er in den 80er Jahren schon dreimal verhaftet. Nach der letzten Verhaftung am 16. 8.1990 wollte ihn die britische Regierung wegen angeblicher "Bedrohung der inneren Sicherheit" durch "Unterstützung einer terroristischen Organisation" nach Indien abschieben. Weil Chahal vorher in Indien verhaftet und schwer gefoltert wurde, beantragte er sofort nach seiner Verhaftung politisches Asyl, um seine Abschiebung zu verhindern. Der Asylantrag wurde im März 1991 abgelehnt, ebenso mehrere Widersprüche gegen diese Ablehnung.

(aus: "Biji" Nr. 110 vom 26. 11.1996)

Unfall weist Zusammenarbeit zwischen türkischer Regierung und Mafia nach

Ein Verkehrsunfall, den lediglich einer der Beteiligten, ein Abgeordneter der DYP, überlebte, belegt eine Zusammenarbeit zwischen der türkischen Regierung und der Mafia auf höchster Ebene. In dem Wagen befand sich neben hochrangigen Politikern ein seit langem international gesuchter Mafiachef. Besonders brisant sind die mit der Unterschrift des Innenministers ausgestatteten falschen Papiere des toten Mafiosi Abdullah Catli. Während sich die Regierungspolitiker in Dementis überschlagen, mußte Innenminister Mehmet Agar inzwischen seinen Hut nehmen. Wir dokumentieren eine Presseerklärung des Rechtsbüro des Volkes/Istabul:


Die Maske der Konterguerilla ist gefallen

Die Konterguerilla ist gegen einen LKW gestoßen und zerschmettert. Seit Jahren laufen in diesem Land Diskussionen über Konterguerillas. Aber von seiten des Staates wurde bisher keine definitive Erklärung darüber abgegeben. Nur durch einen Unfall kam die dunkle Praxis ans Tageslicht. Der Staat wurde diesmal unvorbereitet ertappt.

Nach diesem Ereignis verfaßte der Spezialist Mahir Kynak, vom berühmten Geheimdienst MIT, eine Erklärung über die Lage. Er gab die Existenz der Konterguerilla zu und sagte, daß sie "gute Sachen für das Vaterland" leiste. Somit machte er auch bekannt, daß eine Beziehung zwischen dem Geheimdienst MIT und diesen Menschen besteht.

Was dann passierte, ist eine Komödie:

Agar gibt nach und nach widersprüchliche Erklärungen ab. Er sagte am ersten Tag nach dem Geschehen: "Es ist nicht wichtig, ein uninteresssantes Ereignis." Am zweiten Tag: "Bucak und Kocadag waren auf dem Weg nach Istanbul, um Catli auszuliefern." Am dritten Tag: "Wir haben keine Zeit für diese unwichtigen Ereignisse." Und danach sagte er: "Man hat mich falsch verstanden." Nachdem er in drei Tagen drei verschiedene Erklärungen abgab, geriet er in Verlegenheit.

Keine von diesen drei Erklärungen erscheint glaubwürdig.

In den Schlagzeilen der Tageszeitungen erscheinen fette Anzeigen. Der "Demokrat", Polizeipräsident Hüseyin Kocadag, wurde bei einem Autounfall getötet. Die Cem Foundation vergißt ihren Gründer und Beschützer Kocadag nicht. Aber auch die Bevölkerung von Gazi, die das Massaker am 12. März 1995 erlebte, vergißt ihn nicht. Dieser Kocadag, der fast alle Massaker, Exekutionen und zahlreiche Fälle des "Verschwindenlassens" in Istanbul plante und durchführte, ist nicht zu vergessen.

Abdulla Catli ist ebenso wenig zu vergessen. Vor dem Militärputsch 1980 tauchte sein Name in Zusammenhang mit Massakern auf. Der vertrauliche Mann der Drogenmafia und gute Freund von Agar nahm auch einen sicheren Platz im Gedächtnis unseres Volkes ein. Seit Jahren wurde er "von der Polizei gesucht". Aber unter dem Schutz des Staates konnte er sich ungestört mit einem grünen Paß und dem Ausweis eines Steuerkommissars überall frei bewegen.

Gegenüber dem verantwortlichen Dorfschützer Sedat Bucak gab es viele Vorwürfe. Aber die DYP nahm diese Vorwürfe nicht ernst genug, und somit wurden alle Anschuldigungen zurückgeworfen. Trotz der Behauptungen, daß er den Drogenverkehr leitet, für viele Entführungen verantwortlich und sein Name mit zahlreichen "Ermordungen unbekannter Täter" in Zusammenhang gebracht wurde, gab es keinerlei Nachforschungen zur Klarstellung dieser Vermutungen. Nachdem die Söylemezler-Bande festgenommen wurde, sagte er: "Wenn ich mich von der Aufklärung dieses Falles überzeugt habe, werde ich auspacken." Anscheinend haben sich seine Erwartungen erfüllt, denn er hat geschwiegen. Obwohl er sehr deutlich zum Ausdruck gebracht hat, in die schmutzigen Geschäfte verwickelt zu sein, wurde kein einziges Mal gegen ihn ermittelt. Was bisher geschehen ist, gibt Aufschluß über viele ungeklärte Tatsachen. Faschismus und Konterguerilla sind jene, die den Staat beherrschen. Der Staat führt geplante Operationen mit Mafia und Feudalherren durch und sammelt die Früchte dessen. Der Staat hat sich zur Mafia verwandelt, und der Chef dieser Banden ist Mehmet Agar. Sein Name wird bei jeder Festnahme dieser Banden erwähnt. Mehmet Agar wurde durch die von ihm geleiteten Massaker und Folterungen berühmt. Jetzt, als Beschützer der Mafia, ist er noch bekannter geworden.

Die Medien deklarieren: "Wir wollen einen Staatsanwalt. " Als ob sie nicht wüßten, unter welchem Justizsystem dieses Land regiert wird. Welcher Staatsanwalt und welches Gericht könnten Anklage erheben. Mahir Kaynak gibt eine Antwort darauf: "So einen Staatsanwalt würde man am Boden schleifen. " Ja, so einen mutigen Staatsanwalt zu finden, ist schwierig, sogar unmöglich. Es wird sehr viel über die Unabhängigkeit von Richtern und Staatsanwälten geredet. Aber wir alle wissen, daß das nicht stimmt. Daß im DGM, Staatssicherheitsgericht, politische Urteile gefällt werden, ist uns allen bekannt. Genauso ist auch Demirel allen bekannt. In diesem Land trägt der Faschismus Uniform. Die Killer tragen auch Uniform und auch die Mafia. Aber niemand kann darüber sprechen. Sie haben Angst. Der Fall Oya Gökbayrak ist nicht viel anders. Die Polizei hat ein Komplott inszeniert. Und mit diesem Komplott wollten sie die revolutionären Werte beflecken und schwächen. Um dieses Komplott durchkreuzen zu können, muß sich jeder selbst fragen, was er dagegen getan hat. Wir erwarten von denen, die sich einen Rechtsstaat wünschen, selbstkritisch nachzudenken. Wessen Justiz und wessen Staat. In keinem Rechtsstaat könen Menschen Erklärungen abgeben wie "Wenn ausgepackt wird, bedeutet das für viele den Untergang" oder Erpressungen anwenden. Aber wir alle wissen, daß das in unserem Land geschieht. Und sie werden geschützt. Es wird gegen die Mafia propagiert, auf der anderen Seite aber nichts gegen die uniformierten Drogenhändler unternommen. Vielleicht hat man zwar etwas gegen die Mafia, aber nicht gegen die uniformierte Mafia.

Jetzt will aber das Volk diesen Parasiten nicht auf seinem Rücken tragen. Das Volk hat "seine eigene Justiz". Um es genau auszudrücken, sogar etwas verspätet. Es reicht. Wer weiß, wenn dieser Unfall nicht stattgefunden hätte, welcher der "unbekannten Morde" stattgefunden hätte. Wenn das so ist, müssen wir uns noch stärker für die Gerechtigkeit einsetzen. Um "die Justiz des Volkes" zu verwirklichen, müssen wir diese Fälle genau verfolgen.

Wir können weiteren Massakern, Fällen von Verschwindenlassen nur vorbeugen, indem wir gegen die Konterguerilla Stellung beziehen. Aus diesem Grund fordern wir Rechenschaft von dieser Bande. Sagen wir "Es reicht!" zu dem Schmutz dieses Regimes.

(Quelle: Nachrichtenbulletin Türkei und Kurdistan des Informationszentrums Freie Völker, 13.11.96)


"radikal"-Verfahren: Matthes aufgetaucht - und gegen Auflagen frei

Am 25.11. tauchte Matthes, gegen den im Zusammenhang mit den Verfahren wegen "radikal" ermittelt wird, nach eineinhalb Jahren wieder auf. Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied, daß der Haftbefehl gegen ihn zwar nicht aufgehoben, jedoch gegen eine Kaution in Höhe von 20.000 DM außer Vollzug gesetzt wird, und verhängte als Auflagen Paßabgabe und wöchentliche Meldung bei der Polizei. Wir dokumentieren nachfolgend eine Erklärung von Matthes vom 25. 11.96.

 

Moin, moin!

Heute tauche ich nach ca. anderthalb Jahren wieder in Bremen auf. Noch ist es nicht deutlich, was mich erwartet, ob ich in Bremen bleiben kann oder ob ich erst in den Knast muß. Bis vor kurzem lief noch ein Ermittlungsverfahren wegen den AIZ gegen mich, was nun eingestellt wurde. Dies erfreut mich und beschleunigte mein Auftauchen. Das andere Verfahren ist ja sicher bekannt: Bildung einer kriminellen Vereinigung zur Herstellung der "radikal".

Also muß ich mich mit der Situation auseinandersetzen, ein halbes Jahr abzugehen oder überhaupt nicht. Falls ich dann auf freien Fuß gesetzt werde, müssen 20.000 DM aufgetrieben worden sein, und als weiteres werde ich mich wahrscheinlich dreimal in der Woche bei den B. melden müssen und bekomme noch ausgestellt, daß ich mich mit einer bestimmten Zahl von Leuten nicht treffen darf - also Kontaktverbot. Darauf lasse ich mich ein, wenn ich zurückgehe.

Dem stand die Möglichkeit gegenüber, in den Niederlanden zu bleiben. Seit mehr als einem Jahr bin ich nun weg. Die Zeit war nicht immer einfach. Viele Konflikte verharmlosten sich, andere taten sich auf. Dennoch überwog das Gefühl, ihnen ein Schnippchen geschlagen zu haben. Das war auch in der ersten Zeit ein gutes Gefühl - einfach zu sehen, daß ihr Apparat doch nicht vollständig funktioniert. Ihre Trefferquote betrug am 13.6.95 schlicht 50 %, und bedenkt mensch: an dieser Aktion waren 2.000 B. aller erdenklichen Einheiten beteiligt.

Nach außen sah diese ganze Sache bombastisch aus, trotzdem zeigten sich die ersten Fragezeichen, als diese Aktion nur einen Tag Interesse fand in der bürgerlichen Öffentlichkeit. Mit diesem Gefühl also abgetaucht und diesen Schlag verarbeiten.

In einigen Städten bekam die Szene eine neue Beschäftigung - Antirepressionsarbeit. Die Aktion "Wasserschlag" ist in aller Munde, zumindest gibt es niemanden, der nicht schon mal davon gehört hat. Die klassischen linken und feministischen Reaktionen stellen sich ein. Veranstaltungen wurden organisiert, Plakate wurden verklebt, Sprüche gesprüht, kleinere Demos fanden statt. Dann gab es auch eine Demo mit 5.000 Leuten in Hamburg, und eine Extra-Zeitung kam auf den Markt, Soli-Partys ohne Ende, und das sprengt den üblichen Rahmen! Auch zwei neue "radis" wurden den LeserInnen nicht vorenthalten, und mensch munkelt, sie sollen jetzt sogar gelesen werden (von der Alt-Szene), die Jüngeren hatten darauf ja immer schon Bock. Aber zurück zum Thema!

Für mich war die Anfangszeit davon geprägt zu gucken, was sich in der BRD so tut. Viele Leute rödelten, und ich saß hier fest und konnte nur registrieren. Lesen war eine Hauptbeschäftigung, aber was weitaus wichtiger war, daß ich Leute fand, mit denen ich reden konnte.

Danach begann das Zuhören. Ich wußte nicht soviel von Holland. Sicher habe ich schon gehört, daß mensch hier Coffeeshops hat, daß es hier liberaler zugehen soll und überhaupt viel schöner ist als Kaltland. Aber mit dieser Oberfläche hier zu leben, ist unmöglich. Die Leute sind auch scheiße, die Gesetzgebung ist auch repressiv - natürlich nicht so hart wie in der BRD, die koloniale Geschichte wird sehr zurückhaltend behandelt, und die Marktwirtschaft, sprich Kapitalismus, ist hier auf höchstem Niveau entwickelt. Es gibt hier auch zig SprecherInnen, die links für tot erklärt haben, sich distanzieren und ihre Hauptaufgabe darin sehen, linke Ideen zurückzudrängen.

Dennoch, auf der anderen Seite gibt es noch immer viele "kraaks", z. B. in Amsterdam, Arnheim, Nijmwegen und Utrecht etc. Aber auch gegen den "koppelingswet" finden Demos und Veranstaltungen statt. Dieses eben benannte Gesetz schreibt die Behandlung von illegalen Flüchtlingen vor, wie sie aus Krankenkassen, Sozialhilfe, Schulversorgung usw. ausgeschlossen werden sollen. Aber ich will jetzt nicht alles aufzählen, was ich hier so mitbekommen habe. Im großen und ganzen ist es vergleichbar mit der BRD. Dennoch will ich einen Unterschied nicht unerwähnt lassen. Soziale Bewegungen werden als Ansprechpartner akzeptiert. Dies wird deutlich, wenn mensch die Berichterstattung betrachtet zu Faschisten, zu Durchsuchungen bei der Ravage oder auch über politische Kampagnen wie die Erweiterung des Flughafens Schiphol.

Dennoch kommt nach einiger Zeit das Gefühl zurück, was mache ich hier eigentlich. Natürlich bin ich beschäftigt mit der hiesigen Geschichte und Realität, aber die Entwicklungen um das Verfahren in der BRD holen mich immer wieder ein. Mensch macht sich Hoffnungen, weil z. B. vier Leute mit einer ähnlichen Anklage aus dem Knast kommen, oder ist überrascht, daß am 13.6.96 nur einer in der Kiste bleibt und zwei weitere wieder gehen können. Das sind Geschichten, wo es klar wird, die Zeit hier wird mehr und mehr zu einem Übergang. Es setzt sozusagen ein Doppelleben ein. Mensch denkt dauernd an Deutschland, lebt hier aber einigermaßen holländisch - spricht die Sprache, liest die Zeitung usw. Um so länger ich wegbleibe, um so mehr Zeit muß ich dafür aufwenden, mein Leben in Holland zu organisieren. Da ich das dann nach meinen Vorstellungen realisieren will, bedeutet dies zwangsläufig, die Kontakte nach Deutschland zu beschränken. Mit diesem Doppelleben klarzukommen, war nicht einfach. Das machte sich auch an Beziehungen bemerkbar, daß mensch z. B. oft mit seinen Gedanken woanders war.

In meiner Situation war es wichtig, nicht die Realität aus den Augen zu verlieren. Was läuft nun in der BRD? Wie ist der Stand des Verfahrens? Wie entwickeln sich Diskussionen? usw. Dies mußte ich im Kopf behalten. Denn Verdrängen führt dazu, sich mehr und mehr zu entziehen, d. h. einem ist das Risiko nicht mehr bewußt, doch mal abgegriffen zu werden. Mensch lebt also in einer Art Spannung, die mal mehr - mal weniger auftaucht. Diese Spannung drückt sich aber nicht nur in bezug zur Repression aus. Sie ist auch besonders spürbar, wenn mir Konflikte zu Ohren kommen. In solchen Situationen kam es sehr stark auf die Vermittlung an, damit ich überhaupt reagieren konnte. Oft kam es mir dabei hoch - mal auf den Tisch zu hauen, aber meistens war die Auseinandersetzung dann schon wieder an einem anderen Punkt. Sich in Diskussionen eingebunden fühlen, war schwierig. Dieses Gefühl tauchte eher selten auf. Wenn ich mich dann mal äußerte, kam es falsch an, und ich wurde mit Interpretationen konfrontiert, die mit meiner Situation nur wenig zu tun hatten. Dies entschuldigte ich oft damit, daß die Leute in der BRD unheimlich beschäftigt sind und meine Realität einfach nicht wahrnehmen konnten. Natürlich könnten sie, wenn sie wollten, aber als Abgetauchter ist mensch weit weg.

An dieser Stelle will ich noch mal ausdrücklich betonen, daß ich abgetaucht war und nicht im Exil. Exil ist natürlich der einfachere, griffigere Begriff, und ich habe ihn auch verwendet. Aber nach mehreren Diskussionen schien sich dieser Begriff "Exil" eher auf viele kleine und größere Fluchtbewegungen zu beziehen. Wie z. B. im Deutschen Reich 33-45, wo sehr viele Menschen betroffen waren von Flucht. Viele bekamen in europäischen Ländern, aber nicht nur dort, Aufenthaltsrechte, viele blieben illegal - abgetaucht. Andere konnten Öffentlichkeit schaffen über die Zustände im Faschismus aufgrund ihrer Anerkennung als Flüchtlinge, was zum Beispiel sichtbar wurde in der Exilliteratur, im Exiltheater usw.

Dies konnte auch bei dem Militärputsch in Chile beobachtet werden. Hier nahm z.B. die ehemalige DDR viele Menschen auf, und sie konnten dem sicheren Tod entkommen, konnten selbst Ausbildungen beginnen und eine neue Lebensperspektive entwickeln. Aber nicht nur im Chile der siebziger Jahre kam es zu großen Fluchtbewegungen.

Auch bei dem Putsch in der Türkei 1980 waren viele Menschen gewzungen, sich den faschistischen Häschern zu entziehen. Dies war ihnen in vielen europäischen Ländern möglich. Auch hier gab es wieder Leute, die sich legal äußern konnten, und ein anderer Teil rettete sich, indem sie ein verdecktes Leben begannen. Ganz aktuell ist es immer noch bei der Situation in Kurdistan, was von der türkischen Kolonialmacht besetzt ist.

Diese Reihe könnte noch fortgesetzt werden mit Ungarn, Südafrika, Uruguay, El Salvador und vielen anderen Ländern.

Wer oder welche sich diese kurzen Beispiele noch mal vor Augen führt, merkt: In der BRD ist keine so extreme Situation, wo massenweise Menschen aus ökonomischen oder politischen Gründen flüchten müssen. So war es auch nicht am 13.6.95. Ich hätte auch in den Niederlanden niemals um politisches Asyl fragen können, weil ich aus einem sicheren Drittstaat komme und weil die niederländischen Autoritäten meinen, daß die Rechtsgarantie in Deutschland hoch entwickelt sei. Somit wäre es auch falsch zu analysieren: so lange in Holland zu bleiben, bis sich die Zustände in der BRD grundsätzlich verändern. Mit dieser Perspektive hätte ich nämlich auch nicht in Holland bleiben können, weil es sich, wie oben schon erwähnt, in rechtlicher, ökonomischer und politischer Ausrichtung nicht viel von der BRD unterscheidet. Aus diesem Grunde lebte ich abgetaucht in den Niederlanden.

Noch einen Unterschied will ich nicht unter den Tisch fallenlassen: Ich war nicht in der Situation, daß ich mich in der BRD gegen ein besonders repressives Regime wehre, wie z.B. dem Hitler-Faschismus, dem Chile der siebziger Jahre oder auch nicht mit der heutigen kurdischen Situation konfrontiert war. Um so länger ich mich mit dem Thema "Exil" beschäftigte, erschien es mir als falsch, mich als Exilierten zu definieren. Besonders wichtig war dabei, daß ich nicht mit dem TOD bedroht war. Knast ist natürlich auch keine feine Sache, aber ich kann mich so einigermaßen darauf verlassen, daß ich nicht gefoltert werde. Daß dies in der BRD geschieht und auch weiter geschehen kann, will ich damit keinesfalls ausschließen. Aber es ist ein Unterschied, 5, 10, 15 oder 20 Jahre eingeknastet zu werden oder eben mit einem halben Jahr zu rechnen, was schon lang genug ist.

Somit ordne ich meine abgetauchte Zeit ein als ein Entziehen vor der BRD-Justiz, und daß ich es in der Hand habe, wann und wo ich mich in ihre Fänge begebe. Ich bin froh, daß ich nicht in der Situation bin wie die Leute, die wegen Aktionen des Komitees gesucht werden. Da ist die Möglichkeit zu wählen auf Null gesunken, weil der Knast einfach über allem hängt. Von hier aus will ich einen schönen Gruß an Euch senden, Bernd, Thomas und Peter. Oft waren meine Gedanken bei Euch, und ich hoffe, Ihr konntet ein neues Leben nach Eurem Sinn beginnen. Viel Kraft noch! Und auch besonders den Leuten, die Euch bisher halfen, daß Ihr nicht gepackt werden konntet! Ich hoffe, es ist deutlich geworden, daß ich die Möglichkeit zu wählen hatte.

Eine weitere Überlegung, nun wieder aufzutauchen, war, daß es hilfreich sein kann, bei dem Prozeß mit acht Angeklagten aufzutreten. Mittlerweile ist das nicht mehr so aktuell, weil es sein kann, daß mehrere Prozesse stattfinden. Was aber weiterhin stimmt, daß dann jede und jeder seine/ihre eigene Stimme hat und sich entsprechend zu anstehenden Diskussionen verhalten kann. Wie ich oben andeutete, ist dies häufiger schon in mir aufgekommen. Als besonderes Beispiel fällt mir ein Artikel in der "Trouw", einer überregionalen holländischen Tageszeitung, ein, wo es u. a. um das Auftauchen am 13. 6.96 ging und eben mein Verbleib in Holland. Dieser umstrittene Artikel erzeugte mehr Diskussionen und Reaktionen in bezug auf die Abgetauchten als je zuvor. In der Soli-Szene wurde es heiß diskutiert.

Auch an der Diskussion, warum Erkenntnisse aus den Akten so spät veröffentlicht wurden, wäre ich gerne beteiligt gewesen. Sicher gäbe es noch mehr Punkte zu benennen, wo ich gerne Teil der Diskussion gewesen wäre, aber das würde den Rahmen hier einfach sprengen.

So, das war's!

Matthes


Brief von Benjamin Ramos Vega aus dem Knast Alcalá-Meco bei Madrid

Meco, 28. 9.96

Liebe GenossInnen, liebe FreundInnen,

heute habe ich mich endlich entschlossen, nicht länger damit zu zögern, meine Worte an Euch zu richten. Bei all den wunderschönen Gedanken an Euch und an die Wärme der Freundschaft, die Ihr mir gegeben habt und immer noch gebt, wie könnte ich Euch da vergessen? Die Einschränkungen und Behinderungen unserer Korrespondenz usw. werden unseren Kontakt nicht zerstören.(1) Ich habe Eure beiden Briefe erhalten, und seit September erreichen mich auch die Tandem-Postkarten (2) - klar, alle wohl nicht. Das Gedicht - es ist wunderschön, ich kann es so gut nachvollziehen! Die Freude ist unsere Gefährtin und begleitet uns ". .. im Kampf Seite an Seite gegen die Spinnengewebe des Bösen, gegen das System, das den Hunger austeilt, gegen die Organisierung der Armut" (wie Pablo Neruda schreibt). Deshalb weiß ich, wenn ich Euch lachen sehe, daß Ihr an meiner Seite seid und auf der Seite der leidenden Menschheit. Und ich spüre, daß Ihr kein Volk unterdrückt sehen wollt, nicht seine Menschen, nicht sein Land. Euer Lachen befreit mich dann.

Ich befinde mich nun in den Eingeweiden des Systems, des königlichen, und kann es also von innen betrachten. Wir haben Tausende von Gründen, um Widerstand zu leisten. Jede Geste der Rebellion, so unbedeutend sie auch scheinen mag, hat ihre Wichtigkeit. Wie schon der guatemaltekische Dichter schrieb: Auch wenn wir tausend Kämpfe verlieren, und selbst, wenn wir sie ALLE verlieren sollten, wird auf unserer Seite immer die Kraft des Sieges sein.

Die Unterstützung und Solidarität, die ich in den Deutschlands(3) im Kampf gegen meine Auslieferung erfahren habe, war sehr positiv. Diese führte dazu, daß bei der Zustimmung zur Auslieferung von "Garantien" gesprochen wurde - sowohl vom Berliner Kammergericht als auch vom Bundesverfassungsgericht und vom Auswärtigen Amt.(4) Klar, daß sie am Ende machen, was sie wollen, aber diese "Garantien" gibt es jetzt schriftlich, und sie haben bestimmt kein Gelächter hervorgerufen. Es wäre interessant, jetzt die Arbeit darauf zu konzentrieren, daß sie ihre eigenen "Gesetze" einhalten.

Warum hat mich nach mittlerweile bereits 4 Monaten keine Kommission einer deutschen Behörde besucht, um die Erfüllung dieser "Garantien" zu überprüfen? Ich könnte ihnen zeigen, wie es hier wirklich ist, an diesen "Stätten des Todes". Ich habe während dieser kurzen, aber ewig währenden Zeit Isolation, "Krankenstation", Isolation, Zellenbau und Trakt durchlaufen. Ich war bereits in zwei Gefängnisse, und zwar immer noch unter Bewachung.

Ich habe neben mir Menschen sterben sehen, Tuberkulosekranke, mit psychischen Problemen (. ..) usw., die an Orten wie diesem festgehalten werden. Und über die physische Folter kann ich ihnen etwas erzählen, ich könnte ihnen z. B. meinen Genossen Iruretagoiena vorstellen, mit dem ich seit einem Monat die Zelle teile - wie lange war ich bis dahin allein, ohne einen politischen baskischen Gefangenen. Im Juni wurde er von der französischen Polizei an die Guardia "Civil"(5) übergeben. Im französischen Staat hatte er bereits seine "Strafe" abgesessen für das, wofür sie ihn hier jetzt anklagen. Jetzt leidet er aufgrund der Folter an starken Schmerzen, und bisher sind immer noch nicht ernsthafte ärztliche Untersuchungen durchgeführt worden. Aber es gibt noch viel mehr Gefangene, die eigentlich freigelassen werden müßten. Ich würde die mehr als 100 politischen Gefangenen erwähnen, und es gibt auch welche unter den sozialen Gefangenen, die eigentlich in Freiheit sein müßten und in diesen "Stätten des Todes" verharren müssen.(6) Ich könnte ihnen viel darüber erzählen.

Weit weg von meinem Umfeld, meinem Land und ohne die Aussicht, meine companera zu sehen, bestrafen sie mich zusätzlich, um mich in meiner persönlichen Situation zu treffen. Selbst mit den "Garantien" ausgestattet mußte ich noch kämpfen: bis hin zu meiner "Diät" (ich würde sie schon einladen, diese Herren von der "Kommission", mit mir zusammen das Tagesmenü zu verspeisen).(7)

Ich gebe jedoch nicht auf. Auch Ihr gebt mir Kraft. Ich glaube zwar nicht, daß sie mein Verfahren einstellen werden, es wäre jedoch möglich, daß sie am Tag des Prozesses "erröten", wenn sie in einem Saal unter internationaler Beobachtung agieren müssen (ein Schauspiel). Die Parteien, Gewerkschaften, Organisationen, politischen Kollektive, Intellektuellen usw. dort bei Euch zu Hause, alle, die interessiert sind und mich mit großer Wärme unterstützt haben, Ihr alle seid eingeladen.(8)

Ihr seid mir immer nah, und ich sage Euch, wie ich es wohl schon einige Male getan habe. Die beste internationalistische Arbeit beginnt dort, wo sie sich um die Probleme zu Hause kümmert. Und darin stimmen wir überein. Ihr habt all meine Achtung und Wertschätzung. Sagt mir, was ich für Euch tun kann. Ich werde versuchen, mich besser in Deutsch auszudrücken. Ich möchte die Korrespondenz aufrechterhalten - es gibt deutsche politische Gefangenen, denen ich noch schreiben möchte, und ich habe vor, auf Deutsch zu schreiben - und ich möchte weiterhin Kontakt mit Eurer Realität haben. Schickt Ihr mir Informationen? (. ..)

 

Ihr habt hier einen Freund.

Benjamin

 

P. S.: Sie sagen, daß meine Post nicht eingeschränkt ist(9). Wir können uns weiter schreiben. Bis bald.

 

Anmerkungen

1 Benjamin hat bisher Briefe zum Teil gar nicht oder mit großer Verzögerung erhalten.

2 Seit Juni 1996 gibt es Grußpostkarten an Benjamin, kombiniert mit Protestkarten an den Obersten Gerichtshof

3 Im Original: "las alemanias"

4 Bei den genannten "Garantien" handelte es sich

a) um die Forderung nach adäquater medizinischer Versorgung des immungeschwächten Gefangenen,

b) um die Zusicherung, daß unter Folter zustandegekommene belastende Aussagen eines Dritten nicht als Beweismittel gegen Benjamin verwendet werden und

c) um die Zusage, daß er nicht gefoltert wird. Die genannten deutschen Instanzen akzeptierten als "Garantien" schließlich eine rein politische Stellungnahme (statt einer juristischen Zusicherung) der spanischen Botschaft.

5 "Zivil"-Garde, kasernierte, paramilitärische Polizei, im 18. Jahrhundert gegründet und wichtige Stütze des spanischen Faschismus'

6 weil sie 2/3 der Strafe verbüßt haben oder haftunfähig sind

7 Aufgrund seiner Immunschwächeerkrankung benötigt Benjamin eine spezielle Diät - außerdem ist er Vegetarier. In der "Krankenstation" hatte er diese nach langem Kampf gekriegt; seit seiner Verlegung nach Alcalá-Meco wird sie ihm jedoch verweigert.

8 Das Solidaritätskomitee Benjamin Ramos aus Berlin organisiert eine Delegation, die den Prozeß beobachten soll. Interessierte können sich wenden an: Solikomitee B. Ramos, Wilhelmstr. 9, 10963 Berlin.

9 Benjamin durfte bisher nur zwei Briefe pro Woche schreiben - Teil der Isolationshaft.


Lutz Balding erkämpft Zusagen


Anfang des Jahres hatten wir im "Angehörigen Info" 177 über Lutz Balding berichtet: "Lutz Balding wurde wegen mehrerer bewaffneter Banküberfälle in den 80er Jahren zu insgesamt 29 Jahren Haft und anschließend 10 Jahren Sicherheitsverwahrung verurteilt. Nach einem fehlgeschlagenen Fluchtversuch über die Mauer der JVA Schwalmstadt wurde Lutz am 13.11.95 in den baden-württembergischen Knast Bruchsal verschleppt. Dort ist er als "besonders gefährlicher Gefangener" weitgehend isoliert, seine BesucherInnen aus Kassel sitzen für zweimal 1 Stunde überwachten Besuch im Monat jeweils sieben Stunden im Zug, zuletzt wurde Lutz ein Computerkurs mit der Begründung verweigert, man könne ihn dann nicht kontinuierlich überwachen, und bei seiner Haftdauer würde sich Weiterbildung nicht lohnen. Am 20.11.95 begann Lutz in Bruchsal einen Hungerstreik mit der Forderung nach sofortiger Rückverlegung nach Schwalmstadt, den er nach 10 Tagen abbrach, um draußen Raum für Mobilisierung zu lassen. "

Da sich aber trotz Drucks von draußen nichts bewegte, trat Lutz am 30.9. erneut in den Hungerstreik. Er forderte: "Rücknahme der Zwangsverlegung, damit ein regelmäßiger Besuchskontakt wieder unter erträglichen Umständen möglich wird, eine verbindliche Zusage gegenüber dem mich vertretenden Anwalt, daß spätestens 3 Monate nach Rückverlegung ein Gespräch mit einem Vertreter des hessischen Justizministeriums, der zuständigen Anstaltsleitung, des Anwalts und mir stattfindet, in dem es darum gehen wird, konkret festzulegen, unter welchen Voraussetzungen eine 2/3-Entlassung möglich ist und was die einzelnen Schritte dahin sein werden."

Am 16.10. erkämpfte er Zugeständnisse und brach seinen Hungerstreik ab: "Mit der Zusage, in den kommenden Wochen wieder in einen hessischen Knast verlegt zu werden - Butzbach wurde angekündigt -, habe ich am 16.10.96 meinen Hungerstreik beendet. Für die BesucherInnen und mich ist damit eine zentrale Voraussetzung fürs weitere erfüllt: Besuchskontakt ohne die zusätzliche Belastung von zig hundert Kilometern Anfahrt, räumliche Nähe auch zum Anwalt ... Jetzt wird es darum gehen, einen Weg durchzusetzen, der eine Entlassung aus dem Knast spätestens 2002 möglich macht. Dazu werde ich zu einem Zeitpunkt ausführlicher was sagen, wenn klar ist, welche Forderungen der Apparat daran bindet.

Mit einem tiefen Gefühl der Verbundenheit möchte ich die Menschen grüßen, die mich während des Hungerstreiks mit ihrer Post, ihren Gedanken und ihrem Ausdruck von Solidarität unterstützt haben! Ich denke, diesen Schritt nach vorne haben wir gemeinsam erkämpft, ein gutes Gefühl. "

gez. Lutz Balding / Bruchsal

Zu den Hintergründen des Konflikts ist im "ak" 395 ein ausführlicher Artikel erschienen. (d. Red.)

Bundesweiter Aktionstag am 18.3.1997

 

Freiheit für alle politischen Gefangenen weltweit

Einladung zum Vorbereitungstreffen am 14. 12.1996, 14.00 Uhr im "3. Welt"-Haus, Westerbachstr. 47/HH, 60489 Frankfurt


Liebe Leute!

Am 18. 3.1996 haben wir unter dem Motto "Freiheit für alle politischen Gefangenen weltweit" einen bundesweiten Aktionstag durchgeführt. Die Idee kam vom Bundesvorstand der "Roten Hilfe".

Diese hatte bereits in den 20er Jahren solche Aktionstage durchgeführt. Initiiert wurde das Ganze schließlich von der Initiative "Libertad!, Kampagne für einen internationalen Kampftag für die Freiheit der politischen Gefangenen weltweit".

In 14 Städten haben daraufhin verschiedene linke Gruppen Kundgebungen, Veranstaltungen, Demonstrationen und andere Aktionen durchgeführt*. Der Aktionstag wurde von allen beteiligten Gruppen als Erfolg angesehen. Deshalb haben wir beschlossen, auch 1997 einen bundesweiten Aktionstag zu machen.

Im Laufe des Jahres wurde die Idee auch international aufgegriffen. Auf dem von der EZLN im Sommer veranstalteten "Intergalaktischen Kongreß gegen den Neoliberalismus" in Chiapas/Mexico haben Delegierte aus verschiedenen Ländern vereinbart, einen solchen Aktionstag gleichzeitig durchzuführen, erstmals am 10. 12.1997. Koordiniert werden soll dieser erste "Internationale Aktionstag" auf einem Folgekongreß, der voraussichtlich im Sommer nächsten Jahres in Europa stattfinden wird.

Das heißt aber nicht, daß der 18. 3. als BRD-weiter Kampftag wieder unter den Tisch fallen soll. Denn erstens ist es noch ein weiter Weg bis zu einer effektiven internationalen Vernetzung. Zweitens sind zwei Kampftage besser als nur einer, in vielen anderen Ländern gibt es ja längst einige Kampftage für politische Gefangene. Drittens kann es nichts schaden, einen bereits erzielten Erfolg auszubauen. Und viertens bieten zwei Aktionstage die Möglichkeit, die Aktionen und Inhalte noch vielfältiger zu gestalten.

Deswegen wird es auch am 18. 3.97 einen bundesweiten Aktionstag für die Freiheit aller politischen Gefangenen geben. Bei einer Vorbesprechung der '96 beteiligten Gruppen haben wir folgende Vorschläge erarbeitet: Wir möchten, daß sich 1997 noch viel mehr politische Gruppen beteiligen. Deswegen soll diese Einladung auch möglichst weit verbreitet werden. Alle Gruppen, die sich mit den Themen "Politische Gefangene", "Repression und Widerstand" und "Internationale Solidarität" beschäftigen, sollen die Möglichkeit haben, ihre Inhalte und Aktionsformen einzubringen. Thematisiert werden sollen nicht nur die "Alten", also die Gefangenen aus der RAF, oder die "Neuen", z. B. die durch die Razzien vom 13. 6.95 Betroffenen und die vielen mit Repression bedrohten AntifaschistInnen. Thematisiert werden sollen auch die zahlreichen kurdischen Gefangenen oder aufgrund des PKK-Verbotes politisch Verfolgten. Darüber hinaus rückt auch immer stärker der Widerstand von inhaftierten oder von Abschiebung bedrohten Flüchtlingen ins Zentrum des politischen Geschehens. Auch dies sollte am 18.3.97 gemeinsam an die Öffentlichkeit gebracht werden. Was diese Bereiche vereint, ist die Solidarität mit allen politischen Gefangenen aus emanzipatorischen Bewegungen und der Kampf gegen jegliche staatliche Unterdrückung. Der Begriff "Solidarität" sollte ein wichtiger Punkt in einem Aufruf für den Aktionstag am 18. 3.97 sein. Solidarität bedeutet für uns: Alle, die von staatlicher Unterdrückung bedroht oder betroffen sind, haben ein Anrecht auf Unterstützung, aber auch die Verpflichtung, einander zu unterstützen. Das beinhaltet keine bedingungslose Loyalität. Im Gegenteil sollten die politischen Inhalte der verschiedenen Gruppen durchaus Thema einer kritischen Auseinandersetzung werden. Aber der gemeinsame Feind, staatliche politische Unterdrückung, sollte auch gemeinsam bekämpft werden. Und dafür kann der 18. 3.96 ein Forum sein.

Deshalb laden wir Euch hiermit ein, mit uns gemeinsam ein Konzept für den bundesweiten Aktionstag am 18. 3.1997 und die Schwerpunkte eines bundesweiten Aufrufes zu entwickeln. Bitte kommt zahlreich. Gebt diese Einladung auch an interessierte Gruppen weiter, die wir möglicherweise nicht erreicht haben. Falls ihr Interesse an einer Beteiligung habt, aber nicht zum 1. Vorbereitungstreffen am 14.12. kommen könnt, teilt uns das mit, und Ihr bekommt weitere Infos, Protokolle usw. zugeschickt.

Grüße von Libertad!

*Einen guten Überblick über den Verlauf des Aktionstages '96 bietet die bei Libertad! erhältliche "Dokumentation 18. 3.1996", die für 4,- Mark + Porto bestellt werden kann.


29 Haftbefehle und Verfolgungen gegen AnarchistInnen in Italien

Am 17. 9. 96 fanden Razzien in ungefähr 70 Wohnungen in ganz Italien statt. Der Anlaß dafür waren 29 Haftbefehle, die vom Richter Claudio D'Angelo auf die Initiative der Staatsanwälte Marini und Vigna erlassen wurden. 10 Haftbefehle wurden sofort vollstreckt und die Menschen in das Gefängnis von Rebibbia gebracht. 10 saßen schon im Knast und wurden erneut angeklagt. 9 Menschen waren schon oder sind daraufhin untergetaucht. Die Anklagen reichen von Banküberfällen, Sabotageaktionen an Strommasten, Bildung einer bewaffneten Bande zum Umsturz der Demokratie bis hin zu Entführung und Mord. Gegen 68 Menschen wird ermittelt wegen Zugehörigkeit dieser sehr unplausiblen und vorher unbekannten Bande, die die Staatsanwälte gleich mit einem Schrecken erregenden Namen tauften, die ORAI, "Organizzazzione Rivoluzzionaria Anarchica Insurrezzionalista" (Anarchistische Revolutionäre Aufständische Organisation). Die Anklagen stützen sich maßgeblich auf die Aussagen einer "Pentita" oder reuigen Kronzeugin, die der Staatsanwaltschaft in einem Prozeß im Jan. 96 schon etwas Erfolg brachten. Diese großangelegte Aktion soll das Ergebnis zweijähriger Ermittlungstätigkeit sein.

Die gerichtlichen Vorbesprechungen, bei denen der erste Prozeßtermin festgelegt werden wird, wurden auf den 10.12.96 festgelegt.

Einem Bericht der Zeitschrift "Cane Nero" (4.10.96) - einige ihrer Redakteure sind auch unter den Verhafteten - entnehmen wir eine Liste derjenigen, gegen die am 17.9.96 Haftbefehle erlassen wurden. Folgende Menschen wurden schon (d. h. entweder am 17.9. oder in den folgenden Tagen) verhaftet und in das Gefängnis Rebibbia gebracht:

Salvatore Gugliara, Stefano Moreale, Pina Riccobono, Emma Sassosi, Antonio Gizzo, Alfredo Bonanno, Tiziano Andreozzi, Apollonia Cortimiglia, Cristina Lo Forte, Paolo Ruberto, Francesco Berlemmi.

7 Festgenommene hatten ihre Haftprüfungstermine am 7. 10, und Francesco Berlemmi wurde entlassen. Stefano Moreale wurde am 11.10. nach seiner Haftprüfung entlassen. Die anderen Verhafteten wurden dem Haftrichter am 14. 10. vorgeführt, aber, soweit wir wissen, wurde keiner von ihnen entlassen.

Apollonia Cortimiglia scheint aus dem Gefängnis gegen Ende September entlassen worden zu sein und befindet sich unter Hausarrest in Catania. Alle Gefangenen befinden sich zur Zeit in strenger Isolationshaft; anfangs mit Besuchsverbot, das jedoch Mitte Oktober aufgehoben wurde. Cristina Lo Forte wird wegen nicht ausreichend vorhandener Isolationszellen in der Gefängnisabteilung für Drogensüchtige gefangengehalten. Salvatore Gugliara trat am 17. 9. in den Hungerstreik aus Protest gegen die Repression. Den Hungerstreik beendete er am 29. 9., aber nahm ihn am 14.10. aus Protest gegen die Entscheidungen der Haftrichter wieder auf. Zusätzlich weigerte er sich diesmal, Wasser und Zucker zu sich zu nehmen. Am 2.11. wurde er aus dem Gefängnis in einem sehr schlechten physischen und psychischen Zustand entlassen und befindet sich momentan unter Hausarrest. Am 23.10. fing auch Pina Riccobono einen Hungerstreik an, dem sich Tiziano Andreozzi am 28.10. anschloß. Die letzten Meldungen (12.11.) berichten davon, daß diese Hungerstreiks immer noch andauern.

Die schon inhaftierten AnarchistInnen, gegen die Haftbefehle erlassen wurden, sind folgende: Carlo Tesseri, Jean Weir, Christos Statigopoulos, Antonio Budini; Karechin Krikorian, Horst Fantazzini, Orlando Campo, Francesco Porcu, Marco Camenisch. Gegen die folgenden Menschen wurden Haftbefehle erlassen, sie sind aber untergetaucht: Guido Mantelli, Massimo Passamani, Roberta Nano, Eva Tziutzia, Pippo Stasi, Rose Ann Scrocco, Giovanni Barcia, Salvatore Codro, Angela Lo Vecchio.

Das Berufungsverfahren im Prozeß gegen Jean Weir, Antonio Budini, Carlo Tesseri und Christos Stratigopoulos, die 4 AnarchistInnen, die am 31.1. wegen 2 Banküberfällen aufgrund der Aussagen der Kronzeugin Namesetchi verurteilt wurden, fing am 7.11. an. Dieser Prozeß ist besonders wichtig, denn sollten die Aussagen der Kronzeugin verworfen werden, würden dann die Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft gegen die anderen Festgenommenen deutlich an Boden verlieren. Am 7.11. meldete sich aber Namesetchi krank. Der Staatsanwalt wollte gerne die Verhandlungen anhand der Akten abschließen und bot den Angeklagten gleich eine Haftverkürzung an. Diese wurde nicht hingenommen. Nach 8 Stunden wurde die Verhandlung auf den 13.12. vertagt. Dieser Termin liegt 3 Tage nach den gerichtlichen Vorbesprechungen vom 10.12., wo entschieden werden soll, ob genügend Beweise vorliegen, um den 29 Beschuldigten des 17.9. den Prozeß machen zu können, und die ersten Prozeßtermine festgelegt werden. D.h., daß diese Vorbesprechungen stattfinden, ohne daß die Aussagen der Kronzeugin überhaupt angezweifelt werden. Zur Erinnerung, der Vorwurf der Zugehörigkeit zu einer bewaffneten Bande stützt sich maßgeblich auf die 70 Seiten umfassenden Aussagen dieser Kronzeugin, die behauptet, an einem Überfall auf zwei Banken zusammen mit sieben anderen, unter ihnen die vier AnarchistInnen, die im Januar verurteilt wurden, teilgenommen zu haben. Laut ihren Aussagen sollte dieser Überfall "die Organisation" finanzieren. Auf dem Weg zurück zum Gefängnis, nach dem Beginn des Berufungsverfahrens, wurde der Angeklagte Carlo Tesseri von 9 Schließern brutal zusammengeschlagen. Repression gegen AnarchistInnen anhand offensichtlicher Konstrukte ist keine Neuigkeit in Italien. Der Bombenanschlag auf der Piazza Fontana in Mailand am 12.12.69, bei dem 16 Menschen starben, wurde auch AnarchistInnen zur Last gelegt und hatte eine massive Repressionswelle zur Folge. Später stellte sich heraus, daß dieser Anschlag sowie andere berüchtigte Anschläge wie das Massaker von Bologna am 2. 8.1980, bei dem 85 Menschen starben, tatsächlich die Arbeit von Neofaschisten in Zusammenarbeit mit Geheimdiensten waren und zur wohlbekannten Strategie der Spannung beitragen sollten, durch welche die politische Entwicklung in Italien und die öffentliche Meinung gegen links beeinflußt wurden. Eine der Anklagen gegen die Betroffenen vom 17.9.96 lautet auf "concorso in strage", wörtlich, Mittäterschaft am Gemetzel. Strage ist das kennzeichnende Wort für solche Anschläge wie die eben beschriebenen. Leider wissen wir nicht genau, um welche Aktionen es sich handeln soll. Ansonsten setzt die italienische Justiz auch in anderen Fällen diesen Jahres weiterhin auf eine Eskalation gegen Links. Im Juli wurde der ehemalige Rotbrigadist Germano Maccari zu lebenslänglich wegen der Entführung und Ermordung Aldo Moros verurteilt. Das harte Urteil erfolgte trotz der Forderung der NebenklägerInnen, Moros Familienangehörigen, daß das Gericht Maccari gegenüber Milde walten lassen solle. Interessant ist die Tatsache, daß der Staatsanwalt Marini, der für die jetzige Repression gegen AnarchistInnen verantwortlich ist, auch im Falle Moro vor siebzehn Jahren eine Rolle gespielt hat.

Es gibt ein Spendenkonto wegen der Verfahren gegen die AnarchistInnen: Rote Hilfe - Kennwort "Italien", Konto-Nr. 22016-803, Postbank München. Für weitere Infos ist die Infoadresse hier: Solidaritätskomitee "Italien", c/o Infoladen, Breisacherstraße 12, 81677 München. Demnächst erscheint eine Broschüre mit Materialien zur Solidarität mit den Betroffenen, für 4 DM + 1. 50 Porto bei L'europe des luttes, c/o Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46, 20357 Hamburg


Nein zum langsamen Mord an 5.000 politischen Gefangenen in Peru!

Laßt uns gemeinsam dagegen protestieren!


Wir wissen, daß es hier im Moment nicht die Zeit zu sein scheint, für Aktionen zu mobilisieren, die auf Unterdrückung und Terror am anderen Ende der Welt hinweisen wollen. Trotzdem wollen wir es versuchen und gegen eine Entwicklung protestieren, die in Peru seit einigen Jahren dazu führt, daß über 5000 Menschen aus politischen Gründen unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert sind.

Wir, das sind Mitglieder und SympathisantInnen der MRTA sowie befreundete deutsche GenossInnen. Die MRTA (Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru) ist eine politische Organisation, die mit ihrer Arbeit und ihrem Kampf die Volksorganisationen unterstützen will. Letztes Jahr hat sie versucht, mit einer großangelegten Aktion Menschen aus dem Gefängnis zu befreien.

Im folgenden sollen einige Eckpunkte die Entwicklung in Peru dokumentieren:

- Der Selbstputsch von Fujimori von '92 hatte zum Ziel, die gesamte Opposition zu zerschlagen und das neoliberale Modell durchzusetzen mittels einer terroristischen Staatspolitik.

- Es wird eine Diktatur errichtet, die Methoden anwendet, die gegen juristisches Recht, gegen die Menschlichkeit und gegen internationale Vereinbarungen verstoßen. Zum Beispiel

- die Schaffung von Militärtribunalen mit vermummten Richtern,

- eine Kronzeugenregelung, die noch schärfer als hier in der BRD ist und Straferlaß für reines Denunziantentum ermöglicht,

- die Todesstrafe für "Vaterlandsverrat", die eine Welle von nationalem und internationalem Protest hervorrief. Wegen dieses Protestes kam sie noch nicht zur Anwendung, aber sie kann immer noch jedem Moment angewendet werden.

- Hochsicherheitsgefängnisse wurden in Betrieb genommen allein für die Gefangenen, die der Subversion angeklagt sind. Der Zweck dieser Knäste ist die physische und psychische Vernichtung der Gefangenen. Die politischen Gefangenen werden unmenschlich behandelt.

- Die angewendeten Methoden dienen nicht nur zur Terrorisierung der Bevölkerung, sondern auch der Menschenrechtsorganisationen, so daß ein Schweigen über die Zustände in den Gefängnissen durchgesetzt wird.

Aus diesen Gründen, und weil sich der Versuch, die Gefangenen zu befreien, zum ersten Mal jährt, bitten wir Solidaritätsgruppen, Menschenrechtsgruppen, linke und progressive Gruppen sowie Einzelpersonen, an einer MAHNWACHE vor dem peruanischen Konsulat in Hamburg teilzunehmen, um der peruanischen Regierung unseren Protest mitzuteilen. An drei Tagen soll diese Mahnwache jeweils von 15 bis 18 Uhr stattfinden.


Mahnwachen

Am 2., 9. und 16.12., 15 bis 18 Uhr, peruanisches Konsulat, Blumenstr. 28.

(Mahnwachen finden auch in Stockholm, Kopenhagen und Paris statt. ) Kontakt und weitere Informationen: voz rebelde, c/o Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46.


Weibliche irische Kriegsgefangene fordern Gleichbehandlung

Weibliche Kriegsgefangene(1) im Gefängnis von Magnaberry im Norden Irlands werden unter schlechteren Bedingungen gefangengehalten als männliche Kriegsgefangene. Sie werfen dem Nordirland-Büro der britischen Regierung diskriminierende Behandlung vor.

 

Am 18. März 1996 wurden die weiblichen republikanischen Gefangenen vom Armagh-Gefängnis in das Gefängnis von Maghaberry verlegt. Dieser Knast wurde für 30 Millionen Pfund(2) und weiteren 5 Millionen Pfund, die für Sicherheitsvorkehrungen ausgegeben wurden, gebaut. Er wird vom Nordirland-Büro als eines der modernsten und sichersten Gefängnisse in Westeuropa mit einem liberalen System und entspannter Atmosphäre porträtiert. Den 8 weiblichen Kriegsgefangenen zufolge, die dort sitzen, existiert ein solches liberales System ebensowenig wie eine entspannte Atmosphäre. In der Realität sind weibliche Gefangene im Gefängnis von Maghaberry seit 1986 einer diskriminierenden Behandlung ausgesetzt.

Weibliche republikanische Gefangene im Gefängnis von Maghaberry werfen dem Nordirland-Büro der britischen Regierung und der Knastverwaltung unfaire Behandlung wegen ihrer geringen Anzahl vor. In einem Papier, das "AP/RN" zugesandt wurde, sagen die Kriegsgefangenen, das Nordirland-Büro praktiziere eine kontinuierliche Diskriminierungspolitik gegen weibliche Gefangene. Sie weisen darauf hin, "daß die den weiblichen Kriegsgefangenen zur Verfügung stehenden Einrichtungen wesentlich hinter denen den männlichen Gefangenen zugänglichen zurückbleiben".

Einschluß - nicht länger Bestandteil des Knastsystems in Long Kesh(3) - wird in Maghaberry weiterhin tagsüber und abends nach 20.30 Uhr durchgeführt. Der Zugang der Frauen zu Telefonen ist durch den Einschluß ebenso beschränkt wie ihre Gemeinschafts- und Sportzeiten.

Die Kriegsgefangenen werfen dem Nord-irland-Büro außerdem vor, weiterhin "strip-searches" durchzuführen. Gefangene, die auf Freigang gehen oder davon zurückkehren, "werden weiterhin nackt durchsucht". Seit 1982 wurden insgesamt mehr als 4.000 "strip-searches" bei den Knastinsassinnen durchgeführt, deren Anzahl zu keinem Zeitpunkt 32 überschritten hat.

Das Papier weist darauf hin, daß zwei Gefangene, die vorläufig aus England verlegt worden sind, Ella O'Dwyer aus Tipperary und Martina Anderson aus Derry, "davon bedroht sind, jederzeit ohne Grund oder Abgabe einer Erklärung nach England zurückgeschickt zu werden".

Da beide Frauen der britischen Zuständigkeit unterliegen, wird ihnen die Möglichkeit von Sonderurlaub und normalem Freigang verweigert. Erst Anfang September 1996 wurde der Vater von Ella O'Dwyer ins Krankenhaus nach Nenagh eingeliefert. Ihr wurde die Möglichkeit verweigert, ihn zu besuchen. Ella O'Dwyer hat ihren Vater seit 2 Jahren nicht mehr gesehen und befürchtet, daß sie ihn nie wiedersehen wird, sollte sie keinen Hafturlaub erhalten.

Das Dokument beschreibt außerdem die Besuchsregelungen und den Zugang zu Telefoneinrichtungen. Die Frauen sagen, daß den Gefangenen vor 18 Monaten die Möglichkeit der Benutzung von Telefonen zugestanden worden ist, trotzdem sei diese Verbesserung durch zeitliche Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit eingeschränkt. Die Männer in Long Kesh haben 24 Stunden am Tag den Zugang zu Telefonen, während in Maghaberry "selbst in Notfällen, Krankheiten in der Familie oder Trauerfällen, in denen ein Telefon besonders nützlich wäre, keinerlei Flexibilität gezeigt wird". Was die Besuche angeht, verlangen die Frauen mehr Privatsphäre im Besuchsraum und wiederholen ihre Forderung bezüglich der Zeit, die von der Ankunft im Knast bis zu dem tatsächlichen Besuch vergeht, "die Erfahrung der Besuchsverzögerung zu stoppen".

Die Kriegsgefangene Ailish Carroll aus Armagh sagte "AP/RN" über Maghaberry: "Der Kern der Auseinandersetzungen im Moment ist der Mangel an Kommunikation zwischen der Knastleitung und den Frauen. Sie wollen sich nicht mit uns beschäftigen, weil wir nur 8 sind. Ihre Herangehensweise ist es, uns auf Armlänge zu halten und uns nicht bezüglich der Verbesserungen anzuhören, die wir eingerichtet haben wollen. Außerdem denken sie, daß sie, weil wir nur 8 sind, kein Geld für uns ausgeben sollten." Ailish Carroll berichtete weiter, daß der Knastleiter zugesagt hatte, eine Trennwand in der Mitte des Besuchsraumes zu errichten, als dieser renoviert wurde, diese Vereinbarung später aber nicht einhielt.

"Bildung ist ein anderer wichtiger Faktor", betonte Ailish Carroll. "Wir 8 studieren alle oder machen eine Berufsausbildung, aber sie verweigern uns die Einrichtung von Computern, obwohl das Nordirland-Büro gerade zwei neue Computer in jedem der Flügel in Long Kesh installiert hat. Sie haben sogar gesagt, daß wir, wenn wir die kaputten Textverarbeitungsgeräte ersetzen wollten, die auf unserem Flügel sind, wir selbst dafür bezahlen müßten. "

"Es ist wirklich wichtig, daß die Knastverwaltung in einen Dialog tritt, um dafür zu sorgen, daß Lösungen für die strittigen Punkte gefunden werden, bevor sie außer Kontrolle geraten. Wenn dieser Dialog in Long Kesh funktioniert, kann er es hier ganz sicher auch", schloß Ailish Carroll.

Weitere Informationen über die Situation der irischen Kriegsgefangenen sind erhältich über:

Sinn Fein POW Department, Belfast,

Tel. 00 44-12 32-24 99 75.

(Übersetzung aus: "An Phoblacht/Republican News", 26. September 1996)

1 Mit der Verwendung der Bezeichnung POW = Prisoner of War fordern die republikanischen Gefangenen weiterhin ihre Anerkennung als Kriegsgefangene im Befreiungskrieg gegen die britische Besatzung ein.

2 Das entspricht etwa 75 Millionen DM.

3 Der Knast, in dem die Mehrzahl der männlichen republikanischen Gefangenen im Norden Irlands sitzt.


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"Antifaschistische Nachrichten Saar" Nr. 30: Nov.-Jan. 96/97. Aus dem Inhalt: Interkontinentales Treffen in Chiapas, Interview über eine Reise nach Chile, Kurdistan - Irak - Türkei, Antifa-Tage in Saarlouis, Prozeß in Lübeck. Plus 16seitige Beilage: Interview mit Hans und Tosca Lebrecht (KP Israel) zur Geschichte der KP Israels, zur aktuellen Situation in Israel und den besetzten Gebieten nach den Wahlen und zum Antisemitismus und Rassismus in Deutschland.

Bezug über ANtifaschistische NAchrichten Saar, Landwehrplatz 2, 66111 Saarbrücken. Sonderpreis wegen der Beilage 4 DM plus Porto. 6 Ausgaben kosten 27 DM (inkl. Porto).

 

"Ausgewählte Schriften" Heft Nr. 1: Der 1. Mai, der Sozialismus und die sich entwickelnde Lösung innerhalb der PKK (Abdullah Öcalan, Vorsitzender der Arbeiterpartei Kurdistans PKK). Heft Nr. 2: Gedanken über die nationale Befreiung und den Sozialismus (M. Can Yüce). Die Reihe "Ausgewählte Schriften" ist "Teil einer Diskussion über gesellschaftliche Perspektive und schafft gleichzeitig eine Grundlage für die Erweiterung dieser Diskussion". Bestelladresse: Internationale Schriften, c/o Brigittenstr. 5, 20359 Hamburg. Heft 1 kostet 4 DM und Heft 2 10 DM (Wiederverkauf 3 bzw. 8 DM).


Glückwunsch!


Am 8. 12.1996 hat Martha Barabaß Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute.


Nächster Redaktionsschluß


Wegen der Weihnachtsfeiertage muß der Redaktionsschluß für die nächste Ausgabe des "Angehörigen Info" vorverlegt werden auf den 17.12.96.

Termine

Saarbrücken. 3.12.

20 Uhr, Nauwieser Str. 19 (Versammlungsraum), Veranstaltung: Zurück vom 1. Interkontinentalen Treffen in Chiapas/ Mexiko: zur Situation in Mexiko, zur Geschichte und zum Kampf der EZLN, Eindrücke vom Treffen in Chiapas (mit Dia-Vorführung), erste Ergebnisse des Treffens (unter anderem Beschluß über die Durchführung eines internationalen Kampftags für die Freiheit der politischen Gefangenen weltweit am 10. Dezember 1997).
Veranstalter: Netzwerk Saar.

Hamburg.

10.12. 20 Uhr, Zentrum B 5, Brigittenstr. 5, Veranstaltung zu Siegerjustiz. Eingeladen ist Klaus Feske vom Solidaritätskomitee für die Opfer der politischen Verfolgung in Deutschland und ein Verurteilter aus dem Prozeß gegen die Führung der Grenztruppen der DDR. Das Verfahren endete mit langjährigen Freiheitsstrafen wegen "Totschlags".
Veranstalter: Kurdistan Solidaritätskomitee.

 

Heidelberg.

14.12. 13 Uhr, Hauptbahnhof, Demonstration für den Erhalt des Autonomen Zentrums "Kein Tag ohne Autonomes Zentrum"
(Autonome Antifa Heidelberg).

 

Lüdenscheid.

21.12. 13 Uhr, Graf-Engelbert-Platz, NRW-weite antifaschistische Demonstration "Faschistische Strukturen angreifen!"

(Antifa Lüdenscheid).

 

Herausgeber : Angehörige und FreundInnen politischer Gefangener in der BRD, Postlagerkarte 05 02 05, 65929 Frankfurt / M. Erscheint vierwöchentlich bei GNN Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung, Verlagsgesellschaft in Schleswig-Holstein / Hamburg m. b. H., Palmaille 24, 22767 Hamburg. V. i. S. d. P. : Martin Fochler. Redaktionsanschrift und Bestellungen : GNN-Verlag, Palmaille 24, 22767 Hamburg, Tel. : (0 40) 38 13 93, Fax : (0 40) 3 89 83 31 (mit Empfängervermerk). Einzelpreis : 3,00 DM. Ein Halbjahresabonnement kostet 27,00 DM, ein Halbjahresförderabonnement 30,00 DM, Buchläden, Infoläden und sonstige Weiterverkäufer erhalten bei einer Bestellung ab 3 Stück 30 % Rabatt, ab 50 Stück das Heft zu 1,90 DM. Bei Bestellungen bitte Einzugsvollmacht beifügen oder Überweisung auf das folgende Verlagskonto : Hamburger Sparkasse, BLZ 200 505 50, Konto-Nr. 1269/122 311. - Herstellung und Drucklegung : GNN Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung, Verlagsgesellschaft in Schleswig-Holstein / Hamburg m.b.H. Eigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist das Angehörigen-Info so lange Eigentum des Absenders, bis es dem Gefangenen ausgehändigt wird. "Zur-Habe-Nahme" ist keine Aushändigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info dem Gefangenen nicht persönlich ausgehändigt, ist es dem Absender mit dem Grund der Nichtaushändigung zurückzuschicken. Spendenkonto der Angehörigen: Sonderkonto Kiener, Landesgirokasse Stuttgart, BLZ 600 501 01, Konto-Nr. 5454194.