Prophet und Schaumschläger

Wie einmal ein Corpsstudent eine Broschüre "bespricht"

"Geschichtsfälschung durch linke Chaoten", so titelte "Der Corpsstudent" 2-98, die Zeitung Kösener und Weinheimer Corps einen Beitrag von Rolf Heinrichs VAC-Vorsitzender der Kösener Corps. Den Alten Herren hatte offensichtlich die 2. Auflage der Bonner ASTA-Broschüre "Das Korporationswesen - Der Verbindungsreader" kräftig verärgert.

Heinrichs beginnt mit einer "Enthüllung", die mit der Broschüre nichts zu tun hat. Er schreibt: "Dieses Machwerk geht, wie alle seine Vorgänger und Nachfolger - auf die ‘Vordenker der Marburger Geschichtswerkstatt’ zurück, stets lassen die Herren Heither und Schäfer (letzterer übrigens Abonnent unserer Verbandszeitschrift) grüßen." Heinrichs kennt die Literatur offenbar nicht. Es gibt zum Thema "Burschis" mehr als die "Marburger Vordenker", beispielsweise die vorliegende Zeitung, die sich nicht auf die angesprochenen Vordenker bezieht.

Das nebenbei der Name eines Abonnenten veröffentlicht wird, ist sicher der Wertschätzung des Abonnenten durch den Verfasser geschuldet und nicht mangelndem Datenschutz. Wahrhaft prophetisch wird es, wenn er alle zukünftigen "Machwerke" bereits heute den "Marburgern" zurechnet. Propheten sind keine Wissenschaftler, sie leben von ihren Eingebungen, die irgendwelchen Einbildungen entspringen. Das ist in diesem Fall nicht anders.

Heinrichs will "an einigen Beispielen erläuter(n)", wie die Broschüre auf "subtile Art" Geschichtsfälschung betreibe. Die Bespiele umfassen 2 zitierte Sätze, von denen einer von Heinrichs als wahr bezeichnet wird, der andere als "dreiste Geschichtsfälschung". Der kritisierte Satz behauptet, in der bürgerlichen Revolution von 1848 "seien Korporationen in allen politischen Richtungen des Bürgertums vertreten" gewesen. Das wäre falsch. Richtig sei nach Heinrichs, dass "Korporationen höchstens ausnahmsweise vertreten waren ... Zahlreich vertreten allerdings waren Korporierte".

Wer ein Haar in der Suppe sucht, wird eins finden. Heinrichs hat es gefunden. Nicht Korporationen waren vertreten, sondern Korporierte! Diesen feinen Unterschied mag einer machen wollen, für den Nachweis einer Geschichtsfälschung taugt er nun wahrlich nicht.

Das dritte und zugleich letzte Beispiel bestreitet, dass "landsmannschaftliche Verbindungen" "Ausdruck der feudalen Kleinstaaterei" im ausgehenden 18, beginnenden 19. Jahrhundert gewesen seien, wie in der Broschüre dargelegt. Darüber kann wahrlich gestritten werden! Doch mit Geschichtslügen hat auch das nichts zu tun. Eine Gechichtslüge ist eine eindeutige falsch wiedergegebene historische Tatsache! Hier geht es um Interpretationen, die können gut oder schlecht, treffend oder nicht treffend sein. Mit Lügen hat das nichts zu tun. Die von Heinrichs angeführten Beispiele finden sich alle auf Seite 3 der Broschüre. Weiter hat er anscheinend nicht gelesen. Sonst wäre ihm aufgefallen, dass der Text nicht aus Bonn stammt, sondern aus Göttingen und dort bereits vor längerer Zeit erschienen ist.

Hätte Heinrichs die Quelle am Ende des Artikels gelesen, wäre ihm der folgende Artikel aufgefallen. Handelt er doch über "Neonazis in Burschenschaften - Alles nur Einzelfälle?" An zahlreichen Beispielen wird die Überschneidung von Burschenschaftern und organisiertem Neonazismus deutlich gemacht. Zu solchen Themen schweigt der Herr Corpsstudent lieber.

Das Ende seines Artikels spricht für sich. Heinrichs schreibt: "Wir Corpsstudenten stützen diesen Staat und wollen ihn fortentwickeln. Die Feinde dieses Staates sind in unseren Reihen nicht zu suchen und zu finden, sie sitzen anderswo, beispielsweise beim AStA in Bonn!".

Die Bonner Broschüre weist detailliert nach, wo und in welchen Bünden die von ihm angeblich nicht in den Korporationen vorfindbaren bösen Buben zu finden sind. Und dieser Schmierfink geht her und behauptet kackfrech, a) es gebe so etwas nicht und b) wäre der Bonner AStA, der das Gegenteil in der Broschüre beweist, ein Haufen linker Chaoten und übler Geschichtsfälscher.

Heinrichs Machwerk ist ein gutes Beispiel, wie "auf subtile Art" "Geschichtsfälschung" betrieben wird, "getreu dem Motto: Der Student wird’s schon nicht merken." Mag sein, dass er bei seinen Corpsstudenten da richtig liegt.

Peter AR!