Buchbesprechung:

Korporierte im Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Krause, Peter; Fritz, Herbert (Hg.)

Wien 1997

Es handelt sich bei diesem Sammelband um den Abdruck aller Reden, die anläßlich einer länderübergreifenden "Studentenhistorikertagung" in St. Pölten von Deutschen, Österreichern und Schweizern gehalten wurden.

Entgegen der Überschrift gibt der Text vor allem Einblick in die inhaltlichen Übereinstimmungen und personellen Affinitäten, bzw. Überschneidungen des Verbindungsbereiches mit dem Nationalsozialismus. Zu eben diesem Komplex bietet die Schrift deshalb eine Fülle von Quellenangaben, die nützlich sind für alle, die dazu arbeiten. Störend ist die häufige Verquickung von deutscher und österreichischer Verbindungsgeschichte auch dort, wo es nicht der Geschichte geschuldet ist. Darin scheint sich die noch immer aktuelle Vorstellung eines "Großdeutschland" widerzuspiegeln.

Das inhaltliche Fazit, auf die Überschrift bezogen läßt sich in Kürze zusammenfassen:

Der Widerstand war immer Widerstand von wenigen Einzelnen. Dieser bildete sich bezeichnenderweise immer dann heraus, wenn die ureigensten Interessen vom Nationalsozialismus tangiert wurden. ("Kirchenkampf", 20. Juli u.ä.)

Besonders unter den sich als "Elite" verstehenden kirchlich ausgerichteten und dominierten Verbindungen zeichnet sich das gleiche peinliche Ergebnis ab, wie im christlichen Widerstand allgemein: Er wurde vom höheren Klerus nicht getragen sondern konterkariert. Widerstand, im Sinne von tätiger Hilfe für Verfolgte ging in den Kirchen nur von kleinen Geistlichen und Gemeindemitgliedern aus.

Andere durchgängige Gemeinsamkeiten aller nichtsozialistischen und nichtzionistischen Bünde im deutschsprachigen Raum, die ich erwähne, weil sie im Text subsummiert werden, wohl um das Gesamtbild zu verbessern, läßt sich dagegen leicht feststellen. Es handelte sich dabei um die Inhalte Nationalismus, Antisemitismus und ausgeprägten Antikommunismus, die die gemeinsame inhaltliche Basis mit dem Nationalsozialismus boten. Letzterer führte schon damals zur Propagierung der Totalitarismus-Ideologie, die nach wie vor propagiert wird.

(Es liegt auf der Hand, das letztlich der Nationalismus zum Kristallisationspunkt des "Widerstandes" gegen den deutschen NS wurde.)

Ein paar Beispiele aus dem Text. Den Einstieg bildet ein Beitrag von Wolfgang Wippermann (zur Person, siehe Kasten), der den Widerstandsbegriff beleuchtet und die Funktionalisierung von Widerstand durch die Politik kritisiert. Er versucht am Schluß seines Beitrages Anregungen zu geben, wie das Thema selber für die Geschichte der studentischen Verbindungen gerettet werden könnte.

Gernot Stimmer behandelt im zweiten Abschnitt alle studentischen Gruppierungen im Österreich der damaligen Zeit, also auch sozialistische und zionistische Bünde. In diesem Beitrag sticht ein Ergebnis hervor, das sich auch in anderen Bearbeitungen wiederfindet. Er zeichnet eine Entwicklung nach, in der die Burschenschaften als die Speerspitze des NS entlarvt werden.

Der folgende Aufsatz von Paul Ehinger, "Sonderfall Schweiz" ist exemplarisch für eine verbreitete Vorgehensweise im Verbindungsbereich. Die Abwehr von Vereinnahmung wird zum "Widerstand" gemacht, um auch dort noch substantielle Ergebnisse zu erzielen, wo nichts gewesen ist. Eine Hilfe für jüdische und/oder politische Flüchtlinge die gerade in der Schweiz bitter nötig gewesen wäre gab es nicht. Der Gipfel des "Widerstandes" ist "eine Kundgebung gegen die 'Verseuchung der Zürcher Hochschulen durch nationalsozialistisch tätige Studenten' " (a.a.O. S. 69) Dabei wird von einem Redner verlangt "dass sämtliche unschweizerischen Einflüsse, ob sie nun aus Palästina oder Moskau, von links oder rechts kämen, bekämpft werden müssten." (ebenda)

Die Technik, durch rhetorische Kniffe gleichzeitig zu lügen und dennoch die Fakten nicht zu unterschlagen, ist in Schriften aus Verbindungskreisen allgegenwärtig. In diesem Text springt sie besonders deutlich ins Auge:

Ehinger postuliert in der Überschrift "Kein Antisemitismus ..." ein paar Seiten später wird daraus "Antisemitische Tendenzen gab es im schweizerischen Corporatismus kaum." (a.a.O. S. 58) um dann auf der nächsten Seite zur Erkenntnis zu gelangen "Einen latenten Antisemitismus habe es aber immer gegeben ... auch als sich die Niederlage Hitlers abzeichnete, gab es in den Corporationen antisemitische Töne."

In den weiteren Beiträgen wird im wesentlichen der Widerstand einzelner Verbindungsangehöriger auf biographischer Ebene dargestellt. Das führt zu der schon oben angesprochenen paradoxen Situation. Durch die Darstellung sowohl von Lebensläufen, die wenig mit antifaschistischer Überzeugung zu tun haben und relativ spät mit dem NS kollidieren, als auch durch die Darstellung des Umfeldes, enthält dieser Sammelband eine Fülle von Informationen für alle AntifaschistInnen, die zum Verbindungsbereich arbeiten und/oder sich darüber informieren wollen.

Lisa AR!