Coburg fünf Tage im Ausnahmezustand:

Pfingsttreffen des "Coburger Convent", CC

Zum 129. Mal treffen sich die im CC zusammengeschlossenen Turner- und Landsmannschaften (alles schlagende Verbindungen) in Coburg zum Pfingst-Convent (siehe Dokumentation "Elite der Untertanen", erhältlich über Gruppe Archiv, Postfach 2704, 96416 Coburg). 5000 Verbandsbrüder mit Anhang folgten dem Aufruf der präsidierenden Turnerschaft Rheno-Germania (Clausthal) unter dem Motto "Grundwerte - Fundament unseres Zusammenlebens".

Der Kongress passiert auf zwei Ebenen. Die sog. Alten Herren (AHCC) des "Männerbundes auf Lebenszeit" legen die Politik für das folgende Geschäftsjahr fest. Die sog. Aktiven (noch Studierende) messen sich im sportlichen Wettkampf, Saufen und wüstem Feiern. Das schöne Wetter förderte das Ausmaß der Saufgelage, was an den Kotzlachen und Scherbenhaufen zu messen war. Ruhestörung, Sachbeschädigung oder Sperrstunde gibt es für die "Elite" nicht. Ca. 30 000 bis 40 000 Markt werden jedes Jahr, für evtl. entstehende Schäden, an die Stadt Coburg im voraus bezahlt. Heuer wird noch ein Scheck über 1000 Mark für die Restaurierung des "Landsmannschafter-Ehrenmal" überreicht. Das Denkmal im Hofgarten der Vestestadt war im Vorfeld des CC-Spektakels vom Sockel gestoßen worden und zerbrach in etliche Teile. Die Aufregung in Kreisen der Stadtregierung und der Staatsgewalt war groß. Die Coburger Linke wurde breitflächig observiert und mit Hausdurchsuchungen ("Gefahr in Verzug") gegängelt.

Das Denkmal und eine Stereoanlage

In der Nacht vom vierten auf den fünften Mai 1997 wird im Coburger Hofgarten das sog. CC-Ehrenmal, das seit Jahren als symbolisches Angriffsziel gegen den "Coburger Convent" (CC) genutzt wird, vom Sockel gestoßen. Außer den Füßen steht nichts mehr auf dem Steinpodest. Die drei steinernen Heldenjünglinge zerbrachen in mehrere Teile. Der AHCC-Vorsitzende des Convents, Joachim Schön, nimmt "betroffen und empört" Stellung: "Dieses frevelhafte Verhalten der noch unbekannten Täter belegt deren Bereitschaft, brutal fremdes Eigentum zu zerstören sowie jegliche Traditionen und die Ehrung Verstorbener zu mißachten". Schön hofft, daß anläßlich des diesjährigen Pfingstkongresses keine weiteren Gewaltakte gegen Sachen und Personen vorkommen. Der Coburger Oberbürgermeister N. Kastner (SPD) erklärt: "Es ist ein Trauerspiel, daß einige hirnlose Zeitgenossen dieses Denkmal Jahr für Jahr beschädigen. Toleranz und demokratische Spielregeln scheinen für diese Leute Fremdwörter zu sein". Für die "Ergreifung" der TäterInnen wird eine Belohnung von 2000 Mark geboten.

Die Linie zur Verfolgung vermeintlicher AttentäterInnen ist somit vorgegeben. Der stellvertr. Verkehrsdirektor Detlev Höhn (CC-Ehrenmitglied) versucht gegen die klammheimliche Freude in gewissen Szenerien zu polemisieren und stellt fest, daß weniger der CC sondern vielmehr die Stadt Coburg und vor allem die SteuerzahlerInnen durch die "Vandalen" getroffen werden. Zig tausende von Mark müßten jedes Jahr für Reparatur- und Reinigungskosten von der Kommune aufgewendet werden.

Im engeren Kreis der Tatverdächtigen befinden sich selbstverständlich die Menschen, die vor Ort "radikal" bzw. "linksextremistisch" politisch arbeiten und in den vergangenen Jahren z.B. gegen den CC protestierten. Die Observation dieses Klientel ist im Gange. Die Beobachtungen rund um die Begegnungsstätte der sog. Linken in der Innenstadt sind eindeutig.

Eine Woche später, in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai, kommt eine Frau ziemlich müde von einer zweitägigen Umzugsfahrt für eine Freundin aus Hamburg zurück. Mit einem Kleintransporter macht sie an der Kneipe halt. Zwei alte Stereoanlagen (Umzugsreste) werden ausgeladen und im Nebenzimmer zur Überprüfung bzw. Reparatur gelagert. Auf dem Weg nach Hause bemerkt die Frau, daß plötzlich zwei Streifenwagen hinter ihr herfahren. Vor der Haustür angekommen, nimmt die Geschichte ihren Lauf. Während der letzten drei Tage wurde in dem Haus, wo die Frau wohnt, eine Stereoanlage (Wert: 40 000 Mark) gestohlen. Die vor der Kneipe zur Observation der Linken abgestellten zivilen Polizeibeamten meldeten per Funk das Ausladen der Umzugsanlage. Somit steht die Frau erst mal unter Verdacht des Diebstahls. Mit dem Geschädigten und der Verdächtigten fahren Beamte zur Gaststätte. Dort wird der Sachverhalt geklärt und die zwei reparaturbedürftigen Anlagen gesichtet. Nach Auskunft eines Beamten ist damit die Angelegenheit erledigt.

Am Montag, den 12. Mai um kurz nach 15 Uhr, hören drei in der Kneipenküche arbeitende Menschen im Hof des Anwesens ein Funksprechgerät. Neugierig begeben sie sich nach draußen. Dort stehen zwei Zivilbeamte (die beiden Observierungsbeamten der vergangenen Nacht) und sichern den Hintereingang zum Lokal bzw. zu den Wohnungen während "einer polizeilichen Maßnahme". Auf die Frage, was hier eigentlich los sei, kommt die Antwort, ob die Anderen nicht bereits in der Wohnung oder sonstwie drin wären. Und das waren sie auch schon. Zwanzig Beamte und zwei Beamtinnen wuseln im Haus herum. Vertreten ist haupsächlich das Kommissariat Staatsschutz, begleitet von einer sog. Zugriffseinheit in Kampfmontur mit Tonfas und Rammbock. Ein Vertreter des Diebstahldezernats ist alibimäßig auch dabei. Ein Durchsuchungsbefehl existiert nicht, erklärt der Einsatzleiter auf Anfrage. Dies wäre auch nicht nötig, da sie sich vom Staatsanwalt Wagner "Gefahr im Verzug" für diese "Maßnahme" bescheinigen haben lassen. Es besteht der "Verdacht der Hehlerei und die Maßnahme diene zum Auffinden von Beweismaterialien". Deshalb müsse sowohl die Gaststätte mit allen Räumen, die Wohung der im Haus wohnenden Jugendlichen und die in der Nähe befindliche Wohnung der verantwortlichen Betreiberin durchsucht werden. Der Einsatzleiter weigert sich mit einem angerufenen Rechtsanwalt zu sprechen. Dieser rät, die Angelegenheit über sich ergehen und im Nachhinein die Unrechtmäßigkeit feststellen zu lassen.

Keine der eingesetzten BeamtInnen sucht nach einer Stereoanlage. Als das von den Überfallenen angesprochen wird, gibt es die lapidare Antwort, man suche "dies und das". Dies und das wird auch beschlagnahmt: Fünf leere Dosen Lackfarbe, drei Tuben Abtönfarbe, drei Zeitschriften (zwei radikal 153/97 und eine Black Power) sowie drei Zeitungsausschnitte der örtlichen Tageszeitungen mit Berichterstattung über den Anschlag auf das "CC-Ehrenmal". Die Farben wurden übrigends bereits bei einer vor zwei Monaten vom Staatsschutz geleiteten Durchsuchung wg. "Baustellendiebstahls" mitgenommen und untersucht. Sie befanden sich immer noch in der Plastikmülltüte, in der die Beamten die Sachen zurückgebracht hatten. Es ist auch wieder derselbe Beamte, der die Farbsammlung beschlagnahmt. Sein Kollege bemerkt, daß er die Durchsuchung für wichtig hält und froh ist, daß nichts den "Tatverdacht" bestätigt und somit festgestellt werden kann, die Verdächtigen seien "rechtskonform" (bitte keine Beleidigungen, d.S.)

Der Staatsschutz steht in Coburg ziemlich unter Ermittlungsdruck, da die Erfolge gegen die "linksextremistische Szene" im Resümee mehr als dürftig sind. Zusätzlich steht etlichen Mitgliedern der Polizeidirektion Coburg der Sinn nach Rache für die gerichtliche Schmach in Bezug auf die öffentliche Gegenwehr nach einem brutalen Überfall der Zugriffseinheit u. a. in der Verantwortung eines Hauptkommissars des Staatsschutzes auf DemonstrantInnen während einer antifaschistischen Aktion gegen eine NPD-Versammlung in Coburg (siehe Archiv-Nachrichten Nr. 6-8, erhältlich über Gruppe Archiv).

Die Betreiberin der Gaststätte beschwerte sich bei dem verantwortlichen Staatsanwalt über das martialische Auftreten und Benehmen (wie z.B. Herumtrampeln eines Beamten auf ihrem Bett usw.) während einer "Beweisaufnahme wegen Hehlerei und Diebstahl". Staatsanwalt Wagner erklärte, daß die Beamten ja nicht wissen konnten, daß sie unschuldig sei. Diese Sichtweise ist sehr interessant ("Wir mußten sie leider erschießen, da wir ja nicht wußten, daß sie nicht der /die MörderIn waren").

Alle Jahre wieder

Freitag, 16. Mai 1997: Die präsidierende Turnerschaft Rheno-Germania zieht gegen 17 Uhr "im vollen Wichs" zum Coburger Rathaus, wo das Eröffnungszeremoniell abgehalten wird. Wie der Pressesprecher des CC gegenüber den örtlichen MedienvertreterInnen mitteilt, geht es bei dem diesjährigen CC-Motto vor allem um die Begrifflichkeit der "Vaterlandsliebe". Dies sei allerdings weder nataionalistisch noch rechtsextrem zu verstehen. Es gehe hierbei um "Heimat und Heimatliebe". Die CC-Mitglieder seien stolz darauf, Deutsche zu sein und machen das am deutschen Grundgesetz, an dt. Produkten, der Wiedervereinigung, der dt. Kultur und wirtschaftlichen Leistungen fest. Die sog. Grundwertediskussion soll nicht mit diesem Präsidialjahr beendet sein. Der Pressesprecher Mottaghian-Milani läßt wissen, daß die Nachpräsidierende Landsmannschaft Hammonia-Marko Natangia das Motto: "Der freie Bürger - Gestalter der offenen Gesellschaft" anknüpfend thematisieren wird.

Inzwischen verändert sich das Coburger Stadtbild. Verbandsbrüder mit Anhang und jede Menge PolizeibeamtInnen (in Uniform und zivil) sind zu sehen. Viele CoburgerInnen verlassen, wie jedes Jahr die Stadt. Das Landsmannschafter-Denkmal konnte gerade noch rechtzeitig zusammengebastelt werden. Mittels Kranwagen wird es wieder auf den Sockel gehievt. Reinigungstrupps der Stadtverwaltung entfernen im gesamten Innenstadtgebiet Sprayereien. Die Coburger JournalistInnen hetzen gegen "Chaoten und Gewalttäter".

Die Sauforgien der Verbandsbrüder sind gegen Abend in vollem Gange. Das schöne Wetter forciert die Trinklaune. Die unzähligen Kotzlachen sprechen für die Grade der Betrunkenheit. Im gesamten Innenstadtbereich kontrollieren BeamtInnen alle Menschen, die nicht ins kleinbürgerliche Weltbild passen. Eine besondere Kontrollqualität ist, wie jedes Jahr, im Hofgarten festzustellen. Menschen, die sich dem in Plastikplanen eingehüllten "Ehrenmal" nähern, sind sofort mit der Staatsgewalt konfrontiert. Für Leute aus der sog. linken Szenerie endet die Kontrolle oftmals mit Platzverweis nach "Polizeiaufgabengesetz", PAG. Das Vorgehen der eingesetzten Beamten ist heftig. In den vergangenen Jahren ließ sich daran der zu erwartende Einsatz während des Fackelzuges und der sog. Mahnstunde des CC Pfingstmontagnacht erahnen. Obwohl bereits seit vier Jahren keine Demonstration gegen den Convent mehr durchgeführt wird, sind über Pfingsten zum Schutz der Veranstaltungen hunderte BeamtInnen der verschiedenen Polizeieinheiten (von Bereitschaftspolizei bis Unterstützungskommandos) im Einsatz.

Coburger Verhältnisse

Pfingstmontag. Im Schutze des geschilderten Polizeiaufgebots findet die "Ehrung der gefallenen Verbandsbrüder aus den beiden Weltkriegen" am in Coburg "Schnickeles-Denkmal" genannten "Landsmannschafter-Ehrenmal" im Hofgarten statt. Mit den Vertretern der Stadtregierung ziehen die CCer mit Säbel und Fahnen vom Schloßplatz durch den Park. Die BeamtInnen kümmern sich eifrig um die beobachtenden Punks, Antifas und Andere. Besonders hervor tuen sich wie seit geraumer Zeit die Mitglieder der Coburger Zugriffseinheit. Die Personalienkontrollen werden mit Schubsen und Würgen durchgeführt. Die Aggressivität ist selbst den anderen Polizeikräften unangenehm. Sporadisch wird von ihnen eingegriffen.

In der Rede wird kurz gegen die "Wehrmachtsausstellung" polemisiert, das Thema Tschechien angeschnitten und ein starkes (neo-liberales) Europa angemahnt.

Ansonsten ist alles wie jedes Jahr. Die Stadt ist mit Fahnen und Pfingstbäumen geschmückt. Das Arbeitsamt läßt Langzeit-Arbeitslose zum Auf- und Abbauen der Quartiere in den örtlichen Schulen rekrutieren. Hunderte von PolizeibeamtInnen (von Bereitschaftspolizie bis Unterstützerkommandos) werden "zum Schutz der Veranstaltung" in Coburg zusammengezogen. Personenkontrollen bestimmen ab sofort den städtischen Alltag. Das geschieht oftmals auf rüde Art und Weise. Falls sich die Kontrollierten "anmaßen" nach Dienstnummer, Name oder Dienstausweis zu fragen, wird geschubst und gestoßen. Die Beamten sind mehrheitlich auf Handgreiflichkeiten aus. Sätze wie "Los,mach was - dann schlag´ ich dir auf die Fresse" usw. sprechen für sich.

Pfingstmontag und -dienstag stehen ganz im Zeichen der "öffentlichen" Veranstaltungen des CC. Während der Dienstag als Abschluß mit einem Massenbesäufnis ("Marktfest mit der Coburger Bevölkerung") endet, ist der Montag der anstrengendste Tag für die Verbandsbrüder. Vormittags finden die sog. Totengedenken statt; erst auf dem Schloßplatz, dann am besagten Denkmal. Wie bereits erwähnt, findet das Ganze mit hartem Polizeieinsatz statt. In der Coburger "Neuen Presse" wird dies als "Durchsuchung von Jugendlichen aus der linken Szene nach Rauschgift" abgetan.

Der Abend beginnt mit einem CC-Kommers zum Brauchtum der Verbindungen im Festzelt am Anger. Der Redner Wolfgang Müschenborn setzt sich vehement für das Mensurfechten als einen "integralen Bestandteil" des Bundes- und Verbandslebens ein. Mit viel Bier wird sich nebenher für den nächtlichen Fackelzug "im vollen Wichs" vom Anger zum Marktplatz vorbereitet. Dort findet unter Einsatz eines großen Polizeiaufgebotes die sog. Mahnstunde mit Zapfenstreich (mittlerweile "Feierstunde" genannt) statt. Der Redner Dr. Manfred Plate thematisiert zum Abschluß noch einmal die "Grundwerte"-Diskussion. Die Grundwerte des CC - "Ehre, Freiheit, Freundschaft, Vaterland" - seien ein Leitfaden zur geistigen und sittlichen Erziehung usw.

Am Rande des deutsch-nationalen Aufmarsches sind wie gewöhnlich Rechtsextreme wie Peter Dehoust ("Nation und Europa" u.a.) und Konsorten anzutreffen. In diesem Jahr sammeln sich an mehreren Punkten um den Marktplatz etliche Gruppen von Fascho-Skins. Eine Gruppe von über 50 Rechten versucht die anwesenden Linken anzugreifen. Sie werden von Polizeibeamten abgedrängt. Es gibt drei Festnahmen. Rund um den Marktplatz sind ca. 100 Jungfaschos am Reuteln. Das entspricht dem rechten Aufwärtstrend in der Region.

Nicht nur aus diesem Grund, sondern vor allem um dem CC und der Staatsgewalt etwas entgegenzusetzen ist für das nächste Jahr eine überregionale Demonstration mit Kultur- und Info-Programm geplant. 


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Zum ersten Mal seit über hundert Jahren mußte das traditionelle burschenschaftliche "Maiansingen” auf dem Heidelberger Marktplatz ausfallen. Zum "Ausgleich” gab es am Nachmittag des 30.04. eine antifaschistische Demonstration unter dem Motto: Die Verbindungen kappen - Burschenschaften abschaffen. Ziel der von der Autonomen Antifa HD und der Antifa-Hochschulgruppe organisierten Aktion war, den Verbindungen diesen Tag zu nehmen und ihn mit eigenen, antifaschistischen Inhalten zu füllen. Ziel war es auch, darauf hinzuweisen, daß studentische Verbindungen nicht nur harmlose, verstaubte Folklore sind, sondern reaktionäre, nationalistische Männerbünde, die als kapitalistische Seilschaften ihren Einfluß auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nutzen.

Dem Aufruf folgten ca. 300 Menschen. Die Demo, die von einem schwarzen Block angeführt wurde, verlief friedlich. Zu einem Zwischenfall kam es nur, als ein Teilnehmer, der das Allemannen-Haus fotografieren wollte, von einem Ordnungshüter mit einem Faustschlag daran gehindert wurde. Unterwegs wurden Redebeiträge zu den Themen Sexismus, Kapitalismus, Nationalismus und Rechtsextremismus gehalten. Außerdem wurde eine Grußbotschaft der Antifa M verlesen, die sich mit dem traurigen Ende der Botschaftsbesetzung in Lima befaßt. Die Polizei hielt sich erstaunlicherweise zurück: Weder die Tatsache, daß die Demo nicht namentlich angemeldet war, noch die Vermummung der ersten Reihen, oder der Lautsprecherwagen, der eigentlich nicht genehmigt worden war, wurden beanstandet.

Die Demo kann im großen und ganzen als Erfolg gewertet werden. Auch wenn wir gehofft hatten, mit dem Thema Burschenschaften ein größeres und breiteres Spektrum anzusprechen. Das primäre Ziel, Öffentlichkeit gegen die Korporierten zu schaffen und sie zumindest an diesem Tag aus der Innenstadt fernzuhalten, wurde erreicht.

Auch nachts traute sich kein Bursche auf den Marktplatz. Dieser war, hell ausgeleuchtet und massiv überwacht von Polizei und Staatsschutz, besetzt von einigen hundert Menschen, die darauf warteten, das Burschensingen verhindern zu können. Die Korporierten hingegen feierten und sangen fernab der Öffentlichkeit auf dem Schloß. Ca. 60 Farbentragende, begleitet von einigen bekannten Neonazis, waren dazu aus dem ganzen Bundesgebiet angereist. Unter massivem Polizeischutz gaben sie die Nationalhymne in allen drei Strophen zum Besten.

Wir hoffen jedoch, daß dieser Tag in Zukunft uns gehören wird, und daß das Maiansingen in den nächsten Jahren unterbleiben wird.

Und nicht vergessen werden darf: Burschenschaften sind nicht nur am 1. Mai aktuell, auch den Rest des Jahres stricken sie am schwarz-braunen Netz. Daher: Der Kampf gegen die Studentenverbindungen muß weiter gehen.

Die Verbindungen kappen - Burschenschaften abschaffen!

Autonome Antifa HD und Antifa-Ak an der Uni HD 

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Eine Warnung zum Geleit:

Das folgende erste Zitat ist u.a. ein Zeugnis für die Unfähigkeit Korporierter, sich verständlich auszudrücken. Bitte zeigen Sie Standhaftigkeit und lesen Sie weiter.

Vielen Dank!

***

"Toleranz ist zugleich die Vernunftbasis für eine Gegenwehr gegen und für eine Abwehr von ideologisch begründeten Attacken gegen die Verfaßtheit einer offenen Kultur und einer offenen Gesellschaft und damit einer freiheitlichen Demokratie."

(aus Die Fuxenstunde von Golücke/Grün/Vogel, S.137)

"'Ja, ja,' sagte der Indianer, als ihn Eure Hoheit fragte, ob er schon ein Christ sei, 'ich bin schon ein wenig Christ, denn ich kann schon ein bißchen lügen, und bald werde ich gut lügen können, und dann werde ich ein guter Christ sein, Euer Gnaden.'"

(aus dem Film Ich bin da Ich bin da von Herbert Achternbusch)

"Besagte Toleranz endet erst bei jenen, die Volk und Gemeinschaft zersetzende Anarchie unterstützen, jenen wurzel- und bindungslosen Nihilismus... Wer mithilft, unser Volk, unsere Gesellschaft ... in eine kollektivistische, multikulturelle Gesellschaft zu transformieren, ... ist ebenfalls fehl am Platze im Kreise deutscher Waffenstudenten. [...] Doch man kann und wird verlangen müssen, daß der deutsche Waffenstudent die positiven Werte des deutschen Volkstums, der deutschen Kultur und Gesittung gegen den Generalangriff des Destruktiven verteidigt."

(aus Unpolitisch sein wollen - ein Politikum oder vom Selbstverständnis der Toleranz von Hanno Borchert in CC-Blätter 2/95, S.28/29)

"Nein, mein Fürst. Der Mensch ist nicht derart beschaffen, daß er, wenn er lügt, das Gegenteil dabei denkt. Die unwiderleglichsten Lügner denken, was sie sagen, insbesondere die bei Hofe."

(aus Columbus oder: die Weltidee zu Schiffe von Peter Hacks; Quelle: Die Aktion, Heft 165/169, S.6)

***

Wenn ich der Besprechung des vorliegenden Buches Die Fuxenstunde einen kleinen Zitatreigen über das Lügen voranstelle, so hat dies seinen Grund. Dieses Buch ist ein Leitfaden zur Erziehung von Füxen, also zur Erziehung von Volljährigen.

Es stellt sich somit die Frage, zu was ein Fux (Neuling in einer Burschenschaft) erzogen werden soll.

"Ziel der Fuxenerziehung ist die Erziehung der Füxe zu selbständigen verantwortungsbewußten Persönlichkeiten, nicht das Erlernen einer bestimmten Fertigkeit." (Fuxenstunde, S.18)

Womit wir wieder am Anfang wären.

Genesis oder Wehret den Anfängen

Am Anfang waren die Germanen. Dann kamen Asterix, die Goten und die Römer. Dann kamen die Universitäten. Mit den Universitäten kamen Professoren und Studenten, und sehr viel später kamen auch die Burschenschaften.

Dann kam der Führer.

Als der Führer tot war, kam eine schreckliche Krankheit, die vor allem Burschenschafter befiel: sie heißt Amnesie, zu deutsch: Gedächtnisschwund.

Die Burschenschafter konnten sich weder an ihre Treueschwüre erinnern noch an ihren glühenden Antisemitismus; weder an ihre toten Farbenbrüder Himmler, Göring und Frick noch an den berüchtigten Film ihres noch immer lebendigen Farbenbruders Fritz Hippler, Der ewige Jude.

Aber sie erinnerten sich ihrer Verbindungen und Seilschaften, die es ihnen trotz des Urteils der westdeutschen Rektorenkonferenz von 1949, in Zukunft sei kein Platz mehr "für die Veranstaltung von Mensuren und die Abhaltung geistloser und lärmender Massengelage", ermöglichten, schon bald mit dem Segen der höchsten westdeutschen Gerichte Mensuren zu veranstalten und geistlose und lärmende Massengelage abzuhalten.

Und Füxe zu erziehen.

Keilen und Erziehen oder Was unterscheidet einen Fux von einem Hund?

Am Anfang ist ein armer, einsamer Student. So ein armer, einsamer Student tut einiges, um Freundschaft, Toleranz und Liedgut zu erleben. Also wird er gekeilt (von einer Burschenschaft angeworben).

Wenn er zum erstenmal gekeilt ist, ist er ein Fux "in spe", und als solcher als "eigenständige Persönlichkeit, als kritisches Gegenüber zu sehen und zu achten." (S.14)

Wenn er jedoch bereits zum zweitenmal gekeilt ist, ist er ein Neofux, und schon ist es geschehen: "Die Aufgabe der Verbindung ist es einerseits, im Geist der Gemeinschaft aus Individuen eigenständige und die Verbindung tragende Persönlichkeiten zu formen." (ebd.)

Andererseits, wenn er sogar schon zum dritten Mal gekeilt worden ist, ist er ein Brandfux.

"Während dem Neofux viel Verständnis und Hilfe entgegengebracht werden mußten, ist die dem Brandfux gegenüber zweckmäßige Haltung eher eine fordernde aber immer eine verständnisbereite Strenge." (ebd.)

Die erschreckend weitgehenden Parallelen zum Vampyrismus werden hier nur zu offenbar. Bereits nach dem dritten Kontakt mit einer Burschenschaft ist diese bedauernswerte Kreatur für die Menschheit so gut wie verloren. Wer dies für eine Übertreibung hält, der lese in der Fuxenstunde auf der Seite 164 das Kapitel Brandungskneipe und Brandung*:

"Die Kneipe beginnt in gewohnter Weise unter dem Präsid des Fuxmajors in Salonwichs zu Räubercouleur. Schon bald verlassen Fuxmajor und Füxe die Kneipcorona und reiten mit bloßem Oberkörper, jedoch mit Band und Krawatte, umgekehrt auf Stühlen mit der Lehne nach vorne sitzend unter der Führung des Fuxmajors in langer Kette ein und umkreisen die Kneiptafel. Die anwesenden Burschen haben zuvor Korken zum Branden an Kerzen geschwärzt und können nun die Füxe branden. [...]

Beim Einreiten singen die Füxe im Wechsel mit den Burschen den Cantus "Was kommt dort von der Höh?"

Burschen: Was kommt dort von der Höh, was kommt dort von der Höh, was kommt

dort von der ledern Höh, sassa ledern Höh, was kommt dort von der Höh?

Füxe: Das ist der ledern Fuxmajor.

Burschen: Was bringt der ledern Fuxmajor?

Füxe: Er bringt die ledern Füxe mit.

Burschen: Was macht der ledern Herr Papa?

Füxe: Er liest im ledern Cicero.

etc. etc. etc. [...]"

Wenn ein Mensch bereits so tief in die okkulten Riten studentischer Korporationen verstrickt ist, wird er auch den letzten entscheidenden Schritt tun: er läßt sich burschen.

Nun fängt das Lügen richtig an.

Womit wir wieder am Anfang wären.

(*Brandung: Initiationsritus, durch den ein "Neofux" - blutiger Neuling - zu einem "Brandfux" - Vorstufe zum Burschen - wird. Brandungskneipe: begleitendes Saufgelage)

Wie werde ich ein guter Lügner?

Wie kommt ein junger Mensch in einer Burschenschaft eigentlich ans Lügen?

Indem er sich belügen läßt.

Wie zum Beispiel ein Fux der Burschenschaft Arkadia-Mittweida zu Osnabrück, die zuletzt aufgrund ihres NS-Liedguts in die Schlagzeilen geriet. Dieser Fux behauptete gegenüber der Zeugin des Vorfalls: "Das hört man bei uns auf dem Haus normalerweise nicht."

Das ist Unfug. Johannes Schneider (Name geändert), einer der an jenem Abend anwesenden Sangesbrüder der Arkadia (Zitat: "Ich habe auch nur moniert, daß Kaisers Reich und nicht Führers Reich gesungen wurde..."), ist u.a. für seine umfangreiche NS-Schallplattensammlung bekannt, die er dann und wann in einer für seine Bundesbrüder durchaus unangenehmen Lautstärke abspielt.

Es ist aber durchaus denkbar, daß besagter Fux bis zu jenem Vorfall auf dem Arkadenhause vorsorglicherweise kein NS-Liedgut zu hören bekam. Für den Fall, daß ihm dennoch Derartiges gerüchteweise zu Ohren gekommen sein könnte, bietet die Fuxenstunde dem zuständigen Fuxmajor (Ausbilder) nun Abhilfe. Im Kapitel Keilarbeit (Fuxenstunde 38: Der Verbindungsstudent in der Öffentlichkeit, S.166 ff.) lernt der fleißige Fux den rechten Umgang mit der kritischen Öffentlichkeit. Als Arbeitstext ist ein Artikel aus dem Rheinischen Merkur 27/1992 von Wolfgang Kohrt enthalten, den ich auszugsweise zitieren möchte:

Herren mit guten Manieren

Es ist schon tragisch, wenn das Schicksal mit seiner hornigen Hand nach so jungen Leuten greift. Früher waren sie bei den Pionieren und bei der FDJ und wurden deshalb westlich der Elbe für opportunistische Idioten gehalten. Heute haben sie das Blauhemd ausgezogen und verbrannt und werden deshalb vielfach östlich der Elbe für opportunistische Idioten gehalten. Erst recht dann, wenn sie in den aus dem Boden scbießenden schlagenden Studentenverbindungen mitmachen. Sie verstehen das nicht, aber wenn alles gut geht, dann werden sie noch lernen, daß Widerspruch ein Preis der Freiheit ist. [...]

Rudolf Ballmann hat auch eine Pirouette gedreht. Er studiert in Jena Informatik und ist einer der vier Paukanten vom Dachboden. Seine Wende führte vom FDJ-Studienjahr in der Schule zur Fux-Schulung an der Universität. [...] "Sicher, wir sind konservativ", sagt der Korporierte Ballmann, "auch deutsch-national, aber was ist dagegen zu sagen?"

Im Prinzip wäre nicht viel dagegen zu sagen, wenn nicht Leute wie Schicker mitmachen würden. Hermann Schicker studiert im achten Semester Chemie und hat es zum Sprecher der "Jenensia" gebracht. Gerade er. Schicker redet Tacheles: "Skinheads", bellt er über den Tisch, "kommen bei uns nicht rein, und auch keine Leute mit Arafat-Tuch." Hier johlen seine versammelten Gesellen. "Mit Republikanern hätte ich keine Probleme."

Irgendwie wird auch nicht sonderlich deutlich, wo seine Probleme mit den Skinheads liegen. Denn Schicker trägt einen Bierzipfel, auf dem "Im Gedenken an Rudolf Heß" steht. Bierzipfel sind am Gürtel zu tragende kurze Freundschaftsbänder, die unter Burschenschaftern durch einen gezielten Wurf in den gefüllten Bierhumpen des Adressaten dediziert werden. Für Schicker war der Ober-Nazi Rudolf Heß "ein verantwortungsvoller Politiker, der mit seinem geheimen England-Flug den ganzen Wahnsinn verhindern wollte". Er meditiert darüber, wie es kommt, daß die Deutschen nach seiner Ansicht ihr Selbstbewußtsein verloren haben: "Unser Volk ist doch selbst daran schuld, daß es die Zeit zwischen 1933 und 1945 immer wieder vorgehalten bekommt. Weil wir uns immer wieder dafür entschuldigen. Unmittelbar nach der Vereinigung hatten doch die Süssmuth und die Bergmann-Pohl nichts besseres zu tun, als nach Israel zu fahren und Abbitte zu leisten. Das kann ich nicht akzeptieren." [...]

Dem Text sind folgende Fragen angeschlossen:

  • Methode: Lesen mit anschließender Textanalyse was ist aufgefallen?
  • - Wie ist der Stil? Gibt es sachliche Fehler? Intentionen? Sachliche Kritikpunkte
  • Suggestive Verknüpfungen? Widersprüche?
  • - Welches Bild vom Korporationsstudenten soll vermittelt werden?
  • - Welches sind zutreffende Kritikpunkte, und wie kann man sie ändern?
  • - Müßten Korporationen nicht abgeschafft werden?
  • - Repräsentiert dies die eigene Verbindung bzw. den eigenen Verband? Wie ist das eigene Bild von Kommilitonen anderer Verbindungen?
  • - Haben sich die Interviewten den Artikel so vorgestellt? Hätten Sie das Interview überhaupt gegeben?
  • - Haben die Interviewten fundierte Antworten gegeben?
  • - Wie sollte man einem Gast, wie einem Reporter die Verbindung darstellen?
  • - Lassen sich Fehldarstellungen überhaupt vermeiden?
  • Die suggestive Absicht dieser Lernfragen wird insbesondere dann deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß diese Fragen vor allem auch als Vorbereitung auf die Burschenprüfung dienen, und daß die erfolgreich bestandene Burschenprüfung als erster Schritt auf der Karriereleiter angesehen werden kann. So lernt der strebsame Fux beizeiten, daß es niemanden etwas angeht, wenn sich Nazis in seiner Verbindung tummeln, daß dies vielmehr Privatsache ist, daß Kritik daran auf "suggestiven Verknüpfungen", "sachlichen Fehlern" und "Widersprüchen" beruht, und daß nach außen hin die demokratische Fassade gewahrt werden muß. Die Indianer Nordamerikas nannten so etwas mit gespaltener Zunge reden.

    Ein passendes Bild, wie ich finde.

    Die Fuxenstunde

    von Friedhelm Golücke, Bernhard Grün, Christoph Vogel, Gemeinschaft für deutsche Studentengeschichte (GDS), Würzburg, 1996

    Die Fuxenstunde sowie weitere Literatur zu studentischen Verbindungen wie auch zu Faschismus und Antifaschismus kann im Antifa-Archiv, Bohmter Str. 6, 49074 Osnabrück eingesehen werden. Öffnungszeiten: Freitags 19-21 Uhr sowie nach Vereinbarung (Tel. 0541/24411).

    Dire AR! 


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    Am 16. Januar 1997 zogen sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte in ein StudentInnenparlament ein: die Republikaner. Mit 182 Stimmen (= 3.7%) erhielten sie in Marburg 2 StuPa-Sitze und eine breite Medienresonanz. Für die nächste Zeit planen sie StuPa-Wahlerfolge in Gießen, Darmstadt und Berlin (später dann in der gesamten REPublik).

    Der Marburger StuPa-Wahlerfolg der Reps kam nicht völlig unerwartet. Das mittelhessische Uni-Städtchen hat eine umfangreiche rechte Szene, die von rechtsreligiösen Gruppen über einflußreiche Militaristenkreise und das Korporationsunwesen bis zu NPD-Aktivisten reicht. Insbesondere über die Korporiertenszene ist die Rechte auch an der Uni vertreten - und hier hat sie eine lange Tradition.

    Marburgs Burschenszene

    Die angebräunten Positionen, die die Uni-Reps vertreten, tauchen in Marburg seit je auf Flugblättern verschiedener Burschenschaften auf. Da werden "Pflege der deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft" oder "Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland" als anzustrebende Ziele genannt, die Mensur mit dem Slogan "Tradition - Selektion - Faszination" angepriesen sowie eine "Volksabstimmung über die Zukunft der D-Mark" gefordert - mit der Begründung, daß angeblich "die Nachteile [des Euro] besonders Deutschland treffen". Der 8. Mai 1945 (der Tag der Befreiung vom Nazifaschismus) ist für die deutschen Männer der Burschenschaft Germania nur der "Beginn des Vertreibungsterrors gegenüber den Deutschen im Osten Deutschlands" und der "Beginn der Unterdrückung unserer Landsleute in Mittel- und Ostdeutschland"; die deutschen Männer der Burschenschaft Normannia Leipzig hielten die Befreiungsfeierlichkeiten am 8. Mai 1995 für "eine erschreckende Mischung aus Gedanken- und Würdelosigkeit". Daß die Germania in einem Flugblatt vom März 1996 die "Wiedervereinigung Deutschlands" fordert (soll heißen: Annexion ganz Österreichs, halb Polens, großer Teile Tschechiens usw. usf.), gehört ebenso zur Marburger Burschentradition.

    Auch mit Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen betreiben vor allem die Burschenschaften Germania, Normannia Leipzig und Rheinfranken ihre Propaganda. Die CDU-Rechtsaußen Claus Jäger (ehemaliger Sprecher des Deutschlandforums der Union), Heinrich Lummer (innenpolitischer Hardliner aus Berlin) und Wilfried Böhm (u.a. Mitglied der apartheidstreuen "Deutsch-Südafrikanischen Gesellschaft" und führender Aktivist des revanchistischen "Verein für das Deutschtum im Ausland") durften ebenso auf ihren Häusern referieren wie der Militarist Günter Kießling, der für seine antiemanzipatorische Hetzpropaganda berüchtigte Ex-ZDF-Moderator Gerhard Löwenthal oder die Nationalliberalen Alexander von Stahl, Heiner Kappel (beide FDP) und Bernd-Thomas Ramb (Bund Freier Bürger).

    Daß bei solchen Vorträgen auch mal kleinere Mißgeschicke passieren, läßt sich nicht vermeiden. So vertrat der Marburger Gymnasiallehrer Dietrich Gerwin in einem Vortrag bei der Burschenschaft Rheinfranken die Ansicht, das "Weltjudentum" habe "Deutschland den Krieg erklärt", und als Beleg empfahl er Wilhelm Stäglichs holocaustleugnenden "Auschwitz-Mythos". Weil bei jenem Vortrag einige DemokratInnen zugegen waren, rief Gerwins Äußerung in der Öffentlichkeit etwas Ärger hervor; Rückendeckung erhielt er jedoch wenig später durch den "renommierten" Historiker und Germania-Referenten Ernst Nolte, der in einem Spiegel-Interview bezüglich der jüdischen Opfer des Nazifaschismus erklärte: "Ich kann nicht ausschließen, daß die meisten Opfer nicht in den Gaskammern gestorben sind".

    Rep-Kader

    Seit die Reps in der zweiten Hälfte der 80er Jahre ihre ersten größeren Erfolge erzielen konnten, engagieren sich Marburger Burschen für sie. Mitglieder der Germania (vor allem Alexander Ihls, zeitweise JF-Redakteur) waren an der Gründung des Rep-Kreisverbandes Marburg-Biedenkopf führend beteiligt. Germanen und Rheinfranken inszenierten Ende der 80er Jahre gemeinsam die erste Gründung einer Ortsgruppe des Republikanischen Hochschulverbandes (RHV), die jedoch ebenso wie der gesamte Verband bald sang- und klanglos zerfiel. Die Rheinfranken stellten mit Björn Clemens (jetzt Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der juristischen Fakultät der Humboldt-Uni Berlin) in der ersten Hälfte der 90er Jahre den Vorsitzenden der Republikanischen Jugend Hessen; und während Clemens im Gießener Kreistag für die Reps aktiv war, saß der zukünftige RHV-Neugründer Eike Erdel als Rep-Abgeordneter im Kreistag Marburg Biedenkopf.

    Der Republikanische Hochschulverband (RHV)

    An der Neugründung des RHV in Marburg scheint nicht zuletzt ein ungünstiges Zusammentreffen von Karrieregeilheit und guter Infrastruktur schuld zu sein. Reserveleutnant Eike Erdel (militärische Titel qualifizieren Rechte für höhere Positionen) verband sein Jurastudium von Anfang an mit Parteiarbeit und nutzt seit 1996 jede Gelegenheit, um sich - als Autor militaristischer JF-Artikel oder Unterzeichner deutschnationaler Aufrufe - in rechten Kreisen einen Namen zu machen. Den Durchbruch erzielte er jedoch über seinen Marburger StuPa-Wahlerfolg: Die ständige wohlwollende Berichterstattung der "Jungen Freiheit" über ihn und seinen RHV ist ihm seitdem sicher, und über seine Hochschulaktivitäten darf er inzwischen auch im revanchistischen "Ostpreußenblatt" und in der neofaschistischen Postille "Nation und Europa" berichten.

    Daß Erdel, um sich zu profilieren, ausgerechnet eine Hochschulgruppe gründete, ist nur vor dem Hintergrund der ausgezeichneten Infrastruktur und des satten Wählerpotentials zu verstehen, die ihm in Gestalt der Marburger Burschenschaften zur Verfügung stehen. Rechte Inhalte haben hier (vgl. oben) eine lange Tradition, und unter den Aktiven und Inaktiven der ca. 30 Marburger Korporationen finden sich genügend Rep-Sympathisanten, sodaß für Wahlen ein ausreichendes Stimmenpotential gesichert ist. Burschenschaften verfügen zudem durch ihre Alten Herren über fette Finanzmittel und durch ihre Häuser über Räumlichkeiten für Gruppentreffs und Veranstaltungen. Unterstützt wird Erdel selbstverständlich auch durch die Parteistrukturen: Der Rheinfranke Björn Clemens zog als Rep-Jugendfunktionär nicht nur Erdels RHV-Kameraden Daniel Schäfer (jetzt ebenfalls Rheinfranke) aus der Republikanischen Jugend an die Marburger Uni, sondern war auch bei der Aktualisierung der RHV-Programmatik behilflich; Rep-Bundesvorstandsmitglied Hans Hirzel, einst Mitglied der "Weißen Rose" und heute in rechten Kreisen prominenter Alibi-"Antifaschist" der Schlierer-Partei, leistet Erdel mehr oder weniger tatkräftigen Beistand.

    Aktivitäten des neuen RHV

    Abgesehen von übler Hetzerei gegen alle, die sich nicht ins deutschnationale Normensystem eingetrockneter Spießer pressen lassen (Lesben, Schwule, Feministinnen, Menschen ohne deutschen Paß, Linke), betätigt sich Erdels RHV gegenwärtig vor allem damit, Klagen gegen das "allgemeinpolitische Mandat" der ASten zu propagieren. "Wir bieten jedem, der sich beteiligt, eine kostenlose Rechtsberatung. Ihre Aufgabe ist es, Flugblätter, Presseerklärungen usw. Ihres AStA zu sammeln, in denen dieser sich allgemeinpolitisch äußert. Die Klage wird dann durch unseren Rechtsanwalt für Sie bearbeitet und beim zuständigen Verwaltungsgericht eingereicht." (RHV-Internet-Seiten) In Marburg hatte Erdel damit bereits Erfolg: Der Marburger AStA darf sich unter Androhung einer Strafe von bis zu 500.000 DM nicht mehr zu Themen äußern, die den enggesteckten Rahmen der eigenen Hochschule sprengen.

    Da ein Klageservice gegen linke ASten allein nicht ausreicht, um die geplante bundesweite Etablierung eines RHV mit Zentrale in der Rep-Hochburg Stadtallendorf (Erdels Wohnort in der Nähe von Marburg) durchzuziehen, sahen sich Erdel, Schäfer und Hirzel genötigt, ein "Hochschul- und Bildungspolitisches Programm" zu erstellen. Mangels eigener Fähigkeiten griffen sie dabei auf das 1989er Programm von Alexander von Schrenck-Notzing (der schon damals versucht hatte, einen RHV aufzuziehen) zurück, das sie geringfügig überarbeiteten. Vom Bekenntnis zum "Recht des deutschen Volkes [...] auf Bewahrung seiner nationalen Identität" über die Ablehnung einer "multikulturellen Gesellschaft" und der europäischen Einigung bis zur Forderung, die "penetrante Vergangenheitsbewältigung" zu beenden, enthält es alles, was sich dumpfdeutsche Braunschädel vorstellen können: Elitenförderung, Volksgemeinschaftsdenken ("Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden und ihrer Interessen"), den Wunsch nach Abschiebungen von Menschen ohne deutschen Paß (zynisch-euphemistisch als "Reintegration in den Heimatländern" bezeichnet) - die Liste ließe sich beliebig verlängern.

    Bleibt zu hoffen, daß der einsetzende Widerstand gegen den RHV Erfolg hat - eine Intellektualisierung der Partei, von der juristisch noch nicht geklärt ist, ob mensch sie ungestraft als faschistisch bezeichnen darf, hat unter dem Vorsitz des Burschenschafters Schlierer sicher bessere Aussichten als 1989 unter dem Dumpfbrummer Schönhuber, und die Konsequenzen eines erfolgreichen RHV für eine Etablierung der Gesamtpartei sollten nicht unterschätzt werden.

    Antifa-AK Marburg 


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    Alternatives Verbindungsleben

    Kontinuitäten im Nebel

    Bei der kritischen Auseinandersetzung mit studentischen Verbindungen konzentrieren sich die AutorInnen oft auf Verbindungen oder Verbindungsstudenten, die reaktionäre, demokratiefeindliche, nationalistische oder frauenfeindliche Ziele besonders radikal verfolgen. Andere Verbindungen tun solche Ziele und Aktivitäten dann regelmäßig als Einzelfälle ab und ziehen sich auf die Forderung nach differenzierterer Auseinandersetzung zurück. Dadurch bleiben zwei Aspekte gelegentlich im Dunkeln: Welche kritikwürdigen Punkte gehören eigentlich zum Grundkonsens aller Verbindungen, und wie ernst meinen es Verbindungen tatsächlich mit ihrer Abgrenzung von Bünden, mit denen sie in der Öffentlichkeit nicht verglichen werden mögen? Ein paar Denkanstöße zu diesen Fragen möchten wir am Beispiel des Studentenbunds Occidentia zu Siegen, einer der sechs an der Gesamthochschule Siegen aktiven Verbindungen, geben.

    Die farbentragende, nichtschlagende Occidentia betrachtet sich als "neue Alternative zu Burschenschaften und ähnlichen Korporationen”: "Vielleicht können wir als moderne Studentenverbindung ja wirklich Vorurteile abbauen und eventuell auch als gutes Beispiel dienen.” Sie wirbt gern damit, dass sie liberal und tolerant sei und vor allem mit Traditionen breche, indem sie auch Frauen und Ausländer aufnehme. Da mag auf den ersten Blick die Behauptung, "wir distanzieren uns ebenfalls von Nationalismus, Elitedünkel und Frauenverachtung” glaubwürdig erscheinen.

    Folgender Vorfall macht die Abgrenzung noch deutlicher: In einem Flugblatt haben wir einmal formuliert, dass die Occidentia und eine andere Verbindung mit Werbetischen "einträchtig” im Mensafoyer standen. Daraufhin warf uns die Occidentia per Einschreiben mit Rückschein vor, "dies kommt einem Rufmord schon ziemlich nahe.”

    Die Occidentia hat sich 1994 dem Deutschen Wissenschafter Verband (DWV) angeschlossen. Damit hat sie Verantwortung für das Handeln dieses Dachverbandes übernommen. Wie sehr ihr das bewusst war, macht der Gründungssenior der Occidentia in der Verbandszeitung deutlich: Wir haben "uns nach langem Suchen für den DWV als Dachverband entschieden, da er uns in seinen Prinzipien am besten zusagte."

    Dies spiegelt sich auch im regen Engagement der Occidentia im Rahmen des DWV wieder: Sie stellte 1995/96 den Aktivensprecher des Verbands sowie beide ProtokollführerInnen beim Verbandstag 1995, leitete sowohl den offiziellen als auch den inoffiziellen Teil des Aktiventreffens 1995 in Hamburg, nahm an weiteren freiwilligen Verbandsveranstaltungen teil und schloss sich 1995 sogar mit einem Tübinger Altherrenbund des DWV, dessen Aktivitas vertagt ist, zusammen. Damit ist die Occidentia in Verbandsangelegenheiten bei weitem die engagierteste der gegenwärtig insgesamt vier Aktivitates im DWV, wobei bei so einem kleinen Verband ohnehin mit einem großen Einfluss jedes einzelnen Bundes zu rechnen ist.

    Das im DWV gängige Geschichtsbild wird in einem Artikel über den Kommersort des Verbandstages 1995, die Rudelsburg an der Saale, deutlich. Geschichte wird hier vor allem als Militärgeschichte begriffen. Darüber hinaus steht natürlich die Geschichte der Korporationen im Vordergrund. Für die Frühzeit werden nicht etwa, wie nach dem liberalen Anspruch zu erwarten, die an der Französischen Revolution orientierten Gießener Schwarzen zum Bezugspunkt gewählt, sondern die Romantik im Stile Richard Wagners, was sich auch im bevorzugten Liedgut wiederspiegelt. Später hebt man ausgerechnet die Gründung des reaktionären, corpsstudentischen Kösener Senioren Convents Verbands hervor, ohne zuvor ein Wort über die Progressbewegung verloren zu haben. Bruchlos schliessen sich undistanzierte, pathetische Ausführungen zum 1870/71­er Krieg, zu Bismarck und zum Wilhelminischen Kaiserreich an. Um sich vom Dritten Reich zu distanzieren, bezieht man sich genau wie das örtliche pflichtschlagende Corps Marcomannia auf die Gruppe um Fritz Dietlof Graf von der Schulenburg, der den Nationalsozialismus eben nicht abschaffen, sondern zu seinem wahren Wesen zurückführen wollte.

    Dieses Geschichtsbild ist im DWV kein Einzelfall, sondern entspricht der allgemeinen Grundhaltung. Sonst könnte wohl kaum der 1994/95 verstorbenen Verbandsbrüder mittels einer feierlichen Kranzniederlegung an "unserem" Kriegerdenkmal gedacht werden, das 1926 zu Ehren des Ersten Weltkriegs errichtet wurde.

    Auf ähnlich wackeligen Füßen wie die Distanzierung vom Nationalismus steht die Behauptung, gleiche Möglichkeiten für Frauen anzustreben. Zum Beispiel ist das Parallelprogramm zum nichtöffentlichen Konvent des DWV genau wie überall sonst offensichtlich Frauensache und wird auch von einer Frau geleitet. Den Bericht in der Verbandszeitung schreibt die Frau allerdings gemeinsam mit ihrem Mann, obwohl der gar nicht dabei war; im Inhaltsverzeichnis tauchen nur noch Männer auf. Dies sind genau die üblichen Methoden, Frauen im öffentlichen Leben zum Verschwinden zu bringen; von einem Nachdenken über Rollenverteilungen kann also keine Rede sein. Im Gegenteil wird an zahlreichen Details deutlich, dass im Verband die alten Rollenklischees in einer selbstverständlichen Weise fortleben: Frauen sind zuständig für Blumen, Tischschmuck, Erinnerungsgeschenke, Märchenbücher, Bedienung im Café. Männer nennen sich mit Biernamen "Pascha". Die "Verbandsbrüder und ihre Damen" treffen sich zum Essen. Solange man am Denken nichts ändern muss, kann man billig mit der Aufnahme von Frauen werben.

    In der Öffentlichkeit in die Nähe anderer Verbindungen gerückt, schreit die Occidentia "Rufmord". Doch in der Verbandszeitschrift wird überschwänglich vom Rhein-Main-Kommers berichtet, wird das Erstaunen, die Freude und Genugtuung über Einladungen anderer Verbände zur Zusammenarbeit gefeiert. Von Abgrenzung kann keine Rede sein, eher von Minderwertigkeitskomplexen. Schwerpunkt der interkorporativen Arbeit ist folglich das Knüpfen neuer Kontakte.

    Nimmt man all dies zusammen, versteht man besser, warum die Occidentia "Vorurteile abbauen" und "als gutes Beispiel dienen" will: Sie will das erst durch die StudentInnenbewegung, dann durch die Postmoderne ramponierte Ansehen der Korporationen rekonstruieren, sie wieder gesellschaftsfähig machen, wobei unklar bleibt, ob sie zuvor überhaupt über Nationalismus, Militarismus, Eliteanspruch, Hierarchien und Geschlechterverhältnisse nachgedacht hat. Genau das macht solche scheinbar gemäßigten Verbindungen gefährlich. 


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    Pudding in Uniform oder

    "Wenn Burschen zu sehr zittern ... "

    Die Werfende Verbindung Anarcho Randalia verdankt ihren Namen und die Art ihrer Präsentation dem wichtigsten Grundsatz politischer Arbeit: Form und Inhalt müssen übereinstimmen.

    Aus diesem Grunde haben wir uns für die Satire entschieden, wenn es um unsere öffentlichen Auftritte geht. So kommt auch bei manchmal notwendiger Verkürzung die Botschaft immer noch richtig an. Fast immer!!!

    Die fetzigste Art von Satire ist und bleibt jedoch die Realsatire. Damit komme ich zum Anlaß meines Artikels.

    Im "Corpsstudent 1/97" wurde uns die Anerkennung ausführlicher Würdigung und kostenloser Werbung für unsere "Burschen Raus" zuteil. Dabei könnte allerdings nur durch beinharte statistische Berechnung und ein narratives Interview (narrativ = erzählend, nicht etwa blödsinnig) entgültig geklärt werden ob der Schreiber, ein gewisser Heiko Schomberg von der Sueviae Straßburg zu Marburg einfach nur ein Angsthase, oder ein wirklich abgefeimter Scherzkeks ist. In seinem Artikel "Die Luft wird immer dünner" kreidet er uns aufs Schärfste an, dass es möglich ist eine Ausgabe von "Burschen Raus" auf einem Mensatisch neben einem Flugblatt zu finden, auf dem die Utopie einer besseren als der jetzigen bürgerlichen-patriarchalen Gesellschaft geträumt wird. Doch dann geht die Interpretationswut so richtig mit ihm durch:

    "Was soll hier geworfen werden? Flaschen, Pflastersteine oder darfs ein bischen mehr sein?! Brandsätze zum Beispiel, in der Verniedlichung Mollis genannt, zur Auseinandersetzung mit den bösen Faschoburschis? Wie schnell da der Sensenmann kommen kann, ahnt man bei der Bauweise einiger Verbindungshäuser, ihrer holzvertäfelten Flure und ihrer zumeist unter dem Dach gelegenen Aktivenzimmern." (a.a.O. S. 21)

    Nun Herr Schlotterbeck oder Schombeck oder -berg, da könnte frau sich vor Lachen echt in die Botanik schmeißen! - Aber, Schluß der Erheiterung, lassen wir unsere Festschrift zum 202. Stiftungsfest sprechen. Unser Wahlspruch wird dem Angstgebeutelten vielleicht auch nicht gefallen, aber zumindest seinem Seelenfrieden wieder auf die Füße helfen, er lautet:

    "Erst wenn das letzte Plakat verklebt, das letzte Info verteilt, die letzte Studentenverbindung bloßgestellt und stinkbeleidigt ist, werden alle Verbindungsstudenten und alten Herren wissen, dass mit uns nicht gut Kirschen essen ist!"

    Tja, auch in unserer Satzung brennt nach wie vor nur die Holzkohle. Von altehrwürdigerer Herkunft als andere haben wir statt Paragraphen Archeographen (Arch.), nach dem Urvogel Archeopteryx, der unser Wappentier ist. So ist unter "Arch. 1 - Ziele" vermerkt:

    "In den Wurfstand kann jede MitwerferIn aufgenommen werden, die in der Lage ist, Holzkohle zum Brennen zu bringen."

    Auch "Arch. 5 - Mitwurfschaft" ist von von allgemeinem Interesse, aber eher zum Verkohlen als zum Verräuchern geeignet. Unter "Einwurf" ist dort zu lesen:

    "Für die Mitwurfschaft ist Verständnis für höheren Blödsinn unabdingbar. Für den Nachweis reicht der Besuch eines Otto-Filmes nicht aus, wohl aber ein mehrjähriges Titanic-Abo, oder eine Moers-Sammlung. (Weitere, ähnlich qualifizierende Aufnahmekriterien können beim Wurfstand vorgelegt werden)."

    Beim Durchlesen habe ich bemerkt, dass es keine Regelung für die Aufnahme von Maulwürfen gibt, die Satzung muß wohl doch mal überarbeitet werden.

    Doch zurück zum Genöle unseres Corpsstudenten. Den Vogel schießt er ab mit seiner Empörung über ein aus "Asterix bei den Normannen" ausgeliehenes Comic in "Burschen Raus".

    Ja, ich bekenne es offen! Einem Artikel der Heidelberger war das angekündigte Foto von einer Schlägerei der Burschenschaft Normannia Heidelberg leider NICHT beigelegt. Deshalb ist nur die Bildunterschrift original. Den Comic habe ich benutzt, um die Lücke zu schließen, weil er so authentisch wirkte.

    Obwohl ich meinte, unsere Notlage damit gut überspielt zu haben, zerrt dieser Schomberg ausgerechnet das auf der Strecke gebliebene Foto der Normannia aus dem Staub der Geschichte. Es gibt halt Leute, die immer nur dann komisch sind, wenn sie es ernst meinen.

    LISA AR! 


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    Das Heidelberger Manifest und der Mineraloge Schroecke

    Im Juni 1981 erschien das Heidelberger Manifest. Ein bis dahin in der Öffentlichkeit so offen nicht zur Schau gestellter Rassismus bildet den Kern des Papiers. Die "Rückkehr der Ausländer in ihre angestammte Heimat wird für die Bundesrepublik als eines der am dichtesten besiedelten Länder der Welt nicht nur gesellschaftliche, sondern auch ökologische Entlastung bringen", heißt es da. Hunderttausenden von Kindern fehle jede Zukunftshoffnung, da sie "sowohl in der Muttersprache wie in der deutschen Sprache Analphabeten " seien. Das Manifest ist unterzeichnet von einer Reihe Professoren, auch das war eine neue Erscheinung. Einer der Initiatoren, Helmut Schröcke, damals Professor für Mineralogie in München, ist Korporierter bei der Gildenschaft "Heinrich der Löwe München". Die im Heidelberger Manifest entwickelten Ideen werden von ihm in schöner Regelmäßigkeit in Nazi-Postillen wie Nation+Europa, Recht und Wahrheit, Deutschland in Geschichte und Gegenwart und anderen verbreitet.

    Die Gildenschaften entstanden als Teil der "bündischen Jugend" nach dem ersten Weltkrieg . Ihre Ursprünge beschreibt Paul Heinsius in den Blättern der Deutschen Gildenschaft (BlDG) wie folgt: "Jugendbewegung, Soldatentum (Ernst Anrich spricht vom Heereserlebnis) und Studentum sind die drei Wurzeln der nach dem ersten Weltkrieg als studentische Korporationen neu entstandenen Gilden. Aus der Entdeckung des Volkes, des Landes und des Volkstums und in dem Einsatz aus eigener Verantwortung für dieses Volk wuchs in den Feuern des ersten Weltkrieges der Typ des Wandervogel-Offiziers und -Akademikers. Dieser Typ prägte das Gesicht und die Arbeit der ersten Gilden" (BlDG 1/60, S. 2) Gildenschaftler nahmen als Mitglieder des berüchtigten Bund Oberländer am Hitlerputsch 1923 in München teil.

    Schröcke gefällt vor allem der völkische Geist, der in den Gildenschaften vorherrscht. "Alle gemeinschaftstragenden Werte und alle menschlichen Bindungen werden durch den liberalistischen Materialismus verhöhnt und zerstört. Das Wort Volksgemeinschaft, schon vor dem ersten Weltkrieg im Wandervogel und in der Burschenschaft zur geistigen Überwindung des Klassenkampfes gedacht, wird jetzt vom Staatsanwalt verfolgt." (Code 10/92, Seite 17).

    Schröckes Weltbild ist schlicht gestrickt. Wer die Welt erkennen und verstehen will, dem bleibt nur eines übrig: Er muß Biologie studieren! "Die Neubesinnung und Überwindung des absoluten Tiefs des deutschen Selbstverständnisses erfordert als Ausgang zunächst ein richtiges, also wahrheitsgetreues Weltbild. Ein Weltbild ist aber nur dann richtig, wenn es auch wissenschaftlich richtig ist, denn es gibt auch außerwissenschaftliche Bereiche. Wissenschaftlich richtig ist es aber nur dann, wenn es auch naturwissenschaftlich richtig ist, und naturwissenschaftlich richtig ist es, wenn es auch biologisch richtig ist. Diese damit angedeutete Hierarchie von Inhalten folgt aus der gesamtnaturwissenschaftlichen Hierarchie bezüglich der biologischen Gesetzmäßigkeiten." (Deutschland in Geschichte und Gegenwart (DGG), 3/1986, Seite 20) Dabei ist es nicht notwendig, sich mit allen Bereichen dieser Wissenschaft zu beschäftigen. Drei Abteilungen reichen reichen völlig aus. "Die modernen Naturwissenschaften bieten mit Genetik (=Vererbungslehre), Ethnologie (=Tierverhaltenslehre) und Humanbiologie (=Lehre von den menschlichen Lebensvorgängen) Grundlagen für die Erarbeitung von wissenschaftlich richtigen Weltbildern und gestatten die Widerlegung falscher Ideologien." (Code, Seite 15) Der so wissenschaftlich gebildete Mensch gelangt leicht zur einzig richtigen Sicht der Dinge, was die Welt im Allgemeinen und die Menschen im Besonderen betrifft.

    "Auch die Wertordnung ist entwicklungsgeschichtlich und damit erblich und vererblich angelegt, wie zum Beispiel Forschungen an wilden Schimpansen ergaben."

    Zuerst erklärt der Mineraloge Schröcke, was denn eigentlich unter dem Begriff Volk wissenschaftlich einzig richtig zu verstehen ist. "Zu den nichtkörperlichen Eigenschaften, die innerhalb der Völker ähnlicher sind als zwischen den Völkern, gehören Sprache, Kultur, Volkscharakter, Wertordnung und mehr. Aus der Wertordnung folgt die Rechtsordnung und aus dieser die Staatsordnung." (Code, Seite 16) Im nächsten Schritt gilt es nun abzugrenzen. Zunächst die Deutschen gegen den Rest der Welt und danach die deutsche Wertordnung gegen andere Wertordnungen. Was Schröcke da von sich gibt, ist Rassismus in deutscher Reinkultur. In irgendwelchen gene pools (welch ekliges englisches Neudeutsch, Herr Schröcke!) sollen obskure Systemeigenschaften der Völker gespeichert sein. "Solche Systemeigenschaften sind etwa Sprache, Kultur oder das, was man allgemein den Volkscharakter nennt. ... Das heißt, man kann einem Türken oder Italiener zwar Deutsch lehren, aber Deutsche werden sie deshalb nicht werden können. Umgekehrt kann man einen Deutschen nach Italien oder in die Türkei verpflanzen, aber Italiener oder Türke wird er nicht werden können. Dies gilt genauso für die im Ausland geborenen Kinder, die gemäß dem Integrationsplan nur zu bedauernswerten Zwittern gemacht werden." (Sonderdruck aus DGG 1984, Seite 35) Und natürlich kann so aus dem Sachsen Schröcke auch sicher nie ein echter Bayer geworden sein, selbst wenn er die bayrische Sprache mit der Zeit gelernt hat. So wollen es die Genetik, Ethnologie und Humanbiologie.

    Die genetisch angelegte Wertordnung der Deutschen soll nach Meinung des Spezialisten für Erzlagerstätten Schröcke sehr alt sein. Jedenfalls will er das in eigenen Studien herausgefunden haben. Denn ganz nebenbei ist er auch noch Spezialist für Archäologie, Abteilung Slawenforschung. "Unsere Wertordnung, die weit mehr als 2000 Jahre galt, ist in den letzten 40 Jahren in Mittel- wie in Westdeutschland durch die Diktatur zwangseingeführter Weltanschauungen weitgehend zerstört worden.

    Stichworte hierzu sind Ehescheidung, Wehrdienstverweigerung, Abtreibung gewissermaßen durch Postkarte, kirchliche Segnung (evangelische Kirche) und Steuervorteile (Süßmuth) für gleichgeschlechtliche Paare, Denkmäler für Fahnenflüchtige und Überläufer, ein gekreuzigte Schweine malender 'Kunst'professor als Akademiedirektor und dergleichen mehr." (Code, Seite 16) Diese nicht den deutschen Genen entsprechenden Ausformungen von Dekadenz im deutschen Volke hat Schröcke den Kampf angesagt.

    Was aber passiert, wenn die nicht dem deutschen gene pool entsprechenden Türken und Italiener nicht nur hier weiter verweilen, sondern sich auch noch mit Deutschen zusammentun und etwa Kinder in die Welt setzen? Dann wird es erst richtig schaurig. Denn den armen Kindern, die da zur Welt kommen, kann wohl niemand mehr helfen. "Zu den ideologisch angepriesenen Völkervermischungen ist zu sagen, daß in eine Mischpopulation sehr verschiedenartige, abweichende wie gegensätzliche Eigenschaften eingebracht werden, die genetisch erhalten bleiben. Das Vielerlei und Durcheinander vermehrt sich, Zwiespältigkeit und Unausgeglichenheit, 'gespaltene Charaktere' nehmen zu. Keineswegs erfolgt eine Rückbildung zu ausgeglichenen Urformen. Es entsteht also im Sinne der Evolution keineswegs Besseres, sondern Schlechteres." (Code, Seite 16)

    Schröcke geht noch einen Schritt weiter. Mit einem kräftigen Hieb auf die christlichen Kirchen erklärt er den christlichen Gott zum Irrglauben. "Die Erzeugung von Einheitsmischungen aus multirassischen und multiethnischen Gesellschaften, wie das Kommunisten, Marxisten, Sozialisten und die christlichen Kirchen wollen, wirkt der Evolution und ihrer Fort- und Höherentwicklung negativ entgegen. Man kann sogar so weit gehen zu sagen, wenn es christliches Gebot ist, beliebige Völkermischungen zu erzeugen, dann kann der christliche Gott nicht der Schöpfer der Naturgesetze sein. Dann ist der christliche Gott ein Irrglaube." (Sonderdruck aus DGG 1984, Seite 38)

    Schröcke will das Deutsche Volk aufrütteln und zugleich retten. Darum stellt er demonstrativ fest: "Deutscher ist man durch Geburt, Deutscher kann man nicht werden, indem man deutsch lernt und eingebürgert wird. Insbesondere ist Masseneinbürgerung von Angehörigen anderer Völker also Völkerzerstörung." (DGG, 3/1986, Seite 23) Schröcke ist natürlich kein Rassist, wie er häufig betont. Mit seiner Warnung vor Völkerzerstörung und gespaltenen Charakteren will er den armen hier gestrandeten Menschen anderer Völker den Weg weisen zum einzig wahren Glück. Ab in die Heimat, raus aus Deutschland.

    Doch wehe, wenn die so Gewarnten ihn nicht beachten sollten. "Alle Maßnahmen zum Schutze des eigenen Volkes dienen gleichzeitig mittelbar oder unmittelbar dem Schutz anderer Völker. Wenn aber die Muezzins die Stunden von den Türmen der deutschen Dome ausrufen, ist es zu spät." (Sonderdruck aus DGG, Seite 41) Der Herr Mineraloge hat wahrscheinlich einmal im Fernsehen einen Muezzin gesehen. Der Ruf des Muezzins an die Gläubigen, zum Gebet zu kommen, ist für ihn die Verkündigung der Uhrzeit. Schröckes billige Polemik entspringt offensichtlich einer völlig fehlenden Kenntnis des Sachverhalts. Seine Weltbilder gleichen denen, die Rindviecher von der Käseherstellung haben.

    Zu welch absurden Einfällen Schröcke mit seiner naturwissenschaftlichen Erklärung der Welt kommt, zeigt seine Gleichsetzung des menschlichen Bewußtseins mit dem Bewußtsein der Tiere. "Wenn eine Katze abends beim Spazierengehen die Mäuse registriert, die sie in zwei Wochen fressen wird, unterscheidet sie sich nur qualitativ von einem Naturwissenschaften treibendem Mensch. Ein Dualismus Körper-Geist, dieser als außernatürliche Begabung, besteht nicht." (Sonderdruck aus DGG, Seite 31) Schröckes Katze ist nicht mit Schrödingers Katze zu verwechseln. Bei der einen ist unbekannt ob sie noch lebt. Bei Schröckes Katze, die Mäuse zwei Wochen lang ziehen läßt, bis sie sie frißt, befindet sich wohl dort, wo normalerweise das Gehirn seinen Platz hat, ein Zettel. Auf dem Zettel steht Hirn, und das R ist durchgestrichen! Dieser Zustand könnte auch für unseren wackeren Gildenschafter gelten.

    Natürlich sind offener Rassismus oder die zumindest schriftstellerische Betätigung in neofaschistischen Strukturen kein Grund für Korporierte, sich von Schröcke zu distanzieren. Das Toleranzprinzip der studentischen Verbindungen, das jede Entgleisung durchgehen läßt, wenn der Betreffende sie privat veranstaltet, macht's möglich. Und der Staat Bayern zahlt das Professorengehalt. Bei denen soll die Bildung bekanntlich hoch im Kurs stehen! 


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