Neue Qualität des Rechtsextremismus in Ostdeutschland Für Nachfragen steht die Redaktion per Mail zur Verfügung. Die Anfang Oktober erscheinende Ausgabe 64 des AIB wird sich darüberhinaus ausführlich mit der Thematik beschäftigen.
Pressemitteilung 22. September 2004 Neue Qualität des Rechtsextremismus in Ostdeutschland Landtagswahl in Sachsen: Der Erfolg der NPD ist eine neue Dimension in der Entwicklung des Rechtsextremismus in Ostdeutschland Die NPD ist die rechtsextreme Partei, welche nunmehr eine parlamentarische Präsens mit einem aggressiv neonazistischen Grundcharakter ihrer Politik zu verbinden vermag. Die weit verbreitete Annahme, die Partei werde sich durch ihre parlamentarische Praxis delegitimieren ist falsch und gefährlich. Die NPD ist seit Mitte der 90er Jahre eine neonazistische Kampfpartei. Anders als die DVU, verfügt sie über einen Kern von politisch-weltanschaulich gefestigten Kadern, die in der Lage sind, eine antisemitische und rassistische Programmatik in politische Praxis umzusetzen. Ein Blick auf die der sächsische NPD Wahlliste zeigt, das hier keine politisch unerfahrenen No-Names zur Wahl standen, sondern Personen, die z.T. seit Jahrzehnten fest im rechtsextremen Milieu verankert sind. Anders als die DVU wird die NPD somit nicht in erster Linie als Protestpartei und Ausdruck einer vermeintlichen Ohnmacht gegen aktuelle Veränderungsprozesse in der Gesellschaft gewählt, sondern als eindeutig rassistische und fremdenfeindliche Option in einem Bundesland in dem es kaum AusländerInnen gibt.
 
Den Wahlerfolg der Partei ausschließlich auf eine Proteststimmung zurückzuführen, wäre absurd. Die NPD agiert seit Jahren an der Schnittstelle zwischen Jugendkultur und Politik und kooperiert, wenn auch phasenweise in Konkurrenz, mit den neonazistischen Kameradschaften. Wer den Wahlerfolg der NPD als momentane Stimmungslage der Wähler/innen analysiert, übersieht die weitgehende Verankerung der Partei und der von ihr vertretenen Inhalte in Sachsen und darüber hinaus. Die regional durchaus erfolgreiche Agitation neonazistischer Gruppen im Kontext der Hartz IV Proteste sind hier nur ein Indiz für eine seit Jahren laufende gesellschaftliche Entgrenzung rechtsextremer Positionen. Gerade der immense Erfolg bei den ErstwählerInnen zeigt, dass es sich nicht nur um einen Ausdruck von über Jahre gewachsener Frustration in Bezug auf die "etablierten" Parteien handelt. Vielmehr handelt es sich bei dieser WählerInnengruppe größtenteils um die Erfolge der "Jugendarbeit" der NPD. Über Jahre hinweg wurde Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit bei jugendlichen Geschürt und verfestigt. So dürfte sich mit den jetzigen finanziellen Möglichkeiten der NPD in Sachsen dieses Problem mit Nichten von selber bis zur nächsten Wahl gelöst haben, sondern sich, ganz im Gegenteil, noch weiter zuspitzen.
 
Mit ihrem Einzug in ein Landesparlament erhält die NPD privilegierten Zugang zur materiellen Ressourcen und Informationen. Dies wird zu einer organisatorischen und politischen Stärkung der NPD und neonazistischer Gruppen bundesweit führen. Dieses zeigte sich bereits am Wahlwochenende als bundesweit führende Anhänger des Kameradschaftsspektrums mit Billigung des Vorstandes der NPD in die Partei eintraten um das Bemühen der Partei Erfolge beim "Kampf um die Strasse" zu erzielen weiter zu intensivieren.
 
Organisierter Rechtsextremismus und seine gesellschaftlicher Rückhalt müssen kompromisslos politisch bekämpft werden. Die Debatte über die Ursachen von Rechtsextremismus darf nicht in Verständnis oder Mitleid für Akteure oder Wähler rechtsextremer Parteiein umschlagen. Für uns kann es keine Normalisierung im Umgang mit Neonazis geben. Im Parlament nicht und außerparlamentarisch nicht. Es braucht eine öffentliche Debatte über Rechtsextremismus und die ihn befördernden Einstellungen in der Bevölkerung, wie Rassismus und Sozialdarwinismus. Es braucht eine antifaschistische Bewegung, die eine ihre Interventionsfähigkeit widererlangt, statt kommentierend abseits zu stehen.