Editorial
Forschung zur
extremen Rechten
Antifa Infoblatt #83 Editorial Liebe Antifas, Freundinnen und Genossinnen, liebe LeserInnen! Das Titelthema dieser Ausgabe lautet »Forschung zur extremen Rechten«. In ihrem Beitrag »Rechts, wo die Mitte ist« erläutert Kerstin Köditz anhand dem Wirken von Extremismusforschern, warum sie den Extremismusbegriff in diesem Zusammenhang für ungeeignet hält. Markus Mohr beleuchtet in seinem Artikel den Einfluss von Autoren aus dem Umfeld des Verfassungsschutzes in diesem Forschungsfeld. Mit dem Text »Schwieriges Terrain« untersucht Magnus Benine die Möglichkeiten und Grenzen der antifaschistischen Linken in diesem Bereich Einfluss zu nehmen.
 
Am 7. Juni fand die Europawahl statt und läutete die nächste Etappe im »Superwahljahr 2009« ein. Die Wahlen dürften für die Machtverhältnisse innerhalb der NPD und die Zukunft des »Deutschlandpakt« entscheidend sein. Das Ergebnis von 0,4 Prozent zeigt die gegenwärtige Schwäche der DVU, die vom »Deutschlandpakt« aus dem Jahr 2005 mit NPD und »Freien Kräften« nicht profitieren kann. Allein finanziell ist die DVU noch im Vorteil. Der Wechsel von früheren NPD-Funktionären wie Matthias Faust und Andreas Molau in die DVU-Führung weckt innerhalb von Teilen der extremen Rechten Hoffnungen auf eine Fusion zwischen dem parlamentarischen NPD-Flügel und der erneuerten DVU. Trotz aller bisherigen Wahlpleiten und internen Querelen hat bisher allein die NPD von den Wahlabsprachen profitiert und Mitglieder und Mandate hinzugewonnen. Die DVU hingegen hat Thüringen, entgegen der Absprachen, als Wahlgebiet an die NPD abtreten müssen. Bei einer direkten regionalen Konkurrenzwahl zwischen DVU und NPD während der Kommunalwahl in Brandenburg 2008 hat die DVU haushoch verloren. Während dessen gewinnen neonazistische Vertreter der außerparlamentarischen »Freien Kameradschaften« innerhalb der NPD zunehmend an Einfluss. Der parlamentarischere Flügel ging geschwächt aus dem letzten Bundesparteitag hinaus. Dieser Prozess wird im Artikel »Bundesparteitag der NPD« auf Seite 18 beleuchtet. Mit diesem Ergebnis dürften die Spannungen innerhalb der NPD-Führung perspektivisch eher zu als abnehmen. Die Wahlergebnisse der NPD bei den kommenden Landtagswahlen stehen für den jeweiligen künftigen Einfluss der drei entscheidenden Machtzentren innerhalb der NPD-Bundespartei (Fraktion Schwerin, Fraktion Dresden und die Bundesführung in Berlin). Für die Gesamt-NPD sind Wahlsiege nötig, um den Führungsanspruch der NPD innerhalb der Neonazi-Szene durchzusetzen.
 
Im Prozess gegen die beiden Neonazis, die im Juli 2008 in Templin (Brandenburg) den 55-jährigen Bernd K. grausam ermordet hatten (siehe Kurzmeldung im AIB #80), sind nun die Urteile ergangen. Im Mai diesen Jahres wurde der 19-jährige Sven P. wegen Mordes zur Höchststrafe von zehn Jahren Jugendhaft verurteilt, sein 22-jähriger Mittäter Christian W. bekam neun Jahre und drei Monate Haft wegen Beihilfe zum Mord. Der Richter wies in der Urteilsbegründung darauf hin, dass das neonazistische Menschenbild bei der Auswahl des Opfers entscheidend gewesen sei. Der alkoholkranke und arbeitslose Bernd K. sei in ihrem Weltbild ein »Asozialer« gewesen.