Editorial
Rocker und Rechte
Antifa Infoblatt #61 Editorial Liebe Antifas, Freundinnen und Genossinnen, liebe LeserInnen! Zum Jahresanfang haltet Ihr ein neues AIB in den Händen. Neben dieser guten Nachricht gibt es politisch wenig Gutes zu berichten. Für die ersten Monate des Jahres haben Neonazis der Freien Kameradschaften mehrere große Aufmärsche angekündigt. Als zentrales und die diversen Fraktionen der extremen Rechten einigendes Thema steht dabei die Verherrlichung des Nationalsozialismus im Mittelpunkt. Hierfür stehen beispielhaft insbesondere die geplanten Aufmärsche gegen die letzte Station der Ausstellung »Verbrechen der Wehrmacht« in Hamburg am 31. Januar 2004 sowie der alljährliche Schulterschluss des gesamten rechten Spektrums zum Jahrestag der Bombardierung von Dresden am 14. Februar. Schon die größten neonazistischen Events des vergangenen Jahres – der Heß-Marsch in Wunsiedel und das »Heldengedenken« in Halbe – haben gezeigt, dass die extreme Rechte erfolgreich und ungehindert auf die nationalsozialistische Karte setzt. Eine antifaschistische Bewegung, die glaubwürdig bleiben will, sollte sich in diesem Jahr rechtzeitig damit auseinander setzen, wie den Neonazis und deren treibenden Kräften von den Freien Kameradschaften in diesem Jahr die Suppe versalzen werden könnte – sowohl in Wunsiedel und Halbe als auch anderswo.
 
In Brandenburg und Berlin ist die Zahl rechter Angriffe im Vergleich zum Vorjahr in der ersten Jahreshälfte 2003 um ein Viertel gestiegen. Gleichzeitig machen nicht nur die CDU-regierten Bundesländer ganz offen gegen die bislang vom Bundesprogramm CIVITAS geförderten Projekte z.B. zur Unterstützung Opfer rechter und rassistischer Gewalt mobil. In Thüringen steht das Projekt »Anlaufstelle für Betroffene von rassistischen Angriffen und Diskriminierungen« (ABAD) vor dem Aus, weil die CDU-Landesregierung eine positive Befürwortung von ABAD gegenüber CIVITAS und dem zuständigen Ministerium für Familie, Jugend, Senioren und Sport verweigert hat. Bei der Abwicklung von ABAD zeigt sich auch, dass die Akteure der Zivilgesellschaft, die im Beirat von CIVITAS und im regierungseigenen »Bündnis für Demokratie und Toleranz« versammelt sind, willfährige Erfüllungsgehilfen im »Anti- Extremismus-Diskurs« sind. ABAD, die zum Beispiel im thüringischen Pösneck eine Reihe von migrantischen Imbissbesitzern nach einer Welle rechtsextremer Angriffe unterstützt, wurde fallengelassen wie eine heiße Kartoffel. Dem Beirat ist es offensichtlich auch egal, dass das Ministerium in diesem Jahr verlangen will, dass alle in CIVITAS-Projekten Beschäftigten einer Regelanfrage beim Verfassungsschutz unterzogen werden und die Projekte ihre Druckerzeugnisse sämtlichst vor Drucklegung dem Ministerium vorlegen müssen. Soviel Maulkorb- und Radikalenerlasse aus der Zivilgesellschaft sollten sich hof- fentlich positiv auf das Wiedererstarken antifaschistischer Selbstorganisierung und -hilfe auswirken.
 
Hierfür haben wir in der jetzigen Ausgabe einige aktuelle Themen zum Schwerpunkt gemacht, mit denen sich AntifaschistInnen vor Ort konfrontiert sehen. Hier sind die Terror-Razzien der vergangenen Monate zu nennen, wo immer wieder der Name Combat 18 fiel. Die internationale Bedeutung dieser Terrorgruppe wurde auch dadurch deutlich, das große Razzien gegen Combat 18 im vergangenen Herbst auch in England und Polen stattfanden.
 
Wir haben aber auch wieder Themenfelder aufgegriffen, die über die Tagespolitik hinausgehen: Zum einen eine Analyse neonazistischer Konzepte und ihre Umsetzung. Zum anderen wollen wir uns weiter intensiv mit der Tendenz von Neonazis auseinandersetzen, sich in diversen Subkulturen breit zu machen. Dafür gibt es einen ausführlichen Überblicks-Artikel über das Verhältnis zwischen Neonazis und Rockern. In den folgenden Ausgaben werden wir weiter darüber berichten. Wir glauben, dass ein differenzierter und wachsamer Blick dringend gefragt ist und hoffen, die Ergebnisse eurer eigenen Recherchen bei uns in der Post zu finden. In diesem Sinne wünschen wir uns und euch ein erfolgreiches Jahr 2004 für die antifaschistische Bewegung.
 
Berichtigung:
 
In der letzten Ausgabe hat sich ein Fehler in die Bildunterschrift geschlichen: Bei der Person mit Brille und Bart in der Mitte von Bild 1 (Seite 39) handelt es sich nicht um Jean-Rene Bauer, sondern um Matthias Gohlke.