Liebe Antifas, FreundInnen und GenossInnen, liebe LeserInnen
Rechtspopulismus
Antifa Infoblatt #59 Editorial Liebe Antifas, FreundInnen und GenossInnen, liebe LeserInnen Neben der kontinuierlichen Analyse von Neonazis und der extremen Rechten setzt sich das AIB auch mit der sogenannten »Braunzone« und dem rechten Mainstream in der »Mitte der Gesellschaft« auseinander. Angesichts dessen, dass die Grenzen derzeit immer fließender werden, rechtspopulistische Kampagnen zum Repertoire aller »Volksparteien« gehören und rechtspopulistische Parteien zur »Normalität« des politischen Alltags in Europa geworden sind, haben wir uns entschieden, das Thema »Rechtspopulismus « zum Schwerpunkt dieser Ausgabe zu machen.
 
Wir hoffen, dass die Beiträge unterschiedlicher Gastautoren (ab S.21) zu einer breiten Diskussion beitragen, die in Anbetracht des herrschenden Diskurses neoliberaler »Reformen« und zunehmender Ausgrenzungspolitik dringend notwendig ist. Schließlich wäre es fatal, sich darauf »auszuruhen«, dass es in Deutschland - von regionalen Ausnahmen abgesehen - bislang keiner explizit rechtspopulistischen Partei gelungen ist, bundesweit Fuß zu fassen. Ein Beispiel dieser Mißerfolge ist der »Bund freier Bürger« (BfB), dessen Scheitern wir auf den S.31 bis 34 genauer beleuchten. Zudem erinnern wir im Ressort Geschichte an die braune Vergangenheit der FDP (S. 44). Schon vor Beginn des Irakkriegs hatte das AIB in einem »Offenen Brief an die Friedensbewegung«, der auf unserer Website dokumentiert ist, eine Auseinandersetzung der Anti-Kriegs-Bewegung mit den ideologischen Anschlussstellen zur extremen Rechten eingefordert. Typisch dafür ist eine personalisierende oder rein ökonomistische Schematisierung des Konflikts, die das Einfallstor für antisemitische Argumentationsmuster, einen völkisch determinierten Antiimperialismus und kulturalistischen Antiamerikanismus bilden.
 
Im Nachhinein lässt sich festhalten, dass NPD und Freie Kameradschaften die Unsicherheit, Hilflosigkeit, aber auch Verharmlosung und Ignoranz von Seiten der Friedensbewegung und örtlicher Anti-Kriegs-AktivistInnen an vielen Orten für sich nutzen konnten. Dabei waren sie vor allem in ostdeutschen Städten wie Fürstenwalde, Cottbus, Halle oder Anklam, wo eine rechte Straßenhegemonie in manchen Stadtteilen schon länger zum Alltag gehört, mit ihrer Strategie erfolgreich, eigene Blöcke auf Friedensdemonstrationen zu bilden. Eigenständige Aktionen hingegen, wie Aufmärsche der Freien Kameradschaften in Hamburg oder Hanau, fielen vor allem durch geringe Teilnehmerzahlen auf.
 
Eine offensive politische Reaktion einer Anti-Kriegs- Bewegung sollte anders aussehen als die Praxis der vergangenen Monate. Wenn einige Aktivisten der Friedensbewegung öffentlich erklären, »gegen den Krieg braucht man jeden«, muss sich angesichts der wieder einmal mas- siven Mobilisierung der Freien Kameradschaften gegen die Ausstellung »Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges. 1941-1944« im August in Peenemünde den Vorwurf des Schulterschlusses mit denjenigen vorwerfen lassen, die den nationalsozialistischen Holocaust und Angriffskrieg verherrlichen.
 
Auch wenn Rechtsextremismus und antifaschistische Gegenaktivitäten derzeit kaum Aufmerksamkeit in den Medien finden, gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Vielmehr stagniert derzeit die Mobilisierungsfähigkeit der Neonazis derzeit auf unverändert hohem Niveau - wie beispielsweise die rund 3.500 Teilnehmer der 1. Mai-Aufmärsche von NPD und Freien Kameradschaften in Berlin und Halle zeigten. Ebenfalls unverändert hoch ist die Quote enttarnter Spitzel: Unlängst traf es den Potsdamer Neonazi und brandenburgischen V-Mann Christian Körner. Dessen ex-Mitbewohner, ex-Blood&Honour-Aktivist und Hate Sounds-Produzent Sven Schneider aus Borkwalde werden »engen Kontakte zum polizeilichen Staatsschutz Potsdam« (Der Spiegel/ Nr. 24/2003) nachgesagt.
 
Dass der staatliche Umgang mit Rechtsextremisten von Heuchelei und Doppelmoral gekennzeichnet ist, wurde nicht erst mit dem Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens deutlich (S. 13). Umso wichtiger scheint uns die Suche nach neuen antifaschistischen Konzepten. In diesem Sinne wünschen wir Euch und uns einen erfolgreichen antifaschistischen Sommer.
 
PS: Auf unserer Summer-Special-Hitliste des antirassistischen und antifaschistischen Camp-Hoppings steht das »alternative jugend camp« in Mecklenburg-Vorpommern vom 6. bis 11. August. Mehr Infos gibt es bei: http://www.ajuca.de. Als Sommerlektüre empfehlen wir die brandneue 100seitige Broschüre »Spezialitäten aus Mittelfranken - Ein Überblick über rechte und rechtsextreme Strukturen«, die bei adip_online@hotmail.com bestellt werden kann.
 
Berichtigung:
In der letzten Ausgabe haben sich einige Fehler in die Bildunterschriften geschlichen: Auf S. 20 beim Bild 2 ist Lutz Giesen die dritte Person von rechts und nicht die zweite. Auf S. 26 ist Hartmut Wostupatsch und nicht Harald Wostupatsch der richtige Vorname. Auf S. 27 haben wir Carsten Jährling aus Dortmund mit Björn Schmidtke (AIB Nr. 57, S.33, Bild 7) verwechselt.