Editorial
Der Nazis neue Häuser - Von Bauern und Schlossherren
Antifa Infoblatt #56 Editorial Liebe Antifas, FreundInnen und GenossInnen, liebe LeserInnen Die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs steht bevor, rechter Populismus hat Hochkonjunktur. Und damit auch Antisemitismus sowie rassistische Hetze gegen MigrantInnen und Flüchtlinge. Grund genug für uns, beide Themen sowie die AkteurInnen und Hintergründe ausführlich zu beleuchten. Denn angesichts einer schwachen linken Bewegung steht zu befürchten, dass ein Ende des rechten Rollbacks noch lange nicht erreicht ist.
 
Seit Beginn des Projekts AIB haben wir immer wieder über antisemitische Angriffe, aber auch den von Martin Walser und zuletzt von Jürgen Möllemann propagierten Antisemitismus der gesellschaftlichen Mitte berichtet. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie der Untersuchung der Universität Essen unterstreicht die Notwendigkeit, sich gerade dem »salonfähigen« sogenannten sekundären Antisemitismus entgegenzustellen. Danach befürworten ein Drittel der befragten StudentInnen ein Ende der Debatte um die Verbrechen des Nationalsozialismus und den Holcoaust. Zwanzig Prozent der Befragten warfen Juden und Jüdinnen vor, sie würden »das schlechte Gewissen der Deutschen ausnutzen«. Auf diesen sekundären Antisemitismus setzen dessen Vorreiter wie Jürgen Möllemann schon seit längerem - und scheuen sich dabei nicht, sich aus dem Bauchladen rechtsextremer Ideologiefragmente zu bedienen. Oder deren TrägerInnen hoffähig zu machen. So findet sich beispielsweise in der Festschrift zum 30jährigen Bestehen der Deutsch-Arabischen-Gesellschaft, deren langjähriger Präsident FDP-Vize Jürgen W. Möllemann ist, ein lobendes Portrait über Sigrid Hunke. Die als »führende Islamwissenschaftlerin« gepriesene Hunke war u.a. Trägerin des Schillerpreises des rechtsextremen Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes (DKEG), Referentin bei der rassistischen Artgemeinschaft und Autorin in der Zeitschrift des rechtsextremen Thule-Seminares . Mehr zu Möllemann findet Ihr ab Seite 27. Nach der ersten Walser-Debatte 1999 gingen wir eigentlich davon aus , dass sich eine antifaschistische Bewegung und außerparlamentarische Linke wesentlich intensiver mit dem eigenen Antisemitismus und dem der gesellschaftlichen Mitte sowie der weit verbreiten Schlussstrichmentalität beschäftigen würde. Doch in der aktuellen Diskussion über den Nahostkonflikt zeigt sich, dass in der deutschen Linken weiterhin antisemitische Ideologiefragmente vorhanden sind. Mehr dazu auf den S. 38 bis 41.
 
Als Zeitung die vor 15 Jahren aus der autonomen antifaschistischen Bewegung entstanden ist und seitdem versucht, nicht nur den (Informations-)Stand der Bewegung abzubilden, sondern auch Platz für Debatten um deren Perspektiven zu bieten, haben wir uns entschieden, uns nicht nur mit dem Stand antifaschistischer Praxis im Jahr Zwei nach dem »anständigen Sommer« zu beschäftigen, sondern auch eine verhältnismäßig junge Bewegung genauer unter die Lupe zu nehmen: Den Widerstand gegen eine kapitalistische Globalisierung - ein Thema, das auch viele AntifaschistInnen seit einiger Zeit beschäftigt. Wir wollen im Schwerpunkt speziell auf die Dynamik sozialer Bewegungen eingehen, die Gefahren eines verkürzten Antikapitalismus aufzeigen und Anknüpfungsversuche der Nazi-Szene beleuchten, ohne dabei das buchstäbliche Haar in der Suppe der »Anti-Globalisierungsbewegung« zu suchen. Denn bei aller Kritik halten wir den Kampf gegen eine kapitalistische Verwertungslogik und für die Würde der Menschen für dringend notwendig.
 
Nachdem wir in unser letzten Ausgabe bereits die Problematik rechter und rechtsextremer Ladengeschäfte in der BRD beleuchtet haben, widmen wir uns in dieser Ausgabe dem bundesweiten Nazitrend der Objektankäufe.
 
Ansonsten erinnern uns einige Themen des aktuellen Hefts an längst vergangene AIB-Ausgaben: Die derzeitige rassistische Mobilmachung gegen Flüchtlingsheime von Bürgermob und Neonazis - pünktlich zum 10. Jahrestag des Pogroms in Rostock-Lichtenhagen am 24. August 1992 -, der Rudolf-Hess-Marsch in Wunsiedel am 17. August und der geplante Naziaufmarsch auf dem Soldatenfriedhof in Halbe. Wir hoffen gerade mit der Auswahl dieser Themen zu verhindern, dass sich einige Niederlagen der antifaschistischen Bewegung wiederholen und wünschen Euch und uns in diesem Sinne einen erfolgreichen antifaschistischen Sommer.
 
PS: Unsere Summer-Special-Hitliste wollen wir Euch natürlich nicht vorenthalten. Da wäre zum einen die brandneue Broschüre zu Hintergründen der Neonazi-Popfigur Rudolf Hess. Bestellen könnt Ihr sie bei: rat c/o Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp, 20357 Hamburg. Als Sommerlektüre empfehlen wir außerdem die rat-Neuerscheinung »Ästetische Mobilmachung - Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien«. Unter den diversen antirassistischen Sommercamps empfehlen wir besonders das alternative Jugendcamp in Mecklenburg-Vorpommern vom 9. bis 12. August. Mehr Infos gibt es bei: www.links-lang.de