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Zum Umgang mit patriarchalen Gewaltverhältnissen in emanzipatorischen Strukturen

Flugblatt

2012-09-05

Warum dieses Flugblatt?

Wir wollen mit diesem Flugblatt Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem gewalttätigen Verhalten von A. gegenüber seiner ehemaligen Beziehung (im Folgenden anonymisiert N.) herstellen.

Eines dabei vorweg: Es geht im Fall von A. nicht darum, eine einzelne Person zu dissen oder „fertigzumachen“, sondern darum, Verhältnisse herzustellen, in denen niemandE der Androhung von oder gar konkreter direkter bzw. psychischer Gewalt ausgesetzt ist. Neben dieser Schutzfunktion muss es unseres Erachtens weiterhin darum gehen, Verhältnisse herzustellen, in denen ein solches Verhalten als politische Frage diskutiert wird. Auch das Floraprojekt ist keine Insel der Glückseligkeit, sondern immer auch eine Widerspiegelung gesamtgesellschaftlichen Unterdrückung- bzw. Herrschaftsstrukturen. In der Flora gab es in der fast 23-jährigen Geschichte konkrete Vorfälle von sexistischen Übergriffen und Auseinandersetzungen um diskriminierendes Verhalten innerhalb des Projekts. Diese Vorfälle waren immer Anlass, eigene gewaltförmige Anteile an den genannten gesamtgesellschaftlichen Verhältnissen neu zu diskutieren und selbstkritisch zu reflektieren. Ein ernst gemeintes Bekämpfen von herrschenden Praxen wie Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Homo- und Transphobie fängt bei uns allen und hier und jetzt an.

Es gab innerhalb des Projekts eine kontroverse Debatte um die Entscheidung, den Namen des Täters zu veröffentlichen. Schwere Bedenken und Widerspruch bestand u.a. deswegen, dass bei bloßer Vornamensnennung Verwechselungen nicht ausgeschlossen sind. Es wurde bezweifelt, dass die Nennung des Namnes eine Schutzfunktion für N. haben würde. Dem stand die Position gegenüber, dass die Nennung des Namens durchaus eine schützende Funktion haben wird.

Grundsätzlich ist es nicht Praxis der Roten Flora, in politischen Konflikten mit der Nennung von Namen zu operieren. In diesem konkreten Fall gab es aber aufgrund der Abläufe der Ereignisse in den letzten sechs Monaten Argumente für die Namensnennung. Als Kompromiss, der die Widersprüche und Bedenken, die bestehen, nicht ausräumt, wird daher von uns im Rahmen der Internetveröffentlichung dieses Papiers der Name nicht voll genannt werden.

Konkret zum aktuellen Vorfall

A. war und N. ist nach wie vor Teil der Florastrukturen. Beide hatten sich vor der Trennung regelmäßig in der Flora aufgehalten und waren im Projekt in Gruppen aktiv.

N. beendete die Beziehung zu A. im November letzten Jahres. Daraufhin versuchte A. durch wochenlange Drohungen und Erpressungen zu erreichen, dass sie zu ihm zurückkehrt. Im Januar kam es zu massiven, körperlichen Gewaltübergriffen durch A. auf seine Ex-Freundin, die sich unter anderem durch einmaliges Abpassen und Zusammenschlagen von N. auf dem Vorplatz des S-Bahnhof Sternschanze auszeichneten.

Infolge dessen beschloss N. die Vorfälle in linken Strukturen in Hamburg öffentlich zu machen. Hieraus resultierte unter anderem ein Hausverbot für A. in der Roten Flora. Darüber hinaus wurde er aufgefordert, N. in Ruhe zu lassen und sich von ihr fern zu halten. A. ignorierte die an ihn gestellten Forderungen zunächst komplett, wodurch sich die Situation der Betroffenen noch mehr verschlechterte. Die Veröffentlichung der Geschehnisse hatte eine Steigerung von A.’s aggressiven Verhalten zu Folge. So wurde N. zunächst erneut massiv durch A. bedroht und unter Druck gesetzt. Nachdem N. aufgrund der Geschehnisse ihre Handynummer änderte, suchte A. nun über engere Vertraute von N. Kontakt zu ihr und begann nun auch, diese zu bedrängen und zu terrorisieren. Beispielsweise sei hier erwähnt, dass A. Nachrichten an ihrer Haustür hinterließ, sich nach wie vor in der Nähe von N's Wohnung aufhielt und sogar Pfefferspray durch den Briefschlitz in N's WG sprühte. Durch dieses Verhalten war es notwendig, gegenüber A. mehrfach zu intervenieren.

Nach einer Phase vermeintlicher Ruhe hat A. Mitte Juni erneut die Forderung von N., von ihm in Ruhe gelassen zu werden und sich nicht mit ihm konfrontieren zu müssen, missachtet. Im Rahmen einer Floraparty hat er sich stundenlang direkt am Eingang provozierend aufgehalten und N. daran gehindert, sich frei bewegen zu können. Dies wiegt umso schwerer, als dass A. im Vorfeld ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass N. diese Party besuchen wolle und er sich entsprechend fernzuhalten habe, schon allein wegen des bestehenden Hausverbots. Aus unserer Sicht hat A. mit der erneuten Missachtung gezeigt, dass er weder bereit ist, sein gewalttätiges Verhalten zu reflektieren oder gar zu ändern, noch der Forderung von N., sich wenigstens von ihr fernzuhalten nachzukommen.Und nachdem A. sogar mit einer Flex das Fahrrad von N. zerlegt hat, stand die Besorgnis im Raum, ob A. nicht auch diese noch auf ein Objekt gerichtete massive Aggression irgendwann mit heftigen Konsequenzen auch gegen N. richten könnte. Mit diesen Formen fortgesetzter Grenzüberschreitungen und Missachtung ist A.’s Verhalten potentiell eine Gefahr, auch für andere. Aus diesen Gründen haben wir uns entschlossen, A.’s Verhalten öffentlich zu machen

Neverending stories...

Formal besteht in der Linken schon lange ein Konsens, dass die Bekämpfung von gesamtgesellschaftlichen Gewaltverhältnissen nicht das Eigene und „Private“ ausschließt. Es ist ein Ergebnis (radikal-)feministischer Interventionen, Debatten und Organisierungen, dass Gewalt in den Geschlechterverhältnissen als Ausdruck tradierter und in der Gesellschaft fest verankerter patriarchischer Machtausübung Teil der von uns bekämpften Unterdrückung sind. Sexuelle Ausbeutung, Missbrauch, Vergewaltigungen und häusliche Gewalt sind dabei nicht allein Ausdruck von individuellem Fehlverhalten, sondern zugleich Ausdruck gesamtgesellschaftlicher Verhältnisse. In diesem Sinne geht es um die Auseinandersetzung mit Unterdrückungs- und Machtkonstellationen, die weder Nebenwiderspruch sind, noch vor der linken Szene halt machen. Gerade eine radikale Linke, die die Abschaffung kapitalistischer Herrschafts- und Gewaltverhältnisse anstrebt, muss wie bereits gesagt, eigene Anteile und Praxen selbstkritisch betrachten.

Zur Definitionsmacht

Im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um A. Verhalten geht es uns vor allem darum, die Autonomie und Selbstbestimmung der Betroffenen zu respektieren, zu schützen und soweit dies möglich ist, auch zu verteidigen. Aus diesem Grund ist Maßstab und Grundlage unseres Handelns, die Wahrnehmungen und Bedürfnisse von N. und sie entsprechend zu unterstützen. Das setzt für uns voraus, im konkreten Fall nicht N. zum Objekt von Fürsorge und paternalistisch gewährter Solidarität zu machen, sondern sie selbst und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen. Wir beziehen uns dabei ausdrücklich auf das Konzept der „Definitionsmacht“. Obwohl wir auch nicht immer das Rad neu erfinden wollen, haben Vorfälle in den letzten Jahren gezeigt, dass das letzte Wort in Punkto Bekämpfung patriarchaler Gewaltverhältnisse, sexistisch motivierter und sexueller Gewalt leider immer noch nicht gesprochen wurde. Stattdessen werden Auseinandersetzungen gedeckelt sowie immer wieder von neuem der Betroffenen Willkür oder Rachemotive unterstellt und damit das Konzept der Definitionsmacht aktiv infrage gestellt. Aufgrund der tief greifenden Auseinandersetzungen und Debatten in Hamburg, die teilweise immer noch andauern, wollen wir uns erneut positionieren und uns positiv auf dieses Konzept beziehen. Dabei machen wir uns die Ausführungen zum Begriff und Konzept der „Definitionsmacht“ aus dem Reader „AS_ISM“ des Antisexismusbündis Berlin zu eigen.

„Der Begriff Definitionsmacht ist generell nicht auf den Bereich sexueller Gewalt beschränkt, sondern wird auch in anderen politischen Kontexten innerhalb der Linken benutzt. Es geht dabei zuvorderst um die Frage, wer die Macht hat, etwas zu definieren. Die Linke skandalisiert die Definitionsmacht herrschender Eliten, Begriffe oder Problemdeutungen festzulegen; umgekehrt wird Definitionsmacht als eine politische Maßnahme für diejenigen eingefordert, die direkt von Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnissen betroffen sind. Die Definitionsmacht setzt der bürgerlichen Strafjustiz einen Ansatz entgegen, der die Betroffene als politisches Subjekt anerkennt und ihr die Möglichkeit lässt, einen bestimmten Vorfall politisch, das heißt auch öffentlich, in linken Zusammenhängen oder Räumen als sexualisierte Gewalt so zu thematisieren, dass sie weiterhin diese Räume nutzen kann, der Gewalttätige also nicht, ohne dass sie vor Gericht die Beweislast trägt oder irgendwelche Einzelheiten des Übergriffs beschreiben muss, was ihre Verletzung wiederholen würde.
Die Erkämpfung der Definitionsmacht bzw. die Einsicht der Notwendigkeit dessen kann nur eine – wenn auch eine gewichtige politische Maßnahme sein, die sich durch die gegebenen politischen Verhältnisse legitimiert.“

Es handelt sich dabei um kein perfektes Konzept, da es historisch aus der Defensive geboren und zudem eine „missbräuchliche“ Verwendung nicht auszuschließen ist. Wie jede Macht könnte die Definitionsmacht missbraucht werden. Aber was wäre die Alternative zur Definitionsmacht? Fakt ist, dass Szene-Frauen der Szene-Männergewalt ebenso ausgesetzt sind, wie es sonst auch in den Geschlechterverhältnissen der Gesellschaft Norm ist. Wenn Sexismus für Leute mit emanzipatorischen Anspruch etwas Bekämpfenswertes darstellt, dann brauchen diese das Konzept der Definitionsmacht als politisches Mittel, um Antisexismus als emanzipative Möglichkeit wirksam vertreten zu können.

Das heißt, Betroffene ernst zu nehmen und parteiliche Solidarität zu üben, ohne Willkür und bloße Machtpolitik betreiben zu wollen.

Das Verhalten von A. darin, sein System

Als patriarchale Machtausübung hat Gewalt in Geschlechterverhältnissen verschiedene Formen. In diesem Fall, hat A. gegenüber N. direkte physische Gewalt ausgeübt als Reaktion darauf, dass sich N.von ihm getrennt hat. Dadurch wollte A., N. dazu bringen eine Form von „Beziehung“ fortzuführen, in dem die Interessen und Bedürfnisse seiner „Partnerin“ keine Rolle zu spielen haben. A. hat dabei das typische Muster männlicher Gewaltstruktur reproduziert, in dem Gewaltandrohung, Gewaltausübung, aber gleichzeitige Scham über das eigene Verhalten mit Entschuldigungen und Versprechungen, „nie wieder auszurasten“ und gleichzeitigen „Liebesbeteuerungen“ ein Geflecht von Drohung, Nötigung und emotionaler Erpressung schaffen. Sein Verhalten entspricht einem Macht- und männlichem Herrschaftsanspruch, der sich für ihn selbst weder infragestellt, noch einen Begriff für die Auswirkungen seines Verhaltens für N. hat.

Die Tatsache, dass N. sich diesem gewalttätigen Anspruch nicht unterwirft, sondern sich mit Unterstützung Räume/Orte schaffen will, in dem sie sich nicht mehr mit A. konfrontieren muss, führt bei A. (und offenbar auch in seinem aktuellen engeren Umfeld) zur Strategie einer „Täter-Opfer“-Umkehr. A. sieht sich nicht mit den Konsequenzen seines eigenen gewalttätigen Verhaltens konfrontiert, sondern deutet die Maßnahmen, die N. Schutzräume eröffnen sollen, als eine Form von vermeintlicher Diskriminierung, die sich ausschließlich gegen ihn richtet.

A.’s Verhalten gegenüber N. entspricht einen Umgang, den wir in unseren Strukturen entschieden ablehnen und dem wir als Projekt konsequent entgegentreten. A. ist nicht Betroffener eines angeblichen Rufmords, sondern hat als Gewalttäter sehr klare Grenzen aufgezeigt bekommen, die er wiederholt und bewusst missachtet hat. Dazu gehören (provokantes) Abhängen vor der Flora sowie das Aufsuchen von Demos, die, auch wenn sie im öffentlichen Raum stattfinden, temporär einen Teil unserer Strukturen darstellen und damit für ihn tabu sind. Bei solchen Maßnahmen geht nicht darum, A. zu strafen, sondern darum, Menschen in Strukturen zu schützen und vor allem einen Schutzraum für N. und andere in ähnlichen Situationen zu bieten/bieten zu können. Um es noch einmal in aller Deutlichkeit festzustellen: Hier wird kein aus dem Ruder gelaufener „privater Beziehungskonflikt“ verhandelt, sondern ein extrem gewalttätiges Verhalten, dem sich weitere massive Nötigungen und gewalttätige Einschüchterungsversuche A. ’ angeschlossen haben. Auch aus diesem Grunde gibt es keine Alternative dazu, dass sich A. von N. fernzuhalten hat, solange er nicht erkennen lässt, dass er sich wenigstens ansatzweise mit sich und seinem Gewalt- und Aggressionsverhalten auseinandersetzt. Sein ignorantes Verhalten gegenüber anderweitiger Absprachen zeigt, dass die bisherigen Maßnahmen nicht reichen, N. ausreichend vor A. zu schützen. Die „Hoffnung“, dass A. sich an die bisherigen Absprachen halten würde, war naiv - und deswegen halten wir es für notwendig, zum einen dafür zu sorgen, dass sich A. auch nicht mehr im Bereich der Flora aufhält und werden dies ihm entsprechend mitteilen. Zum anderen werden wir ihn auffordern, sich fürs Erste grundsätzlich von allen Kundgebungen, Demos und sonstigen Szene-Veranstaltungen fernzuhalten.

An das Umfeld von A.

A. trägt selbst die Verantwortung, sich mit seinem Verhalten auseinanderzusetzen. Sein Umfeld sollte ihn idealerweise dabei unterstützen etwas daran zu ändern, als sich mit ihm gemein zu machen und sich damit gegen N. und ihr Umfeld zu stellen. Das Bagatellisieren der bisherigen Vorfälle und das Ignorieren bereits getroffener Absprachen sowie das Missachten der Umsetzung von Hausverboten sind in diesem Fall kontraproduktiv und sogar schädlich. Wenn außerdem von den „Unterstützer_innen“ nun angebliche politische Konflikte behauptet werden, die jetzt über persönliche Dinge geklärt würden, hat nichts vom gewalttätigen und menschenverachtenden Verhalten A. begriffen. Angesichts solcher Ignoranz sollten sich Fürsprecher_innen von A. fragen, ob sie sich tatsächlich zum Verbündeten von A. und seiner unreflektierten Gewaltstruktur machen wollen und damit den klassischen Part der Täterschützer_innen sich zu eigen machen wollen.

Das solidarische Handeln reflektieren

Jedoch kam es in den letzten Monaten auch einige Male von Einzelpersonen mit Bezug auf die gewalttätigen Übergriffe von A. auf N. zu gewalttätigen Übergriffen gegen ihn. Diese Aktionen sind nicht zielführend oder werden mit einer „wie du ihr, so ich dir“-Mentalität keine Einsicht in A. reinprügeln können. A. ist kein Freiwild und niemand muss sich an ihm sein vermeintliches antisexistisches Mütchen kühlen. Zudem sind solche Einzelaktionen nicht sonderlich solidarisch, da diese auf N. zurückgefallen sind, ohne dass sie verantwortlich war. In A. Weltsicht war N. jedenfalls dafür verantwortlich: sie habe Leute auf ihn gehetzt. A. hat das für weitere Einschüchterungen ihr gegenüber zum Anlass genommen. Derartige Aktionen befeuern einen Konflikt zwischen vermeintlichen zwei Parteien, die sich an dem eigenen Kräftemessen ergötzen und in dem die eigentliche Problematik, nämlich die stillschweigende Duldung und Befürwortung von patriarchalen gewalttätigen Verhalten thematisch in den Hintergrund rückt.

Aber auch wir selbst müssen uns selbstkritisch hinterfragen, wenn es darum geht, Schutzräume für Betroffene zu erhalten. Im Fall von A. haben speziell Türschichten bei der Flora- Party im Juni versagt. Statt dass wie oben geschildert die Türschicht kumpelhaft mit A. quatscht, hätte sie die Aufgabe gehabt, A. darauf hinzuweisen, dass er die räumlichen Grenzen in näherer Umgebung der Flora zu respektieren hat und dies auch gegebenenfalls gegen A. durchzusetzen. Dennoch gibt es auch im Projekt offenbar eine Haltung, Gewaltstrukturen zu privatisieren und damit faktisch gutzuheißen. Im Zweifelsfall scheint es eben doch der Weg des geringsten Widerstands, „keinen Stress“ zu haben. Im Ergebnis schafft das A. aber Räume, während N. in ihrer Bewegungsfreiheit beschnitten wird.

Und wie weiter? Perspektiven und Umgang

Anlehnend an die Konzepte des Antisexismus-Bündnis Berlin und der DefMa-Gruppe Wien, können auch wir folgendes als den Konsens des Projekts bestätigen. Das Schutzkonzept der DefMa das wir uns im Projekt zu eigen machen, beinhaltet kein „lebenslänglich“ oder genaue Fristen. Trotzdem: an eine Rückkehr zu freundschaftlichem und politischem Umgang kann aber nur dann gedacht werden, wenn so etwas wie Einsicht und Veränderung da sind. Das darf allerdings nicht mit einer Pseudo-Entschuldigung verwechselt werden, sondern muss auch aus dem Handeln des Täters ersichtlich werden. Wie dieses Handeln gewertet wird, ist letztendlich aus der Perspektive der Betroffenen zu betrachten. Weiterhin gilt: Eine ernsthafte Auseinandersetzung fängt beim Respektieren von Schutzräumen, den Grenzen der Betroffenen und ihrem Umfeld an.

“Die schleichende Täter-Rehabilitation („es ist jetzt ja schon lange her…“) ohne Einsicht des Täters muss unbedingt vermieden werden. An dieser Stelle spielt das Umfeld des Täters, seine Politgruppe, sein Freund_innenkreis oder sein Wohnumfeld eine große Rolle. Solange der Täter durch sein Umfeld geschützt wird, entstehen Räume, in denen er der Auseinandersetzung mit seiner Tat ausweichen kann und keine Verantwortung für sein sexistisches Handeln übernehmen muss.“

Zum einen geht es um eine klare Positionierung und Solidarisierung mit der Betroffenen. Das heißt: es gibt keine neutrale Ebene, auf der mit einem Täter ein Bier getrunken werden kann, weil er ja „auch andere Seiten hat“ oder wichtig für die praktische politische Arbeit ist. Es kann keine Trennung zwischen der Person als Genosse, Freund, etc. und einem sexistischen und im Fall von A. auch gewalttätigen Handeln geben. Solange diese Trennung stattfindet und Normalität mit dem Täter gespielt wird, wird sein sexistisches und gewalttätiges Handeln und damit Sexismus und gewalttätiges patriarchales Verhalten im Allgemeinen als Herrschaftsstruktur geschützt und reproduziert.

Zum anderen ist eine Konfrontation des Täters mit seinem eigenen Verhalten wichtig. Als Grundlage hierfür zählt die Anerkennung der Definition und der Bedürfnisse der Betroffenen durch den Täter und natürlich auch durch dessen Umfeld, das sich mit ihm auseinandersetzt. Das beinhaltet auch die Anerkennung und Einhaltung der Forderungen (beispielsweise nach Schutzräumen) der Betroffenen. Forderungen nach Raum haben oft zwei hauptsächliche Ziele: Dass es erstens der Betroffenen wieder gut geht und sie sich ohne Angst mit dem Täter konfrontiert zu werden frei bewegen und ihren üblichen Aktivitäten nachgehen kann und zweitens, dass der Täter glaubwürdig an sich arbeitet, damit er keine weiteren Übergriffe begeht. Für uns ist es kein Widerspruch, einerseits A. derzeit nicht mehr als Teil linker Strukturen zu begreifen und andererseits an sein persönliches Umfeld zu appellieren, A. „nicht sich selbst zu überlassen“.

Dennoch ist eine solche Auseinandersetzung mit dem Täter, die über den alltäglichen Umgang hinausgeht schwer und erfordert aus unserer Perspektive unbedingt professionelle Beratung.
Letzteres ist in A. Fall sehr wichtig, allerdings funktioniert dies auch nur, wenn er selbst dazu bereit ist.

Bis dahin hat A.

  1. die Schutzräume für N zu respektieren und sich von ihr fern zu halten – dies gilt besonders für den Bereich um die Flora ( Piazza, Flora-Park) bei Veranstaltungen und Parties, aber auch für den Flora-Alltag.

  2. Demos und andere Szene-Veranstaltungen, wie z.B das Schanzenfest, im öffentlichen Raum zu meiden, um N. Raum zu geben.
  3. Eine Aufforderung an alle Unterstützer_innen, egal von welcher Seite, nicht aus falsch verstandener Solidarität „Racheaktionen“ in Form von Übergriffen zu begehen.
  4. Spezielle Aufforderung an A. Umfeld, ihn in der Auseinandersetzung mit seinem Verhalten zu helfen und sich ggf. professionelle Hilfe zu holen, statt ihn in seiner imaginierten Opferrolle zu bestärken.

Sexismus und patriarchale Macht- und Gewaltverhältnisse sichtbar machen und bekämpfen!

Plenum der Roten Flora August 2012

Anmerkung : In der Entstehung dieses Flugblatts wurde sich oftmals auf andere Gruppen bezogen, die eine ähnliche Praxis im sexismuskritischen Umgang anwenden.

Auszüge und Formulierungen dieser Gruppen, die unverändert übernommen wurden, sind kursiv gedruckt.

(http://asbb.blogsport.de/2008/03/23/was-tun-wennas-braennt-zum-umgang-mit-sexueller-gewalt/)