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Leipziger Volkszeitung, Regionalbeilage Delitzsch 21.07.2000

Asylbewerber gegen Reglementierung
Träger der Asylbewerberheime im Landratsamt sehen große Probleme in langwierigen Verfahren

Anfang des Monats gab es im Asylbewerberheim in Taucha Hungerstreiks, mit denen die Bewohner auf die für sie unzumutbaren Verhältnisse des Asylbewerberleistungsgesetzes aufmerk-sam machen wollten. Im Delitzscher K&S Wohnheim im Stadtforst blieben Aktionen dieser Art bisher aus, wie Heimleiter Karlheinz Lindau gestern berichtete.


Am Montag dieser Woche haben die Bewohner allerdings auch hier erstmals den Einkauf in der Verkaufsstelle des Heims boykottiert Bei einem Gespräch mit Gunnar Greulich, der als Amtsleiter des Dezernats für Recht und Ordnung im Landratsamt Delitzsch für Ausländerfragen zuständig ist, legten die 132 Männer, die derzeit hier untergebracht sind ihre Probleme dar. So wünschen sie sich u a. selbst über Bargeld (statt Lebensmittel auf Quittung im Magazin) verfügen zu können, erweiterte Urlaubsmöglichkeiten, monatliche Bekleidungsgutscheine von 40 Mark ohne Reglementierung, eine Arbeitserlaubnis und unentgeltliche Deutschkurse.
Jeder Mann im Heim kann auf Quittung für 8,50 Mark pro Tag im Magazin des Heimes einkaufen. Er darf das Territorium des Landkreises nicht verlassen. Eine nicht genehmigte Fahrt nach Leipzig könnte deshalb schon geahndet werden. Die Bekleidungsgutscheine im Wert von montlich 40 Mark schreiben vor, welche Kleidung (Hose, Socken, Oberhemd) der Asylbewerber kaufen darf. Laut Karlheinz Lindau werde in Sachsen über eine Änderung dieser Regelung nachgedacht. Das Gesetz untersagt jedoch ein Arbeitserlaubnis für Asylbewerber. Allerdings kann er mit Arbeiten beauftragt werden, die dem Erhalt seiner Unterkunft dienen. Diese Arbeiten werden dann mit zwei Mark in der Stunde entlohnt. Auch unentgeltliche Deutschkurse stehen Asylbewerbern nicht zu. Nur für Kinder und Jugendliche im Schulalter besteht Schulpflicht. Gunnar Greulich bot den Asylbewerbern für Donnerstag, den 27. Juli, ein weiteres Gespräch an. Die Situation in Delitzsch habe sich damit beruhigt, hieß es gestern, nachdem sich offenbar nach sechswöchigen Protestaktionen auch für Taucha, der mit derzeit 240 Betten größten Asylbewerberunterkunft im Kreis, eine Lösung abzeichnet.
Wie es gestern im Landratsamt hieß, hätten Bargeldauszahlungen in einem Leipziger Heim die Querelen verursacht. Seit Juli würden die gesetzlichen Bestimmungen wieder einheitlich gehandhabt. Der Landkreis schrieb die Bewirtschaftung des Tauchaer Magazins aus. Ein Interessent übernimmt dort dieser Tage die Versorgung, nachdem es wegen der Preisgestaltung mit dem Vorgänger Probleme gegeben hatte.
Sowohl Landrat Michael Czupalla als auch Rechtsdezeraentin Angelika Stoye sahen das Hauptproblem in der langen Zeitdauer, in der Asylverfahren entschieden werden. Nur drei bis vier Prozent würden bundesweit nach dem ersten Jahr positiv bewilligt. Die Widerspruchsverfahren und Möglichkeiten einer Duldung wegen vorrübergehender politischer Situationen bewirkten schließlich in vielen Fällen einen Aufenthalt über drei/vier Jahre oder länger. "Dieser Zustand muss schnellstens geändert werden, das birgt zu viel Zündstoff, auf der Basis der Gesetze kann hier schneller gehandelt werden", sagte der Landrat. Die Bearbeitungszeiten der Asylverfahren, die zentral bei der Bundesbehörde in Nürnberg behandelt werden, seien unerträglich lang. Die Probleme mit den Betroffenen hätten dann die Behörden an der Basis zu bewältigen. Neben den zahlreichen Gesprächen der zuständigen Mitarbeiter seines Hauses vor Ort, habe er zu Wochenbeginn schließlich seinen Standpunkt im Innenministerium in Dresden deutlich gemacht.
K/R

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