Aussageverweigerung
"Und das war klar: Es war Sommer und ich wollte sowieso nicht in den Knast..." (Teil I)
Interview zu Beugehaft und Solidaritätsarbeit

Teil II

Ende Januar führten zwei Männer aus der kassiber-Redaktion ein Interview mit Ulf B., der fünf Monate in Beugehaft im baden-württembergischen Heimsheim gessesen hatte, sowie Imtraud und Luise, zwei befreundeten Frauen, die in dieser Zeit - mit anderen - Solidaritätsarbeit geleistet und sich um diverse andere Dinge gekümmert haben. Wie immer heißen die am Gespräch Beteiligten ganz anders; dieses Mal aber mit einer Ausnahme - Ulf.

kassiber: Du warst von Anfang Juli bis Ende November fünf Monate in Beugehaft, weil Du als Zeuge im sog. radikal-Verfahren vorgeladen wurdest und die geforderte Aussage verweigert hast. Was wollten Polizei und Staatsanwaltschaft damals von Dir wissen?

Ulf: Ja, die Fragen, die sie gestellt haben... In der ersten ging's immer darum, was der derzeitige Aufenthaltsort von Matthias G., also meinem Mitbewohner, ist. Aber, sie haben andere Leute auch vernommen in diesem Zusammenhang; zum Teil drei, vier Stunden lang. Von daher war eigentlich klar, daß sie mehr wissen wollten als diese erste Frage, die sie halt gestellt haben.

kassiber: In einem Vorgespräch hast Du erzählt, daß von der Polizei auch Versuche gemacht worden sind, Dich reinzulegen, was den Aufenthaltsort von Matthes angeht...

Ulf: ... das waren diese Telefonate. Also, die ham halt gesagt, wir müssen uns in Verbindung setzen, um unser Auto, das sie bei der Durchsuchung mitgenommen haben, wieder zurückzugeben und dann ham sie halt angerufen, permanent: 'Ja, wie sieht's denn aus? Das Auto steht jetzt da ...', und sie wollten das ja auch loswerden: Wann ich das denn abholen kann ... Und fingen dann aber so an, von wegen, daß ich 'ne Bescheinigung anbringen müßte, von Herrn G., weil auf dessen Namen das Auto zugelassen ist. Und daß ich überhaupt berechtigt bin, das Auto zu führen. Sonst könnten sie mir das nicht aushändigen.
Und ich dann so: 'Ja, wie soll ich'n das machen? Sie wissen doch, der ist im Urlaub! Ich hab' keine Ahnung, wie ich den erreichen kann. So'ne Bescheinigung kann ich nicht anbringen.' Und er dann nur: 'Ja, is' egal, nur eben was ganz kurzes. Zwei Sätze, wo er eben schreibt, sie dürfen das Auto überhaupt führen.' Das ging halt'n paarmal so, also wir haben zwei-, drei-, viermal telefoniert. Und bei einem Telefongespräch, wo ich dann wieder sagte: 'Ich kann die nicht anbringen, diese bescheinung. Sie wissen doch, der Herr G. ist im Urlaub', da meinte er auf einmal: 'Ja, dann rufen Sie doch eben mal in Ulm an.' Und ich: 'He, wie, wo soll ich anrufen?' 'Ja, rufen Sie doch mal eben in Ulm an', meinte er. Und ich: 'Wie kommen Se denn auf Ulm?' 'Ja, sie haben doch eben gesagt, der Herr G. wär in Ulm.' Da hab ich irgendwie schon gecheckt, daß da irgendwas nich ganz sauber läuft und meinte: 'Nee, nee, hab ich nicht gesagt.' Und er meinte noch: 'Ah ja, Entschuldigung, da hab ich mich verhört.' Aber da war irgendwie klar, die tricksen da was. Da hab ich dann gesagt: 'Sie ham sich nicht verhört, sondern Sie spiel'n hier so'n Spiel mit mir - da mach ich nicht mit', und hab aufgelegt.
Dann bin ich halt am nächsten Tag hin, das Auto abholen - vorher war ich noch mal kurz beim Anwalt. Dann meinte der da: 'Ah, Moment mal. Da is' noch was wegen der Vernehmung.' Und ich: 'Wie, Vernehmung? Ich sag' nichts.' Und er: 'Ja, Moment. Bleiben Se mal hier. Ich hol mal den Herrn von Bock und Polach (damaliger Politstaatsanwalt, Anm.). Er holt den Bock und Polach und dann, bababa, Vernehmung und ich: 'Nee, ich sag nichts ... erstmal mit meinem Anwalt telefonieren.' Dann hab' ich beim Anwalt angerufen und meinte: 'Die wollen jetzt 'ne Vernehmung machen und ich weiß gar nicht warum und blablabla.' Dann hat mein Anwalt mit dem Bock und Polach geredet, was jetzt los is. Bock und Polach hat dann gesagt: 'Ja, es geht um den Aufenthaltsort von Matthias G. und der Herr B. hat sich letztens am Telefon verplappert. Der hat gesagt, Herr G. wäre in Ulm.' D.h., das Telefongespräch, wo sich der Maas (Polizist am Telefon, Anm.) entschuldigt hat, das Ding haben sie halt als Vorwand genommen, zu sagen, ich wüßte, wo Herr G. ist, und deshalb gibts jetzt die Vernehmung. Das war ganz klar 'n ziemlich billiger Trick.
Und bis nach Karlsruhe stand in der Begründung drin, ich hätte halt da und da gesagt, der Herr G. wäre in Ulm. Ich wüßte, wo der ist und würde jetzt halt mauern. Naja, was ich danach fand ist, daß halt jedes Gespräch mit denen 'n Verhör ist. Wo sie sich mit dem Auto bemüht haben, so zu tun, als wenn das eben so'n Gespräch auf 'ner voll niedrigen Ebene ist. Letztendlich heißt es dann aber, in dem Verhör hätt' ich halt gesagt, der Herr G. ist in Ulm. D.h., sie haben so was lapidares für sich direkt als Verhör eingestuft.

Luise: Beim ersten Mal wurdest Du doch auch schon zu 500 Mark verurteilt, oder?

Ulf: Ja, hier in Bremen. Das war die Geldstrafe, die ich gekriegt hab' - und dann die Androhung, daß aus Karlsruhe was kommen wird.

kassiber: Nach diesem ersten Termin mit Bock und Polach folgte dann nach 'n paar Tagen 'ne offizielle Vorladung zu 'ner Vernehmung, oder wie lief das dann ab?

Ulf: Also das hat schon zwei Wochen gedauert, so zehn Tage bis zwei Wochen, dann hab ich die nach Karsruhe gekriegt. Also ich hab die Mittwoch Abend abgeholt von der Post und am nächsten Montag hätt' ich da sein müssen...

kassiber: Beugehaft war ja, zumindest in den vergangenen Jahren, ein eher unübliches Vorgehen, in politischen Verfahren... In Karlsruhe war Dir aber schon relativ klar, die würde verhängt werden oder gab's da die Hoffnung: Vielleicht lassen die mich da wieder ziehen?

Ulf: Naja ... Im nachhinein hab ich das Gefühl, in der Zeit zwischen dem ersten Verhör, bis ich den Brief bekam, hab' ich mir relativ wenig 'n Kopp darüber gemacht. Ich wußte halt irgendwie nur, ich will nich' in'n Knast - aber erstmal abwarten, locker bleiben. Da lief relativ wenig. Die eigentliche Auseinandersetzung lief erst, als ich die Vorladung schon in der Tasche hatte. Ich wußte nur, es gab 'n paar Daten im Sommer, wo ich unbedingt hier sein wollte ... Und das war klar, es war Sommer, ich wollte sowieso nicht in'n Knast. Die Situation war eh ... - es war 'ne tierische Hasselei: Da war die Durchsuchung bei uns. Dann kriegste mit: tierisch viele Durchsuchungen in Bremen und der BRD. Dann war'n sie bei uns ja wegen Matthes, der im Urlaub war, wo nicht klar war, ob es jetzt 'n Haftbefehl gibt - weil ja auch Leute aus anderen Städten direkt am 13.6 eingefahren sind. Dann wurd' klar, es gibt 'n Haftbefehl gegen ihn, die Situation von Jutta war auch schwer einzuschätzen. Da ist das mit der Vorladung und Vernehmung 'n bißchen in den Hintergrund getreten. Da war zwar Rödelei, aber nicht so das DAS Thema, weil erstmal andere Sachen wichtiger waren.

kassiber: Nochmal zur Beugehaft. Der Gedanke, sechs Monate im Knast verbringen zu müssen, ist erstmal 'ne unerfreuliche Vorstellung. Das bedeutet erstmal, von Leuten hier isoliert zu sein - Lebens- und Wohnzusammenhänge. Bedeutet, eventuell 'n Job zu verlieren, wie das bei Leuten aus der Fritze jetzt der Fall ist (s. Artikel in dieser Ausgabe). D.h., daß man sich zumindest nochmal verschärft Gedanken darüber machen muß, was passiert in so'nem halben Jahr Abwesenheit, was heißt das für mich?

Ulf: Ja klar, der erste Gedanke, das war nur, ich geh' nich in'n Knast, so. Dann hab ich halt überlegt, was zu machen wär'. Naja, du kannst halt abhauen, aber dann hätte ich die Sachen, die ich hier hätte machen wollen, auch nicht machen können. Aber du hast auch keine Perspektive, also wegen fünf Monaten in's Ausland zu gehen, ist auch 'n bißchen komisch ...
Oder was ich auch gedacht hab: Rumtricksen, 'n bißchen was sagen und bei manchen Fragen rumdrucksen, irgendwie versuchen, die Vernehmung zu überstehen, ohne in'n Knast gehen zu müssen - so'n Eiertanz halt. Beim Reden mit Leuten wurde da aber immer klarer, das geht nicht, da kommt nichts bei raus, das funktioniert nicht. Ich kann nicht Leuten, deren Job das ist, die voll die Profis sind, irgendwelchen Scheiß erzählen, quasi das Verhör für mich entscheiden - sie kriegen immer irgendwas raus. Dann sagste was, eigentlich 'n unbedeutendes Teil, aber das fehlte denen irgendwo und das ist dann genau das, was ihnen dann nochmal neue Sachen eröffnet oder wo führ sie was klarer wird. Dann ist nachher der Prozeß gegen Matthes und ich werde dann aufgerufen, als Zeuge der Anklage, muß das da wiederholen und diene dazu, ihn da fertig zu machen... Das war auch 'ne ekelige Vorstellung, wo ich gedacht hab', das geht nicht.

kassiber: Es gibt ja immer die großen Appelle, an Aussageverweigerung... Aber die Erfahrung, gerade auch der letzten Monate, hat ja gezeigt, daß das bei vielen Leuten so wahnsinnig klar ja wohl nicht ist ...

Irmtraud: ... wobei, da würd' ich auch gern nochmal was zu sagen. Also, die Entscheidung zu treffen und dann aber auch durchhalten zu können - da denk ich ist das Umfeld, das diese Forderungen aufstellt: 'Anna und Athur halten's Maul', auch sehr stark mit verantwortlich. Also z.B.: Was passiert, wenn einer seinen Job verliert, wer kümmert sich um allen möglichen Kram, wer zahlt die Miete. Da kann man halt nicht nur von jemanden fordern, er soll die Schnauze halten, sondern da muß man sich dann auch verantwortlich darum kümmern.
Sonst werden die Appelle ja auch hohl. Und für die einzelnen, die betroffen sind, die plötzlich so 'nen Brief in der Hand halten und wissen, ich geh' jetzt 'n halbes Jahr in'n Knast, die trifft das natürlich immer wesentlich konkreter und brutaler als alle drumherum. Da kann man sich vorstellen, wie das wär' - 'n halbes Jahr Knast - und am nächsten Tag kann man sich halt wieder was anderes vorstellen. Da ist es dann leichter, coole Sprüche zu bringen. Aber wenn man in der Situation ist, ist das natürlich ein Hammer. Deswegen mein' ich das, daß da eben nicht nur die einzelnen Personen sind, sondern deren Freunde, Genossen, politische Zusammenhänge mit verantwortlich sind, wie die Entscheidung getroffen wird und wie sie halt auch ausgeführt werden kann.

Ulf: Das ist eben auch was, diese Parole zu füllen. Wenn du die den Leuten so um die Ohren haust, fühlen die sich unter Druck gesetzt - nur, wenn die nicht von anderen Leuten auch gefüllt wird, dann bleibts halt 'ne Parole. Die ist zwar richtig, aber es ist eben etwas komplexer, was da dann abgeht: Was hier draußen abgeht und was für mich dann drinnen abgeht. Und da hatte ich aber eigentlich 'n ziemlich gutes Gefühl nach den Tagen. Es gibt schon Leute, die, über dieses phrasenhafte hinaus, halt konkrete Sachen übernehmen. Mit so 'nem Gefühl von Rückendeckung bin ich dann auch nach Karlsruhe gefahren. Und das hat zu der Entscheidung auch tierisch viel beigetragen. Es war eben auch nicht so, daß ich gedacht hab: Logisch, Anna und Athur halten's Maul, dann mach' ich das auch...

Luise: Aber die Diskussion darüber hat ja wirklich ziemlich spät angefangen und zwar eben erst zu dem Zeitpunkt, als Du die Vorladung hattest. Es war'n eben nur'n paar Tage und es haben auch alle drüber diskutiert, aber einfach zu spät, es war alles unter so 'nem Zeitdruck. Deshalb muß jetzt auch noch weiter darüber diskutiert werden, denn diese Möglichkeit, daß sowas wieder kommt und man selbst betroffen sein könnte, besteht halt. Ich finde aber, daß die Forderung auf jeden Fall richtig ist, auch die Notwendigkeit zu so 'nem kollektiven Vorgehen besteht, letztendlich ist es aber ne persönliche Entscheidung... Die Verhältnismäßigkeit zwischen den Konsequenzen einer Aussageverweigerung und den Konsequenzen einer Ausssage, daß man jemanden belastet, die muß halt abgeschätzt werden.

kassiber: Das Problem dabei ist ja auch nicht nur, daß du dann'n Schwein bist, sondern daß Leute aufgrund solcher Aussagen viel länger einfahren als fünf oder sechs Monate.

Ulf: Mmh, ja du hilfst denen dann ja auch irgendwie, machst ihnen den Job 'n bißchen leichter.

Luise: Außerdem steckt da ja auch noch vielmehr dahinter. Das ist ja nicht nur das Ermittlungsinteresse selbst, daß sie wissen wollen, wo bestimmte Personen sind oder ähnliches, bzw. später Aussagen im Prozeß verwendet werden können, sondern daß ein Teil der politischen Szene oder des Zusammenhangs durchleuchtet werden soll, ßas bestimmte Sachen aufgedeckt werden sollen - daran haben sie natürlich 'n Interesse, auch an den persönlichen Verbindungen. Und letztendlich, wenn sie Erfolg haben, kann sich die politische Szene daran spalten. Gerade in dieser Sache gibt es ganz viele verschiedene Meinungen darüber, ob ausgesagt werden soll, oder nicht.

kassiber: Sind da, in den Diskussionen vorher, Erfahrungen im Zusammenhang mit dem sog. Kaindl-Prozeß in Berlin eingeflossen, wo es ja über die Diskussion um Aussageverweigerung sehr, sehr große Auseinandersetzungen gegeben hat?

Irmtraud: Also wir sind eher von den Erfahrungen beim Strobl-Prozeß und Startbahn ausgegangen. An der Startbahn hab'n se quasi die ganze Szene einmal aufgerollt - aufgrund der ganzen Aussagen, wo dann eine zur anderen gekommen ist, bis se dann halt 'ne ganze Menge in der Hand hatten.

kassiber: Startbahn meint jetzt die Erschießungen von den beiden ...

Irmtraud: Ja, die Schüsse an der Startbahn und was dann in der nachfolgenden Zeit alles abgegangen ist. Aufgrund der Erfahrung wurde damals ja auch die Kampagne 'Anna und Athur halten's Maul' überhaupt entwickelt.

kassiber: Und wie war das dann eigentlich in Karlsruhe? War'n die verärgert, als du da ankamst, gleich mit deinen Sachen? Haben die deswegen auch so 'ne hohe Strafe ausgesprochen?

Ulf: Das is Spekulatius ... Das ham wir uns dann auch gefragt, ob ich deswegen mehr kassiert habe. Aber letztendlich ist es nicht klar, und ich fand's wichtiger, die Sachen da mit reinzunehmen, vom ersten Tag an, als dann irgendwie darauf zu vertrauen, zu versuchen, 'nen Deal mit denen hinzukriegen, also nichts mitzunehmen und sie dadurch milder zu stimmen, und dann zu hoffen, daß sie einem weniger geben. Na ja, und die in Frankfurt haben auch alle fünf Monate gekriegt ... Der Typ ..., genervt hat den, daß ich nichts gesagt hab'! Und ob ich jetzt mit oder ohne Tasche ...

kassiber: Thema Knast: Wie hast Du da vorher versucht, dich drauf einzustellen?

Ulf: Grundsätzlich hatte ich schon ziemlich gruselige Vorstellungen, was mich da jetzt erwartet. Ja, was weiß ich, Glasbausteine, Klimaanlage und total schweinische Schließer. Ich kann mich noch erinnern an so einen Brief, von jemanden aus Preungesheim, wo er meinte, daß wär' alles so super-rassistisch organisiert, daß das unter den Gefangenen da ganz übel abgehen würde ... Und das war dann aber alles gar nicht so, das war alles viel besser. Die erste wirklich gute Überraschung war, das es da 'n Fenster gab, so'n richtiges Fenster, was ich ganz aufmachen konnte, mit 'nem normalen Gitter vor, so'n paar Streben. Ich konnte halt rausgucken, konnte mich mit Leuten unterhalten, konnte Transporte hin- und herpendeln, das war alles total easy.

kassiber: Aber du hast 'ne Einzelzelle gehabt, oder?

Ulf: Ja, ich hab 'ne Zelle für zwei Leute gehabt, aber ich war alleine in der Zelle.

kassiber: Wie groß war der Knast?

Ulf: Das war'n zwei Bereiche, einmal gab's den T-Bau, dann den E-Bau. In dem einen saßen die Strafhäftlinge, das waren ungefähr 400-500 Leute, glaub' ich, und in dem T-Bau, U-Haft, wo ich auch war, da waren ungefähr 200 Leute.

kassiber: Und so vom Tagesablauf her, was so Aufschluß oder Umschluß angeht, war das eher so, daß Du den ganzen Tag da allein warst oder ...?

Ulf: Ja, ich war hauptsächlich allein, also Umschluß gibts in der U-Haft gar nicht. Also es gibt Duschen, drei mal die Woche für 'ne Stunde - und oft war's halt so, daß sie den ganzen Flur aufgeschlossen haben und dann war halt eine Stunde die Zelle auf. Dann gab's noch Freizeit - nannte sich Freizeit, ist halt Fernseh gucken: zwei Stunden. Sie schließen dann auf und fragen, ob Du Fernsehen gucken willst und wenn Du willst, wirste in 'n Raum geschlossen, mit zwanzig, dreißig Leuten und da läuft halt die Glotze. Und das ist dann halt Freizeit. Das beknackte war, daß das dienstags und donnerstags von 9-11 Uhr morgens und sonntags von 14-17 Uhr lief - also ich bin da ganz, ganz selten hingegangen.

kassiber: Deine Anwältin hat in einem Interview, was wir in der letzten Ausgabe abgedruckt haben, gesagt, daß eigentlich bei der Erzwingungshaft nicht die U-Haft-Bedingungen gelten, sondern die des normalen Strafvollzugsrechts. Was heißen würde, daß das etwas liberaler oder lockerer ist als in der U-Haft ...

Ulf: Ja, das stimmt schon, eigentlich hätt' ich nach Strafhaft-Bedingungen da sein müssen. Aber der Beyer (Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof, Anm.) hat das einfach an sich gezogen und gesagt, nee nee, er is' hier der Chef und er regelt das alles ab, also Postkontrolle und Besuchserlaubnis. Eigentlich, wenn ich so gesessen hätte, wie es hätte sein sollen, dann hätt' ich halt Besuch gehabt, viermal eine Stunde im Monat, hätt' telefonieren können, die Post wär' nur stichprobenartig kontrolliert worden und ich hätt' Umschluß gehabt und, naja, es wär' mir wirklich besser gegangen. Und bei den Frankfurtern ist es jetzt so, daß, nachdem der Beyer die Zuständigkeit abgegeben hat, für die 'n anderer Richter die übernommen hat. Der hat gleich alles an die Anstalt abgegeben, d.h. die sind jetzt verantwortlich dafür, wie die Post kontrolliert wird, wie die Leute untergebracht werden - nämlich in Strafhaft - und die haben die ganzen Verbesserungen jetzt. Also, auf jedenfall ist es so, daß nur der Beyer das so gemacht hat, sein Nachfolger hat gleich gesagt: 'Beugehaft, da hat die Anstalt zu entscheiden, wie da verfahren wird.'

Irmtraud: Die Postkontrolle, das ist auch 'ne Sache, mit der man draußen zu tun hat, weil durch diese ständige Zensur, natürlich die Kommunikation erschwert wird. Daß sie alles lesen, gut, das weiß man, aber es ist eben nicht so, daß du weißt: du schreibst halt bestimmte Formulierungen nicht, dann kommt der Brief aber durch, sondern es ist die absolute Willkür. Und dann dauert es einfach zwei Wochen oder so, bis der Brief ankommt. Da ist die Bundespost echt schneller. Auf jeden Fall hilfreich ist es, die eigenen Briefe zu datieren und zu kopieren, damit man selbst noch weiß, was man vor vier Wochen geschrieben hat.

Luise: Viel einschneidender fand ich, daß die halt alles mitkriegen. Also persönliches haste natürlich auch keinen Bock mehr, zu schreiben. Politische Sachen, wenn die durchkommen, ist auch nicht so toll - und dann schreibst du auf dem superoberflächlichen Niveau, was dann natürlich dem Betroffenen im Knast überhaupt nicht viel bringt.

Ulf: Das fand ich halt auch: 'n ziemliches Rumgeeier. Also, weil Briefe waren erstmal der Hauptaustausch nach draußen, also Besuche waren eigentlich ziemlich wenig und die waren ja auch überwacht. Und dann immer so'n abwägen, was will ich denen jetzt offen legen ... Wo ich halt auch wußte: Sie geiern darauf, daß es mir Scheiße geht - und dann kommen se wahrscheinlich nochmal an und löchern mich und sagen: Ja, Herr B., wie siehts denn aus? Wollen sie nicht doch lieber aussagen?' Da hatte ich natürlich überhaupt keinen Bock drauf. Dann ist halt klar, manche Sachen mach' ich nicht offen. Andererseits ist es halt wichtig, sich darüber auszutauschen, denen nach draußen zu vermitteln, das ..., Na ja, daß ich auch 'ne Reaktion darauf krieg', wie's mir halt geht. Und politisch dann eben auch Sachen nicht zu schreiben, weil klar ist, sie lesen alles mit. Das ist schwierig, das zu handhaben, weil diese Briefe halt der einzige regelmäßige Austausch sind - und trotzdem kannst du da nicht alles schreiben, was dir im Kopf rumgeht. Also weder, wie es dir so stimmungsmäßig geht, noch was du dir halt politisch so denkst. Du kannst kaum was vor denen geheimhalten, kaum was zurückhalten. Und wenn du's zurückhälst, dann kriegt's wirklich niemand mit und du frißt das nur in dich rein.

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kombo(p) | kombo@riffraff.ohz.north.de | 20.02.1999