"radikal" - Chronologie
1976 wird die Berliner Stadtzeitung radikal gegründet. Sie hat sich zur Aufgabe gesetzt über die Grenzen hinweg ein Sammelbecken der Linken zu sein. Die radi sollte eine Zeitung von Leuten für Leute sein. In dieser Tradition begreift sie sich auch heute noch. Damals trug sie noch den Untertitel 'sozialistische Zeitung für Westberlin'. 1978 Erstes Verfahren gegen die radikal. Der presserechtlich Verantwortliche wird zu einer Geldstrafe wegen eines Abdruck des Mescalero-Nachrufes im Zusammenhang mit der Buback-Ermordung verurteilt. Innerhalb des Zeitungskollektivs, welches aus ca. 20-25 Menschen bestand, gab es in dieser Phase Diskussionen zur Gewaltfrage und wie mensch damit umgehen soll. Dies geht vor allem auf den Hintergrund und die Erfahrung vom 'Deutschen Herbst' zurück. 1980 Der Bruch mit der Linken und die radikal wird das Medium der 'neuen' Autonomen. In der Nr.84 vom November 1980 veröffentlichte die radi einen Artikel, in dem klargestellt wird, wie sich die Zeitung weiterentwickeln soll. Auch die Unterzeile ändert sich. "Es geht mal wieder um die radikal, aber diesmal wollen wir euch nicht erzählen, daß wir kein Geld haben, daß kein Echo kommt, etc. (...) sondern die radikal als Szeneblatt problematisieren und in Frage stellen. Den Bruch "sozialistische Zeitung für Westberlin" zu "Zeitung für unkontrollierte Bewegungen" deuten wir auch als Bruch mit großen Teilen der Szene und Linken. Diese Trennung schmerzt uns nicht, im Gegenteil, sie kommt reichlich spät! Wir stellen in Schlagworten fest: die Alternativbewegung ist gescheitert, sie funktioniert als ein Nebenzyklus des Kapitalismus und ist damit keinerlei Gefahr für das System. Eher schafft sie die Ideen und Konzepte, um das System über die anstehenden Krisen zu bringen. Doch genau mit diesen Krisen und Klassenkämpfen wird eine radikale Infragestellung von Staat, Gesellschaft und Produktion einhergehen. Die jetzige Linke und die Alternativbewegung werden in diesen Kämpfen eine unbedeutende Rolle spielen. Solchen Problematiken müssen wir uns in der radikal stellen, oder anders: Ist es sinnvoll, eine Zeitung wie die Radikal zu produzieren, um sie dann wie saures Bier in den Alternativkneipen verkaufen zu müssen (...). Heißt das nicht, daß die Szene nicht einmal mehr traditionelle sozialistische Ansätze interessiert, geschweige denn, die neue Stoßrichtung der radikal, für eine autonome anarchistische Bewegung (...) versuchen wir da nicht, die Zeitung bei den falschen Leuten an den Mann/Frau zu bringen? (...) Wir wissen zwar "weg von der Szene", aber nicht mehr weiter. Wir wollen nicht eine Zeitung für, sondern von Schülern, Punks, Siemensarbeitern, Jobbern, Hausfrauen, Rockern, Massenarbeitern, Arbeitsemigranten - nen paar alternativen Nichtstuern, Arbeitsscheuen, Aussteigern, Kiffern, Träumern, Stadtguerilleros, wir wollen keine Avantgarde sein, sondern nur vermitteln, was wir denken und für richtig/wichtig erachten; die Zeitung nicht für jemand machen, sondern als Ausdruck von Bewegungen; wollen Multiplikator von Ansätzen zu Aufstandsbewegungen sein, ein Faktor eines Aufstandes, unkontrollierte Bewegungen, auf das es brodelt und kocht (...) warum Aufstände, das zu erklären ersparen wir uns (...) Kein Blatt für Leute, die dabei sind, sich einzurichten; den Kreis der Szene sprengen. Raus aus unserem gemütlichen angstvollen Ghetto; anders gesagt: Sabotage und Subversion sind überall, die Szene ist nur ein Teil davon: Schuleschwänzen, Krankfeiern, wilde Streiks, Ladendiebstahl, Häuserkampf, Schwarzfahren (...)." (radikal Nr.84) 1982 Durchsucht werden 14 Privatwohnungen, 2 besetzte Häuser, 3 Druckereien, 2 Buchläden und eine Buchvertriebsstelle, ein Verlag und eine Fotosetzerei in Berlin. Ein Abdruck von Erklärungen der Revolutionären Zellen soll den Straftatbestand des Werbens für eine terroristische Vereinigung (§129a) erfüllen. Dies war auch das erste Verfahren nach §129a - Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Die radi wurde in diesen Jahren immer mehr das wichtigste Journal der autonomen Bewegung. Sie galt inzwischen als Sprachrohr der autonomen, militanten HausbesetzerInnenbewegung in Berlin und erlangte eine große überregionale Bedeutung. 1983 Im Juni werden die beiden in der Linken bekannten Journalisten, Schriftsteller, Hausbesetzer und Pressesprecher Benny Härlin und Michael Klöckner verhaftet. Sie werden stellvertretend für die MacherInnen der radikal mit dem §129a belegt. Nach öffentlichen Protesten wurde den beiden gegen 30.000 DM Kaution nach 2 Monaten Isolationshaft Haftverschonung gewährt. 1984 Am 1.März werden die zwei zu je zweieinhalb Jahren Knast verurteilt. Klöckner weil er redaktionell mitgearbeitet und das Konto geführt haben soll, Härlin, weil er sich in einer früheren Nummer als ViSdP zeichnete. Im Mai werden beide auf der Liste der GRÜNEN ins Europaparlament nach Straßburg gewählt und ihre Immunität als Abgeordnete bestätigt. Bereits im April wurde das Konto der radikal gesperrt und beschlagnahmt, das Postfach überwacht und eine Person festgenommen als sie das Postfach leeren wollte. Danach hat die taz ihre Adresse für die radikal zur Verfügung gestellt, damit diese postalisch weiter erreichbar blieb. Im Mai werden die Räume der taz vom Staatsschutz durchwühlt und alle für die radikal eingegangenen Briefe werden beschlagnahmt. Wenige Tage später stellt die radikal ihr Erscheinen mit der Nummer 126/127 ein, die Redaktion erklärt unter diesen Bedingungen nicht weiterarbeiten zu können. Herbst 1984 Die radikal erscheint erstmals aus dem "Untergrund". In der Nummer 128 schreibt die Redaktion, daß die Zeitung ab jetzt nur noch verdeckt geschrieben und produziert werden kann. Der schon verbuchte Zensurerfolg zerrinnt für die Staatschützer in Sekundenschnelle, die Repression gegen die nun "verdeckten" Strukturen der radikal geht intensiv weiter. Da man nun nicht mehr der Redaktion habhaft werden kann, konzentrieren sich die Ermittlungen auf die Verkaufsstellen und HandverkäuferInnen in der BRD. Die erste verdeckt produzierte Zeitung stieß nicht überall auf positive Resonanz. Dennoch wurde der Versuch weitergeführt. Der Vertrieb wurde übernommen und es begann eine längere Einarbeitungsphase. 1986/87 In zwei großangelegten Durchsuchungswellen werden insgesamt über 100 Buchhandlungen, Infoläden, Zentren, Privatwohnungen durchsucht. Gegen 164 Buchhändler und 28 HandverkäuferInnen wird ermittelt. Gegen 38 Anklage erhoben, 12 davon erfahren eine Verhandlung, von denen wiederum 7 freigesprochen werden und 5 Bewährungsstrafen erhalten. Hier wird die neue Stoßrichtung deutlich, die der §129a ermöglicht: die massive Einschüchterung, die nicht einmal eine konkrete Verhandlung zum Ziel hat, sondern als Zensurmaßnahme Angst erzeugen soll. Die Ermittlungen gegen die weiter in unregelmäßigen Abständen erscheinende radikal laufen zwar weiter, führen allerdings zu keinen weiteren Aktionen seitens der Staatsanwaltschaft. Auf der anderen Seite hatte der Schlag von 1986 gegen die Nummer 132/33 auch interne Folgen. Der Schlag führte wieder dazu, sich das Konzept einer verdeckt organisierten Zeitung neu zu überlegen. Die Folge war eine längere Pause. 1987 Nach langen Diskussionen und der endgültigen Entscheidung nun eine bundesweite Zeitung zu produzieren, erscheint im Sommer 1987 eine neue Ausgabe. 1989 In der Edition ID-Archiv wird ein Interview mit der radikal als Broschüre herausgegeben. Die Herausgeber betonten den Stellenwert des Interviews für die Diskussionen innerhalb der Linken, gerade weil die radikal nicht immer ungeteilte Akzeptanz fände. Diese Broschüre - die nicht selbst inkriminiert wird - ist Anlaß von Ermittlungen. Bei den darauffolgenden Durchsuchungen sind wieder Verlagsräume, Verlagsauslieferungen, sowie eine Druckerei betroffen. In den nächsten Jahren wird von Seiten der Bundesanwaltschaft auf spektakuläre Maßnahmen verzichtet. Zwar finden in regelmäßigen Abständen Durchsuchungen wegen neuen radikal-Ausgaben statt, aber großangelegte Aktionen bleiben aus. Auffallend ist, daß einige Ausgaben überhaupt nicht kriminalisiert wurden. Die große Wende kommt dann im Jahre 1993. 1993 Eine angebliche Redaktionssitzung der radikal wird abgehört. Darauf folgt der größte Observationseinsatz in der Geschichte der BRD. Von Ende 1993 bis Mitte 1995 werden alle erdenklichen Mittel eingesetzt: Telefonabhörmaßnahmen, wochenlange Observationen, Videoüberwachungen, Einbau von Wanzen in Autos, Versuche Gespräche in Kneipen aufzuzeichnen, Observationen bis auf eine holländische Insel und und und (...) 1995 Am 13.6.95 finden in ca. 100 Wohnungen sowie linken Projekten unter dem Stichwort 'Wasserschlag' Hausdurchsuchungen statt. Der Schwerpunkt liegt dabei in Nordrhein-Westfalen und Norddeutschland. Die Gründe der Durchsuchung waren Stichworte wie 'Unterstützung der RAF', 'Aufsuchung von Beweismitteln in Bezug auf das Komitee' (Einer Gruppe von Leuten die sich durch militante Aktionen bestimmte Themen, wie Kurdistan-Politik oder Abschiebepraxis in das Bewußtsein bomben wollten. Das Komitee existiert aber inzwischen nicht mehr), 'Mitgliedschaft in der AIZ' (Antiimperialistischen Zellen - eine Gruppe von Leuten die sich 1992 zu Wort meldeten und dann durch verschiedene Aktionen auf 'Hinterbänkler' im Bundestag ihre Bekanntheit erhöhte. Ihre Aktionen sind innerhalb der Linken weitestgehend negativ bewertet worden, in bezug auf Ziele, Umsetzung und inhaltlichen Bestimmung) und dann noch 'Mitgliedschaft oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung' mit dem Namen radikal. Nach jetzigen Kenntnisstand sind bisher 121 Verfahren eingeleitet worden. Am 13.6. selbst wurden vier Haftbefehle vollstreckt. Drei Menschen konnten abtauchen und ein weiterer konnte sich noch nachträglich einem Haftbefehl entziehen. Juli 95 Ein Mann aus Bremen wird für 5 Monate in Beugehaft genommen. Ihm wurde zur Last gelegt, daß er nicht gegen einen Freund aussagen wollte. November 95 Die "Ente" erscheint wieder, diesmal noch radikaler und inhaltlich mit Beiträgen zur Diskussion um die AIZ, Komitee, Umgang mit Observationen, Interviews mit Abgetauchten, Einschätzung der Staatsschutzaktion. Die radi wird auch ins Internet eingespeist. Die Gruppe SPG (Solidariteitsgroep Politieke Gevangenen) aus Amsterdam versteht diesen Schritt als direkte Solidarität. Dezember 95 Die Eingeknasteten werden gegen Kaution und einer Meldepflicht sowie eines Kontaktverbots auf freien Fuß gesetzt. Die bisher größte öffentliche Mobilisierung findet ihren Ausdruck in einer Demo von 5000 Leuten. Auch derjenige, der in Beugehaft saß, kommt wieder raus, ohne ein Wort gegenüber Justiz und Bullen geäußert zu haben. 19.12.95 Aufgrund von Funden im Juni '95 finden nochmals Durchsuchungen statt. So sollen einige der Durchsuchten als Kontaktadresse der radikal fungiert haben und andere sollen die radikal weiter verkauft haben. 13.6.96 Wieder taucht eine neue radikal (Nummer 154) auf und auch drei der Untergetauchten stellen sich der Justiz. Einer wird eingeknastet und die zwei anderen kommen auf Kaution und mit Meldeauflagen wieder auf freien Fuß. Diese Form des Auftauchens findet nicht uneingeschränkte Solidarität. September 96 Der letzte Eingeknastete kommt wieder raus - mit den schon bekannten Auflagen. Oktober 96 Die BAW beginnt gegen den Amsterdamer Internet-Anbieter xs4all - sprich 'Access for all' (Zugang für alle) - vorzugehen. Wie oben schon erwähnt, ist über die Solidariteitsgroep Politieke Gevangenen (SPG) die kriminalisierte Zeitschrift ins elektronische Netz gespeist worden. Einige Provider versperren ihrer Kundschaft den Zutritt zu den Web-Seiten. Allerdings wurde diese Aktion der BAW auch von vielen als eine Zensurmaßnahme begriffen. Die Electronic Frontiers Foundation (EFF), amerikanische Pioniere des Internet, löste den Worldwide Urgent Censorship Alert, den weltweiten dringenden Zensur-Alarm aus. Zahlreiche Provider spiegelten die kriminalisierten Seiten. Auf rund 80 digitalen Archiven sind Ausgaben der radikal nun zu lesen. Inzwischen ist diese Sperrung vollständig aufgehoben. November 96 Der letzte Abgetauchte taucht in Bremen auf. Dort findet eine Demo mit 250 Leuten statt, eine Veranstaltung und eine Pressekonferenz. Am folgenden Tag geht es dann nach Düsseldorf, wo der Haftbefehl nicht vollstreckt wird, aber die schon bekannten Auflagen festgelegt wurden. Dezember 96 In den Morgenstunden des 11.12.96 wird eine Wohnung nahe der deutschen Grenze in Vaals (Niederlande) durchsucht. Diese Aktion wird geleitet von Beamten des Bundeskriminalamtes. Dies sollte eigentlich umgekehrt sein, da das Hoheitsgebiet der Niederlande auch von deren Bullen kontrolliert werden sollte, denn der sog. 'kleine Rechtshilfevertrag' legt fest, daß ausländische Polizisten nur als Experten anwesend sein können, aber nicht, daß sie selbst aktiv werden dürfen. Dennoch wurde die Durchsuchung von der Justizministerin im Nachhinein gebilligt. Januar 97 Durchsuchungen in Berlin. Drei weitere Menschen werden von der Bundesanwaltschaft der Mitgliedschaft in der radi verdächtigt. Einer von ihnen ist auch ein Redakteur der Tageszeitung 'Jungen Welt', die in diesem Zusammenhang auch durchsucht wird. März 97 Erscheinen einer Dokumentation mit kriminalisierten Texten der radikal. In Münster werden 680 Exemplare in einem Auto sichergestellt und erneut eine Person der Mitgliedschaft beschuldigt. Die Dokumentation mutiert in den Händen der Bawisten zu der 'Frühjahrsausgabe der radikal'. In dem Rahmen finden wiederum Durchsuchungen in Berlin statt. April 97 Erneuter Versuch der BAW xs4all zu sperren, diesmal allerdings etwas ausgereifter. Die Computer des Deutschen Forschungsnetzes (DFN) wird mißbraucht, sodaß alle Verbindungen von diesem Computer nach XS4ALL unterbrochen werden. Diesem Angriff ging ein Ersuchen der BAW voraus. Aber auch hier war es so, daß die BAW nichts erreichte, außer, daß eine Liste von noch weiteren Computern, die einen mirror der radikal haben, einging. Diese wiederum zu sperren, hätte zur Folge gehabt, daß die BRD sich von internationalen Kontakten losgesagt hätte. Daraufhin kam es wieder zur Öffnung der Datenautobahnen. juni 97 Neue Infos zum Stand des radikal-Verfahrens Nachdem der Prozeßbeginn gegen die vier Angeklagten in Koblenz sich verschoben hat, wird erst einmal abgewartet (natürlich nicht untätig) bis der Beschluß vom BGH vorliegt. Dieser ist bisher nicht ergangen und müßte bis spätestens September erfolgt sein. Fünf Andere haben die Anklageschrift aus Düsseldorf erhalten. Dies hat uns ein wenig gewundert, weil wir damit gerechnet haben, daß sie den Beschluß des BGH abgewarten. Dem bearbeitenden Staatsanwalt ist die Sache von seiner Hausleitung aus der Hand genommen worden und diese hat dann die Anklageschrift zu verantworten gehabt. Der zuständigen Richter beim OLG-Düsseldorf hat sich widerum bei den AnwältInnen erkundigt, ob es generell Widersprüche gegen eine Einstellung des Verfahrens geben würde, was diese einheitlich verneinten. Danach hat der Richter darüber mit dem zuständigen Staatsanwalt Kontakt aufgenommen, der nun wieder mit seiner Hausleitung über eine Entscheidung in dieser Sache reden muß. Wir gespannt, wie sich die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf eine Einstellung äußern wird. Bei dieser ganzen Geschichte ist beinahe untergegangen, daß die Anwälte Beschwerde erhoben haben gegen die noch bestehenden Haftbefehle von vier der Beschuldigten. Die Entscheidung darüber wurde aber vorübergehend ausgesetzt. Dann ist es so, daß mindestens zwei Leute aus Münster ihr Verfahren voraussichtlich auch in Düsseldorf genießen können. Leider haben wir dazu aber nicht mehr Infos bekommen. aus Kassiber 32 September 97 das erste "radikal"-Verfahren ist vom Oberlandesricht Koblenz eingestellt worden. wir dokumentieren im folgenden den Beschluß des Oberlandesgerichts Koblenz zur Einstellung die Erklärung einiger Städte aus dem Soligruppenzusammenhang die Presseerklärung von den AnwältInnen der Angeschuldigten Artikel aus der Taz november 97 Beide "radikal"-Verfahren eingestellt Anfang Oktober stellte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf das Verfahren gegen fünf mutmaßliche Mitglieder einer angeblichen "kriminellen Vereinigung" (§ 129) - gemeint ist die Zeitung radikal - ein. Zwei Frauen aus Bremen müssen jetzt 2.000 bzw. 3.000 Mark Geldbuße an die Gerichtskasse zahlen, ein Bremer 6.000 und zwei Männer aus Oldenburg bzw. Köln jeweils 3.000 Mark. Das OLG vertrat die Ansicht, daß angesichts des langen Verfahrens und der Tatsache, daß die in Frage stehenden Straftaten sogenannte Presseinhaltsdelikte seien, kein "öffentliches Interesse" an einer Strafverfolgung mehr bestehe. Bereits im Sommer hatte das OLG Koblenz ein weiteres Verfahren gegen vier andere angebliche Redakteure der linksradikalen Zeitschrift eingestellt. Zur Bedingung machte das Gericht, daß die vier Männer aus Lübeck, Münster, Hamburg und Berlin je 1.000 Mark an medico international zahlen, außerdem dürfen sie keine Anträge auf Haftentschädigung stellen. Die vier waren bei der bundesweiten Razzia am 13. Juni 1995 festgenommen worden und saß dann bis Anfang Dezember desselben Jahres in Untersuchungshaft. aus Kassiber 33 Februar 98 radikal”-Verfahren werden eingestellt! Vermutlich Mitte Februar werden alle neun Hauptverfahren gegen angebliche radikal MitarbeiterInnen eingestellt sein. Nachdem die vier Angeklagten im Koblenzer Prozeß schon im August 1997, gegen Verzicht auf Haftentschädigung (wir erinnern uns: sie wurden bei den Durchsuchungen am 13.6.1995 verhaftet und saßen ein halbes Jahr im Knast) und Zahlung von 1.000 Mark an medico international, einer Einstellung zugestimmt haben, willigten die fünf, gegen die in Düsseldorf der Prozeß gemacht werden sollte, nun auch in eine Einstellung ein. Die bis Ende Januar zu zahlenden Beträge liegen zwischen 2.000 und 6.000 Mark. Das Verfahren gegen Jutta aus Bremen wurde schon im November, kurz nachdem der Beschluß bekannt wurde, gegen Zahlung von 3.000 Mark beendet. Die anderen beiden BremerInnen, Ulle und Matthes, müssen 2.000 DM bzw. 6.000 Mark aufbringen und diese bis Ende Januar bezahlen. Die Höhe der Summe richtet sich nach der vom Senat angenommenen Stellung bei der begangenen Tat (als sogenannter Rädelsführer zahlt mensch mehr) und nach den Einkommensverhältnissen. Die Verfahren wurden ohne sachliche Einlassung seitens der Beschuldigten nach § 153a beendet. Als Begründung nimmt das Gericht die Verfahrensdauer von weit über zwei Jahren und die damit verbundene Verjährung der jeweiligen radikal Ausgaben an. Weiterhin liegt die Schwere der Straftat, auch wenn es zu einer Verurteilung wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gekommen wäre, im Rahmen des oben genannten Paragraphen. Die Beschuldigten haben dieser Einstellung zugestimmt, weil es ihnen wichtig ist, daß die angestrebte Verurteilung zu einer „kriminellen Vereinigung“ nicht festgeschrieben wird. Bei einem Grundsatzurteil wäre es in der Zukunft einfach gewesen, das auf ähnliche Organisationzusammenhänge zu übertragen. Außerdem waren die Erfahrungen während der zurückliegenden Solidaritätsarbeit nicht immer positiv und alle sind angesichts der Vorstellung, die nächsten Jahre nicht in Düsseldorf im Prozeßbunker verbringen zu müssen. Drei weitere Verfahren, die in Düsseldorf gegen drei Menschen aus Münster geführt wurden, wurden bzw. werden gegen eine Zahlung von je 1.000 Mark zu den Akten gelegt. Der Prozeß, der in Berlin gegen Angela Marquadt wegen Unterstützung der radikal, sie hatte einen Verweis (link) auf ihrer Homepage eingerichtet, geführt wurde, ist Anfang Januar mit einem Freispruch ausgegangen. Trotzdem sind die Ermittlungen im Zusammenhang mit der radikal damit noch nicht beendet. Es laufen immer noch weitere Verfahren: so weit bekannt eins in Kiel, eins in Vaals (NL) und vier in Berlin. Es ist offen, ob diese Verfahren fallengelassen werden oder die Bundesanwaltschaft weiterhin daran interessiert ist an der radikal als „krimimelle Vereinigung“ zu basteln. Vergessen werden darf auch nicht, daß sie durch die Anwendung der Paragraphen 129 und 129a wiederum erfolgreich gewesen waren. Sie haben in den anderthalb Jahren der Observation bundesweit Aktenberge von Informationen über die jeweilige linksradikale Szene in den verschiedenen Städten gesammelt, die sie auswerten und benutzen können. In dem Zusammenhang haben sie einen konkreten Lauschangriff auf ein Ferienhaus in der Eifel über einen Zeitraum von einem halben Jahr aufgrund eines Landespolizeigesetz durchgeführt, obwohl uns derzeit vorgegaukelt wird, daß das bisher gesetzlich noch nicht möglich ist. aus Kassiber 34 Ende der Chronologie der radikal
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kombo(p) | kombo@riffraff.ohz.north.de | 30.7.1997