et ceterea ppf
3/98

Inhaltsverzeichnis

Impressum


Startseite von
et cetera ppf
ppf


THEMA: SCHLUSS MIT DEM MILITARISMUS

Horst Bethge

Bundeswehr raus aus der Schule

Im Rahmen der Frage nach einer angemessenen Friedenserziehung heute soll hier etwas genauer auf die Einrichtung der Jugendoffiziere eingegangen werden. Sie geht auf die 50-er Jahre zurück, als in der alten Bundesrepublik die Mehrheit der Jugendlichen kritisch zur Wiederaufrüstung stand. Sie sollten an den Schulen Propaganda für die Wehrpolitik der Bundesregierung machen.

Nach dem Wegfall der Blockkonfrontation gibt es keinen Grund mehr SchülerInnen mit Jugendoffizieren zu konfrontieren.

An Stammtischen, in Talkshows und in der Presse wird jetzt heftig die Frage diskutiert, woher es denn kommt, dass manche Jugendliche dazu neigen sich ihre Wünsche mit Gewalt zu erfüllen oder bei der Lösung von Konflikten Gewalt anzuwenden oder bei politischen Konflikten auf militärische Mittel einzusetzen.

Die Ursachen sind sicher vielfältig: Der so genannte "heimliche Lehrplan", nämlich Film- und Fernsehhelden wie Rambo, Terminator oder Karate-Kid vermitteln unbewusst Vorbilder. Interessante Spiele wie das neue "Digi-Mon", ein saurierähnliches Tamagotschi, ein Kampfmonster, das man mit harter Hand virtuell trainieren kann, dass es kämpft,,wenn man zwei Digi-Mons zusammensteckt, tun ein Übriges zur Gewaltverherrlichung.

Ein Drittes aber ist die softe Gewaltlösungspropaganda, die scheinbar alternativlos rational daherkommt, wie sie von 544 Jugendoffizieren, davon 94 hauptamtlich, im Range von Leutnant bis Hauptmann, Tag für Tag in allen Ländern der Bundesrepublik seit nunmehr 40 Jahren betrieben wird. Offiziell versteckt sich diese speziell geschulte Truppe unter dem Zeichen der Aufgabe, "Sicherheitspolitik und militärische Verteidigungspolitik den jungen Staatsbürgern verständlich zu machen" und "Informationsarbeit" auf dem Feld der "im weitesten Sinne politischen Bildung" zur Unterstützung der Schulen und Bildungseinrichtungen zu betreiben. "Die Grundlagen des soldatischen Dienens", "das Verhältnis Bundeswehr und Gesellschaft", "Aufgaben und Funktion der NATO sowie ihr strategisches Konzept und die Bundeswehr als Instrument der Friedenssicherung" gehören zur Themenpalette. Die kriegsverhindernde Rolle der UNO und OSZE, eine Kultur der Friedens, soziale Verteidigung und die Abschaffung der atomaren und chemischen Waffen, der Landminen und die weltweite Abrüstung gehören nicht dazu. Das ergibt sich aus dem neuesten "Jahresbericht der Jugendoffiziere 1997". Da die Jugendoffiziere nur auf Einladung in die Schulen und Bildungseinrichtungen kommen, muss heute die Frage gestellt werden: Sollen Jugendoffiziere eingeladen werden? Sollen Propagandisten für militärische Konfliktlösungen vor junge Menschen geholt werden?

Um eine Antwort zu finden, soll hier etwas genauer auf die Einrichtung der Jugendoffiziere eingegangen werden. In den 70er Jahren waren es die damaligen Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) und Helmut Schmidt (SPD), die wegen des Ansteigens der Wehrdienstverweigererzahlen bei den Kultusministern darauf drängten, "den Aufgaben der militärischen und zivilen Verteidigung im
Schulunterricht in den Fächern Gemeinschaftskunde und Geschichte eine besondere Beachtung zu schenken" ( 14. 5. 69).

Helmut Schmidt und Willy Brandt drängten die Kultusminister mehr Verständnis für die Rüstungspolitik "als Voraussetzung jeder Entspannungspolitik" an den Schulen zu verbreiten. Das Wehrmotiv sollte integrativer Bestandteil des staatsbürgerlichen Bewusstseins im Zeichen des "kalten Krieges" sein. Und damit sollte in der Schule begonnen werden. In den 80-er Jahren kam es dann im Zuge der Hochrüstung und der Friedensbewegung zum Streit zwischen dem damaligen Verteidigungsminister Apel (SPD) und den SPD- Kultusministern. Fortan unterschieden sich die Erlasse der SPD-regierten Bundesländer von denen der CDU: Abrüstung und Entspannung entsprechend den UNESCO- Empfehlungen traten gleichgewichtig neben die Themen Rüstung und Landesverteidigung in den SPD-Ländern. Das bildete die Basis für die Auftritte der Jugendoffiziere - westliches Pendant zum Wehrunterricht in der DDR. Beides geprägt von der politischen Blockkonfrontation. Die gibt es nicht mehr und auch nicht die DDR. Aber die verschiedenen "Wehrkundeerlasse" oder "Richtlinien zur Behandlung der Bundeswehr in Schulunterricht" gibt es noch unverändert. Und das nutzt die Bundeswehr weidlich: 200.671 SchülerInnen in 7.871 Veranstaltungen 1997, übrigens seit 1991 kontinuierlich steigend, wurden von Jugendoffizieren heimgesucht. 2.960 Truppenbesuche von SchülerInnen fanden 1997 statt, 4.277 Vorträge (l/4 mehr als 1991!). Aber auch Lehrer, Seminarleiter und Direktoren werden von Jugendoffizieren betreut und zur Truppe eingeladen. Schnellboot- und Panzerfahren scheinen beliebt zu sein: 2780 Veranstaltungen mit 68.948 Teilnehmern 1997. Auch Pfarrer, Journalisten und Jugendverbände erfreuen sich der Aufmerksamkeit der Jugendoffiziere. Das alles ist dem "Jahresbericht" zu entnehmen.

Verschwiegen werden aber auch nicht die Probleme, die die Jugendoffiziere haben, das schwindende Wehrmotiv zu erklären: "Wehrdienst und Zivildienst sind in ihrer Wertigkeit für Jugendliche absolut gleichwertig". Offensichtlich haben die Jugendoffiziere aber auch Probleme die rechtsradikalen Tendenzen in der Bundeswehr als "Einzelfälle" darzustellen. Auch durch die Ausstellung "Vernichtungskrieg, Verbrechen der Wehrmacht 1941-44", die Diskussion um die Abschaffung der Wehrpflicht sowie die Anschaffung des Eurofighters und die Aufnahme der Bundeswehrauslandseinsätze nahmen die Podiumsdiskussionen zu. Im Jahresbericht 1997 wird positiv berichtet, dass mit Volker C. Rühe am 27. 2. 97 erstmals seit 17 Jahren wieder ein Verteidigungsminister an der Sitzung der Kultusministerkonferenz (KMK) teilnahm und dass sich seitdem die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Schulbehörden verstärkt habe. Die konkreten Abmachungen blieben geheim, aber seitdem arbeiten Jugendoffiziere verstärkt an Lehrplänen und Unterrichtshilfen mit, in der Referendarsausbildung (in Bayern vorgeschrieben), in der Lehrerfortbildung. Es wäre schon interessant, zu erfahren, was in den einzelnen Bundesländern konkret verabredet worden ist. Berichtet wird in dem Jahresbericht aber auch "von offener Ablehnung" durch Schulen. "Es gibt auch noch Schulen, zu denen kein Zugang möglich ist, weil Schulleiter oder Fachbetreuer eine Unterstützung im Schulunterricht durch den Jugendoffizier grundsätzlich ablehnen". Der Kontakt zu Elternräten und Gewerkschaften wird als zu gering bezeichnet. "Viele Gymnasiasten verstanden die Entscheidung (zur Anschaffung des Eurofighters) nicht und bezeichneten den Eurofighter selbst als überflüssig". Auch Anzeigen in Schülerzeitungen wurden geschaltet: "Pause für Pauker - Sicherheitspolitik zum Anfassen". "Nach wie vor stellen Pädagogen eine kritische Gruppe dar", so resümiert der Jahresbericht. "Bei Diskussionen wird die Wehrpflicht zunächst als "Auslaufmodell" bewertet". Es würde zu weit führen, alle Kapitel des Jahresberichtes hier zu analysieren. Aber es zeigt sich schon an den Überschriften _ "NATO", "Europa", "USA", "GUS", "Deutsche Einheit", "UNO", "Friedensbewegung" - dass die Jugendoffiziere eine breite Themenpalette abdecken und auswerten. So heißt es z. B. zu Bremen: "Der dortige Jugendoffizier findet ein seit Jahren eher militärunfreundliches Klima vor. So hätten Teile der Bevölkerung immer noch eine radikal ablehnende Haltung gegenüber der Bundeswehr".

Abschließend sollte festgehalten werden, dass die politische Bildung grundsätzlich durch Lehrkräfte erfolgen sollte. Zivilgesellschaftliche Zielstellungen, dass politische Konflikte auch nur mit zivilen,
politischen und nichtmilitärischen Mitteln gelöst werden können, können natürlich nicht von Militärpersonen glaubwürdig vermittelt werden. Die deutsche Gesellschaft braucht kein neues Wehrmotiv, keine neue Begründung zur Aufrechterhaltung der Hochrüstung, sondern systematische Friedenserziehung als Teil einer "Kultur des Friedens" (UNESCO).

Darum hat die Bundeswehr in der Schule nichts zu suchen, darum sollte deren direkter und indirekter Einfluss auf Schule, Bildung und Hochschulen in den Ländern von einer kritischen Öffentlichkeit viel genauer beobachtet werden.

(Aus hlz, Zeitschrift der GEW Hamburg, August-September, 8-9/98)


et cetera ppf
3/98

Inhaltsverzeichnis

Impressum


Startseite von
et cetera ppf
ppf