Asylrecht

Frauen im Asylverfahren

Frauen sind in spezifischer Weise Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Frauenspezifische Fluchtgründe werden im Asylverfahren jedoch ungenügend berücksichtigt. Die Verfolgung von Frauen wird bagatellisiert. Viele dieser Frauen erhalten kein Asyl. Sie werden mit ihren spezifischen Verfolgungserlebnissen im bundesdeutschen Asylverfahren häufig abgelehnt. Der Hauptgrund liegt darin, daß die Gewalt gegen Frauen als nicht-"politisch" und damit als asylunerheblich bezeichnet wird, sowie in den Ausschlußmechanismen, die von der Asylrechtsprechung entwickelt wurden, aber auch in fehlendem Problembewußtsein und mangelnder Sensibilität der mit Asylentscheidungen befaßten Personen und Institutionen.

Asylgründe und Verfolgungstatbestände müssen glaubhaft gemacht werden. Hierfür wird von den Gerichten als erforderlich angesehen, daß Asylbewerber/Asylbewerberinnen ihr Verfolgungsschicksal vom ersten Tag an gegenüber allen Entscheidungsträgern möglichst ausführlich, anschaulich und bis ins Detail identisch vortragen (siehe Erstanhörung). Dies wird auch von den Frauen erwartet, obwohl offenbar sein müßte, daß eine Frau die erlittenen Demütigungen und Mißhandlungen, die meist ihren Intimbereich berühren, nicht "anschaulich und detailliert erzählen" kann, schon gar nicht gegenüber fremden Männern. Frauen wird in vielen Fällen deshalb ihr Verfolgungsschicksal nicht geglaubt.

Eine Verfolgung wird nur dann als politisch bewertet, wenn jemand wegen seiner "Rasse", Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt ist. Die meisten Gerichte verneinen, daß die Verfolgungshandlungen gegenüber Frauen an eines dieser asylerheblichen Merkmale anknüpfen. So wird das Politische als nicht politisch interpretiert. Es wird verkannt, daß die menschenrechtswidrige Bedrohung von Frauen, denen beispielsweise für die Verletzung des Arbeitsverbotes oder der Kleiderordnungen hohe Strafen drohen, ein religiös verbrämter Machtmißbrauch ist.

Frauenspezifische Verfolgungen werden außerdem meist als private Übergriffe durch Dritte bewertet, auch wenn die Verfolger ihre Stellung als Amtsperson mißbrauchen und/oder der Staat die Verfolgungen stillschweigend duldet und den erforderlichen Schutz versagt.

Im Falle der Rückkehr (der Antragstellerin) ins Heimatland muß die Gefahr der erneuten Verfolgung vorhanden sein. Soweit z.B. eine Vergewaltigung überhaupt als Verfolgung bewertet wird, wird regelmäßig die Gefahr der Wiederholung verneint. Es wird verkannt, daß Frauen, die frauenspezifische Verfolgungen erlitten haben, in vielen Fällen aus Sicht ihrer Religion, ihrer Ethnie... Schande über sich und ihre Familien gebracht haben und nach einem rigiden Sittenkodex verstoßen werden. Diese Frauen verlieren in der Folge den Schutz ihrer Familie oder Gruppe und müssen weitere Übergriffe befürchten.

Behauptet wird immer wieder, dem Bundesamt würden inzwischen zusätzliche Informationen zur geschlechtsspezifischen Verfolgung in bestimmten Ländern (insbesondere durch das Auswärtigen Amt) zur Verfügung gestellt. Tatsächlich findet sich ein entsprechendes Stichwort in den Mustergliederungen für die Lageberichte, die die deutschen Auslandsvertretungen für das Auswärtige Amt vorlegen. Liest man sich solche Berichte, so zeigt sich: Es mangelt offensichtlich an Sensibilität für das Thema. In den meisten Fällen werden dürftige Pflichtübungen abgeliefert, denen ersichtlich weder Interesse noch Recherche zugrunde liegen. In anderen Fällen wird einfach behauptet, geschlechtsspezifische Verfolgungstatbestände gebe es in dem jeweiligen Land nicht.

Gibt es einmal eine positive Entscheidung, die anerkennt, daß Frauen in einem konkreten Fall zumindest des Schutzes für Leib und Leben bedürfen, so klagt der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten oft dagegen.

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