Einige Hintergrundinformationen zur ZASt Blankenburg
und zu bundesdeutschen Lagern:

1982 wurde im Asylverfahrensgesetz die Unterbringung von Asylsuchenden im Lager zur "Sollvorschrift" und 1992 sogar für obligatorisch erklärt. Bis 1982 konnten Flüchtlinge u.a. wegen der damaligen Arbeitserlaubnis ihren Wohnraum und -ort selbst bestimmen und finanzieren.
Die Intention der Lager wird offen zugegeben. In einem Erlass des Innenministeriums von 1980 wird ausdrücklich festgestellt, dass es Zweck der Lager ist, "in den Asylsuchenden den Wunsch hervorzurufen in ihre Herkunftsländer zurückzukehren" und "potentiellen Neuankömmlingen entgegenzuwirken." (zit. n. Informationsbrief Ausländerrecht11/12 1983) Deutlicher drückte es 1982 der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth aus: "Die Buschtrommeln werden in Afrika signalisieren - kommt nicht nach Baden-Württemberg, dort müsst ihr ins Lager."
1991 wurde 6 km von Oldenburg entfernt die ZASt Blankenburg für 600 bis 800 Menschen errichtet. Der damalige Oberstadtdirektor Wandscher handelte mit dem damaligen niedersächsischen Innenminister Trittin eine Vereinbarung aus, dass mit der Einrichtung der ZASt die Stadt Oldenburg von der landesweiten Zuteilungsquote herausgenommen werde, denn Oldenburg sei durch die ZASt bereits genug "belastet".

Lager haben den Charakter einer "totalen Institution": Sie beschränken den sozialen Verkehr der zwangsweise dort untergebrachten Menschen mit der Außenwelt; sie schränken die Freizügigkeit ein (durch dingliche Hindernisse wie Tore, Zäune, Mauern, Gitter, aber auch durch schlechte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr). Die verwaltungstechnische Organisation des Lebens an immer demselben Ort und innerhalb des Zwangskollektivs schafft eine 'künstliche' Welt, in der die Handlungsfreiheit von Menschen eklatant eingeschränkt und Flüchtlingen das Recht auf Selbstbestimmung entzogen wird.
Dies geschieht nicht zuletzt dadurch, dass alle relevanten Behörden unmittelbar im Lager vorhanden sind und permanenten Zugriff auf die Menschen haben. Auf dem Gelände der ZASt Blankenburg befinden sich Außenstellen der Ausländerbehörde, des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, des Gesundheitsamtes, des Sozialamtes und der Kriminalpolizei, Arrestzellen für Abschiebehäftlinge, der Allgemeine Sozialdienst und das Diakonische Werk.
Außerdem gibt es Wachdienste, die zum Teil Polizeivollmachten erhalten, d.h. sie dürfen Flüchtlinge verhaften, festsetzen, überprüfen und durchsuchen. Die Räume der Flüchtlinge können jederzeit von HausmeisterInnen, BetreiberInnen und PolizistInnen begangen werden. Es gibt einEn PförtnerIn am Eingang, der/die Ein- und Ausgangskontrollen von BewohnerInnen des Lagers sowie von deren BesucherInnen durchführt. Oft werden diejenigen, die versuchen, die Zustände im Lager zu dokumentieren, des Geländes verwiesen.
Menschen, die im Lager leben, erhalten neben einer Aufenthaltsgestattung oder Duldung einen Lagerausweis mit Foto und Nummer. Diesen Ausweis müssen sie bei Eingangskontrollen und polizeilichen Razzien vorzeigen. Registriert werden in diesem Ausweis auch der "Besuch" der Gemeinschaftsverpflegung, Erkennungsdienstliche Behandlung und Untersuchungen beim Gesundheitsamt.

Wenn Gemeinschaftsräume vorhanden sind (in Blankenburg gibt es keinen), liegen sie zur Kontrolle häufig gegenüber den Räumen des Wachdienstes. In der Regel sind sie zu klein (z.B. 30 m2/300 Personen) und völlig unzureichend ausgestattet, so dass sie nicht zur Nutzung einladen. Dies ist mit einem 'Versammlungsverbot' gleichzusetzen und fördert die Vereinsamung von Menschen. Darüber hinaus wird so Protestaktionen gegen die Kasernierung die Grundlage entzogen, weil die Menschen untereinander keinen Kontakt herstellen können.
In Lagern herrscht das Sachleistungsprinzip vor. In ZASten sind die Menschen gezwungen, an der Gemeinschaftsverpflegung teilzunehmen, das eigene Kochen, meist selbst von Heißgetränken, ist verboten.
Das Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens ist auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt, d.h. für die BewohnerInnen der ZASt Blankenburg die Einschränkung der Bewegungsfreiheit auf das Stadtgebiet Oldenburg. Verwandte und FreundInnen, die außerhalb des Aufenthaltsbezirks der Asylsuchenden wohnen, dürfen nur mit einer Sondergenehmigung besucht werden.

Auf der einen Seite existiert keinerlei Privatsphäre aufgrund der beengten Wohnsituation, auf der anderen Seite erfahren Flüchtlinge die völlige soziale Isolation. Die Unterbringung erfolgt in Mehrbettzimmern. Dazu kommt die regelmäßige Meldepflicht und die regelmäßigen Verhöre durch MitarbeiterInnen der Ausländerbehörden, um die Flüchtlinge psychisch unter Druck zu setzen, Deutschland zu verlassen sowie die fortwährende Kontrolle durch Sicherheitsdienste. Auch BesucherInnen der ZASt müssen ihren Personalausweis hinterlegen und dürfen das Gelände nur betreten, wenn sie genaue Angaben über den/ die zu Besuchende/n machen. Ankunfts- und Abfahrzeiten werden notiert. Für die Flüchtlinge kommen zudem willkürliche Zimmerdurchsuchungen nach Papieren, persönlichen Briefen oder anderen Dokumenten hinzu. Zur Feststellung des Herkunftslandes werden Sprachanalysen durchgeführt.
Diverse Untersuchungen belegen, dass das Lagerleben akut gesundheitsgefährdende Folgen hat. Für Überlebende von Folter,Verfolgung und Vergewaltigung bedeutet das Leben im Lager und die Auseinandersetzung mit den rassistischen und sexistischen rechtlichen und sozialen Bedingungen in der BRD oftmals eine Retraumatisierung und Reaktualisierung. Vor diesem Hintergrund wiegt die mangelnde medizinische und fehlende therapeutische Hilfe doppelt schwer. Eine ärztliche Grundversorgung ist nur mit Genehmigung der zuständigen Behörden möglich.

Lagerleben bedeutet auch, dass dort für asylsuchende Menschen unterschiedlicher/n Herkunft, Klassenzugehörigkeit, Hautfarbe, Geschlechts, sexuelle Orientierung, Alters usw. vielfältige und komplexe Formen strukturierter sozialer Ungleichheit zum Tragen kommen. Frauen im Lager sind täglich mit sexuellen Belästigungen konfrontiert. Sie haben keine Schutzräume. Häufig sind z. B. die Waschräume nicht abschließbar und zu ihren Zimmern hat das Wachpersonal die Zimmerschlüssel. In der Regel sind Frauen auch für die Kinder verantwortlich (gemacht worden), was in der Situation im Lager eine zusätzliche Belastung sein kann. Es gibt Aussagen, die belegen, dass Frauen teilweise sogar bewusst mit Männern zusammen untergebracht werden, da sie angeblich für einen "gewissen inneren Frieden" sorgen.

Zu weiterführenden Information wird die Broschüre "invisible walls" - provinzielle deutschen Anti-Flüchtlingspolitik, herausgegeben von der Projektgruppe "Flucht und Migration" an der Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg, empfohlen. Diese Broschüre beschäftigt sich u.a. mit der Geschichte des Lagers in Blankenburg, mit Lagerpolitik und die aktuelle Flüchtlingspolitik. Zu beziehen ist diese Broschüre über die Medienbus-Adresse.