Seeblättle <<  >>  Quelle:  Seeblättle  Jg. 2001  Nr.1


Verwirrte GVO-Debatte

Biotechnologien, Spreu und Weizen

Die politischen Debatten in diesem seltsamen Jahr 2000 scheinen sich immer mehr zu virtualisieren: die Begriffe werden dabei ihres materiellen Gehaltes beraubt, mit verschiedenen, oft widersprüchlichen Bedeutungen belegt und dann weniger diskutiert als vielmehr wie Wortfahnen von den gegensätzlichen Lagern geschwenkt.Dies scheint auch in der Diskussion über die sogenannten Gen-Techniken der Fall zu sein.

Gentechnik ist die Übertragung genetischer Information von einem Organismus auf einen anderen bzw. deren Modifikation. Die Geninformation (das Gen) ist ein Fragment der DNA (DesoxyriboNucleinAcid), welches dem Organismus, in den es eingepflanzt wird erlaubt, den Lebensbaustein Protein zu bilden. Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) sind weder geheimnisvolle Golems noch Frankensteins, sondern sehr konkrete, materielle Organismen mit einem ebenso materiellen Gen eines anderen Organismus.

Mögliche Gefahren für Gesundheit, Umwelt und Gesellschaft sind abhängig vom Organismus, vom Gen und vor allem vom Ergebnis ihrer Wechselwirkung, das nicht in ihrer einfachen Addierung besteht. Die Moleküle, aus denen ein Organismus zusammengesetzt ist, sind durch ein komplexes Geflecht miteinander verbunden, welches durch Empfang und Übertragung interner und externer Signale gesteuert wird, welche die verschiedenen Funktionen an-, abschalten oder regeln. Daraus folgt, daß durch die Veränderung von Beschaffenheit, Menge, zeitlicher und räumlicher Verteilung einer Komponente zwangsläufig andere verändert werden und zwar umso mehr, je wichtiger das veränderte Molekül ist. Als man z.B. 1981 in ein befruchtetes Mäuse-Ei ein menschliches Wachstumshormon eingefügt hatte, kam zwar eine viel größere Maus auf die Welt, aber mit komplexen Stoffwechselveränderungen, die sie nicht zu einem bösen Monster, eher zu einem armen, kurzlebigen Geschöpf werden ließen. Bei der Genübertragung ist also die nicht vorhersehbare Wechselwirkung zwischen Gen und Wirt-Organismus sowie zwischen diesem und der Umwelt zu beachten. So könnte der GVO negative Auswirkungen haben etwa für die Landwirtschaft, für die Gesundheit des Verbrauchers oder für das Ökosystem, in das er eingefügt wird. Bei Verträglichkeitsprüfungen sind die Auswirkungen also dynamisch (d.h. in die Zukunft gerichtet), global (auf alle Elemente bezogen, die direkt oder indirekt mit dem GVO in Wechselwirkung treten können) und unter Anwendung des Vorsichtsprinzips zu analysieren.

Leider führt der Virtualisierungsprozeß dazu, daß sich die Debatte nur auf einige GVO konzentriert, die als stellvertretend für die ganze Gentechnik betrachtet werden; andere, auch gefährlichere werden ignoriert und die Diskutanten teilen sich binär (ja/nein) in Ablehner und Befürworter des Veränderungsprozeßes an und für sich und nicht seiner einzelnen Produkte. Auf diese Weise sind die biologischen Waffen von der Debatte ausgeschloßen, die im allgemeinen aus Bakterien bestehen, die gewöhnlich im Körper vorhanden sind und seit den 80er Jahren unter militärischer Geheimhaltung zu Giftstoff-Produzenten umfunktioniert werden; ferner jene genveränderten Bakterien , die für Umwelt- und Bodensanierungen eingesetzt werden oder jene, die zur besseren Fermentierung von Milchprodukten entwickelt wurden, auch wenn diese in der Regel zwar positive, potentiell aber auch negative Auswirkungen haben können; schließlich, und diesmal zuim Glück, die Bakterien, die zur Herstellung neuartiger Medikamente verwendet werden. Gegenstand der erhitzten Diskussion sind hingegen gentechnisch veränderte Tiere, die jedoch bisher noch nicht auf dem Markt vorhanden sind, und vor allem Pflanzen und deren Folgeprodukte als Nahrungs- ud Futtermittel, die sich bereits tatsächlich im Handel befinden. Diese bestehen im wesentlichen aus zwei Arten.

In über 90% der im Handel befindlchen GVO wurden Gene eingeschleust, welche die Pflanze resistent gegen bestimmte Herbizide oder Insekten machen. Die Resistenz gegen Herbizide verleiht ein Enzym, das diese in der Pflanze zerstört, die gegen Insekten ein Giftstoff, der von Bakterien produziert wird und gewöhnlich auch von Biobauern als natürliches Pestizid verwendet wird. Die mit diesen Genen veränderten Pflanzen sind vor allen Mais, Baumwolle und Soja. Die Anbaufläche war 1996 noch relativ klein, erreichte bis 1998 eine der gesamten Ackerbaufläche Italiens entsprechende Ausdehnung, blieb 1999 konstant und verringerte sich in 2000 um geschätzte 10 bis 20%. Der durch den Anbau von insektenresistentem Mais erzielte Gewinn im Vergleich zum Anbau herkömmlicher Sorten hängt vom Schädlingsbefall des jeweiligen Jahres ab. Bei Soja wird dieser Gewinn der entsprechenden US-Farmer auf 6-7% geschätzt. Resistente Baumwolle wirft bislang wesentlich mehr Gewinn ab, je nach dem Schädlingsbefall des jeweiligen Jahres; durch das Auftreten neuer giftresistenter Schädlinge wird der Gewinn geschmälert. Die gegenwärtige Verringerung der Anbaufläche hängt vom Rückgang der GVO-Verkaufspreise sowie von der Entscheidung vieler Weiterverarbeitungsfirmen ab, diese Produkte nicht mehr zu verwenden, da sie von den Verbrauchern immer weniger akzeptiert werden.

Die Gesundheitsrisiken bestehen in möglichen allergischen Reaktionen,,Antibiotika-Resistenzen oder im Verbleib von Herbiziden an Pflanzen, die kurz vor der Ernte behandelt wurden. Vorteile für den Verbraucher gibt es nicht, da GVO gegenüber herkömmlichen Nahrungsmittel keine verbesserten Eigenschaften aufweisen. Einzige Ausnahme dürfte eine sehr wenig verbreitete Samenöl-Pflanze mit verbesserten Nährwert-Eigenschaften sein.

Die Umweltrisiken leiten sich ab aus der erhöhten Verwendung von Herbiziden, aus der möglichen Gen-Übertragung auf die Spontanvegetation und aus der Auswirkung der "Bio-Pestizide" auf Nützlinge (in jedem Fall jedoch geringer als die chemischer Pestizide). Auch die Auswirkung auf die Bio-Diversität könnte schwerwiegend werden, wenn die relativ wenigen GVO die herkömmlichen Arten von den Anbauflächen verdrängen würden.

In einer Situation, in der das gentechnische know how auf relativ wenige Menschen beschränkt ist, die fast alle im Norden des Globus leben, liegt das Hauptproblem wieder einmal nicht so sehr oder nicht nur in den Techniken, sondern darin, wer über sie entscheidet und wer sie ausführt. Die Starrheit der Märkte wird verschärft durch die gentechnischen Patente, die sich über die eingschleusten Gene, die molekularen Hilfsmittel und die Prozesse erstrecken. Der Patentschutz kann auch auf Produkte ausgedehnt werden, in denen GVO vorhanden sind, Diese Patent-Aneignung, die Kluft im know how, die geringe Qualität und die Risiken der zur Zeit gehandelten GVO und nicht irgendwelche ethische Prinzipien sind die Motive der Seattle-Bewegung oder zumindest der Entwicklungsländer in dieser. Im Besonderen fordern die Länder des Südens, daß die Patentgesetzgebung so verändert wird, daß biologische Arten und Naturprodukte, die über Jahrhunderte von ihnen erhalten und verbessert werden, nicht patentierbar sind; sie wollen diese dem Norden nur im Austausch gegen technologisches know how und gegen Beiträge zu deren Bewahrung zugänglich machen.


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linksrheincm26.02.2001