linksrhein Quelle: AZW Nummer 07, erschienen am 03.08.1995
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Algerische Flüchtlinge

Benachrichtigung im Todesfall!

Die Konstanzer Ausländerbehörde erhebt unverändert sensible Daten für das algerische Generalkonsulat. Gleichzeitig wird die Abschiebung algerischer Flüchtlinge vorbereitet. Hieran ändern auch die jüngsten Berichte von Amnesty International zur katastrophalen Menschenrechtssituation in Algerien nichts.

Als jüngst ein algerischer Deserteur, der hier einen Asylantrag gestellt hat, die Konstanzer Ausländerbehörde aufsuchte, um seine Duldung verlängert zu bekommen, legte ihm ein Mitarbeiter der Konstanzer Ausländerbehörde einen umfangreichen Fragenkatalog des algerischen Generalkonsulats vor. Neben Namen und Adresse wurde der Flüchtling nach den Gründen seiner Ausreise, nach seiner Militärdienstzeit sowie nach etwaigen Inhaftierungszeiten befragt. In einem weiteren Formular fragt der BGS auch gleich noch an, wer denn im Todesfall zu benachrichtigen sei. Als er sich weigerte, den Fragebogen auszufüllen, erklärte ihm der Mitarbeiter der Ausländerbehörde, daß seine Duldung nicht verlängert wird, weil er seiner "Mitwirkungspflicht nicht nachkommt". Der Flüchtlinge muß nun - ohne Duldung - damit rechnen, jederzeit in Abschiebehaft genommen und nach Algerien abgeschoben zu werden. Ab sofort steht dem Flüchtling keine Sozialhilfe mehr zu.

Kein Einzelfall. In Konstanz ist zumindest noch eine algerische Familie akut von Abschiebung bedroht. Weitere algerische Flüchtlingsfamilien warten noch auf das Ergebnis ihrer "Einzelfallprüfung", die ihnen vom Regierungspräsidium Freiburg nach der breiten Mobilisierung gegen die Abschiebung algerischer Flüchtlinge zu Anfang dieses Jahres zugesagt worden war. Doch auch ihre Duldungen wurden nur noch um zwei Monate verlängert. Mensch muß kein Prophet sein, um ihr negatives Ergebnis vorauszusagen.

Auf Anfrage einer Mitarbeiterin des AK Asyl bestätigte der Leiter der Konstanzer Ausländerbehörde, Fischer, die Befürchtung, daß ab sofort alle algerischen Flüchtlinge wieder mit Abschiebung rechnen müssen, wenn ihr Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde. Nach monatelangen Verhandlungen zwischen dem Innenministerium und den algerischen Behörden sind diese nun offensichtlich bereit, auch ohne den Abschluß eines Rücknahmeabkommens aus ihrem Land geflohene Menschen zurückzunehmen. Diese mitterweile übliche Form der deutschen Behörden, sich mißliebiger Ausländer mittels Geldzahlungen und dem Abschluß eines Rücknahmeabkommens zu entledigen, scheiterte nach Aussagen eines Mitarbeiters des Auswärtigen Amtes daran, daß die algerischen Behörden sich geweigert haben, irgendwelche Verfahrensgarantien für die RückkehrerInnen zu geben.

Nach dem jüngsten Bericht von Amnesty International vom April dieses Jahres müssen abgeschobene algerische Asylsuchende damit rechnen, nach ihrer Rückkehr Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden. Die Menschenrechtsrechtsorganisation berichtet davon, daß es im Gewahrsam der algerischen Sicherheitskräfte routinemäßig zu Mißhandlungen und Folgerungen der Inhaltierten kommt. Auch bei extralegalen Tötungen und bei Fällen von "Verschwindenlassen" ist ein erheblicher Anstieg zu verzeichnen. Amnesty spricht insgesamt von einer sich immer mehr verschlechternden und verschärfenden Menschenrechtssituation seit Herbst letzten Jahres.

All dies scheint jedoch für deutsche Behörden kein Anlaß, ihre Abschiebepraxis einzustellen und ihre Zusammenarbeit mit dem Verfolgerstaat Algerien zu beenden. Die Erhebung der oben erwähnten persönlichen Angaben erfolgt weiterhin durch die lokalen Ausländerbehörden im Auftrag des Generalkonsulats.

Die Mitteilung des Innenministerium vom April, das algerische Generalkonsulat habe sich bereit erklärt, das oben erwähnte Formular zurückzuziehen und ein anderes zu entwickeln, das lediglich die Angaben enthält, die zur Feststellung der Identität erforderlich sind, ist nach Aussagen des Regierungspräsidiums überholt, so die lapidare Behördenauskunft. Genauso überholt wohl wie der Anspruch an staatliche Behörden, daß es ihre vornehmste Aufgaben ist, die Menschenwürde aller hier lebenden Menschen zu achten und zu schützen. Die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt hierauf, steht im unmaßgeblichen Artikel 1 des Grundgesetzes. Ebenso wie nach Auffassung dieses aus der Mode gekommenen Werkes, jeder habe das Recht auf Leben und körperliche Unversehrheit.

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