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cm, Konstanz 22. 10. 99

Göttingen, 17. November 1989: Geleitschutz für randalierende Faschisten durch Polizei

Gegen 20.50 Uhr stehen 6 - 8 Antifaschistinnen vor der Kneipe 'Apex' in der Burgstraße in Göttingen. Ca. 8 Nazi-Skinheads, kommen mit Knüppeln bewaffnet aus der Kneipe und versuchen, die Antifaschistinnen anzugreifen. Es kommt zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf zwei Skinheads verletzt werden. Als die Polizei eintrifft, ist die Prügelei bereits beendet. Während sich die Arrtifaschistinnen zerstreuen, eskortiert die inzwischen eingetroffene Polizei die Skinheads aus der Innenstadt.

Antifaschistinnen geraten in Hinterhalt der Polizei

Andere Leute, die nach diesem Zwischenfall informiert werden, treffen sich kurze Zeit später vor einer Kneipe etwa 500 Meter vom Apex entfernt. Diese Gruppe (ca. 30 Leute) geht Richtung Innenstadt, um nach dem Verbleib der Skinheads zu sehen. Am Ende der Fußgängerzone, In der Höhe der Stadtsparkasse, ist die Weender Straße von der Polizei abgesperrt worden. Was die Gruppe zu dieser Zeit nicht wissen kann, ist, daß die Polizei gleichzeitig mehrere Streifenwagen, eine Hundestaffel und Zivilstreifenwagen zusammenzieht, um eine Falle zu stellen. Als die Antifaschistinnen in der Stichstraße zwischen Maschmühlenweg und Weender Landstraße angelangt sind, bemerken sie, daß die beiden Zivilstreifenwagen, die sie zuvor im Maschmühlenweg stehen sahen, ebenfalls in die Stichstraße einbiegen und ihnen folgen. Zwischen dem Leiter der Zivilen Streifenkommandos, der sich in einem der beiden Wagen befindet, und dem Dienstabteilungsleiter des 1. Reviers kommt es zu folgendem Funkdialog: "Ich würde sagen, wenn wir genügend Leute sind, sollten wir sie plattmachen" Die Antwort lautet: "Laß noch warten, bis noch mehr Grün-Weiße da sind. Dann haben wir sie."

Polizei treibt Antifaschistln vor ein Auto

Im Weitergehen wird für die Leute in der Gruppe erkennbar, daß sie nicht nur von den Zivilpolizisten hinter ihnen verfolgt werden, sondern auch vorn an der Einmündung zur Weender Landstraße uniformierte Polizisten stehen. Das Blaulicht der an der Straße abgestellten Streifenwagen ist nicht angeschaltet, wodurch die Situation für herankommende Autofahrerinnen sehr schwer zu erkennen ist. Die Fahrbahn ist nicht abgesperrt, der Verkehr läuft weiter. Einige aus der Gruppe der Antifaschistinnen sind bereits unbehelligt an den Polizisten vorbeigegangen und haben den Mittelstreifen auf der Weender Landstraße erreicht, als plötzlich mehrere Polizisten mit gezogenen Knüppeln auf die noch In der Nebenstraße Befindlichen einstürmen, um einzelne festzunehmen. Conny versucht, den auf sie zulaufenden Polizisten in die einzig mögliche Richtung auszuweichen: In die Mitte der Straße. Ein Wagen, der mit hoher Geschwindigkeit herankommt, erfaßt Conny und schleudert sie mehrere Meter durch die Luft. Reglos bleibt sie auf der Straße liegen.

... und verweigert Erste Hilfe

Keiner der Betroffenen wird die Scheußlichkeit der nun folgenden Szenen jemals vergessen können. Ein Polizist mit Hund und gezogenem Schlagstock versucht Antifaschistinnen, die Conny Erste Hilfe leisten wollen, zu vertreiben und fordert sie auf, sich gleich daneben zu legen. Die Bitte an die Polizei, unter den inzwischen zahlreich eingetroffenen Schaulustigen eine medizinisch geschulte Person ausfindig zu machen, wird ignoriert. Stattdessen kommt es in diesen Minuten zu weiteren Attacken und Festnahmeversuchen. Der ca. 10 Minuten nach dem Zusammenstoß eintreffende Notarzt kann nur noch Connys Tod feststellen.

Tod der Antifaschistin Conny: Kein Unglück, sondern absehbare Folge dieses Polizeieinsatzes

Es ist ein Tod, der direkt mit dem erfolgten Polizeieinsatz zusammenhängt. Ein zum Schutz von Faschisten einkalkulierter Tod, den die Göttinger Polizei nicht nur moralisch zu verantworten hat. Warum?

Deutsche Polizisten schützen die Faschisten

Bereits seit Monaten war es regelmäßig an jedem Wochenende zu Auseinandersetzungen mit Neofaschisten und Nazi-Skins gekommen. Die Göttinger Polizei beobachtete Wochenende für Wochenende das Treiben der Faschisten, ohne auch nur einmal entscheidend gegen diese vorzugehen. Kein Wunder also, daß die Auseinandersetzungen immer häufiger und brutaler wurden. Die Polizei verhält sich jedoch nicht nur zurückhaltend und tolerant den Neofaschisten gegenüber, sie geht auch entschlossen gegen alle aktiven Antifaschistinnen vor, die den Wochenendterror nicht tatenlos hinnehmen wollen. So auch an jenem Freitag.

Wut und Trauer über den Tod von Conny

Schon in der Nacht nach Connys Tod kommt es in Göttingen und anderen Städten zu spontanen Protestaktionen. In Konstanz werden in der Nacht zum Sonntag die Dienstgebäude der Polizei in der Mainaustraße, am Lutherplatz sowie in der Wollmatingerstraße mit den Parolen "Gegen Polizei- und Faschistenterror - Trauer um Conny" und "Polizei = Mörder" besprüht. Ferner werden die bei der Kapelle am Riesenberg anläßlich des "Volkstrauertages" niedergelegten Kränze verbrannt und die Kapelle mit den Parolen "Kampf gegen Militarismus und Faschismus - Rache für Conny - Am 17.11. von den Bullen in Göttingen ermordet" besprüht. Dieser Tag ist alljährlich Anlaß für Chauvinisten, Revanchisten und Militaristen auf ihre für das Vaterland vollbrachten Heldentaten zu verweisen und die Opfer faschistischen Terrors ein weiteres Mal durch deren Gleichsetzung mit ihren Henkern zu schänden.

Demo in Konstanz gegen faschistischen Terror und staatliche Gewalt

Am Montag ruft das Antifaschistische Komitee Konstanz zu einer Kundgebung und Demonstration durch die Innenstadt auf, um gemeinsam die Trauer um Conny zu bekunden und gegen faschistischen Terror und staatliche Gewalt zu protestieren. "Für uns ist der Tod der Göttinger Antifaschistin Conny kein Zufall. Auch in Konstanz haben wir oft genug die Erfahrung gemacht, daß es der Polizei nicht nur darum geht, Faschisten zu schützen, sondern den antifaschistischen Widerstand anzugreifen und gezielt zu kriminalisieren. Die Polizei spricht zwar von einem "Unglück" allerdings ist der Tod eines Menschen bei den Aktionen der Polizei oft genug einkalkuliert. Wer Menschen mit Knüppeln auf eine Schnellstraße treibt, wer Menschen mit Knüppeln bis zur Bewußtlosigkeit auf den Kopf schlägt, der nimmt billigend in Kauf, daß dabei auch einmaf jemand stirbt. Dies tut die westdeutsche Polizei nahezu täglich. Die bürgerlichen Medien übernehmen die Polizeiversion vom "tragischen Unglück". Wegen dem Tod der Antifaschistin Conny kann sie nur verschleiern, was sie sonst verschweigt: das Zusammenwirken von faschistischem Terror und staatlicher Gewalt wurde in seiner brutalsten Form erneut offensichtlich. Wir haben endgültig die Schnauze voll von der gemeinsamen Brutalität der Faschisten und der Polizei. Wir als Antifaschistinnen sagen nicht nur aus unserer spontanen Trauer und Wut, sondern auch aus der Erfahrung, daß uns Faschisten und Polizei bewußt angreifen, daß wir dabei sterben können. Wir erinnern an Klaus Rattay und Günter Sare, die ihr Leben bei ähnlichen Hetzjagden der Polizei verloren haben.

Wer dazu schweigt und den antifaschistischen Kampf hier und heute nicht unterstützt, hat aus der jüngsten Geschichte nichts gelernt. Wer Augen und Ohren nicht zumacht, kann die Anfänge des Faschismus nicht erst seit gestern hier in der BRD erleben."

100 Menschen versammeln sich an diesem Abend auf dem Obermarkt. Eine Dokumentation zum Tod von Conny wird verteilt, in der nochmals genau über die Umstände informiert wird, die dazu führten, daß Conny von der Polizei in den Tod getrieben wurde. Eine Notwendigkeit, "da die bürgerliche Presse - mit der Politik der Herrschenden gleich geschaltet - nichts bringt oder nur Polizeiberichte abschreibt. Zusammenhänge werden wie immer verschwiegen, wenn möglich wird sofort gegen Antifaschistinnen gehetzt." Die Parolen der Demonstrantinnen richten sich auch während der Demonstration insbesondere gegen die Zusammenarbeit des Polizeiapparates mit den Faschisten.

Polizei ermittelt gegen 6 Antifaschisten

Gegen sechs der Polizei namentlich bekannte Antifaschisten leitet die Polizei im Anschluß an die Demonstration ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung ein. Ihnen wird vorgeworfen, die bei der Demonstration eingesetzten Polizeibeamten persönlich beleidigt zu haben.