Ein Auszug aus - kassiber 45 - Mai 2001

Der "Atomkonsens":

Kein Atomausstieg, sondern Einstieg in den liberalisierten Markt!


Am 14. Juni 2000 unterzeichneten in Berlin Vertreter der vier größten Energieversorgungsunternehmen (VEBA AG, VIAG AG, RWE AG und Energie Baden-Würtemberg AG) und die Bundesregierung eine Vereinbarung, mit der die zukünftige Nutzung der Atomenergie geregelt werden soll. Der Vertrag (1) sichert den Stromkonzernen auf Jahrzehnte kostengünstigen und vor allem auch ungestörten Weiterbetrieb der bestehenden Atomkraftwerke.

Hierin manifestiert sich zum einen das Interesse der Bundesregierung, einen relevanten politischen Erfolg propagieren zu können - nämlich den angeblichen Atomausstieg eingeleitet und damit den gesellschaftlichen Konflikt um die Atomkraft zunächst befriedet zu haben. Zum anderen offenbart sich darin das Interesse der Atomindustrie an einer Bestandsgarantie für ihre Atommeiler, um mit garantierten Laufzeiten und Gewinnen auf dem liberalisierten Strommarkt kalkulieren, fusionieren und überhaupt bestehen zu können.

Die Regierung hat mit dem Abschluß dieser Vereinbarung alle potentiellen Druckmittel aus der Hand gegeben: zum Beispiel Auflagen in Sicherheitsfragen, die Forderung nach Verschärfung bzw. überhaupt Einhaltung des Entsorgungsnachweises, die Erhöhung der Deckungsvorsorge für den Fall einer Katastrophe (2) oder die Besteuerung des Brennstoffs Uran und der milliardenschweren Entsorgungsrücklagen (z.B. haben die großen Energieversorger wie RWE oder E.ON für Entsorgung und Abriß von stillgelegten Atomanlagen geschätzte 70 Milliarden Mark angelegt). Das wird von den VertreterInnen der Atomindustrie freudig begrüßt.

Die "Grünen" feierten diese Vereinbarung als "grandiosen Erfolg", "historische Zäsur", "Ende der Atomkraft", "historische Chance", "ein historisches Etappenziel", "wir haben den Atomausstieg erreicht, nun leiten wir das Solarzeitalter ein", "Einstieg in eine neue Energiepolitik". Ihre Verliebtheit in die Macht, in Posten, Karriere, Profilierung, scheint grenzenlos zu sein.Sie haben sich schon lange von einer Partei, der es einmal um inhaltliche Fragen ging, die sich erklärtermaßen als parlamentarischer Arm sozialer Bewegungen verstand, zu einer Stütze der herrschenden Verhältnisse entwickelt - das heißt, sie sind regierungsfähig geworden.

Aber Machtgier, Korruption und politischer Verrat sind wie der machtopportunistische Umgang mit (Wahl-) Versprechungen nicht nur der Verkommenheit einzelner Individuen geschuldet, sondern sie gehören zum Wesen der herrschenden politischen Verhältnisse. Eine wichtige Rolle spielen die Grünen innerhalb des Modernisierungsprojekts der "rot-grünen" Regierung durch ihren Versuch, KritikerInnen einzubinden, Akzeptanz zu schaffen und damit Zustimmung zu organisieren, um gesellschaftliche Widersprüche zu befrieden. Dies gilt nicht nur für den "Atomkonsens" oder den Kosovo-Krieg, sondern auch für die entsprechend der neoliberalen Ideologie (3) bereits durchgeführte oder noch geplante Privatisierung und Kapitalisierung von öffentlichem Eigentum sowie von sozialen und kulturellen Bereichen. Zum Beispiel von Post, Telefon, Bahn, Knästen, polizeilichen Aufgaben, Ausbildung (Universitäten, Schulen), Krankenversorgung, Altenpflege, Rentenversicherung, Sozialversicherung, Einrichtungen und Diensten für Menschen mit Behinderungen, Kultureinrichtungen. Auch von öffentlichen Räumen, Plätzen und Straßen (womit auch die Vertreibung von Obdachlosen und anderen an den Rand gedrängten Gruppen verbunden ist, ebenso wie sie Einschränkung der "freien Meinungsäußerung"). Und in letzter Zeit eben verstärkt auch der Energieversorgung.

Aber zurück zum Atomkonsensvertrag. Bereits in dessen Einleitung heißt es, es "soll unter Beibehaltung eines hohen Sicherheitsniveaus und unter Einhaltung der atomrechtlichen Anforderungen für die verbleibende Nutzungsdauer der ungestörte Betrieb der Kernkraftwerke wie auch deren Entsorgung gewährleistet werden." (S. 1) "... Bei Einhaltung der atomrechtlichen Anforderungen gewährleistet die Bundesregierung den ungestörten Betrieb der Anlagen." (S. 3.)

"Die Bundesregierung wird keine Initiative ergreifen, mit der die Nutzung der Kernenergie durch einseitige Maßnahmen diskriminiert wird. Dies gilt auch für das Steuerrecht." (4) ( S. 3)

Was beinhaltet der Vertrag, der als Atomausstiegsvertrag gefeiert wurde, noch?

* Für alle AKWs zusammen ist eine Gesamtreststrommenge errechnet worden: 2.623,30 TWh (5) netto. Realistisch entspricht dies einer Gesamtlaufzeit pro AKW von etwa 35 Jahren. Für diese Rechnung wurden für jedes AKW die fünf ertragreichsten Jahre aus den letzten zehn Jahren zugrunde gelegt und auf 32 Jahre Gesamtlaufzeit hochgerechnet. Dann wurden noch 5,5% Modernisierungsbonus draufgeschlagen. Selbst fiktive Laufzeiten ( 11 Jahre, 107,25 TWh ) des abgeschalteten Reaktors Mülheim - Kärlich (wurde 1987 nach einigen Monaten Betriebszeit durch Gerichtsbeschluß wegen Erdbebengefahr stillgelegt) kommen noch zusätzlich dazu.

* Es wurde nicht festgelegt, durch welche Reaktoren die Reststrommenge produziert wird. Die Produktion kann also aus Wirtschaftlichkeitsgründen oder wegen technischer Mängel auf andere Anlagen übertragen werden. Ausfallzeiten, z.B. durch technische Mängel, verändern nicht die Reststrommenge, verlängern aber die Zeit, die das AKW oder stellvertretend ein anderes produzieren darf. Ein Datum für das Abschalten des letzten AKWs ist nicht festgelegt worden.

* "Die Forschung auf dem Gebiet der Kerntechnik, insbesondere der Sicherheit, bleibt frei." Das bedeutet z.B., daß das Fusionsprojekt in Greifswald "Wendelstein 7-X" (6) weiterverfolgt und der Forschungsreaktor in Garching (FRM II) - der mit waffenfähigem Uran betrieben werden soll - weitergebaut werden kann.

* Die Castor-Transporte - bisher geeignete Angriffsmöglichkeiten für den Widerstand - sollen durch den Neubau von Zwischenlagerhallen an den Reaktorstandorten (geplant bis 1.7.2005) möglichst umgangen werden. (7) Bis es soweit ist, "wird gemeinsam nach Möglichkeiten gesucht, vorläufige Lagermöglichkeiten an den Standorten vor Inbetriebnahme der Zwischenlager zu schaffen".

* Die 1998 von Angela Merkel (CDU) gestoppten Brennelementtransporte sollen bis zur Inbetriebnahme der standortnahen Lagerhallen wieder durchgeführt werden. Und zwar in die regionalen Lagerhallen Ahaus und Gorleben sowie in die Wiederaufbereitungsanlagen. Verschiebt sich der Zeitplan, ist eine Verlängerung eingeplant.

* Schacht Konrad bei Salzgitter und die Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben sollen weiter genehmigt werden. Da eine Konditionierungsanlage nur in unmittelbarer Nähe eines Endlagers Sinn macht, vergrößert sich damit die Wahrscheinlichkeit, daß Gorleben als Endlager genutzt wird.

* Der Salzstock Gorleben kann nach einer kurzen Pause weiter zum Endlager ausgebaut werden. Das wird ausdrücklich bestätigt: "Das Moratorium bedeutet keine Aufgabe von Gorleben als Standort für ein Endlager" (Anlage 4). Die Unterbrechung der Erkundung ist auf mindestens, 3 längstens jedoch 10 Jahre angesetzt. Die Zeit soll genutzt werden, um "konzeptionelle und sicherheitstechnische Fragen" zu überprüfen. Die nichtrückholbare Lagerung hochradioaktiver Stoffe, wie es der Einschluß im Salz vorsieht, wird nicht grundsätzlich in Frage gestellt.

* Die ungelöste und unlösbare Entsorgungsfrage - die Verpflichtung der Betreiber zum Entsorgungsnachweis - soll durch entsprechende Gesetzesänderung "gelöst" werden. Ab dem 1.7.2005, der geplanten Inbetriebnahme der standortnahen Castor-Hallen, soll die Entsorgung der Brennelemente einfach auf direkte Endlagerung beschränkt werden.

* Der verkündete Ausstieg aus der Plutoniumwirtschaft findet nicht statt. Im Jahre 2005 soll nicht die Wiederaufarbeitung beendet werden, sondern nur die Transporte aus der BRD in die Wiederaufbereitungsanlagen. Die vielen tausend Tonnen Atommüll, die in den Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague und Sellafield lagern, werden noch etliche Jahre für deren volle Auslastung sorgen. "Angelieferte Mengen dürfen verarbeitet werden."

Am 5. Juli 2000 vereinten Siemens (34%) und Framatome (66%) schließlich endgültig ihr Nukleargeschäft. Die neue Gesellschaft heißt Framatome ANP (Advanced Nuclear Power) und hat ihren Sitz in Paris. Siemens und Framatome vereinbarten schon Ende 1999 eine enge Kooperation mit der französischen Atomfirma Cogéma (Betreiberin der Wiederaufbereitungsanlage La Hague), wonach Paketlösungen für die Versorgung mit und die Entsorgung von Brennelementen angeboten werden. Cogéma wiederum ist Großaktionär von Framatome (8) ANP wird weltweit führender Anbieter von Atomkraftwerks-Technik und -Service (ohne Wiederaufarbeitung) und rechnet längerfristig mit einer "weltweiten Renaissance" der Atomenergie.

Nach einem Regierungswechsel kann dieses Zeitspiel sowieso wieder verändert werden. Die Union hat angekündigt, die Vereinbarung "bei einem Regierungswechsel 2002" wieder rückgängig zu machen (Angelika Merkel bei der Bundestagsdebatte zum Atomausstieg vom 29. 6.).

Andere Anlagen der Atomindustrie kamen in den Konsensgesprächen gar nicht vor: z.B. die Urananreicherungsanlage in Gronau (die mit Unterstützung der rot-grünen Regierung von Nordrhein-Westfalen zu einem weltweit führenden Unternehmen ausgebaut werden soll) oder die Brennelementfabrik in Lingen. Ebensowenig wurden die fast täglich stattfindenden Transporte mit radioaktivem Material, der Uranabbau oder gar der Atomstromimport und der Export von Atomtechnologie (u.a. Atomtechnologie gegen Strom!) erörtert.

Aber der Konsensvertrag kann nicht alleine im Rahmen der Ausstiegsdiskussion aus der Atomkraft beurteilt werden. Er muß auch als ein entscheidender Schritt betrachtet werden, mit dem sich die Regierung sukzessive aus der Verantwortung für die Energieversorgung der Gesellschaft herauszieht und sie verstärkt dem Markt überläßt.

Der Vertrag soll die Atomkraft und die Stromkonzerne für den liberalisierten Markt fit machen.


Liberalisierung des Strommarktes

Mit dem Konsensvertrag werden die staatlichen Beihilfen/Subventionen für die Atomindustrie weiter garantiert oder sogar ausgebaut. Ohne die staatliche Förderung wäre die Atomenergieproduktion ohnehin nie konkurrenzfähig gewesen. Und mit der Liberalisierung des deutschen Strommarktes sinken die Gewinne der Energieversorger - ein Effekt, der durch die Fusion zu milliardenschweren Einheiten und radikale Rationalisierung ausgeglichen werden soll. Nach der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) sind in den vergangenen beiden Jahren die Strompreise für die Industriekunden um 30 bis 50 Prozent, für Privatkunden um 10 bis 20 Prozent zurückgegangen. "Preise liegen teilweise unter den Selbstkosten" (Manfred Timm, Vorstandssprecher der HEW)

Die Liberalisierung des Strommarktes bedeutet zum Beispiel:

* Eine Neuaufteilung des Strommarktes: Der Strommarkt in der BRD wird demnächst von vier Konzernen beherrscht: RWE/VEW, E.ON (Veba/Viag), EnBW/EdF und eventuell Vattenfall/HEW mit Southern Energy, die Veag und Bewag übernehmen wollen. 70% des Strommarktes liegen dann in den Händen von nur zwei Konzernen (RWE/VEW, E.ON).

* Den Verkauf der Stadtwerke an große Konzerne: Z. B. in Bremen, Hamburg, Kiel, Berlin, Hannover, Offenbach, Baden-Würtemberg, wo die Stadtwerke bereits verkauft worden sind oder noch verkauft werden. Damit verabschieden sich die jeweiligen Landesregierungen von ihrem Einfluß auf eine eigenständige Energiepolitik.

* Einsparungen bei der Strombeschaffung (z.B. Import von Atomstrom!)

* Verschärfung der Ausbeutungsbedingungen im Personalbereich im Zusammenhang mit dem Abbau von Stellen (z.B.: Nach dem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer der VDEW, Eckhard Schulz sind seit 1995 von insgesamt 190.000 Arbeitsplätzen auf dem Strommarkt bereits etwa 40.000 Stellen abgebaut worden. Die RWE will anläßlich der Fusionierung mit der VEW 12.500 Stellen abbauen)

* Abbau der Sicherheitsanforderungen.

* Kampf um Marktanteile: Die kleineren Stromproduzenten werden von den Großen einverleibt. Kaum sind aber die Märkte aufgeteilt, die Kleinen geschluckt, werden die Preise wieder erhöht. Die Betreiber begründen das mit den Belastungen aus der Ökosteuer, aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz usw.

Aber das größte Problem der Stromkonzerne sind wohl die teuren Überkapazitäten. Denn selbst, wenn am Tag des bisher größten Stromverbrauchs alle 19 AKWs abgeschaltet worden wären, wären immer noch reichlich Überkapazitäten vorhanden gewesen (9). Das wird dazu führen, daß die unrentabelsten Kraftwerke - fossile wie auch AKWs - demnächst stillgelegt werden. Solange sie damit Profit erzielen, werden also die Konzerne die Atomkraftwerke weiterbetreiben - jetzt sogar unter staatlich zugesichertem Schutz.

So ist die skurrile Situation entstanden, daß der Konsensvertrag, den Rot-Grün versucht, werbewirksam als Ausstieg aus der Atomenergie zu verkaufen, notwendig wurde, um das Überleben der deutschen Atomindustrie auf dem liberalisierten Markt zu gewährleisten. Denn wenn es nicht zu dem Ausstiegsvertrag und der Bestandsgarantie mit der Lebenslaufzeit von 35 Jahren gekommen wäre, wäre angesichts der Marktöffnung des deutschen Strommarktes für die Billigkonkurrenz aus Frankreich und Osteuropa davon auszugehen gewesen, daß die deutschen Atomkraftwerke sehr viel schneller stillgelegt worden wären. Der Ausstiegsvertrag sichert der Atommafia die künstliche Runtersubventionierung der im europäischen Vergleich zu hohen Stromgestehungskosten aus den deutschen Atommeilern. Zugespitzt formuliert ist der "Ausstiegsvertrag" tatsächlich ein "Einstiegsvertrag". Nur dadurch konnte der Weiterbetrieb der deutschen AKWs unter den Bedingungen des liberalisierten Strommarktes gesichert werden!

Und so bleibt es dabei, "rot-grünes" Propagandagerede vom Atomausstieg hin oder her, daß jeder Tag der atomaren Energieproduktion weiterhin eine unverantwortliche Gefahr darstellt und den Berg des radioaktiven Mülls noch vergrößert.

Durch den Konsensvertrag wird deutlich, daß nicht nur die Energieversorgungs-Unternehmen und die "rot-grüne" Bundesregierung, sondern inzwischen auch mehrheitlich die "Grünen" diese Technologie durchaus für verantwortbar halten. Und zwar in Abwägung zwischen ökonomischen Interessen und Lebensbedingungen. Das haben ihre letzten Parteitage im vergangenen Juni in Münster und jetzt am 10. März in Stuttgart endgültig demonstriert.

Die "Grünen" haben damit zum wiederholten Mal gezeigt, daß sie sich letztendlich immer wieder für die Seite des Kapitals entscheiden - f ü r das Kapital, g e g e n die Menschen! Hieraus wird deutlich sichtbar, daß es im Kampf gegen die Atomkraft auch gegen eine Politik gehen sollte, die die ökonomische Rationalität und nicht den Menschen in ihren Mittelpunkt stellt.

Eine wichtige Erfahrung der Anti-AKW-Bewegung ist, daß "jahrzehntelange Bemühungen wissenschaftlicher, juristischer und politischer Art allein bisher die Atomenergieproduktion nicht stoppen konnten, und nur da, wo auch praktisch eingegriffen wurde, konnte politischer Druck erzeugt werden". (10)

Die Atomtechnologie birgt Risiken, die grundsätzlich nicht zu kontrollieren und damit nicht zu verantworten sind. Wer davon überzeugt ist, daß die Nutzung der Atomenergie ein Verbrechen an Mensch und Umwelt darstellt, der kann sich daher nicht auf Betriebsgarantien und Neubau von atomaren Anlagen einlassen!

Für die sofortige Stillegung aller Atomanlagen - weltweit!


Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz ( MAUS e.V. )


Anmerkungen:
(1) Wortlaut der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen siehe z.B.: http://www.BerlinOnline.de/aktuelles/berliner_zeitung/html/Konsenspapier.html
(2) Eine Erhöhung der Deckungsvorsorge von 500 Millionen Mark auf 5 Milliarden Mark, das sind weniger als 0,1% der vom Bundeswirtschaftsministerium erwarteten Schadenshöhe eines Großunfalls, befreit die Atomindustrie weiterhin von der Verpflichtung einer angemessenen Risikovorsorge (IPPNW-Forum, 63-64 / 00). Außerdem, wie hoch sind wohl Gesundheit und Leben, die Zerstörung der Lebensbedingungen und das damit verbundene Leid anzusetzen? Durch die Begleichung der zu erwartenden Krankenhaus- und Beerdigungskosten?!
(3) Liberalisierung meint die weitgehende Befreiung des Kapitals von staatlicher und arbeitsrechtlicher Regulierung, meint die Selbstregulierung durch das Kapital. Sie setzt auf die Entfesselung der Marktkräfte, auf das sogenannte "freie Spiel der Marktkräfte". Der Markt wird als ein sich selbst stabilisierendes System betrachtet. "(...) Die meisten Ökonomen glauben, daß eine marktwirtschaftliche Ordnung, die willkürliche Staatsinterventionen begrenzt und die Macht erworbener Besitzansprüche bändigt, durch das Wirken des aufgeklärten Eigennutzes automatisch jene Kräfte freisetze, die sie für ihren eigenen Fortbestand braucht.
Triebkraft der Zerstörung sei demzufolge der Staat, nicht der Markt. Die Regierungen schwächen die Tugend der Bevölkerung, indem sie eigenständiges und selbstverantwortliches Handeln durch steuerfinanzierte Wohlfahrtsprogramme erdrücken, Arbeitsanreize durch hohe Steuerprogression unterminieren, private Fürsorge durch staatliche Sozialhilfe austrocknen, lokale Initiative durch fiskale Transferleistungen abwürgen, das Verantwortungsbewußtsein der Familien durch die Verstaatlichung der Bildung zerstören. Jede Intervention der öffentlichen Hand reduziere die Möglichkeit freien Handelns und schaffe dadurch Bedarf an weiteren Staatseingriffen." (Robert Skidelsky, Professor für politische Ökonomie an der Warwick University. Aus: "Freiheit braucht Werte - Wie wir im Zeitalter der Globalisierung Wohlstand, Frieden und Moral bewahren können", Die Welt, 11.08.2000)
(4) "Die 'rot-grüne' Bundesregierung macht sich in Brüssel zu obersten Lobbyisten der deutschen Atomindustrie. In einem Schreiben an den EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti rechtfertigt die deutsche Bundesregierung die Steuerbefreiung für Rückstellungen der Atomindustrie, die sich auf knapp 70 Milliarden DM belaufen. Gegen diese Bevorzugung der großen deutschen Kernenergiebetreiber hatten mehrere kommunale Energieversorger in Brüssel Beschwerde eingereicht. Bei den Rückstellungen handele es sich um tatsächlich erwirtschaftete Gewinne, die normalerweise zu 50 Prozent versteuert werden müssen. Diese Begünstigung könnten die Atomstrombetreiber nutzen, um sich Wettbewerbsvorteile auf dem Markt zu verschaffen." (Die Welt, Febr. 2001).
(5) Das entspricht 2623 Millionen Megawattstunden.
(6) Am 7. Juli 2000 eröffnete Schröder das weltweit größte Forschungsprojekt zur Energiegewinnung durch Kernfusion. Das zeigt, daß die Bundesregierung nicht generell aus der Energiegewinnung durch Atomtechnologie aussteigen will, sondern sich z.B. die Option Kernfusion offen hält.
(7) Sechs Castor-Behälter mit hochradioaktiven Glaskokillen standen seit 1998 in La Hague, um nach Gorleben gebracht zu werden. Nach der Gesellschaft für Nuclear Service (GNS), die für die Entsorgung zuständig ist, müssen bis 2022 noch 475 Castor-Behälter zurückgenommen werden. Das wären etwa 80 Transporte mit jeweils 6 Waggons. (Die Welt, 20.10.2000)
(8) Siehe hierzu auch: Henrik Paulitz: "Siemens und Framatome bilden neuen Atomkonzern - Fusionswelle auf dem Atommarkt", ak 436, 16.März 2000.
(9) Die Welt, 6.10.2000.
(10) Aus der Erklärung des bundesweiten Delegiertentreffens gegen die Castor-Transporte vom 25.2.2001.


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kombo(p) - 16.05.2001