Taxifahrer als Spitzel eingesetzt
Schlepper, Spitzel, Taxifahrer

Taxen sind öffentliche Verkehrsmittel wie Busse und Bahnen. Die Fahrer unterliegen dem Personenbeförderungsgesetz. Sie sind verpflichtet, jedermann zu transportieren. An der bundesdeutschen Ostgrenze sollen sich die Taxifahrerinnen nun auch als Spitzel bestätigen. Sie sind vom BGS aufgefordert, "Illegale" über ihr Funkgerät per Codewort dem Bürgertelefon des BGS zu melden. Verdächtige Ausländer sollen sie sogar beim BGS zur Überprüfung vorführen.
Taxifahrer als Spitzel sind an den Grenzen zu Tschechien und Polen nichts Neues. Auch die Stasi hatte ihre Inoffiziellen Mitarbeiter in den Taxigenossenschaften plaziert. Bedeutender als die Grenze zu den Bruderländern war für sie jedoch Ost-Berlin mit der offenen Grenze zur DDR. Deshalb war dort die Stasi unter den Taxifahrern besonders aktiv. Nicht wenige hatte sie als IM gewinnen können. Aber auch andere Geheimdienste, insbesondere die der NATO-Staaten, versuchten unter den Ostberliner Taxifahrern Mitarbeiter zu gewinnen. Ihre enttarnten Mitarbeiter, in der Regel als Spione verurteilt, waren in allen DDR-Knästen anzutreffen.
Auch die Schleuserorganisationen in Westberlin suchten sich der Ostberliner Taxifahrer zu bedienen.
Immerhin waren alle, ob inoffizielle Mitarbeiter der Stasi, des BND, des MI6, der CIA und der Schleuserorganisationen freiwillig tätig. Es gab in der DDR kein Gesetz, das zur Spitzeltätigkeit verpflichtete. Im Wendedeutschland ist das anders. Grundlage ist der 1994 neu geschaffene §92 Ausländergesetz, der "Beihilfe zum illegalen Aufenthalt" unter Strafe stellt. Die in den Fünf Neuen Ländern inthronisierte Wessijustiz zeigt sich heute einen Zacken schärfer als ihr Pendant zu DDR-Zeiten. So laufen im Raum Zittau bereits Verfahren gegen 22 von insgesamt 73 registrierten TaxifahrerInnen. Im Grenzbereich Brandenburgs zu Polen sind schon 70 Verfahren anhängig.
Der unbedingte Verfolgungswille der Justiz findet in den Urteilen gegen die angeblichen "Schleuser" seinen Ausdruck. Ein 40 jähriger Taxifahrer wurde von Landgericht Görlitz zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er drei Illegalisierte aus dem ehemaligen Jugoslawien von Zittau zum Bahnhof nach Bautzen gefahren hatte. Dem Fahrer wurden die Fahrerlaubnis und die Taxikonzession entzogen, das Taxi als Tatwerkzeug beschlagnahmt. Die erste Haftstrafe wurde bereits im Oktober 1996 vom Landgericht Guben ausgesprochen. Der angeklagte Taxifahrer wurde zu 4 Jahren und 2 Monaten Gefängnis sowie 6000 DM Geldstrafe verurteilt. Ebenfalls vom Landgericht Görlitz wurden 2 Jahre und 3 Monate ohne Bewährung für einen Taxifahrer ausgesprochen, der sich als Schlepper betätigt haben soll.
Foto: Marylin Stroux Das in diesen Verfahren eben jene Kronzeugenregelung Anwendung findet, die während der Hochphase der Terroristenhysterie mit der besonderen Gefährlichkeit für Leib und Leben legitimiert wurde, erstaunt nur den naiven Beobachter. Schließlich sind nirgendwo repressive Aufgaben von Polizei oder Justiz zurückgenommen worden, nachdem sich die angebliche Bedrohungslage geändert hat. Nun lernen auch die Ossis: Zu Spitzeldiensten kann die BRDjustiz dich zwingen. Verrat lohnt sich! Die Bereitschaft seine Kollegen zu verraten, brachte dem Kronzeugen, der nach eigenen Angaben Schleusungen von Bogatynia (Polen) und Varnsdorf (Tschechien) mit organisiert hatte, anstatt einer Haftstrafe nur Bewährung und eine Geldbuße ein.
Der Arbeitsplatzabbau im Dreiländereck mit den Städten Zittau, Görlitz und Bautzen hatte nach der Wende auch für die Neu-Fünf-Länder ein besonderes Ausmaß angenommen. Die industrielle Kooperation mit Polen und der CSSR war für den RGW-Raum beispielhaft. Der Zusammenbruch dieser Strukturen ließ die Arbeitslosenzahlen auf historisch einmalige Höhen steigen. Selbst der Opa konnte dergleichen aus der Weltwirtschaftskrise der 20iger Jahre nicht berichten. Die Selbständigkeit, zum Beispiel als Taxiunternehmer, schien für manchen ein Ausweg aus den unverschuldeten Arbeitslosigkeit. Für viele hatte das nichts mit dem in den BRD propagierten Traum vom freien Unternehmertum zu tun. Die vielen, aus der Not heraus gegründeten Taxiunternehmen finden keinen entsprechenden Markt vor. Deswegen ist die Konkurrenz groß, und die Einnahmen sind klein. In Zeiten voller Kassen hätte der BGS für jeden "Illegalen", den die Taxifahrer beim BGS abliefern bestimmt eine Kopfprämie gezahlt. Heutzutage muß der Staat sparen, ihm bleibt nur die Drohung mit dem Knast.

Hartmut Wehrstedt

aus: "off limits", Nr. 21 Feb./März 1998