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Berlin, 01. August 2002

Die Entwicklungen sind kein Resultat des Erfolges der jetzigen Regierung sondern des Misserfolgs

Eine Bewertung des Präsidialrat der Kurdistan Freiheit und Demokratie Kongress (KADEK) über die politischen Entwicklungen in der Türkei


Die Türkei durchlebt gegenwärtig wichtige politische Entwicklungen, die starke Auswirkungen auf die Türkei, auf uns und auf die Region haben. Die Regierung, die mit dem Ziel und Anspruch antrat, eine langfristige Regierung sein zu wollen, ist gescheitert. Nun haben die Regierungsparteien den Entschluss gefasst, im November vorgezogene Wahlen durchzuführen; nicht etwa aus freier Entscheidung, sondern, weil sie dazu gezwungen wurden. Die Demokratische Sozialistische Partei (DSP) unter Ministerpräsident Bülent Ecevit ist im Auflösungsprozess. In Folge dieser Auflösung entwickelt sich eine neue Partei. Auch die nationalistische Koalitionspartei MHP durchlebt ähnliche Probleme. Es wird offensichtlich, dass auch sie an Stärke verloren hat und diese auch in Zukunft nicht wieder zurück gewinnen wird. Es gibt unterschiedliche Gespräche und Bündnisbemühungen. Kurzum, die Türkei befindet sich in einer politischen Restrukturierungsphase. Sowohl die Parteien, als auch das Parlament und die Regierung befinden sich in einer solchen Phase.

Zweifellos ist die politische Restrukturierung wichtig. Sie ist eigentlich ein Anzeichen für die Veränderungsphase in der Türkei; denn um in Bereichen der Wirtschaft, im sozialen und kulturellen Bereich sowie in der Verwaltung eine Veränderung zu erreichen und die Restrukturierung zu vollziehen, ist es notwendig, dass sich in erster Linie die politischen Einrichtungen erneuern und verändern. Dies wiederum setzt neue Ideen und eine Erneuerung im Denken voraus.

Fand in der Türkei eine Veränderung auf der gedanklichen Ebene statt? Beruhen die politischen Entwicklungen auf einer Veränderung im Denken? Man kann ohne weiteres sagen: Die Türkei hat in den letzten drei Jahren ihre größte Diskussionsphase durchlebt. Dies war vielleicht die mutigste, tiefgründigste und umfassendste Erneuerung von Gedanken und Diskussionen. Es war eine Phase, in der die Tabus etwas durchbrochen wurden, wenn auch nicht vollständig. Themen, die für die Türkei beängstigend waren, wurden zur Diskussion gestellt. Daher kann gesagt werden, dass sich wichtige Veränderungen auf dieser Grundlage im Denken und in der Anschauung entwickelt haben. Auch wenn dies noch keine ideologische Form angenommen hat und die Gedankenströmungen, die im Entstehen sind, sich nicht klar herausgebildet haben, so haben diese Diskussionen doch zu einer gewissen Bewusstseinsveränderung, vor allem in der Gesellschaft, geführt. Diese Veränderung hat sich auch auf die politischen Institutionen und die politische Führung ausgewirkt. Die Türkei ist gegenwärtig mit einer umfassenden ideologischen und geistigen Diskussion Schauplatz eines innenpolitischen Kampfes.

Kurzum: Die Entwicklungen in den politischen Institutionen beruhen nicht auf einem Zufall und sind nicht plötzlich aufgetreten, sondern sie haben ein Fundament; es sind Entwicklungen, die für die Türkei eine neue Zukunft festlegen werden.

Wie also ist eine solche Entwicklung entstanden? Wie konnte eine Regierung, die bei jeder Gelegenheit ihre Entschlossenheit zur Sprache brachte, bis zum Jahre 2004 im Amt zu bleiben, in die gegenwärtige Situation geraten? Um diese Fragen beantworten zu können, lassen Sie uns diese gemeinsam im Zusammenhang mit dem politischen Kampf und den Entwicklungen in der vergangen Zeit behandeln. Denn die entstandene politische Situation steht in Bezug zu uns, zur Innenpolitik der Türkei, zur Region und zu den politischen Entwicklungen auf der ganzen Welt. Wir können sagen, dass die jüngste Entwicklung den Abschluss einer Zwischenphase darstellt, die sich mit dem internationalen Komplott entwickelt hatte. Wenn wir es aus dieser Perspektive heraus betrachten, so ist die Rolle unserer Bewegung und ihrer Auswirkung auf die Türkei bei der Entstehung einer solchen politischen Entwicklung klar erkennbar. Es ist angebracht, diese Entwicklung als das Resultat unseres 8. Kongresses zu verstehen. Denn die apoistische Bewegung hat ihre Veränderungs- und Umwandlungsphase, die mit dem Komplott auf die Tagesordnung kam, auf ihrem 8. Kongress abgeschlossen. Sie hat die theoretische Bewertung, das politische Programm, ihre strategische und taktische Annäherung und mit der Praxis die Phase der Erneuerung, Veränderung, Bildung und Vorbereitung abgeschlossen und ist nun in die Phase des aktiven Kampfes und der praktischen Arbeit übergegangen.

Wir wissen, dass die erste Reaktion der internationalen Reaktionäre auf eine solche Entwicklung die Aufnahme der PKK auf die EU-Liste der terroristischen Organisationen war. Es war eine klarer Schritt gegen unseren Kongress und seine Ergebnisse. Die internationale Reaktion wollte mit dieser Aufnahme eine neue Phase gegen unsere Bewegung und das Niveau, das unsere Revolution auf ihrem 8. Kongress erlangt hat, einleiten. Dies führte zu einem ernsten Kampf. Die Volksmassen, demokratischen Kräfte, unsere organisatorische Kraft und unsere Freunde haben dagegen sowohl im Land als auch im Ausland einen aktiven politischen Kampf geführt. Damit ist eine neue Kampfphase zwischen dem internationalen Komplott und unserer nationalen demokratischen Bewegung eingeleitet worden. Diese ist nicht nur auf Nordkurdistan und die Türkei beschränkt, auch nicht nur auf die vier Teile Kurdistans, sondern schließt, entsprechend des überregionalen Charakters unserer Strategie, die gesamte Welt ein. Daher muss die Veränderung bei den politischen Institutionen der Türkei im Zusammenhang eines solchen Kampfes analysiert werden. Die Antwort der EU und der USA auf unseren Kongress und sein Einfluss auf sie führte zu einer "Terroristischen Liste".
Vor diesem Hintergrund müssen auch die Veränderungsbemühungen der gegenwärtigen Regierung, des Parlaments und der Parteien in der Türkei als Ergebnis des Einflusses unseres Kongresses und der Erneuerungsbemühungen ihres Gegenkampfes betrachtet werden. Das stellt die Stärke unserer Bewegung in Bezug auf die Veränderung und Umwandlung der Türkei dar. Das ist der erste und zugleich der Hauptfaktor der gegenwärtigen Entwicklungen.

Die Annäherung einiger Kreise, vor allem der nationalistisch-chauvinistischen und der Bandenkreise, die Entwicklungen ausschließlich als Resultat äußeren Drucks darzustellen, entspricht nicht der Realität. Natürlich spielen auch die äußeren Entwicklungen eine wichtige Rolle bei diesem Ergebnis, aber es ist nicht der erste Faktor. Die Hauptfaktoren ist das Entwicklungsniveau unserer Bewegung, das sie mit dem 8. Kongress erlangt hat und unsere Bemühungen, die Ergebnisse des Kongresses in die Praxis umzusetzen, ihre Auswirkungen auf die Atmosphäre in der Türkei und ihre Stärke. Wie wirksam diese Kraft bei der Veränderung der Türkei ist, zeigt sich bei der Auflösung der Ecevit-Regierung, trotz starken Widerstandes. Das Niveau unserer Bewegung hat dies erreicht, indem sie die kurdische Bevölkerung beeinflusst und in Bewegung gesetzt hat, indem sie die Türkei zur Demokratisierung gezwungen, diese gelenkt und gefördert hat. Die Statistik weist auf, dass 85% der türkischen Bevölkerung eine demokratische Veränderung wollen. Die apoistische Bewegung, in der Vergangenheit als PKK, heute als KADEK bekannt, hat in allen demokratischen Entwicklungen der Türkei eine führende Funktion und einen Anteil.
Sie war es auch, die die großen Diskussionen innerhalb der letzten drei Jahre in der Türkei begonnen hat. Es ist die Phase, die unser Vorsitzender eingeleitet hat. Dies begann mit den Imrali-Diskussionen und ging weiter mit den Gedanken, die er in dieser Zeit entwickelte. Nun ist es das demokratische Zivilisationsmanifest des Vorsitzenden, das die Richtung der Diskussionen angibt. Unsere Bewegung hat schon jetzt eine wichtige mentale Veränderung, die die Analyse, Entwicklung und Annahme neuer Ideen beinhaltet, entwickelt. Sie hat die demokratischen Kreise in der Türkei in Bewegung gesetzt. Sie hat ihnen Wille, Entschlossenheit und Hoffnung vermittelt und Kraft verliehen. Sie hat sie zu neuen Ideen und zur Entwicklung einer neuen Politik und erneuter Organisierung gelenkt. Das Wichtigste ist, dass sie nun diese Kräfte zur Einheit bewegt. Sie bewegt sie, Bündnisse zu schließen, sich zu einer organisierten Kraft zu entwickeln, eine demokratische politische Struktur hervorzubringen, die mit den Parteien, dem Parlament und der Regierung eine politische Institution erreicht, die die Türkei zu einer demokratischen Veränderung und Restrukturierung bringt. Unsere Bewegung hat die Linke, sozialistische und sozialdemokratische Kreise und alle übrigen demokratischen Kräfte vor diese Aufgabe gestellt.
Wenn unsere Bewegung sich nicht auf diese Weise erneuert, verändert und restrukturiert hätte, wären die gegenwärtigen politischen Entwicklungen in der Türkei nicht entstanden. Wären wir noch einflussreicher, hätten wir die Tagesordnung der Türkei noch schneller und wirksamer beeinflussen können, wären die gegenwärtigen Veränderung viel früher aufgetreten.
Die Erfolglosigkeit des internationalen Komplottes und der Kampf, der sich zunehmend ausweitetet, haben die Türkei vor solche Entwicklungen gestellt.

Die Entwicklung dieser Regierung, dieses Parlaments und der gegenwärtigen Parteien entstand in der Atmosphäre des internationalen Komplottes. Daher repräsentieren sie keine gewöhnliche Phase, sondern die Realität des internationalen Komplottes. Diese politischen Institutionen, diese Regierung, dieses Parlament sind mit dem Komplott verwoben und mussten ihre Aufgaben innerhalb dieses Rahmens, der ihnen durch das Komplott auferlegt wurde, mit Erfolg füllen. Wäre es ihnen gelungen und das Komplott wäre erfolgreich gewesen, wäre diese Regierung nicht so zerbröckelt, die Parteien hätten sich nicht aufgelöst und das Parlament wäre nicht auseinandergefallen. Die Entwicklungen heute sind ein Beweis dafür, dass diese politische Institution ihre Aufgaben nicht erfüllt hat, nicht erfolgreich war. Diese Entwicklungen sind kein Resultat des Erfolgs, sondern des Misserfolgs.

Diese Rolle ist bewusst Ecevit auferlegt worden. Die Komplottkräfte kamen zu dem Ergebnis, dass nur Ecevit in der Lage sein würde, im Rahmen der zivilen Politik in der Türkei eine nationale Einheit von Rechts und Links zu entwickeln. Dies trat auch ein. Nach den Wahlen am 18. April 1999 wurde ohne große Diskussionen erklärt, dass eine Koalitionsregierung unter DSP, MHP und ANAP gebildet wird und dies wurde auch umgesetzt . Es war die allgemeine Haltung, daß es diese Koalition sein sollte - ohne, dass Gespräche und Bemühungen um eine andere Koalition geführt wurden. Daher ist diese Haltung nicht die Folge der Wahlergebnisse, sondern schon während der Wahlphase wurde dies der Bevölkerung vermittelt. Daher waren alle für eine solche Regierungsbildung.
Dass Ecevit diese Rolle eingenommen hat, kann auch vor dem Hintergrund der Geschichte bewertet werden. Ecevit, der die PKK während ihrer Gründungszeit nicht vernichten konnte, erhielt von den reaktionären Kräften nach dem internationalen Komplott erneut die Aufgabe, sie zu vernichten. Ecevit wurde von der militärisch-faschistischen Führung des 12. September dafür verantwortlich gemacht, dass er die Entstehung und Entwicklung der PKK nicht verhindern konnte und ihr somit Entwicklungsmöglichkeiten gab. Ecevit war lange einer solchen Kritik und eines solchen Drucks ausgesetzt. Das Emporkommen Ecevits in der politischen Atmosphäre der 90er Jahre hing mit der Entwicklung eines neuen Konzeptes gegen die PKK zusammen. Dieses Konzept wurde als "totaler Krieg" definiert und gewann zunehmend einen internationalen Charakter.
Ende der 90er Jahre wurde dieser Angriff zum internationalen Komplott. Indem Ecevit erneut an die Spitze der Umsetzung dieser Pläne gesetzt wurde, sollte er sein Versäumnis nachholen und somit seine Schuld begleichen.

Die vorgezogenen Wahlen am 18. April waren schon neun Monate zuvor festgelegt worden. Das entspricht keinem natürlichen Vorgang. Mit der Entwicklung des internationalen Komplotts wurde die Aufgabe des Regierens Ecevit übertragen - obwohl seine Partei eine Minderheit darstellte. Der 15. Februar 1999 (der Tag an dem der PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan in die Türkei verschleppt wurde, Anm. d. Ü.) fiel in eine Zeit, in der ein Beschluss für vorgezogene Wahlen schon gefallen war und in der Ecevit in einer Minderheitsregierung an der Führung war. Die politischen Trümpfe des 15. Februar wurden somit der DSP und Ecevit in die Hand gespielt. Die Wahlen am 18. April wurden unter dem Einfluss des 15. Februar durchgeführt. Es waren Wahlen, die im Zusammenhang zum Komplott standen und die Wahlergebnisse wiesen auch dementsprechend die Eigenschaften des Komplottes auf. Die DSP hat den Bonus, während des 15. Februar an der Regierung gewesen zu sein, in konkrete Wahlstimmen verwandelt, und die MHP hat die nationalistische Atmosphäre der Gewalt, die unmittelbar nach dem Komplott entstand, in Wahlstimmen verwandelt. Das Parlament und die Regierung, die sich auf diese beiden Parteien stützen, wurden ausschließlich auf dieser Grundlage gebildet. Die Aufgabe, die dieser Regierung auferlegt wurde, war die Liquidierung der PKK. Somit wurde Ecevit, dem es nicht gelang, die Entwicklung der PKK 1978 zu verhindern, 1999 erneut die Aufgabe durch alle reaktionären Kräfte übertragen, die PKK zu vernichten. Ecevit hat angenommen.

Hierbei gab es Zwiespältigkeit. Einige Kreise wollten Profit daraus schlagen, eine Phase der Vernichtung und der militärischen Auseinandersetzung zu entwickeln, andere wiederum wollten Profit aus der Atmosphäre schlagen, die sich nach der Vernichtung der PKK ergeben würde. Die Rolle Ecevits hierbei war es, die Phase der militärischen Auseinandersetzung zu verhindern und die PKK zu vernichten, indem sie in eine auseinandersetzungsfreie Atmosphäre gezogen wird. Dies wird klar in seiner Haltung gegenüber der MHP. Der Hauptgrund hierfür kann in der Regierungsstruktur Ecevits gesehen werden, da er 1998 in einer Minderheitsregierung an die Macht gebracht wurde. Er ist an die Macht gebracht worden, um den Bestrebungen chauvinischtisch-nationalistischer und rassistischer Kräfte und der Banden, welche eine Atmosphäre der Vernichtung und der bewaffneten Auseinandersetzung verbreiten, vorzubeugen, sie zu bremsen und zu kontrollieren.
Diese Haltung kann als Annäherung an die Kräfte betrachtet werden, die eine Auseinandersetzung verhindern wollen. Daher war neben der Haltung unseres Vorsitzenden, neben der Haltung und den Interessen äußerer Kräfte auch die Existenz der Regierung von Ecevit in der Türkei von großer Bedeutung dafür, dass sich das 15. Februar Komplott nicht in die Richtung von Vernichtung und Auseinandersetzung entwickelt hat. Somit nahm das internationale Komplott eine Strategie ein, wonach die PKK durch die Erhöhung des politischen und organisatorischen Drucks vernichtet werden sollte, und zwar in einer gewaltfreien Atmosphäre. Der Regierung der Wahlen vom 18. April wurde diese Aufgebe erteilt. Auf dieser Grundlage bildete sich die nationalistische und liberale Rechtskoalition. Die MHP wurde in die Regierung aufgenommen, um sie in Schach halten zu können

Die internationale Reaktion hatte nach dem Komplott eigentlich die Auflösung der PKK innerhalb von sechs Monaten zum Ziel. Als dies nicht eintraf, hat die gegenwärtige Regierung die Phase unseres 7. Kongresses zur Phase der Auflösung erklärt. Hier hat die Regierung ihre Rolle gespielt. Ihre wichtigste Aufgabe war der Beschluss vom 11. Januar 2000, in dem die Vollstreckung der Todesstrafe gegen unseren Vorsitzenden aufgehoben wurde und folglich die Akte solange nicht dem Parlament vorgelegt wird, bis der Europäische Menschenrechtsgerichtshof den Einspruch behandelt und ein Urteil gefällt hat. Die Regierung hat die Kraft aufbringen können, einen solchen Beschluss zu fassen. Mit diesem Beschluss wurde die Kontrolle über die politischen Institutionen der Türkei hergestellt. Dieser Beschluss war zweifellos die Verhinderung der bewaffneten Auseinandersetzung. Wenn ein solcher Beschluss nicht getroffen worden wäre, wären die Entwicklungen nicht zu stoppen gewesen und man hätte eine Situation geschaffen, die die heutigen Auseinandersetzung zwischen Palästina und Israel hundertfach übertroffen hätte. Mit diesem Beschluss wurde eine solche Entwicklung unterbunden. Eigentlich hat die Regierung mit diesem Beschluss ihre Aufgabe abgeschlossen.

Wie kam die Regierung dazu, einen solchen Beschluss zu fassen, welches Ziel steckte dahinter? Hatte sie tatsächlich einen Demokratisierungsplan, verfolgte sie ein Projekt der demokratischen Veränderung und Umwandlung? Nein, ein solches Ziel verfolgte sie nicht. Sie wollte die bewaffneten Auseinandersetzungen beenden, die PKK vernichten und somit auch die demokratische Veränderungs- und Wandlungsrealität in der Türkei zerstören. Die einheitliche Beschlussfassung der Koalitionsparteien und der Kräfte, die hinter ihnen standen, hing mit diesem Ziel und den Zusicherungen in dieser Richtung zusammen.
Berechnungen wurden aufgestellt, dass eine Auflösung der PKK mit dem 7. Parteikongress eintreten würde. Diesbezüglich wurden Pläne gemacht und Hoffnungen gehegt. Während wir auf dem Kongress die Veränderung und Wandlung diskutierten, den theoretischen Rahmen und das Programm entwickelten, um die neue strategische Phase abzuschließen und die gedankliche und organisatorische Einheit zu schaffen, haben unsere Gegner mit dem Beschluss vom 11. Januar versucht, diese Entwicklung umzukehren und den Weg für die Liquidierung der PKK zu eröffnen.
Parallel zu dieser Phase traten Provokationsversuche auf. Haltungen wie etwa Disziplinlosigkeit und Zerstörung der Ordnung, die Provokationen und Liquidierungsbemühungen Tür und Tor öffnen, entwickelten sich. Es war kein Zufall, dass solche Haltungen, die sonst selten aufkommen, in dieser Zeit aufgetreten sind. Sie sind auch nicht von selbst entstanden, sondern hingen mit dem Plan unseres Gegners zusammen. Die Provokationen und zerstörerischen Haltungen als direkte Handlungen des internationalen Komplotts sind der Ausdruck des direkten Dienstes für das Komplott. Gegen diese Haltungen wurde natürlich aktiver politischer Widerstand geleistet. Die Haltung des Vorsitzenden hat eigentlich all diese Pläne ins Leere laufen lassen und ins Gegenteil verkehrt. Der Beschluss vom 11. Januar, den die reaktionären Kräfte und die türkische Oligarchie trafen, war nicht als Garant des Lebens unseres Vorsitzenden und zur Entwicklung der national-demokratischen Bewegung gedacht. Im Gegenteil: Dieser Beschluss wurde mit der Absicht getroffen, den Vorsitzenden politisch - organisatorisch zu vernichten und somit die Bewegung zu liquidieren. Obwohl dieser Plan so offensichtlich war, wurden wir für diesen Beschluss kritisiert. Wir hingegen haben die notwendige Arbeit geleistet und hatten das Ziel, uns zu wandeln, neu zu organisieren und das internationale Komplott ins Leere laufen zu lassen. Es war eine Phase, deren Ende von der Arbeit des Gegners abhing.
Die inneren Provokationen als Teil des internationalen Komplotts waren erfolglos. Sie erlitten eine Niederlage. Demnach war im Sommer 2000 das Ziel des internationalen Komplotts erneut gescheitert. Mit den Diskussionen und den Arbeiten, die die Organisation durchgeführt hat, hat sie sich eine organisatorische Linie angeeignet. Mit weiteren Konferenzen und Kongressen hat sie sich im Rahmen der Kongresslinie gesammelt, ein neues organisatorisches Niveau, ein neues Niveau der Vorbereitung gewonnen und ihre Einheit gestärkt. Somit gelangte unsere Bewegung und unsere Haltung gegenüber der Führung mit einer neuen Art des Kampfes zum Erfolg. Weil die internationale Reaktion dies sah, entwickelte sie in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 - unmittelbar nach der Bekanntgabe der Ergebnisse unseres Kongresses - eine militärischen Belagerung, um uns auf diese Weise zu liquidieren. Die militärischen Angriffe der PUK sind das Resultat davon. Es ist bekannt, dass ein großer Widerstand gegen diesen Angriff geleistet wurde. Während dieser Widerstandsphase haben wir mehr als 100 Gefallene zu beklagen. Die Realität, dass die PKK sich unter jeder Bedingung verteidigen wird und die Linie der Führung bis zuletzt verteidigen wird, wurde offensichtlich. Ende 2000 wurde auch ersichtlich, dass die PKK auch mit militärischer Gewalt nicht zu vernichten ist.

Dass Ecevit seine gesamte Aufgabe nicht erfolgreich erfüllen wird, wurde eigentlich nach diesem Krieg klar. Somit war die Rolle dieser Regierung vollendet. Die Regierung hätte eigentlich schon damals zurücktreten müssen. Obwohl schon im Jahre 2000 Diskussionen darüber aufkamen, dass die Regierung ihre Mission vollendet habe und nun sich zurückziehen solle, um ihren Platz einer neuen Regierung zu überlassen, und obwohl wir öffentlich bekannt gegeben haben, dass eine neue politische Phase begonnen hat und im Rahmen der Angriffe des internationalen Komplottes die PKK nicht mit ideologischen, organisatorischen und militärischen Mitteln zu vernichten ist, hat die Regierung sich nicht auf die vergangenen Erfolge und gewonnene Kraft beziehend zurückgezogen und keine neue Annäherungen entwickelt. Das Beharren der Ecevit Regierung, nicht zurückzutreten, begann sich im Jahre 2001 zu entwickeln. Somit entstand eine Regierung, die nicht im Einklang mit der Realität der Türkei stand.

Die fehlende Harmonie hat sich folgendermaßen gezeigt: Zum einen war die Aufgabe, die PKK zu liquidieren, nicht verwirklicht. Mit dem Beschuss vom 11. Januar ist es der Regierung zwar gelungen, die Atmosphäre der Auseinandersetzungen zu beenden, aber die PKK konnte sie auf der Grundlage dieses Beschlusses auch nicht liquidieren. D.h. es wurde offensichtlich, dass mit den Methoden der Regierung die PKK nicht zu vernichten ist. In diese Situation war es für die Türkei notwendig, sich zu erneuern, zu verändern und zu demokratisieren, d.h ein sich neues Programm anzueignen und eine neue politische Annäherung zu entwickeln. Als zweites fehlte es der Regierung an der Kraft, ein neues Programm zu entwickeln. Daher ist die Mission einer Regierung, die die PKK nicht vernichten konnte und keine Führung bei der demokratische Umwandlung der Türkei übernehmen konnte, vollendet.

Das Beharren der Regierung, trotz dieser Tatsache hat die gegenwärtige Krise hervorgebracht. Die Wirtschaftskrise im Februar letzten Jahres ist im Zusammenhang mit dieser Entwicklung entstanden. Verschiedene Kreise haben erklärt, dass diese Krise keine wirtschaftliche, sondern eine rein politische sei und von der Regierung geschaffen wurde. Das ist eine richtige Bewertung.
Wir haben in der Atmosphäre der Krise mit der demokratischen politischen Arbeits- und Kampfmethode die Regierung zu Stürzen versucht. Wir haben den politischen Kampf entwickelt. Unter dem Namen "Zweite Friedensoffensive" haben wir versucht, ein politisches Programm umzusetzen. Wir haben versucht, die Serhildans (Volksaufstände) in allen Bereichen zu entwickeln. Dieser Kampf hat ein gewisses Niveau erreicht. Unsere Serhildans haben die Krise in der Türkei vertieft, sie haben allen gezeigt, dass diese Regierung erfolglos ist und das die Türkei mit dieser Regierung nicht fortschreiten kann. Aber auch wir hatten nicht die Kraft, die Regierung zu stürzen und zu verändern. Wir waren in dieser Hinsicht schwach und unzureichend. Wir haben diese Situation in unsere 6. Konferenz hineingetragen und haben uns damit auseinandergesetzt. In Folge der Diskussionen haben wir die Gründe für unsere unzureichende Haltung, die eine Veränderung nicht erzielen konnte, aufgedeckt und verurteilt. Letztendlich wollten wir dieses Niveau auf dem 8. Kongress verändern. Denn unser Ziel mit diesem Niveau erreichen zu wollen, trug Gefahren in sich. Deshalb musste es überwunden werden. Auf dem 8. Kongress haben wir dem unzureichenden Niveau ein Ende gemacht. Wir haben uns im Hinblick auf das neue Programm und die Kampfstrategie vollkommen überzeugt und somit eine absolute Klarheit erlangt. Auf dieser Grundlage haben wir eine neue taktische Phase der neuen Strategie, die Organisation zu vergrößern und die Serhildans zu entwickeln und somit gegen den internationalen Komplott einen aktiven Kampf zu führen, entwickelt. Der 8. Kongress hat eine solche Bedeutung. Der 8. Kongress ist demnach der Ausdruck sowohl für die Erneuerung, für die strategische Umwandlung und Restrukturierung als auch für den Beginn der taktischen Kampfphase. Diese Entwicklung hat die Atmosphäre in der Türkei beeinflusst. Sie hat die Türkei gezwungen, neue Beschlüsse zu fassen und eine entsprechende Neuorganisierung vorzunehmen.
Europa hat sich mit der Aufnahme der PKK in die Liste der "terroristischen Organisationen" schon frühzeitig auf diese Entwicklung eingestellt. Die Ecevit-Regierung hingegen hat diese Entwicklung entweder nicht verstanden oder wollte sie nicht verstehen. Sie hat versucht, ihre Gegentaktik noch weiter umzusetzen mit der Absicht unser Liquidierung. Sie versuchte, der internationalen Reaktion einen solchen Plan aufzuzwingen. Sie möchte von der türkischen Oligarchie und von der internationalen Reaktion einen (politischen, Anm.d.Ü) Kredit bis zum Jahre 2004 erhalten. Aber das war nicht möglich, denn ihr Programm hatte keine Erfolgsaussicht.

Mit dieser Haltung hat die Regierung die Türkei zu einer ernsthaften Erstarrung geführt. Die Regierung war nicht mehr in der Lage, neue Beschlüsse zu fassen und konnte somit im Rahmen der äußeren Entwicklungen kein gemeinsames Vorgehen mit seinen Verbündeten entwickeln. Somit entsprach sie auch nicht mehr den Interessen der Oligarchie und der äußeren Bindungen. All das führte zur Auflösungsphase der DSP. Die Kreise, die die Regierung zum Rücktritt gezwungen haben, hatten gegenüber der starren Haltung der Regierung keinen Erfolg. Nun versuchen sie, mit den Rücktritten die ganze Regierung zum Rücktritt zu zwingen - mit Erfolg. Nachdem die Regierung vorgezogene Wahlen nicht mehr verhindern können, versucht sie wenigstens bis zu den Wahlen im Amt zu bleiben. Inwieweit sie damit Erfolg haben wird ist ungewiss.
Warum hat die Regierung so starr reagiert, während Koalitionsparteien wie die MHP ihre Amtszeit dafür genutzt haben, die wichtigsten Bereiche unter ihre Kontrolle zu bringen und ihre Kraft zu vergrößern. Sie hat von den Machtmöglichkeiten stark profitiert. Einige Kreise in der DSP und auch in der ANAP haben profitorientierte Interessen verfolgt und wollten, dass diese Regierung anhält. Aber auch die Ängste von Ecevit haben hierbei eine Rolle gespielt. Ecevit befürchtet, dass er seine zweite Erfolglosigkeit gegenüber der PKK teuer bezahlen würde. Er hat Angst, dass sobald er aus der Regierung zurücktritt, ihm etwas zustoßen würde. In der Türkei gibt es den Fall Özal. Die Haltung gegenüber der PKK legt nicht nur die politische Zukunft der Politiker in der Türkei fest, sondern auch deren physische Existenz.

Neben dem erlangten Niveau unserer Bewegung und seinen Auswirkungen auf die demokratische Veränderung in der Türkei haben äußere Entwicklungen eine weitere Rolle bei der Entstehung einer solchen Situation gespielt. Diese waren die Beziehungen zur EU und zu den USA sowie der bevorstehende politisch-militärische Krieg in dieser Region. Diese Regierung hat auch die Kraft für eine harmonische Zusammenarbeit mit seinen äußeren Bündnispartnern verloren. So musste z.B. in der Beziehung zur EU ein bestimmter Beschluss getroffen werden. Das Treffen der EU im Dezember diesen Jahres in Kopenhagen ist hierfür von großer Bedeutung. Hierfür muß sie umfassende und tiefgründige demokratische Veränderungen vornehmen, um der Türkei einen neuen Weg aufzuweisen und ihre Beziehungen zur EU zu verbessern. Aber die gegenwärtige Regierung ist nicht in der Lage zu solchen Veränderungen. Sie kann keine mit der EU im Einklang stehende Politik entwickeln und diese umsetzen. Auch wenn die ANAP dies zu wollen scheint und die DSP ebenfalls dafür zu sein scheint, so hat MHP eine solche Politik und eine Mitgliedschaft in die EU abgelehnt. Sie hat die für die Mitgliedschaft in die EU notwendigen rechtlichen Veränderungen verhindert. Damit nicht genug, hat Bahceli die EU in Brüssel unter Kritik genommen. Obwohl sie sich bemühen muß, die EU-Kriterien anzunehmen, um in die EU aufgenommen zu werden, hat sie beinahe Europa gezwungen, ihre Maßstäbe anzunehmen. Den 11. September hat sie auf diese Weise zu nutzen versucht. Das war ein Irrtum, eine falsche Bewertung. Die Regierung ist davon ausgegangen, mit der Unterstützung der USA Europa beeinflussen zu können. Deshalb hat sie die von ihr erwarteten notwendigen Schritte nicht erfüllt und ignoriert. Das hat die Beziehungen belastet. Die jetzige Regierung ist weit davon entfernt, die Türkei näher an die EU zu bringen. Das wirkte sich ebenfalls auf die Entstehung der Krise aus.
Auf der anderen Seite hat die Beziehung der Türkei zu den USA zu diesem Ergebnis beigetragen. Die USA versuchen, die Türkei in ihrem Kampf im Mittleren Osten wirksam zu nutzen, sie versuchen, die Türkei für ihre Irakpolitik zu gewinnen und will ihr dabei Platz einräumen. Sie misst sogar der Türkei in dem "Dritten Weltkrieg gegen den Terrorismus" eine militärische Rolle bei. Sie möchte die Türkei wie eine Gendarmerie benutzen. Das ist die Türkeiannäherung der neuen US-Strategie.

Der US-Vizepräsident hat den Mittleren Osten bereist, während der Präsident Bush Europa und Russland bereiste. Das Resultat dieser Reisen war, das die Türkei für ihre Politik gewonnen werden konnte. Sie haben begriffen, dass wenn sie wirksam gegenüber dem Irak und im allgemeinen im Mittleren Osten sein wollen und ihre Politik in dieser Region umsetzen wollen, sie auf die Kraft und Unterstützung der Türkei angewiesen sind. Wenn die USA Erfolg bei ihrer militärischen Intervention im Irak haben möchte, ist es von großer Bedeutung, dass sie die Unterstützung der Türkei erhält. Wenn die USA die Unterstützung der Türkei erhält, wäre sie in der Lage, ohne weitere Unterstützung gegen den Irak vorzugehen. Die Lage der Türkei bietet eine solche Möglichkeit. Die gegenwärtige Regierung in der Türkei scheint aber nicht willens zu sein, gegenüber der US Politik dermaßen engagiert und verbunden zu sein. Vor allem Ecevit möchte in einer solchen Politik nicht vollständig engagiert sein. Zwar hat Ministerpräsident Ecevit während seines Staatsbesuchs Ende 2001 den USA eine gewisse Unterstützung zugesagt, ein Abkommen getroffen und erklärt, sie würden nicht mehr den US-Politik entgegenstehen. Aber dennoch hat er der von den USA geforderten militärischen Unterstützung nicht in dem Maße zugestimmt, wie es den USA lieb gewesen wäre.

Diese Probleme kamen auch bei dem jüngsten Besuch der Außen- und Vizeverteidigungsminister in der Türkei zum Vorschein. Die US-Verteter erklärten "Wenn ihr Euch von Anfang an amKampf gegen Irak beteiligt, d.h. gemäß der US-Politik handelt, werdet ihr Platz am Tisch haben. Wenn nicht, werdet ihr gegenüber den Angriffen Iraks zwangsweise in den Krieg ziehen. Bei letzterem werdet ihr keinerlei Gewinne erzielen". Damit wollen die USA die Türkei zum gemeinsamen Handeln zwingen. Es ist auch eine gewisser Drohung. Die USA möchten die Türkei im Kampf gegen den Irak als eine aktive und wirksame militärische Kraft einsetzen. Die USA waren aus diesem Grunde bemüht, die PKK auf die Liste der "terroristischen Organisationen" der EU aufnehmen zu lassen, um die Türkei näher an die US-Politik zu bewegen. Das war zwar ein Schritt, aber es hat nicht ausgereicht, um die Regierung vollständig auf die eigenen Seite zu ziehen. Wenn auch Ecevit die USA nicht ablehnt und sie akzeptiert, so ist sie doch unwillig und entlarvt sogar in gewisse Weise die Annäherung der USA. Sie führt entgegen den USA Kontakte zum Irak. Es ging soweit, dass Ecevit verhindert hat, dass der Vizepräsident der USA in der Türkei eine Pressekonferenz durchführen konnte. Das war aus Sicht der USA zwingend.
Die USA haben zunehmend die Intervention in den Irak thematisiert. Die Zeit für den Angriff nähert sich, sie fühlen sich gezwungen zu intervenieren. Von den Arabischen Ländern haben sie die erhoffte Unterstützung nicht erhalten. Iran war ein Faktor, der den Angriff zu erschweren versucht hat. Die EU verweigert noch den USA die vollständige Unterstützung. Wenn Russland auch keine Widerstand wie früher zeigt, so bleibt auch hier die erhoffte Unterstützung aus. Vor diesem Hintergrund fühlt sich die USA genötigt, die vollständige Unterstützung der Türkei zu gewinnen. Die jetzige Regierung hat das nicht geboten. Je näher der Interventionstermin vorrückt, desto stärker ist der Wunsch den USA, in der Türkei die Regierung gegen eine andere auszutauschen, die im totalen Einklang zu ihrer Irak- und Mittelostpolitik steht. Als die Regierung nicht mehr in der Lage war, die Interessen der äußeren Verbündeten zu vertreten, verlor sie auch die Unterstützung dieser Kräfte. Der innere Druck unserer Bewegung gegenüber der Türkei, sich zu demokratisieren und die o.g. Entwicklungen mit den äußeren Verbündeten haben zu einem solche Umbruch geführt.

Was wird nun in der Türkei passieren? Welche Entwicklungen werden voraussichtlich auftreten?

Es waren zwei Faktoren, die zur Auflösung der Regierung geführt haben. Deshalb wird der Kampf dieser beiden Faktoren die weiteren Entwicklungen bestimmen. Es ist klar, dass für die Türkei die Übergangszeit, die Zwischenzeit abgeschlossen ist. D.h., dass die Kraft, die die Entwicklung in der Türkei verhindert hat, in gewisse Weise am Ende ist. Das ist das Ende der Regierung und der Koalitionspartner DSP und MHP. Eine Erneuerung der politischen Institutionen ist daher unumgänglich.
Die Wahlen sind ein Weg der Erneuerung. Aber es wird auch über eine Regierung diskutiert ohne Wahlen. Einige Kreise, vor allem äußere Mächte, wollen eine Regierung, die vollkommen die Politik der USA verwirklicht. Zu einer solchen Regierung sagen sie auch "eine Regierung der nationalen Übereinstimmung". Diese Version ist ebenfalls an der Tagesordnung. Anstatt mit Wahlen eine neue Regierung zu bilden, soll eine Regierung ohne Wahlen gebildet werden, die im totalen Einklang zu US-Interessen steht. Zwar gibt es Bemühungen in dieser Richtung, aber inwieweit es umgesetzt wird ist unklar. Diese Option ist eine gefährliche Option. Dies würde die Türkei sehr nach Außen binden. Das ist eine Strategie, die die Demokratisierung der Türkei verhindern und die Türkei zum Gendarmen der "Anti-Terror-Kriegs"-Strategie der USA machen würde.
Die andere Option wären die Wahlen. Dies müsste das Parlament entscheiden, aber es ist nicht vorhersehbar, wie es entscheiden wird. Es gibt Abgeordnete, die eine vorgezogene Wahl nicht befürworten werden, weil sie höchstwahrscheinlich bei Neuwahlen nicht mehr ins Parlament einziehen werden. Deshalb werden sie an ihre Interessen denken. Was passiert, wenn der Beschluss für vorgezogene Wahlen nicht vom dem Parlament abgesegnet wird? Die Erstarrung wird anhalten. Die Regierung müsste zum Sturz gebracht werden, um die Erstarrung zu überwinden. Wenn die Regierung gestürzt wird und eine neue Regierung nicht gebildet werden kann, so räumt die Verfassung dem Staatspräsidenten das Recht ein, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen zu beschliessen. Der Staatspräsident kann dieses Verfahren einleiten, er hat sich ohnehin positiv dazu geäußert. Es ist ungewiss, welcher Weg eingeschlagen wird; sicher ist aber, dass diese Regierung, die der Ausdruck für die Zwischenzeit ist und Veränderungen blockiert, am Ende ist. Die Türkei wird eine neue politische Führung und eine neue politische Struktur erlangen. Der Weg hierfür ist offen, eine solche Phase hat bereits begonnen. Die stärkste Option sind die Wahlen. Aber dennoch darf nicht übersehen werden, dass in der Türkei eine starker innerer Kampf geführt wird. In Folge dieses Kampfes können auch andere Optionen an den Tag treten.

Es gibt zwei Tendenzen, die in der Frage, welchen Weg die Türkei in Folge dieser Veränderungsphase bestreiten wird, im Kampf gegeneinander stehen. Der erste Weg, den die USA mit der Unterstützung der Kriegsbefürworter lenkt und dem auch nationalistisch-chauvinistische Kreise in der Türkei zustimmen und gleichzeitig ihre Interessen ausdrücken, ist der Weg der Auseinandersetzung und des Krieges. Diese Kreise sind gegen eine Demokratisierung und auch gegen eine demokratische Veränderung im Rahmen der EU. Um eine Demokratisierung zu verhindern, bringen sie Krieg und Auseinandersetzung auf die Tagesordnung. Diese Kreise hatten mit dieser Vorgehensweise gegenüber der Phase, die unsere Bewegung eingeleitet hat, einen Erfolg erzielen können. Nun versuchen sie es, angelehnt an den Krieg, den die USA begonnen haben und an den bevorstehende Eingriff in den Mittleren Osten, in der Türkei erneut durchzusetzen. Sie versuchen, die Türkei wieder in eine Gewaltatmosphäre zu drängen. Tansu Ciller (Vorsitzende der DYP - Partei des Rechten Weges) hat erklärt, dass sie die Ministerpräsidentin einer solchen Phase sein möchte. Viele Kräfte innerhalb der MHP sind ebenfalls dafür. Auch andere Kreise in der Türkei und außerhalb unterstützen eine solche Entwicklung. Wenn die Türkei tatsächlich einen solchen Weg bestreiten sollte, würde die Demokratisierung vollkommen beiseite gelegt werden. Militaristische, chauvinistisch-faschistische Vorgehensweisen wären vorherrschend. Die Politik des Krieges in der Region, des Krieges gegen das kurdische Volk und der Gewalt gegen demokratische Kräfte in der Türkei wären die herrschende Politik. Hat diese Tendenz eine Chance? Es besteht die Gefahr, dass die kriegstreibende und national-chauvinistische Tendenz an die Macht gerät. Dies würde der Beginn eines neuen Krieges und einer Gewaltatmosphäre bedeuten. Die Resultate wären unberechenbar, sie würde sich nur nach den Interessen dieser Kräfte und ihrer äußeren Bündnispartner richten. Die von uns eingeleitete Friedens- und Demokratiephase würde sabotiert werden, und erneut würden Vernichtung und Gewalt an die Tagesordnung treten. Auch würde die Lage unseres Vorsitzenden neu behandelt werden.
Die o.g. Kräfte sind bemüht, einer solche Entwicklung den Weg zu bahnen. Es gibt auch Kreise innerhalb Kurdistans, die eine solche Entwicklung unterstützen. Es handelt sich hierbei um die Komplottkräfte. Erst kürzlich hat PUK uns mit einer solchen Entwicklung gedroht. Sie sagte: "Ich kann den Krieg beginnen, in dem ich mich mit den USA und Türkei verbinde". Sie bereitet sich auch schon darauf vor. Auch andere Kräfte unterstützen sie. Außen gibt es Russland, Griechenland und bestimmte Kräfte innerhalb der EU und den USA. Diese Gefahr darf nicht unterschätzt werden. Es ist eine ernste Gefahr und Bedrohung. Wir müssen dies verhindern.

Der zweite Weg ist die demokratische Veränderung und Restrukturierung der Türkei. Diese Phase hat eigentlich unsere Bewegung entwickelt. Unser Vorsitzender hat den theoretischen und politischen Rahmen aufgezeigt. Es beinhaltet die Mitgliedschaft in die EU, die Erneuerung der Politik in der Türkei im Rahmen der Kopenhagener Kriterien. Dies wird von unterschiedlichen Kreisen unterstützt, vor allem haben diese seit drei Jahren zugenommen. Nach Umfragen sind 85% der Bevölkerung der Türkei für eine solche Entwicklung. Parallel dazu entwickeln sich neue politische Tendenzen. Auch im islamischen Flügel gibt es Entwicklungen, die dorthin tendieren. In liberalen und rechten Kreisen gibt es Entwicklungen, die demokratische Tendenzen aufzeigen und diese Politik annehmen. Die Situation der ANAP (Mutterlandspartei) und der DTP (Partei der Demokratischen Türkei) zeigt das.
Desweiteren gibt es Entwicklungen im linken Spektrum. Die linken Kräfte haben sich gestärkt, aber sie sind noch sehr weit davon entfernt, eine Einheit zu bilden. Sie haben keine Bündnisse und sie weisen einen zersplittertes Bild auf. Die sozialistische Linke lebt diese Uneinigkeit am stärksten, sie ist weiterhin marginal. Ihre Worte unterscheiden sich um 180 Grad von ihrer Praxis, so widersprüchlich und zweideutig sind sie. Sie überschätzen sich und widersprechen der Realität der Türkei.
Die sozialdemokratische Linke befindet sich in einem ähnlichen Zustand. Es gibt eine Teilung innerhalb der CHP (Republikanischer Volkspartei) und DSP (Demokratisch Sozialistische Partei). Eigentlich eröffnen solche Trennungen den Weg und lösen die Erstarrung in der Türkei, aber es ist noch unklar, welches Ergebnis daraus hervorgehen wird. Die Frage, wie es gewährleistet werden soll, dass in Folge solcher Entwicklungen eine demokratische Türkei entsteht, blieb bislang unbeantwortet. Solange dieser Zersplitterung nicht überwunden ist, wird es keine Entwicklung in Richtung Demokratisierung der Türkei geben. Die Türkei befindet sich nun in einem Kampf zwischen diesen beiden Tendenzen. Die Veränderungsphase wird die Phase sein, in der eine dieser Tendenzen an die Macht getragen wird. Trotzt alledem ist diese Entwicklung positiv und vor allem besser als die Situation, die das Land in Ausweglosigkeit gehalten hat. Die Kräfte, die sich für die Demokratisierung aussprechen, sind groß und vielfältig. Diese Tendenz deckt sich auch mit unserem taktischen Kampf. Auch wir sind für eine Veränderung der Türkei auf diese Weise. Die Tatsache, das gegenwärtig die Tendenz der demokratischen Veränderung der Türkei überwiegt und die Tatsache, dass die Gefahr der Entwicklung einer Gewaltatmosphäre nicht vollständig beseitigt ist, erlegt allen demokratischen Kräften große Verantwortung auf. Kriegsprofitierende Kräfte können nur mit einem umfassenden aktiven Kampf überwunden werden. Die Phase der demokratischen Veränderung und Umwandlung ist die erste Kampfangelegenheit. Politik, Organisation und Bündnisse für einen solchen Kampf müssen entwickelt werden.

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