Bonn, 14. April 1999
Am 13.4.1999 veröffentlichten die Rechtsanwälte des Vorsitzenden
der Arbeiterpartei Kurdistans, Abdullah Öcalan, folgende
Pressemitteilung
Das Recht auf ein faires Verfahren dient in einer demokratischen Gesellschaft
zum Schutz aller Menschen gegen Unrecht. Das Prinzip des fairen Verfahrens
ist das grundlegendste aller Prinzipien des Starfprozeßrechtes. Bisher
sind die Voraussetzungen zur Wahrnehmung dieses Grundrechtes in dem historisch
und politisch bedeutsamen Prozeß gegen unseren Mandanten Öcalan
nicht geschaffen worden.
A) Die vollständige Isolierung unseres Mandanten von der Außenwelt
wird mit aller Härte fortgesetzt. Noch immer wird ihm das Recht auf
Information durch Tageszeitungen, Rundfunk und legale Publikationen verweigert.
Gespräche mit unserem Mandanten finden zweimal wöchentlich unter
Überwachung durch drei bis sechs Beamte direkt hinter und neben uns
statt und sind jeweils auf eine Stunde beschränkt. Vermutlich werden
unsere Gespräche auch auf Band aufgezeichnet.
B) Entsprechend den gesetzwidrigen Anweisungen der Organe des Krisenstabes
beim Ministerpräsidium dürfen die Anwältinnen und Anwälte
nicht einmal die Prozeßakten in den Gesprächsraum mitnehmen.
Angesichts der besorgniserregenden Tatsache, daß das Recht auf Verteidigung
faktisch außer Kraft gesetzt worden ist, halten wir es für notwendig,
folgende Sachverhalte der Öffentlichkeit mitzuteilen:
2. Zur Ausübung des Verteidigungsrechtes ohne Einschränkungen
jedweder Art und zur Sicherstellung der Bedingungen für ein faires
Verfahren sowie gemäß den vorläufigen Maßnahmen,
die nach Verfahrensregel 39/I des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte (EuGHMR) verhängt wurden, unter Berücksichtigung
der Tatsache, daß [seitens des EuGHMR, d.Ü.] von der Regierung
bis zum 8. April eine Antwort eingefordert wurde, ist durch die Strafverteidiger
unter dem Datum des 09.04.1999 in einem zweiseitigen Schriftsatz mit Dokumentenanhang,
in welchem dem EuGHMR die bisherige Behinderung der Verteidigung angezeigt
wird, der EuGHMR vor dem Hintergrund des anstehenden Verfahrensbeginns
aufgefordert worden, gemäß Verfahrensregel 39/II von der Regierung
erneut Auskunft einzufordern und auf der Insel Ýmralý am
Ort Beobachtungen anzustellen.
Am 23.03.1999 hat der Mandant Öcalan die Anwältinnen und
Anwälte aus der Türkei auch gemäß internationalem
Recht bevollmächtigt. Gemeinsam mit ausländischen Anwältinnen
und Anwälten wird die Verteidigung [im Menschenrechtsverfahren vor
dem EuGHMR, d.Ü.] in der Verantwortung der Anwältinnen und Anwälte
aus der Türkei liegen.
2. Als Strafverteidigerinnen und verteidiger haben wir mit dreiseitigem
Schriftsatz mit Anhang an das Ministerpräsidium die Aufhebung der
Behinderungen des Verteidigungsrechts beantragt, die durch die Maßnahmen
des Krisenstabes verursacht werden.
In diesem Antrag wurde ebenfalls ausgeführt, daß der Krisenstab
über keinerlei rechtliche Grundlage verfügt. Weiter wurden sowohl
die rechtswidrigen Maßnahmen gegen die Anwältinnen und Anwälte
als auch die Isolationshaftbedingungen des Mandanten, die eine Vorbereitung
der Verteidigung unmöglich machen, zur Sprache gebracht.
3. Darüber hinaus haben sich die Strafverteidigerinnen und
verteidiger unter dem 13.04.1999 in einem achtseitigen Schriftsatz mit
Anhang an das Justizministerium gewandt und betont, daß vor dem Hintergrund
der rechtswidrigen Maßnahmen und der Behinderung des Rechts auf Verteidigung
eine Vorbereitung der Verteidigung unmöglich sei, daß die Gefmöglich
sei, daß die Gefh die Strafverteidigerinnen und verteidiger
unter dem 13.04.1999 in einem achtseitigen Schriftsatz mit Anhang an das
Justizministerium gewandt und betont, daß vor dem Hintergrund der
rechtswidrigen Maßnahmen und der Behinderung dessetzung des Rechts
auf Verteidigung gestellt.
Wir geben hiermit bekannt, daß eine Eröffnung des Prozesses
am 30. April unter den gegebenen Umständen aus der Sicht der Verteidigung
jeder Rechtsgrundlage entbehrt, falls nicht folgende Bedingungen umgehend
Beachtung finden:
a) Die Anklageschrift ist noch nicht vorbereitet.
b) Die rechtlich vorgesehene Frist von sieben bzw. fünfzehn Tagen
zwischen der Aushändigung der Anklageschrift an den Angeklagten und
seine Rechtsvertreterinnen und vertreter und Verfahrenseröffnung
kann unmöglich gewahrt werden, wenn die Hauptverhandlung am 30. April
eröffnet werden soll.
c) Selbst wenn die Anklageschrift ausgehändigt wird, kann eine
Akteneinsicht und die Vorbereitung der Verteidigung nicht im Rahmen von
zwei einstündigen Verteidigergesprächen stattfinden. Darüber
hinaus dürfen die Anwältinnen und anwälte aufgrund
des rechtswidrigen Verbots durch die Organe des Krisenstabes nicht einmal
die Prozeßakten zum Gespräch bei sich führen.
d) Der Gerichtssaal ist noch nicht fertiggestellt.
e) Bezüglich der Öffentlichkeit des Verfahrens, d.h. ob Öffentlichkeit
zugelassen wird oder nicht, wenn ja, in welchem Maße, bezüglich
der Teilnahme von Anwältinnen und Anwälten, Nebenklägern,
Presse und Prozeßbeobachtern besteht nach wie vor Unklarheit.
f) Die Struktur der Staatssicherheitsgerichte verstößt offensichtlich
gegen die Prinzipien der Natürlichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit
des Richters. Selbst wenn eine Veränderung dieser Struktur beabsichtigt
sein sollte, ist sie vor dem Monat Juni nicht zu verwirklichen.
g) Am wichtigsten von allen: wer kann vor dem Hintergrund der genannten
Einschränkungen und Isolationsbedingungen behaupten, die Voraussetzungen
für ein gerechtes Verfahren seien gegeben?
Insgesamt sehen wir keine Möglichkeit zur Eröffnung der Hauptverhandlung
am 30. April auf der Basis der Grundprinzipien des Strafprozeßrechts.
Sollte es zu einer Verhandlung kommen, so wird sie nicht mehr als ein künstlicher,
erzwungener Schauprozeß.
Bevollmächtigte von Abdullah Öcalan
RA Ercan Kanar RA Hasip Kaplan RA Niyazi Bulgan RA Mahmut Sakar