KODAR Führungsrat: Wir fordern eine demokratische Nation anstelle eines Nationalstaates

Warum ist eine demokratische Nation einem Nationalstaat vorzuziehen? Was bedeutet eigentlich demokratische Nation? Wie ernst wird das Problem mit den verschiedenen Nationen im Iran angegangen? Was ist die Bedeutung der regionalen Veränderungen und kurdischen Handlungen auf die Veränderungen und ihre Auswirkungen auf die Situation der Kurden im Iran? Diese Themen werden von Fuad Beritan, Mitglied des Führungsrats von KODAR (Freie und Demokratische Gesellschaft Ostkurdistans) in einem Interview mit ANF beleuchtet.

Wenn die Zeit kommt um über Lösungen der Probleme der iranischen Völker zu sprechen, werden verschiedene Modelle diskutiert. Was sind die Unterschiede zwischen KODAR Führungsrat: Wir fordern eine demokratische Nation anstelle eines Nationalstaates

Warum ist eine demokratische Nation einem Nationalstaat vorzuziehen? Was bedeutet eigentlich demokratische Nation? Wie ernst wird das Problem mit den verschiedenen Nationen im Iran angegangen? Was ist die Bedeutung der regionalen Veränderungen und kurdischen Handlungen auf die Veränderungen und ihre Auswirkungen auf die Situation der Kurden im Iran? Diese Themen werden von Fuad Beritan, Mitglied des Führungsrats von KODAR (Freie und Demokratische Gesellschaft Ostkurdistans) in einem Interview mit ANF beleuchtet.

dem Modell eines Nationalstaates und dem einer demokratischen Nation, die Du als Lösung der Probleme der Völker vorschlägst?

In diesem Kontext können wir von zwei Basiskonzepten sprechen. Das erste ist ein Nationalstaat und das zweite eine demokratische Nation. Theoretisch zielen beide auf das Lösen von Problemen ab, aber die Methoden und Ergebnisse dieser beiden Formeln sind verschieden. Geschichtlich geht das Nationalstaats-Modell 400 bis 500 Jahre zurück als politisches System mit sozialen Klassen und einer Regierung. Regierungen streben nach Macht. Der Nationalstaat ist die letzte Stufe der modernen Staaten. Heute sieht das globale Kapital den Nationalstaat als grundlegendes Hindernis für ihren Fortschritt, weshalb sie ihn übertreffen wollen. In einigen Fällen ist es ihnen gelungen, aber man kann nicht sagen, dass sie den Gedanken eines Nationalstaates vollständig ablehnen. Vielmehr versucht das globale Kapital durch Veränderungen der Managementstrukturen ihre Grenzen zu erweitern. Ein globales Imperium steht heute zur Debatte, was beweist, dass sich der Nationalstaat nicht nur als Regierungsorganisation definiert, sondern sich auf globaler Ebene organisiert.

Wir können die Strukturen, die uns der Nationalstaat gebracht hat, sehen; Strukturen die gegen kulturelle und soziale Vielfalt sind und andere Identitäten versucht aufzusaugen. Das Projekt Nationalstaat ist ein bestimmtes Modell, was die Menschen zwingt zu akzeptieren und zu befolgen.

Die Islamische Republik Iran als Nationalstaat verleugnet jede kulturelle, ethnische und politische Vielfalt und versucht Kontrolle über sie zu gewinnen. Die unmenschliche Politik des iranischen Regimes, z.B. hungernde Menschen, Förderung von Drogen, Militarisierung und die Schaffung einer Grundlage des Terrors, probiert durch die Zerstörung jedweder Vielfalt einen kulturellen Völkermord. Tatsächlich ist die Mentalität des Nationalstaats die Grundlage die zum Faschismus führt. An diesem Punkt ist eine Debatte, wie wir das demokratische System lösen und eine Alternative zum Nationalstaat finden, wichtig.

Wie genau würde die demokratische Nation sich selbst beschreiben, und wie kann eine Antwort auf den aktuellen Konflikt aussehen?

Heute kannst du in Nordkurdistan (Türkei), Westkurdistan (Rojava) und seit kurzem in Şengal (Sindschar) unser Volk sehen, das zur Lösung der demokratischen Selbstverwaltung gekommen ist, welches auch auf Organisierung des Modells der demokratischen Nation basiert. Die demokratische Nation ist Vielfältig und beinhaltet unterschiedlichste Identitäten, lehnt das beharren auf eine einzige Religion und Sprache sowie die Trennung zwischen Geschlecht und Klasse ab. Die demokratische Nation basiert auf eine vielfältige und pluralistische Gesellschaft anstelle einer homogenen Nation. Diese Gesellschaft gründet sich auf basisdemokratische Prinzipien, welche das Erblühen von Farben, Klängen und kultureller Vielfalt erlaubt. Es basiert auf Freiheit und Gleichheit zwischen den Beziehungen der Menschen miteinander und ihrer Gesellschaft.

Eine demokratische Nation schließt nicht nur KurdInnen mit ein, sondern auch andere Völker wie AraberInnen, BelutschInnen, AzerbaijanInnen u.v.m. Sie beruht auf gemeinschaftlicher Mentalität, nicht auf eine einzelne Sprache, Religion oder Ethnie. Eine demokratische Nation würdigt eine demokratische und kommunale Gesellschaft, genauso wie alle Sprachen und Gruppen in der Gesellschaft. KODAR versucht in [Ost]Kurdistan, wie auch im Iran, eine kommunale Gesellschaft aufzubauen. Das bedeutet, dass alle Völker des Irans und Kurdistans, welche die Bedingungen eines kommunalen und demokratischen Lebens akzeptieren, Teil der demokratischen Nation von Ostkurdistan und des Irans sind. Diese Völker bilden die „Demokratische Nation“.

Könntest Du ein bisschen genauer sein? Was sind die wesentlichen Erwartungen vom iranischen politischen System?

Es ist klar, dass für die Islamische Republik Iran die Schaffung eines inneren demokratischen Wechsel die beste Option wäre, um Krisen und Risiken aufzulösen, anstatt Ideen anderer (innere und äußere) Kräfte zu akzeptieren. Wenn der Iran den Weg hin zu einer großartigen Demokratie nimmt, könnten großartige Veränderungen in der Region stattfinden. Der Ursprung der Probleme im Iran ist, dass es beschlossen hat sich von demokratischen Prinzipien fernzuhalten und KurdInnen, neben anderen, zu eliminieren. Diese Position hat die Tragödie – Massaker und die Ausbreitung der Krise – aufrechterhalten. Heute sind die KurdInnen zusammen mit anderen Völkern der Region die VorreiterInnen der Demokratie; den kurdischen politischen Fähigkeiten zum Dank. In der Vergangenheit führte die Teilung Kurdistans zu einer geopolitischen Krise im Mittleren Osten, aber heute wird es durch die Schaffung einer demokratischen Einheit mit den benachbarten Völkern und der friedlichen Lösung der kurdischen Frage zu einer Beendigung der Krise kommen.

Die Lösung der Probleme des kurdischen Volkes und anderer Fragen sind ohne richtigen Dialog und Perspektive unmöglich. Die Regierung Rouhani sollte eine Plattform für den Dialog mit den KurdInnen einrichten. Die kurdische Freiheitsbewegung hat das Potenzial, den Iran zu einem demokratischen Modell zu führen, welches sich in der Region weiter verbreiten könnte. Dies gründet sich nicht auf die Zerstörung des Staates oder der Beanspruchung einer kurdischen Nationalität, weil die KurdInnen eine solche Lösung nicht brauchen. Wenn wir nach Rojava schauen, besonders nach Kobanê oder nach Şengal, die bereits erfolgreich nach diesem Modell leben, sehen wir, dass die KurdInnen diese intensive Krise mit ernsthaften und aufrichtigen demokratischen Mitteln überwanden.

Die Islamische Republik Iran sollte Verstehen, das die Probleme nicht mit einer Politik der Angstverbreitung und des Konservatismus gelöst werden können. Mit so einer Einstellung verlieren sie Möglichkeiten, die ihnen geboten werden und erschweren weiter eine Lösung. Die einzige Möglichkeit für Rouhanis Büro wäre, den Weg für das Entwickeln von Strategien zu festigen, wie sie es in ihrer Wahlkampfrhetorik taten.
Wenn die Problemlösungen weiterhin durch die Zentralisierung von Regierungsmacht und dem fortwährenden Missachten der Forderungen der Menschen besteht, wird sich die aktuelle Krise weiter vertiefen. Weder die Zentralregierung noch die nationalistische Opposition kann Lösungen bieten.

Die Islamische Republik sollte aufhören mit ihrer verstärkten Politik der Sicherheit und Militarisierung der Gesellschaft, der Angst und Repression, Verhaftungen, der Folter und Hinrichtungen, die den Gegensatz von demokratischer Politik fördert. Falls die Regierung ihre Sicherheitspolitik ändert, kann im Gegenzug das Vertrauen der Menschen steigen, genauso wie es helfen würde, festgefahrene Probleme von beiden Seiten gelöst zu werden.

Die freie Partizipation der KurdInnen an der iranischen Politik würde das Land stärken. Die iranische Geschichte wurde von vielen Völkern bereichert: KurdInnen, BalutschInnen, AraberInnen und vielen mehr. KurdInnen und die anderen Völker wollen sich nicht basierend auf Vormacht und Unterwürfigkeit, sondern auf freie und demokratische Weise am politischen System beteiligen. Im sozialen Bereich wollen sie auch eine demokratische Nation der demokratischen Autonomie bilden.

Was für eine Position nehmt ihr ein, wenn die Islamische Republik weiterhin an der Unterdrückung der KurdInnen festhält?

Es sollte ihnen klar sein, dass sie die KurdInnen nicht länger kontrollieren können, vor allem auf Grund der jetzigen politischen Organisation und der Bildung der Selbstverteidigung, die nicht mehr zerstört werden kann. Mit Weiterführung einer repressiven Politik erwarten die Regierungen von uns, unsere Freiheit aufzugeben, aber sie wissen gut, wie wir uns für den Kampf um die Freiheit von uns allen engagieren. Die KurdInnen reichen ihre Hände für ein friedliches und demokratisches Nebeneinander für alle. Aber diese Hände werden auch gegen jede Macht kämpfen, welche die KurdInnen für ihre eigenen Interessen opfern wollen. Das sind die zwei Seiten des Freiheitskampfes.

KODAR ist trotz eigener Strategie und Taktik vorbereitet, um sich mit anderen demokratischen Parteien und Organisationen, wie feministischen und ökologischen, zusammenzutun. Wir haben die Möglichkeit in friedlicher und demokratischer Weise über Politik und Organisierung zu diskutieren. Wenn das iranische Regime eine Lösung verweigert und auf ihre anti- kurdischen Haltung besteht, werden wir den Umfang unserer Kampagnen erweitern. Wenn es keine politische Lösung für die Forderungen der KurdInnen gibt, wird KODAR die Fähigkeit haben, mit ihrer Verteidigung allen Gefahren, von denen KurdInnen bedroht sind, entgegenzutreten.

Unter dem Schirm von KODAR ist die kurdisch demokratische Bewegung bereit, einen demokratischen Ansatz vorzuschlagen. Zusätzlich zu den Anforderungen des Aufbaus der demokratischen Nation ist es erforderlich, eine demokratische Allianz mit allen iranischen Völkern, einschließlich linken Kräften, demokratischen MuslimInnen, feministischen Bewegungen, zivilgesellschaftlicher Organisationen und dem Rechtwesen zu bilden.

Rojhelat, 04.03.2015 , ISKU

ISKU | Informationsstelle Kurdistan