KCK: Wir wollen keinen Krieg ...

Cemil Bayık, Kovorsitzender des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans KCK, sprach mit der Journalistin Nazan Özcan von der türkischsprachigen Zeitung „Yurt Gazetesi“ und nahm Stellung zum Friedensprozess mit der Türkei. Bayık bemerkte, dass die türkische Regierung kein wirkliches Interesse an einer Lösung zeige: „Aus Respekt vor den Völkern der Türkei wollen wir den bewaffneten Kampf nicht neu entfachen. Doch die Türkei muss wissen, dass dies die letzte Gelegenheit für eine friedliche Lösung ist.“ Wir dokumentieren die Veröffentlichung der Nachrichtenagentur DIHA. Die Übersetzung wurde stark gekürzt.

AKP will keine Lösung
Es gibt so etwas wie den Friedensprozess nicht, so Bayık. Wenn manche unserer Freunde erklären „Der Friedensprozess sei eingestellt“, dann meinen sie dies. Die AKP hatte nie den Willen an einer Lösung des Konfliktes. Sie hat den von uns einseitig betriebenen Anstrengungen keinerlei Bedeutung geschenkt und somit diesen Prozess selbst beendet. Das ist die Realität.

Roadmap nicht erhalten
Meldungen, wonach die PKK eine Roadmap oder einen Plan zur Umsetzung des Friedensprozesses [von der Regierung] erhalten haben soll, dementiert Bayık. Auch wenn dies behauptet wird, es entspreche nicht der Realität.

Dieser Prozess ist die letzte Gelegenheit für die Türkei
Bei der AKP gäbe es keine positive Haltung über die Lösung dieses Konfliktes. Wenn es eine wirkliche Veränderung ihrer Haltung gegeben hätte, dann wäre kein Gesetz unter dem Namen „Beendigung des Terrorismus“ ins Parlament gebracht worden, so Bayık. Es ist nun offensichtlich, dass die AKP auf internationaler Ebene sehr bedrängt sei. Das politische Klima, das sie produzieren, bringt die Türkei an den Abgrund. Jetzt, da sie international in Bedrängnis geraten, und die Kurden im Aufwind sind, versuchen sie neue Täuschungsmanöver. Der Ministerpräsident Davutoğlu erklärte, dass sie bis dato den Friedensprozess mit der HDP beschritten hätten. Von nun an wollten sie diesen Weg mit der Bevölkerung und deren VertreterInnen gehen. Damit meine er, dass sie andere in diesen Prozess einbinden wollen. Sie wollen den Menschen weis machen, dass das etwas Neues sei, und wollen neue Hoffnung aufkeimen lassen. Das ist die letzte Gelegenheit der Türkei. Die neue Generation in Kurdistan ist eigentlich im Geiste und Herzen schon losgelöst. Dieses Verhalten könnte zur physischen Loslösung der Kurden führen. Wenn dies bis jetzt nicht geschehen ist, dann ist das den Anstrengungen von Herrn Öcalan zu verdanken, so Bayık.

Ohne Öcalan wären die Proteste weitergegangen
Rund um die Ereignisse in Kobanê sei eine große Bewegung entstanden. Wenn der Brief mit dem Aufruf von Abdullah Öcalan nicht gekommen wäre, dann wären die Proteste vom 6. und 7. Oktober in die nächst höhere Stufe übergegangen. Öcalan wolle die Türkei nicht bedrängen, er will keine Lösung erzwingen. Er zeige gegenüber den Völkern der Türkei Respekt und will nicht, dass die Menschen unter schwierigen Bedingungen leben müssen. Das sollten die Menschen in der Türkei und der Präsident der Republik anerkennen, so Bayık.

AKP Verantwortlich für die Proteste
Nicht nur die Jugend, sondern die ganze Gesellschaft weiß, dass die AKP unsere Bewegung eliminieren will und alles unternimmt, um ihre Macht zu stärken. Daher komme auch diese Wut, die wir am 6. und 7. Oktober erlebt haben, erklärte Bayık. Diese massiven Proteste seien aufgrund der Politik der Regierung zustande gekommen. Für die Ausschreitungen ist nicht die HDP verantwortlich, sondern die Regierung wegen ihrer Unterstützung des Islamischen Staates.
Es gibt soziologische Tatsachen. In Kurdistan wurden tausende Dörfer zerstört, verbrannt und die flüchtenden Menschen wurden obdachlos. Sie wurden nirgendwo untergebracht. Es ist ihnen nicht erlaubt zu arbeiten – im Gegenteil Arbeitgeber wurden aufgefordert, ihnen keine Anstellung zu geben.
Diese Menschen wurden zum Hungern verdammt, sie holen ihr täglich Brot aus den Mülleimern. Diese Jugendlichen wuchsen mit Hunger, Unterdrückung, Armut, Folter, Verachtung, Massakern und bis dato ungeklärten Morden auf und sind daher wütend auf den Staat. Diese Wut zeigen sie unter verschiedensten Bedingungen. Wir versuchen diese Wut und Entrüstung zu kontrollieren und in richtige Bahnen zu leiten. Wie schon erwähnt, hat Herr Öcalan einen Aufruf veröffentlicht. Unsere Bewegung hat Stellung bezogen. Wir wollten nicht, dass diese Bewegung, die ganz klar ihre Daseinsberechtigung hat, unter ein falsches Licht gerät. Wir haben gesagt, dass man vor Infiltrationen seitens des Staates aufpassen muss. Der Staat weiß um die Jugendlichen Bescheid, und wie man durch Infiltrationen Massen an Jugendlichen für Aktionen mobilisiert, die von der Bevölkerung des Landes verachtet werden. Mit dieser Art von Verhalten wird versucht, die Bewegung schlecht vor den Augen der Bevölkerung darzustellen. Damit bezwecken sie, dass Kurden gegen Türken und Türken gegen Kurden kämpfen, aber auch demokratische Kräfte gegen die herrschenden Kräfte sollen kämpfen. Diese Fallen müssen verstanden werden und sind von der Bevölkerung mit Vorsicht zu genießen, erklärte Bayık.

Wir stehen zu allem, was wir tun
Dass die in Bingöl getöteten Personen mit der Ermordung der Polizisten nichts zu tun hatten, konnte bewiesen werden. Die Bewegung verwendet keine Handlanger für ihre Aktionen. Die Regierung jedoch verwendet sehr wohl eine solche Praxis. Sie haben sowohl im rechten als auch im linken Spektrum ihre Handlanger, und mit Hilfe dieser, kämpfen sie gegen die PKK. So manipulieren sie die Gesellschaft, sie sind Meister in psychologischer Kriegsführung und es fällt es ihnen nicht schwer, ihre Taten auf die PKK zu schieben. Die PKK übernimmt immer Verantwortung für ihre Taten, auch wenn sie in Kauf nehmen muss, dass sie sich selbst damit schadet. Die PKK hat eine ehrenhafte Haltung und auf Grund dieser übernimmt sie Verantwortung. Wenn wir unseren Kräften so einen Auftrag erteilt hätten, dann würden wir dazu stehen. Wenn wir so einen Aktion mit dem Zweck der Warnung gestartet hätten, dann hätten wir die Verantwortung dafür übernommen, so Bayık. Die Ereignisse in Hakkari und in Diyarbakir haben sie auch der PKK zugeschoben. Ich bin Kovorsitzender dieser Bewegung und ich habe keinen Auftrag erteilt. Auch keine der uns zugehörigen Gruppen haben so einen Auftrag erteilt. Niemand kann uns für die Geschehnisse verantwortlich machen. Wir wissen ja aus der Vergangenheit, dass die türkische Regierung solche Aktionen durch JITEM, Hizbulkontra und anderen Banden geliefert hat und immer hieß es, die PKK wäre es gewesen. Alles Schlimme und Böse war dann immer die PKK. Jetzt beschreiten sie wieder die gleichen Wege.

Aus Respekt vor der Bevölkerung wollen wir nicht wieder zum bewaffneten Kampf zurückkehren
Wenn man sich die Ausschreitungen von Anfang Oktober ansieht, dann kann man erahnen, was passieren kann. Natürlich wollen wir nicht wieder zu den Waffen greifen. Nicht nur wegen des Respekts gegenüber dem kurdischen Volk, sondern gegenüber allen Völkern, Religionen, Kulturen, Glaubensgemeinschaften in der Türkei und einfach auch aus Respekt vor der Menschlichkeit wollen wir nicht zu den Waffen greifen. Wir wollen, dass die Bevölkerung sich gegen die Politik der Regierung stellt, daran arbeiten wir. Wenn es Angriffe gegen die demokratischen Rechte der Bevölkerung gibt, wie bei den Ausschreitungen im letzen Monat, dann wird die Guerilla eingeschaltet. Wir sehen, dass der Weg, den die Türkei beschreitet, ein gefährlicher ist. Wenn die Türkei, die AKP-Regierung, Erdoğan die Feindschaft gegenüber dem kurdischen Volk, gegen die Menschlichkeit und gegen die Demokratie weiter vorantreibt, dann wird es einen Putsch oder einen Bürgerkrieg geben. Ihre Politik schadet der Türkei – daher sollten sie sich wieder an den Verhandlungstisch setzen, erklärte Bayik.

DIHA 10.11.2014, ISKU

ISKU | Informationsstelle Kurdistan