Die
Flüchtlingskinder aus Kobanê warten auf Unterricht in kurdischer Sprache
Kurdische Kinder die
aus Kobanê flüchten mussten und nun in Zeltstädten untergebracht sind,
brauchen kurdischen Schulunterricht. Zwei Freiwillige und zwei Lehrer
aus Kobanê, die selber als Flüchtlinge in den Flüchtlingscamps leben,
appellieren an kurdische Bildungseinrichtungen: "Wir brauchen dringend
Lehrer, Lehrbücher in kurdischer Sprache, Hefte und anderes Lehrmaterial!"
Durch Angriffe des Islamischen Staates (IS) wurden ca. 200 Tausend Menschen
aus Kobanê zur Flucht gezwungen und leben nun unter schwierigen Bedingungen
hauptsächlich in Suruc und anderen Teilen der Provinz Urfa, nahe der türkisch-syrischen
Grenze. Alleine in Suruc kämpfen bis zu 120 Tsd. Flüchtlinge ums Überleben.
Fast alle Flüchtlinge werden hier, angeführt von der Stadtverwaltung Suruc
und anderen Nachbargemeinden unter Führung der DBP (Demokratik Birlik
Partisi, pro kurdische Partei), verschiedene NGO´s und privaten Spendern
und Helfern versorgt. In Suruc gibt es 4 Flüchtlingscamps die von der
Stadtverwaltung Suruc auf die Beine gestellt wurden und versorgt werden.
In diesen Camps werden die Bedürfnisse der Kobanê -Flüchtlinge den Umständen
entsprechend gestillt. Eines der wichtigen Bedürfnisse hier ist die Bildung
und für den Schulunterricht notwendige Materialien. Es gibt bis dato nur
im Flüchtlingscamp Rojava ein von freiwilligen Lehrkräften errichtetes
“Ehmede Xane Bildungszelt”. In diesem Zelt wird von zwei Freiwilligen
und zwei aus Kobanê geflüchteten Lehrern versucht hunderten Flüchtlingskindern
Unterricht zu erteilen. Im Ehmede Xane Unterrichtszelt werden auch Kinder
aus anderen Flüchtlingscamps rund um Suruc unterrichtet. Die zwei freiwilligen
Lehrkräfte Fidan Kanlibas und Edip Meric erzählen, dass sie mit aller
Kraft und Einfühlungsvermögen versuchen den Bedürfnissen der Kinder die
aus Kriegsgebieten flüchten mussten entgegenzukommen, jedoch seien sie
oft mit Schwierigkeiten konfrontiert.
"Wir benötigen dringend LehrerInnen"
Edip Meric, der freiwillige Lehrer, sagt sie würden in erster Linie Unterrichtsmaterial
in kurdischer Sprache benötigen um die Kinder in ihrer Muttersprache unterrichten
zu können. „Die Bücher die wir momentan verwenden müssen sind auf Türkisch.
Viele Freunde schicken uns Bücher – jedoch sind diese Bücher auch in türkischer
Sprache verfasst. Wir haben nun selber Bücher, unter Verwendung von Ausdrucken
aus dem Internet, gebastelt. Wir versuchen nun diese zu verwenden. Aber
abgesehen davon brauchen wir zu mindestens Bücher in welchen die Geschichten
in kurdischer Sprache verfasst sind, aber auch dringend Schulhefte und
Übungshefte in kurdischer Sprache.“ Meric unterstreicht dass eine der
wichtigen Grundbedürfnisse der Kinder aus Kobanê der Unterricht in der
eigenen Muttersprache ist. Er fügt hinzu dass sie einen großen Bedarf
an Lehrkräften vor Ort hätten die in Kurdisch unterrichten können. „Wir
haben hier zwar zwei Mamoste (Lehrer) aus Kobane, die sehr wichtig aber
nicht ausreichend sind. Wir haben nur ein Unterrichtszelt. In den anderen
Flüchtlingscamps sind noch keine Schulzelte aufgebaut. Nur im Camp „Kobanê
” wurde ein Schulzelt aufgebaut, jedoch konnte dort der Unterricht noch
nicht beginnen. Wir brauchen hier auch dringend andere Materialien in
kurdischer Sprache um den Kindern hier Zugang zu Bildung zu ermöglichen“,
ergänzt Herr Meric der Lehrer des Flüchtlingscamps.
Die stummen Kinder
Meric machtweiterhin darauf aufmerksam, dass es 8 Jährige gibt in der
Zeltstadt, die verstummt sind. "Diese Kinder sprechen nicht mal mit
anderen Kindern. Sie sind alle Kriegsgeschädigte und leiden noch immer
unter den Kriegserfahrungen die sie erleiden mussten. Daher wäre es sehr
wichtig Psychologen hier vor Ort zu haben, die mit den Kindern arbeiten
damit wir diesen Kindern helfen können. Wir unterrichten hier 3 bis 10
Jährige. Da wir lange Zeit im Unterricht verbringen, haben wir die Zeit
nicht den Kindern, die psychischen Auffälligkeiten zeigen, zu helfen."
Die Kinder haben den Wunsch nach Hause zurückzukehren
"Wir haben überhaupt kein Material den Kindern die kurdische Kultur
und Spiele in kurdischer Sprache beizubringen. Es ist zwar jetzt schon
kalt, aber noch auszuhalten, jedoch steht der Winter vor der Tür. Wenn
es dann erst richtig kalt wird, stehen wir vor dem nächsten Problem: die
Wärmebeschaffung für die Schulzelte. Auch hier müssen Vorkehrungen getroffen
werden. Wir organisieren Veranstaltungen für die Kinder. Bei diesen Veranstaltungen
singen 20 Kinder nach einander das Lied 'Kobanê iro xemgine' (Kobanê ist
traurig heute), welches sich als das Lied für den Widerstand in Kobanê
und die Sehnsucht für die Heimatstadt erwiesen hat. Das zeigt uns wie
sehr die Kinder sich nach ihrer Stadt sehnen und wie stark sie den Wunsch,
wieder zurück nach Kobanê zu gehen, verspüren.", erläutert Edip Meric
die Situation vor Ort.
Kontinuierlicher Unterricht muss gewährleistet sein
Fidan Kanlibas, die Lehrerin die ebenfalls freiwillig vor Ort ist, weist
darauf hin, dass ins Besondere für Kinder im Kinderkrippe-, Kindergarten-
und Vorschulalter Spielzeuge die pädagogisch wertvoll sind und für Kinder
mit kurdischer Muttersprache konstruiert sind, von Nöten sind. Weiteres
gibt sie an:" Es kommt hier Spielzeug an, jedoch können wir diese
nicht im Unterricht verwenden. Die von der der DBP verwalteten Städte,
Gemeinden und Provinzen produzieren kurdischsprachiges Spielzeug. Ich
denke es gibt aktuell keinen anderen Ort als den hiesigen der diese Spielzeuge
mehr benötigt. Wir würden uns freuen wenn wir diese hier hätten, für die
Kinder. Wir haben hier viele Kinder die das Lesen und Schreiben gerade
lernen. Wir brauchen nicht nur Bilderbücher sondern auch dringend sehr
viele Übungshefte. Nur in diesem Camp lernen gerade ca. 200 Kinder das
Lesen und Schreiben, und dieses Camp ist das Kleinste von Allen. Wir brauchen
auch Lehrer für die anderen Camps, jedoch keine die für einige Tage kommen
und dann wieder wegmüssen. Wir brauchen hier Kontinuität. Es wäre nicht
richtig dass die Kinder immer wieder mit verschiedenen Lehrern arbeiten
müssen. Daher brauchen wir Lehrkräfte hier die länger bleiben können,
zumindest einige Wochen.
Appell an die Bildungsförderungsorganisation „MAPER“ und den Verband der
kurdischen Bildungsstätten „KURDI-DER“
Frau Kanlibas bemerkt dass die Lehrkräfte und Beauftragten von der MAPER
und der KURDI-DER bis dato nicht vor Ort erschienen sind. "Diese
Freunde waren bisweilen hier noch nicht anzutreffen. Ich bin mir sicher
dass sie sehr beschäftigt sind und weiß auch dass der Unterricht in ihrem
Wirkungsgebiet bereits begonnen hat. Wenn jedoch von jeder örtlichen Stelle
der MAPER eine Lehrkraft sich auf den Weg hierher machen würde, hätten
wir das Problem mit dem Mangel an Lehrkräften schnell gelöst. Wenn wir
hier unterstützt werden würden, wären wir sehr froh darüber.", lautet
der Appell der Lehrerin.
ANF, 27.10.2014, ISKU
|