Amnesty International: Festsetzung von Flüchtlingen aus Kobane muss untersucht werden

Die letzten 95 Flüchtlinge aus Kobanê, von ursprünglich 300, die seit dem 5. Oktober von türkischen Sicherheitskräften festgesetzt wurden, sind am 20. Oktober freigelassen worden. Die syrischen Flüchtlinge wurden zuvor von der Turnhalle in Suruç in der sie festgehalten wurden in ein Zeltlager nach Aligör in der Nähe Suruçs verbracht.

Ihnen muss jetzt Zugang zu medizinischer Versorgung gewährt werden, außerdem müssen die Vorgänge der unrechtmäßigen Festsetzung und die Vorwürfe von Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte untersucht werden.

Ursprünglich waren etwa 300 Menschen festgesetzt worden. Zwei Gruppen, bestehend aus 82 und 40 Flüchtlingen wurden genötigt, nach Syrien zurück zu kehren, am 14. und 16. Oktober respektive, eine weitere Gruppe aus 85 Flüchtlingen wurde in ein weiteres Flüchtlingslager in der Türkei verfrachtet.
Anwälte die die Interessen der Flüchtlinge wahrnehmen erklärten gegenüber Amnesty International, dass die Behörden bisher weder auf Vorwürfe der Misshandlung in Haft, noch auf die Forderung nach Rückkehr der abgeschobenen Flüchtlinge reagiert hätten. Auch die medizinische Versorgung nach Freilassung ist nicht geregelt, wobei mehrere Flüchtlinge ernsthafte oder chronische medizinische Bedürfnisse hatten, denen auch schon während der Haftzeit nicht entsprochen wurde.

In den letzten zwei Wochen häufen sich Berichte über die Zurückweisung von syrisch-kurdischen Flüchtlingen an der türkischen Grenze. Teilweise handelt es sich dabei auch um Schwerverletzte, denen so eine medizinische Erstversorgung verweigert wird und deren Leben damit in unmittelbarer Gefahr steht.
Die Flüchtlinge berichteten Amnesty International, dass die beiden nach Syrien abgeschobenen Gruppen genötigt wurden, Papiere zu unterschreiben, unter Androhung sie würden sonst auf unbestimmte Zeit festgehalten werden. Ein solches Vorgehen ist sowohl durch internationale als auch türkische Gesetze verboten.

Weiter wurde berichtet, dass die türkischen Behörden den Flüchtlingen keine Angabe zum Grund ihrer Festsetzung gaben. Viele Familienangehörige wussten nicht, wo sie sich aufhielten, diejenigen die von der Festsetzung wussten wurden nicht zu ihren Angehörigen durchgelassen, als sie an der Turnhalle ankamen. Die Flüchtlinge berichteten sie forderten immer wieder: „Wenn wir eine Straftat begangen haben sollten, so stellt uns vor Gericht und beweist das!“

Amnesty International erfuhr von den Flüchtlingen zudem, dass sie am dritten Tag ihrer Haft in Einzelverhören von Gendarmerie Beamten misshandelt wurden. So wurden sie auf den Boden geschmissen während Gendarme auf ihren Gliedmaßen standen, einigen wurde unterstellt, sie seien Angehörige der westkurdischen PYD-Regierung woraufhin sie mit Messern bedroht wurden die ihnen mit den Worten „Wir schneiden Dir den Kopf ab und schmeißen ihn rüber nach Syrien“ an die Kehle gedrückt wurden.
Die Flüchtlinge erklärten gegenüber Amnesty International, das sie ZivilistInnen seien, neun von ihnen sind JournalistInnen die für die Hawar Nachrichtenagentur arbeiten und in Kobane geblieben sind um Informationen von dort zu verbreiten.

Amnesty International fordert dringlich eine Untersuchung der unrechtmäßigen Festsetzung der Flüchtlinge und ruft Menschen dazu auf, entsprechende Apelle auf türkisch oder in jeder anderen Sprache an den türkischen Innenminister Efkan Ala, den Generaldirektor für Migrationsmanagement Atilla Toros und in Kopie an die Parlamentskommission für Menschenrechte zu senden.

Die Apelle sollten bis zum 4. Dezember 2014 eintreffen und fordern:
- eine sofortige, unabhängige und unvoreingenommene Untersuchung der Vorgänge, die zur illegalen Festsetzung, den Vorwürfen der Misshandlung und der Rücksendung von Flüchtlingen nach Syrien führten
- dass alle nun freigelassenen Flüchtlingen Zugang zu medizinischen Untersuchungen gewährt und eine medizinische Versorgung darüber hinaus sichergestellt wird
- dass zukünftig alle Flüchtlinge die aus Syrien in die Türkei einreisen möchten, dies unverzüglich ohne übertriebene Verzögerung, Festsetzung oder andere Strafmaßnahmen tun können um Asyl in der Türkei beantragen zu können.

ANF, 24.10.2014, ISKU

ISKU | Informationsstelle Kurdistan