Enver
Muslim: Dialog ist Vorbedingung für Unterstützung
Die Journalisten
Abdurrahman Gök und Ersin Çaksu sprachen mit dem Präsidenten des Kantons
Kobanê, Enver Muslim, über kürzliche Waffenlieferungen durch Koalitionskräfte,
die Frage nach einem Hilfskorridor, die Behauptung, Peschmergas kämpften
in Kobanê sowie über die allgemeine aktuelle Situation in Kobanê.
Enver Muslim erklärte
den Journalisten gegenüber, das es derzeit außer Frage steht, dass Peschmerga-Kräfte
nach Kobanê kommen und dass auch noch keine Kontaktaufnahme diesbezüglich
gegenüber der Volksverteidigungseinheiten YPG oder der Kantonsregierung
stattgefunden habe. Muslim sagte weiter, dass: „da unser gemeinsames Hauptziel
die Vernichtung des IS ist, eine Beziehung zueinander wichtig ist. Wir
sind bereit diese Beziehung aufzubauen und würden uns freuen wenn dies
geschehe. Die Hilfe die uns bisher zu Teil wurde hat uns zudem sehr gefreut“.
Muslim betonte zudem,
dass die Gefahr für die Stadt weiterhin sehr groß ist und sagte, dass
sie zwar offen gegenüber Hilfe seien, aber „alle, die Hilfe für Kobanê
und die YPG anbietet, in Kontakt mit uns und der YPG treten muss“.
Waffenlieferungen
müssen weitergehen
In Bezug auf die Frage nach Waffen die von Koalitionskräften geliefert
wurden, sagte Enver Muslim: „Die Angriffe auf Kobanê finden seit über
einem Monat statt. In Folge der heftigen Attacken und der darauffolgenden
Zunahme von Veranstaltungen und Aktionen in Solidarität mit Kobanê auf
der ganzen Welt haben viele Gruppen begonnen, uns zu unterstützen. Allerdings
ist die bisherige Unterstützung nicht ausreichend. Die Koalitionskräfte,
unter Teilnahme der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Kanadas und vieler
anderer Staaten, haben Luftangriffe auf die Stellungen geflogen in denen
IS schwere Waffen einsetzte, diese Luftangriffe waren erfolgreich. Das
reicht aber nicht aus, denn die YPG kämpft gegen den IS am Boden und braucht
weitergehende Unterstützung. Gestern erreichte uns Unterstützung aus Südkurdistan
mit Hilfe von US-Flugzeugen. Hierfür müssen wir uns bedanken. Es war ein
Vorgang der uns und die Zivilisten in der Region sehr glücklich stimmte.
Die Hilfslieferung bestand aus Waffen, Medizin und Lebensmitteln. Diese
eine Lieferung für sich ist allerdings nicht ausreichend und muss fortgesetzt
werden. Es wird noch etwas Zeit dauern, den IS komplett zurückzudrängen.
Um die Dörfer um Kobanê herum befreien zu können müssen weiterhin Waffen
geliefert werden.“
Vor der Unterstützung
muss der Kontakt hergestellt werden
Muslim erklärte, dass Behauptungen, Peschmerga-Kräfte wären in Kobanê
angekommen, falsch sind: „Aktuell wird der IS in Kobanê von YPG und YPJ
sowie einigen demokratischen Einheiten der Freien Syrischen Armee (FSA)
bekämpft. Außer diesen Kräften kämpft hier niemand. Aber wir möchten erneut
betonen, dass wenn es Kräfte gibt, die Kobanê und die YPG unterstützen
möchten, diese in Kontakt mit uns und der YPG treten müssen. Wir können
keine Ergebnisse erzielen ohne miteinander in Kontakt zu stehen. Genauso
wie die, die uns Waffen gaben und wie die Koalitionskräfte die diese Waffen
in Absprache mit uns nach Kobanê brachten, genauso müssen Kräfte, die
Kobanê und die YPG zukünftig unterstützen wollen dies in einer mit uns
koordinierten Art und Weise tun. Allerdings gibt es bisher keine derartigen
Kontaktaufnahmen. Aber wir sind bereit diese Beziehung aufzubauen und
würden uns freuen wenn dies geschehe.“
Wir sind offen
für Unterstützung
„Was wir sagen möchten“, fährt Muslim fort: „ist, dass Kobanê weiter in
großer Gefahr ist. Seit zwei Monaten kündigt der IS an, Kobanê zu erobern,
aber schafft es nicht. Deshalb ist die Gefahr eines Massakers an Zivilisten
aus Rache sehr groß und Kobanê muss als Konsequenz weiter unterstützt
werden. Wir sind offen gegenüber Unterstützung durch Waffenlieferungen
und von Gruppen die gemeinsam mit uns gegen de IS kämpfen wollen.“
Keine Änderung
in türkischer Politik
Muslim erläuterte auch, dass sich die türkische Politik gegenüber Kobanê
und Rojava nicht geändert hat und erinnerte die Türkei daran, dass der
IS letztendlich auch für sie eine Gefahr darstellt: „Selbst nach den Waffenlieferungen
haben wir keinen Kontakt mit der Türkei. Aber wir hoffen, dass auch die
Türkei den IS irgendwann als Bedrohung und Feind aller Menschen ansieht.
In der gleichen Form wie heute der Kanton Kobanê bedroht ist, kann morgen
die Türkei und ihre Bevölkerung bedroht sein. Der IS wird die Zerstörung,
die in den von ihnen gehaltenen Gebieten angerichtet wurde, auch in die
Türkei bringen. Deshalb muss die Türkei den Kampf gegen den IS unterstützen.
Die Türkei, der Irak und alle Anderen müssen den Kampf gegen den IS und
die Gefahr den er für den Mittleren Osten darstellt, unterstützen.“
Die Gefahr für Kobanê ist groß
Muslim widersprach auch Berichten, nach denen sich der IS aus Kobanê zurückgezogen
hätte: „Der IS ist mit einer sehr großen Truppe und schweren Waffen in
Kobanê eingefallen. Bisher wurden tausende Mörsergranaten auf die Stadt
geschossen. Nachrichten, die behaupten der IS ziehe sich zurück, spiegeln
nicht die Realität wieder. Die Gefahr für Kobanê ist weiterhin groß. Täglich
schlagen Mörsergranaten ein, es gibt keinen Teil Kobanês, der nicht getroffen
wurde. Gleichzeitig wurden dutzende Autobomben gezündet. Hier sind tausende
Kämpfer in Angriffstellungen. Die Gefahr geht weiter. Aber mit der Unterstützung
der Koalitionskräfte und derjenigen Kräfte, die die Menschlichkeit verteidigen,
werden wir den IS aus Kobanê vertreiben und kurze Zeit später aus allen
Dörfern rund um Kobanê.“
IS möchte
Massaker verüben
Muslim betonte, dass YPG/YPJ große Anstrengungen und Opfer eingegangen
sind um Zivilisten zu schützen: „Die Moral der KämpferInnen von YPG und
YPJ ist sehr hoch, da sie daran glauben, dass sie Kobanê und die Zivilisten
verteidigen können. YPG glaubt an ein demokratisches Syrien. Aus diesem
Grund wurden für die Verteidigung alle Reserven mobilisiert. Es sind noch
tausende Zivilisten in Kobanê. Sie sind in Gefahr und die YPG verteidigt
sie. Der IS möchte nichts lieber als hier ein Massaker zu verüben. Sie
möchten sich Rächen, für ihre Niederlage, dafür dass ihr Vormarsch in
Kobanê gestoppt wurde. Sie greifen kontinuierlich weiter an. Aber sie
scheitern am Widerstand von YPG und YPJ.“
Abschließend rief
Muslim alle Menschen auf, Kobanê zu unterstützen und ein Zeichen für ein
demokratisches Syrien zu setzen: „Unser patriotisches Volk und die Kräfte
Kurdistans müssen ihre demokratischen Proteste fortsetzen, damit wir Kobanê
aus dieser schwierigen Situation befreien können. Alle Kräfte müssen uns
für ein demokratisches Syrien unterstützen, in dem Assyrer, Kurden, Turkmenen,
Araber, Armenier und alle anderen Menschen zusammen leben können.“
ANHA NEWS, 22.10.2014,
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