Widerstand
der Bevölkerung in Lice gegen Militäroperationen
Der
Widerstand der Bevölkerung von Lice, in der Provinz Amed, der vor zwei
Wochen begann und gegen die militärischen Operationen und die Aktionslosigkeit
der türkischen Regierung im Friedensprozess gerichtet ist, dauert weiter
an. Täglich gibt es schwere Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung
und dem türkischen Militär.
Die Nachrichtenagentur ANF hat nun mit der Kobürgermeisterin von Lice,
Harun Erkus, und den ZivilistInnen vor Ort über die Gründe der Aktion,
den Forderungen und über die Geschehnisse in der Region gesprochen.
Frau Erkus, die seit 14 Tagen zusammen mit den AktivistInnen ist, erklärte:
„Gestern Morgen haben hunderte Soldaten unsere Zelte angegriffen. Es wurden
hunderte Gasgranaten geworfen, auch gegen Mütter. Sehr viele Menschen
wurden verletzt. Wir haben den Notruf alarmiert, die haben uns erklärt,
dass sie wegen Sicherheitsgründen nicht in die Region kommen werden. Daher
haben wir die Verletzten in die umliegenden Dörfer gebracht.“
Aktion für den Frieden
Erkus erklärte, dass die Aktion nur von der zivilen Bevölkerung durchgeführt
wird: „Der Widerstand hier, wird für die Freiheit aller Völker geführt.
Das Hauptanliegen der Bevölkerung ist, den [Friedens]-Prozess zu schützen.
Wir wollen, dass keine Guerilla und keine Soldaten sterben, dass nicht
die Natur zerstört wird, das die Wälder nicht niedergebrannt und das keine
Militärposten gebaut werden. Die ausgeführten Aktionen sind ein demokratisches
Recht. (…)
„Der Staat bleibt nicht ruhig. Er wirft Gasgranaten auf Mütter. Er greift
demokratische Aktionen hart an. Es gibt im Moment keine Gefechte, aber
eine große Anspannung. Auf den Plätzen wird nach Frieden geschrien, die
Bevölkerung steht diesem Staat mit seinen faschistoiden Methoden allein
entgegen. Im Jahr 2013 wurden fast 160 Militärposten gebaut. Auch wenn
in diesem Prozess die 1. Phase, mit der Waffenruhe der Bewegung und dem
Aufruf zum Rückzug, erreicht wurde, wurde keine Grundlage für ein demokratisches
System vorbereitet. Wir sagten, dass der 2. Schritt von dem Staat kommen
muss. Und dies ist nicht passiert. Für ein Vertrauen der Bevölkerung in
die politische Macht braucht es den Aufbau eines gesetzlichen Rahmens.
(…) Wenn es eine ernsthafte Annäherung des Staates geben würde, gebe es
Vertrauen. Doch wir als Bevölkerung vertrauen der Macht nicht. Weil es
keine Schritte gibt und Kriegsvorbereitungen getroffen werden, gibt es
kein Vertrauen in die politische Macht", so die Bürgermeisterin.
Erkus kritisierte auch die Mediendarstellung bezüglich den Ereignissen
in Lice: „Es ist nicht so wie in den Medien beschrieben. Der Grund für
die Blockade der Straßen durch die Bevölkerung liegt nicht in der Sabotage
des Friedensprozesses. Ganz im Gegenteil provozieren diejenigen den Prozess,
die die Militärposten überhaupt erst bauen. Wir machen hiermit als Bevölkerung
einen Aufruf an den Staat. Sie sollen sagen, dass der Bau von Militärposten
eingestellt wird, und wir beenden unsere Aktion. Wenn der [Friedens]-Prozess
gesetzlich festgeschrieben wird, unsere Rechte mit gesetzlichen Maßnahmen
sichergestellt werden, werden wir nichts gegen die Militärposten des Staates
unternehmen.
Wenn das Wort Kurdistan fällt, schauen sie, als ob es etwas potentiell
Schuldiges gäbe. So versucht man unsere demokratischen Forderungen zu
unterdrücken. In Gezi gab es einen Widerstand der mit den Bäumen begann.
Die Massen hatten sich dem verantwortlich gefühlt. Hier wurden mehr als
10-Hektar mit Baufahrzeugen zerstört. Seit 1990 bis heute gibt es ein
Massaker an den Menschen und der Natur. Diejenigen die die Natur lieben,
fühlen sich nun nicht verantwortlich. Kurdistan ist wohl für die Naturliebhaber
ein anderer Ort“, erklärte Erkus.
Der Aktivist Ahmet D. erklärte: ,,Ich bin 17 Jahre alt. Ich war Zeuge
von Gefechten, Krieg und Unterdrückung. Auf diesem Boden wurde viel Blut
vergossen. Seit dem Beginn des Prozesses wurde der Bau von Militärposten
beschleunigt. Es gibt Kriegsvorbereitungen, wir als die hier lebende Bevölkerung
können dies sehen. Ich bin sehr verärgert darüber. Warum machen sie so
viele Investitionen in Krieg? Ich bin hier, weil ich gegen den Bau von
Militärposten bin. Unsere einzige Absicht ist ein nachhaltiger Frieden."
ANF, 05.06.2014, ISKU |