HDP-BDP-Delegation
besucht Öcalan
Am 26. März besuchte
die HDP-BDP-Delegation, bestehend aus den Abgeordneten İdris Baluken,
Pervin Buldan und Sırrı Süreyya Önder, den auf der Gefängnisinsel Imrali
inhaftierten Vorsitzenden der PKK, Abdullah Öcalan. Es war der erste Besuch
nach den Kommunalwahlen am 30. März. Nach ihrer Rückkehr veröffentlichte
die Delegation eine schriftliche Erklärung, die wir hier in gekürzter
Form wiedergeben:
“Unsere Delegation besuchte heute (Freitag) Herrn Öcalan auf der Insel
Imrali und hielt eine dreistündige Sitzung ab. Herr Öcalan sprach zu Beginn
der Sitzung all denjenigen seinen Dank aus, die in der Wahlphase aktiv
für die Kommunalwahlen am 30. März gearbeitet, sie unterstützt und eine
aktive Rolle eingenommen haben. Die mit der Entschlossenheit der Bevölkerung
zustande gekommenen Ergebnisse seien trotz aller Repression, Behinderungen
und allen Wahlbetrugs wichtig und müssten nun von den organisierten politischen
Institutionen auf der Grundlage einer demokratischen Politik und der neu
entstandenen Möglichkeiten richtig bewertet werden. Anlässlich des 1.
Mai lässt er allen Erwerbstätigen in der Türkei zum Widerstandsfest seine
Grüße ausrichten. (…) Er habe zum 1. Mai einen umfassenden Brief an die
Erwerbstätigen in der Türkei geschrieben und werde ihnen diesen vor dem
1. Mai zukommen lassen.
Zum Prozess erklärte er, dass sich dessen Charakter in dieser Phase verändere.
Es bestünden jederzeit Möglichkeiten für eine nachhaltige Lösung, aber
auch Gefechte seien wahrscheinlich. Mit von der Regierung getätigten Schritten
könne die Gefahr von Gefechten beseitigt und die Lösung dementsprechend
auch in neuen Formaten vertieft werden. Trotz aller Schwierigkeiten bereue
er es nicht, den Prozess bis heute gebracht zu haben. Ganz im Gegenteil
finde er es sehr wichtig.”
Am 27. April berichtete der Abgeordnete İdris Baluken der Nachrichtenagentur
ANF von seinem Gespräch mit der kurdischen Führungspersönlichkeit Abdullah
Öcalan. Dieser habe die AKP-Regierung kritisiert, im “Lösungsprozess”
immer noch keine gesetzlichen Schritte in die Wege geleitet zu haben,
und Gesetze über die kommunale Selbstverwaltung und die demokratische
Zivilgesellschaft vorgeschlagen. Der Kongress für eine Demokratische Gesellschaft
(DTK) müsse ein “Parlament der Zivilgesellschaft” werden.
“Gesundheit und Moral
waren gut”
“Mit Herrn Öcalan haben wir eine dreistündige Sitzung abgehalten. Wie
immer empfing er unsere Delegation im Stehen. Wir konnten beobachten,
dass seine Gesundheit und Moral gut waren”, berichtete Baluken und fuhr
fort: “Wie in den vorangegangenen Sitzungen haben wir ihm zunächst Informationen
geliefert. Wie Sie wissen, hatte unsere Delegation in Kandil mit KCK-Vertretern
und in Ankara mit Regierungsvertretern Gespräche geführt. Darüber unterrichteten
wir Herrn Öcalan. Auch über die Situation nach den Wahlen schilderten
wir unsere Ansichten. Anschließend brachte er seine eigenen Tagesordnungspunkte
vor. Er teilte mit, dass er zwei Gespräche mit staatlichen Vertretern
gehabt habe.”
“Die Fehler bei den
Wahlen müssen auf den Tisch”
Baluken zufolge hat
sich Öcalan in folgender Weise zu den Wahlen geäußert:
“Das durch die entschiedene Haltung unserer Bevölkerung zustande gekommene
Ergebnis der Kommunalwahlen ist trotz aller Repression, Behinderungen
und des späteren Wahlbetrugs wichtig. Alle organsierten politischen Strukturen
müssen dies richtig bewerten. Natürlich war die Erwartung höher. Die organsierte
Struktur von BDP und HDP hatte hohe Erwartungen geweckt und hat Schwächen
gezeigt. In der kommenden Phase muss alles auf den Tisch und die notwenigen
Maßnahmen müssen getroffen werden. Der Wahlbetrug durch die AKP ist inakzeptabel;
dies ist keine passende Annäherungsweise an den Lösungsprozess, der eine
demokratische Politik vorsieht.”
Baluken zu Öcalans
Ansichten über die HDP:
“Die HDP sieht er als ein wichtiges strategisches Projekt an. (…) Es muss
der Bevölkerung und den Arbeitern als ein strategischer Vorstoß nahegebracht
werden.”
Zwei Gesetzesvorschläge
Baluken berichtete
auch von Öcalans Kritik an der Regierung und seinem Vorschlag für Gesetze
über die kommunale Selbstverwaltung und die demokratische Zivilgesellschaft:
“Herr Öcalan kritisierte die Regierung, dass diese bis heute keine gesetzlichen
Schritte für die Lösung der kurdischen Frage eingeleitet habe. Einige
für die Lösung wichtige Punkte müssten gesetzlich festgeschrieben werden.
Es gehe dabei einmal um ein Gesetz über die kommunale Selbstverwaltung
und ein anderes über die demokratische Zivilgesellschaft. Bis heute gebe
es kein entsprechendes Gesetz. (…) In Italien gebe es 21, in Spanien 17
Autonomiegebiete, in Deutschland 16 Bundesländer, in Großbritannien 4
Teile und die USA hätten 50 Staaten. (…) All diese Länder hätten Verwaltungsreformen
durchgeführt, während nur die Türkei dies nicht umsetze, geschweige denn
überhaupt darüber diskutiere.”
“Parlament der Zivilgesellschaft”
Zum Gesetz über die
demokratische Zivilgesellschaft brauche es laut Öcalan eine breite umfassende
Arbeit: “Er sagte, dass die autonome Organisierung der Bevölkerung von
äußerster Wichtigkeit sei. Der DTK müsse auf die Bedürfnisse der Zivilgesellschaft
reagieren und über dieses Gesetz eine Diskussion anstoßen und praktische
Arbeit leisten. Er müsse seine Arbeit als ein ‘Parlament der Zivilgesellschaft’
wahrnehmen.”
“Es braucht bedeutendere
Entwicklungen als die Freilassungen”
Zur Freilassung einiger
KCK-Gefangener habe Öcalan erklärt: “Sie waren sowieso in der Position
von Geiseln. Im Hinblick darauf, diese Position nicht noch weiter zu verlängern,
war die Freilassung wichtig. Doch es gibt immer noch politische Gefangene,
es braucht in der kommenden Phase wichtigere Schritte. Auch erwarte ich
von der Regierung einige schnelle Schritte zu den kranken Gefangenen.
Ich grüße alle kranken Gefangenen und alle anderen Inhaftierten, insbesondere
die Frauen. Auch die Freigelassenen grüße ich.”
Vier Tage nach dem Besuch der BDP-HDP-Delegation auf Imrali wurde der
Besuchsantrag der Anwälte Öcalans von der Staatsanwaltschaft mit der Begründung
“das Boot ist defekt” erneut zurückgewiesen. Seit dem 27. Juli konnten
die Anwälte ihren Mandanten auf Imrali nicht besuchen.
ANF, 27./28.04.2014,
ISKU
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