Innerhalb von 50 Tagen 2506 Festnahmen

Der türkische Staat überzieht kurdische Politikerinnen und Politiker, Aktivistinnen und Aktivisten mit einer neuen Festnahme und Inhaftierungswelle, die an Putschzeiten erinnert. Die Welle Begann mit den Newroz Feiern 2011, steigerte sich nach den erfolgreichen Protesten gegen die Nichtzulassung linker, prokurdischer Kandidaten und Kandidatinnen zur Parlamentswahl und führte zu mehr als 2506 Festnahmen und hunderten Haftbefehlen in den letzten 50 Tagen. Alleine in den vergangenen 5 Tagen wurden 155 Menschen festgenommen und 53 erhielten Haftbefehle. Während sich die Parlamentswahlen am 12.Juni nähern finden Tag und Nacht ständig Razzien und Festnameoperationen statt.

2000 FESTNAHMEN ZWISCHEN 24. MÄRZ UND 29. APRIL
Nach einer Bilanz, die sich aus den Meldungen der Nachrichtenagenturen ANF und DIHA ergibt, wurden innerhalb von zwei Monaten, zwischen dem 24. März und dem 29. April etwa 2000 Personen festgenommen. Alleine am letzten Tag dieser Repressionswelle, den 29. April, betraf diese 66 Personen in sieben Städten.
Nach einer Bilanz des Menschenrechtsvereins IHD wurden nach dem Veto der hohen Wahlkommission, zwischen dem 19. und 29. April 831 Personen, davon 198 Kinder und Jugendliche festgenommen. In dieser Phase wurden 2 Demonstranten von der Polizei getötet und mindestens 308 Personen in diesem Rahmen verletzt.

500 FESTNAHMEN IN DEN LETZTEN 11 TAGEN
Zwischen 29. April und 5. Mai wurden im ganzen Land Operationen gegen kurdische Aktivisten und Aktivistinnen durchgeführt und mindestens 177 Festgenommen. Am 6. Mai nahm die Polizei in Adana, Hatay-Dörtyol und Bodrum 163 Personen fest und inhaftierte 19, am 7. Mai wurden 24 Personen inhaftiert und 11 weitere festgenommen.
Zwischen dem 7. und dem 11. Mai fanden dann Festnahmen gegen Kurdinnen und Kurden und oppositionelle Linke statt – 155 Festnahmen, 53 Inhaftierungen. Am 10. wurden 34 Personen, darunter 3 Mitglieder der bekannten linken Band Grup Yorum festgenommen. Auch wurden 7 Studierende, darunter ein Korrespondent der Nachrichtenagentur DIHA festgenommen. Die Festnameoperationen zwischen dem 7 und 11. Mai spielten sich in Hakkari, Mardin, Şırnak, Diyarbakır, Siirt, Van, Urfa, Söke, Erzurum und Malatya ab. Das bedeutet, dass insgesamt seit Beginn des Monats Mai 500 Personen festgenommen wurden. Unter den Festgenommen befinden sich Kinder, Alte, Kranke, Studenten und Studentinnen, Journalisten und Journalistinnen, Politikerinnen und Politiker der linken prokurdischen BDP und Personen aus deren Leitung.

INSGESAMT 2506 FESTNAHMEN
Nach dieser Bilanz wurden in den letzten 55 Tagen mindestens 2506 Personen festgenommen, etwa 400 davon inhaftiert. Jeden Tag fanden durchschnittlich 50 Festnamen statt. Es ist zu vermuten, dass die realen Zahlen höher sind. Nach einem Bericht des IHD von 2009 wurden damals 7718 Personen aus politischen Gründen festgenommen, 1923 Personen inhaftiert. 2010 wurden allein in den kurdischen Provinzen 3706 Personen festgenommen und die Bilanz für 2011 lässt schlimmeres erwarten.

KOMMENTAR: AKP-REGIERUNG ESKALIERT KRIEG IM VORFELD DER WAHLEN
Die Bewertung dieser Operationen lässt deutlich Rückschlüsse zu. Zunächst der Rahmen: Eine hochpolitisierte kurdische Bevölkerung, die aktiv mit Mitteln des zivilen Ungehorsam für Frieden, einem Ende der Operationen, Ausbildung in Muttersprache und eine Demokratisierung des Landes eintritt. Die kurdische Guerilla, die mit vermutlich über 10.000 Kämpferinnen und Kämpfern ungeteilte Unterstützung der Mehrheit der kurdischen Bevölkerung erhält und die ebenfalls für die oben genannten Forderungen eintritt, immer wieder Waffenstillstände ausruft und sich um eine friedliche Verhandlungslösung bemüht.
Andererseits steht dem der türkische Staat gegenüber, der gerade vor den Wahlen deutliche Zeichen in Richtung Krieg setzt: Da wären zunächst die 2506 Festnahmen, der Versuch der Nichtzulassung prokurdischer PolitikerInnen, die Ablehnung jeglicher Forderung der kurdischen Bevölkerung nach Demokratisierung, die Andauernden Angriffe auf Bevölkerung und Guerillas in Defensivposition. Das türkische Militär setzte erst letzte Woche nach Angaben von kurdischen Guerillas chemische Waffen ein, die „nach Pfefferminz rochen und zu starkem Brechreiz führten.“ Sieben Guerillas wurden getötet und ihre Leichen, wie es in den letzten Jahren so oft zu beobachten ist, von Soldaten geschändet, ihnen wurden die Augenausgestochen und Ohren bzw. Nase abgeschnitten. Währenddessen bringt die AKP nach berichteten der Nachrichtenagentur ANF Hunderte bewaffnete Anhänger in kurdische Hochburgen wie Gever/Yüksekova.
Dieser kurze Umriss der aktuellen Situation in der Türkei und der kurdischen Region lässt weitere Repression und eine Eskalation des Krieges befürchten. Nur internationaler Druck uns Widerstand könnte die Türkei von diesem Kriegskurs abbringen. Um diese Politik zu stoppen muss hier in Europa protestiert und Widerstand geleistet werden, gegen Militärhilfe und sonstige Unterstützung für den türkischen Staat und solidarisch in Europa mit der kurdischen Bevölkerung und ihren emanzipatorischen Organisationen zusammengestanden werden.

Zusammenfassung aus: ANF/DIHA/KURDISHINFO

ISKU | Informationsstelle Kurdistan