Zusammenfassung:
Staatsterrorismus durch türkisches Militär
Seit nun schon mehr einem Monat
ist der einseitige Waffenstillstand der kurdischen Guerilla beendet worden.
Er war nicht mehr sinnvoll erschienen, nachdem der türkische Staat tausende
politische Aktivist_innen inhaftieren ließ, unter ihnen auch viele Kinder
und Jugendliche. Massive Bodenluftoperationen von Seiten der türkischen
Armee mit Vernichtungsabsicht gegen die Guerilla zunahmen, Dörfer geräumt
und verbrannt sowie die Zahl der Folterfälle und extralegalen Hinrichtungen
stetig anstieg.
In diesem Monat hat die Guerilla viele Offensiven durchführen können und
eine starke Aktionsfähigkeit bewiesen, die nach eigenen Angaben auch den
Generalstabsvorsitzenden der türkischen Armee Başbuğ den Schlaf rauben.
Mehr als hundert türkische Soldaten und 25 Guerillas fielen im letzten
Monat. Doch das Militär greift in der Auseinandersetzung immer mehr zu
Taktiken des schmutzigen Krieges und rächt sich für Guerillaangriffe an
der kurdischen Bevölkerung, den Gefangenen und den Toten auf grausame
Weise. So ist immer öfter zu beobachten, dass Soldaten nach Guerillaangriffen
Passant_innen, Häuser, Autos, Busse und andere zivile Einrichtungen beschießen.
Weiterhin bombardieren türkische Flugzeuge und Hubschrauber, die der Guerilla
nicht habhaft werden können, Weiden, Nutztierherden und Dörfer in Nord-
wie auch in Südkurdistan. Durch die Strategie des türkischen Militärs
sind im letzen Monat etliche Zivilist_innen unter ihnen auch Kinder getötet
worden.
VERSTÜMMELUNGEN VON GUERILLALEICHEN
– EXTRALEGALE HINRICHTUNGEN VON GEFANGENEM GUERILLA
An der Leiche des in Gümüşhane vor zwei Wochen angeblich gefallenen Guerillas
Özgür Dağhan (Sipan Amed) wurden schwere Verstümmelungen festgestellt.
Als die Familie nach größeren Schwierigkeiten die Leiche ihres Sohnes
im Krankenhaus von Trabzon abholen wollte, erlitten sie bei seinem Anblick
einen Schock. Denn der Kopf des Leichnams, den sie auf Anordnung der Staatsanwaltschaft
abholen sollten, war bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Da an seinem
Körper sonst keine Verletzungen festzustellen waren, drängt sich der Verdacht
auf, dass er lebend gefangen genommen worden war und dann umgebracht wurde.
Die Familie, die gezwungen wurde die Leiche abzuholen, sah nicht nur den
Körper ihres Sohnes, sondern die Leichen zweier weiterer Guerillas. Auch
diese Körper trugen die gleichen Spuren von Zerstückelung. Die Mutter
des Guerillas Özgür Dağhan (Sipan Amed), Gülistan Dağhan begann am 05.07.
mit einem Todesfasten. Sie konnte den Schock nicht überwinden, den verstümmelten
Leichnam ihres Sohnes gesehen zu haben und konnte seitdem nichts mehr
essen. Nun hat sie offiziell ein Todesfasten begonnen.
In den letzten Wochen immer wieder Praxis: Erst am 23. Juni waren die
gleichen Verstümmelungen an der Leiche des ebenfalls in der Region gefallenen
Guerillas Hamit Ulaş (Sendoz Amed), und dem in der in Diyarbakır Silvan
gefallenen Guerilla Bayram Dün festgestellt worden. Beiden wurden ebenfalls
die Köpfe zertrümmert. Der Verdacht, dass Hamit Ulaş lebend gefangen genommen
worden ist und dann hingerichtet wurde, hat sich erhärtet. Er war verletzt
bei seinem Bruder festgenommen und dann von Soldaten hingerichtet worden.
Sein Bruder ist mittlerweile inhaftiert.
Neuer Fall von Verstümmelungen in Siirt: Auch letzte Woche in Siirt wurden
die Körper von 10 gefallenen Guerillas verstümmelt und insbesondere die
Leichname der drei Frauen auch sexuell von Soldaten angegriffen.
Diese Form der psychologischen Kriegsführung gegen die kurdische Bevölkerung
durch Schändung der Leichen gefallener Guerilla hat eine lange Tradition
beim türkischen Militär. 1995 gingen Bilder um die Welt, als türkische
Soldaten mit den abgeschnittenen Köpfen von Guerillas posierten.
MUTMASSLICHE RACHEAKTIONEN
AN BEVÖLKERUNG NACH GUERILLAAKTIONEN
An mehreren Orten konnte beobachtet werden, dass es zu teilweise tödlichen
Angriffen auf die Zivilbevölkerung oder auf ihre Häuser, Fahrzeuge etc.
durch das Militär nach Guerillaangriffen kam. Es drängt sich der Eindruck
auf, dass die Zivilbevölkerung vom Militär als Geiseln angesehen wird,
an denen Guerillaangriffe abgestraft werden können. Eine Erklärung des
Generalstabsvorsitzenden der Inneren Sicherheit, dem General Fahri Kır,
von letzter Woche gibt in Bezug auf das Ereignis besonders zu denken.
Er hatte erklärt, „Es gibt Schwierigkeiten das Volk von den PKKlern zu
trennen.“ Er gestand damit ein, dass bei den Operationen gegen die PKK
von den Soldaten auch Zilist_innen ins Visier genommen werden. Die HPG
warnte Zivilist_innen nach einer Reihe von Morden durch die türkische
Armee davor, in die Nähe von Soldatengebieten zu gehen, für das türkische
Militär, sei: „das Töten von Menschen eine Ehre und das ermorden von Kindern
eine Leistung.“
Soldaten töten nach Guerillaaktion Zivilisten: So durchsieben am 21. Juni
in Silvan Soldaten ein Zivilauto und verletzten die beiden Insassen schwer,
einer von beiden erlag seinen Verletzungen. Der Überlebende erklärte,
dass sie sich noch mit dem Auto von den Soldaten entfernen konnten, sonst
wären sie beide gestorben. Am Fahrzeug waren mindestens 20 Einschüsse
festzustellen.
Militär terrorisiert Bevölkerung in Beytüşşebap: Nach einer Guerillaaktion
in Beytüşşebap in der Provinz Şırnak, bei der ein Soldat und 3 Dorfschützer
verletzt worden waren, beschossen Soldaten aus Maschinengewehren Häuser
und Geschäfte von Dorfbewohner_innen. Nur durch Zufall wurden nur zwei
Personen verletzt. Der 16-jährige Fırat Akdağ wurde angeschossen, als
er auf dem Balkon seines Hauses saß. Ayde Durmuş wurde vor der Tür ihres
Hauses getroffen. In das Haus von Islam Dursun wurde eine Granate geschossen,
die glücklicherweise nicht explodierte. Als die Granate in das Haus einschlug,
schliefen in direkter Nähe Frau Dursun und drei Kinder.
Mord an Dorfbewohner_innen in Hatay: Soldaten, die in Hatay unterwegs
zu einer Operation waren, eröffnen am 28.06.2010 um 10:00 Uhr morgens
das Feuer auf Dorfbewohner_innen, die sich auf einer Alm aufhielten um
Thymian zu pflücken. Zwei Dorfbewohner 61 und 62 Jahre alt, sterben und
ein 75-Jähriger wird verletzt.
Mord an 2 Dorfbewohnern in Lice: Am 02.07.2010 töten türkische Soldaten
in der Region Lice zwei Dorfbewohner, einer wurde verletzt. Eine medizinische
Behandlung der Getöteten wurde von den Soldaten bewusst verzögert.
Racheaktion des Militärs in Hakkari: Nach einer Guerillaaktion gegen einen
Polizeiposten in der Region Hakkari/Çukurca riegelte die Polizei die ganze
Region ab und führte willkürliche Razzien durch, bei denen etliche Dorfbewohner_innen
misshandelt wurden. Soldaten schossen auf Wohnhäuser und terrorisierten
die Bewohner_innen. Die Dorfbewohnerin Zozan Adıyaman erklärte: „Was ist
unser Verbrechen? Warum zerschießt der Staat unsere Häuser? Unsere Kinder
stehen alle unter Schock, die fürchten sich immer noch. Was ist unser
Verbrechen, wenn die PKK fünf Kilometer weiter weg einen Angriff durchführt?“
Ein in diesem Kontext in Gewahrsam genommener 17-Jähriger wurde in der
Folter der Arm gebrochen.
Mordversuch an ehemaligem DTP-Vorsitzenden von Şırnak: Der ehemalige Vorsitzende
der im letzen Jahr verbotenen linken kurdischen DTP wurde, als er am 3.07.
mit seinem Sohn an der Polizeidirektion in Şırnak vorbeiging, beschossen.
Glücklicherweise trafen die Kugeln nicht.
Elaziğ/Karakocan Soldaten töten Siebzigjährige nach Guerillaaktion: Nach
einem Angriff auf einen Militärstützpunkt in Elazığ/Karakocan, am 25.06.,
eröffneten Soldaten willkürlich das Feuer und töteten eine 70-jährige
Dorfbewohnerin, die mit ihrer Familie von der Feldarbeit zurückkehrte.
Ihre Familie, darunter ein 5-jähriges Kind, wurde verletzt.
SOLDATEN ZERSTÖREN DÖRFER UND
NATUR IN KURDISTAN
In Verbindung mit den Operationen wird die Natur Kurdistans zerstört.
Um Guerillas keine Deckung bieten zu können, steckt das Militär große
Flächen Wald an und verhindert das Löschen. Auch neue Dorfzerstörungen
in der Region Batman sind bekannt geworden.
Cudi-Berge in Şırnak brennen: Seit Anfang Juli brennen große Flächen in
den Cudi-Bergen und die Waldbrände weiten sich aus. Zivilist_innen versuchen
bisher erfolglos die Feuer zu löschen. Die Brände wurden von der im Dorf
Ikizce stationierte Bolu-Komando-Brigade gelegt. Mittlerweile sind große
Landflächen verkohlt. Ein Dorfbewohner kommentiert die Brände folgendermaßen:
„Niemand fragt nach unserer Situation. Seit 20 Jahren wird hier jedes
Jahr alles niedergebrannt. Was sollen wir machen, unsere Saat ist verbrannt:
Unsere Tiere sind hier, unsere Plantagen und Gärten sind verbrannt. Sie
sind weg. Was sollen wir tun? Solen wir von hier weggehen? Es ist ein
Millionenschaden entstanden. Der Staat hilft uns überhaupt nicht.“
Nach Meinung der Dorfbevölkerung wurde der Brand von den Soldaten gelegt.
Menschenrechtsdelegation: Dörfer wurden absichtlich und willentlich niedergebrannt:
Am 23.Juni wurden in der Umgebung von Hasankeyf drei Dörfer von Soldaten
niedergebrannt. Eine dorthin entsandte Menschenrechtsdelegation hat nun
ihre Berichte veröffentlicht. Sie haben ermittelt, dass es eine bewusste
und gezielte Aktion der Soldaten war. Weitere Dörfer können vom Militär
jederzeit niedergebrannt werden. „Heute werden Dörfer aus „Sicherheitsgründen“
angezündet, morgen können Menschen wieder aus den selben Gründen umgebracht
werden,“ erklärte die Delegation. Bei diesem schweren Übergriff wurden
auch große landwirtschaftliche Flächen zerstört. Dieses Jahr wurden schon
mehrere Dörfer aus „Sicherheitsgründen“ geräumt und vermint. Dies betrifft
vor allem die Region Hakkari.
BEI LUFTANGRIFFEN
BESTEHT VERDACHT AUF EINSATZ VON CHEMISCHEN WAFFEN:
Immer wieder werden Regionen in Süd-, wie in Nordkurdistan vom türkischen
Militär bombardiert. Dabei wird insbesondere die Zivilbevölkerung ins
Visier genommen, da die Guerilla nicht greifbar ist.
Mutmaßlicher Napalm Einsatz auf Kandil: Beim Luftangriff auf die Region
Kandil durch das türkische Militär erhärtet sich der Verdacht, dass Napalm
eingesetzt worden ist. Bei den Angriffen wurden mindestens zwei Häuser
zerstört und große Mengen Vieh getötet. Durch einige der Bomben die abgeworfen
wurden, entstanden sofort Flächenbrände. Die Bevölkerung fordert, dass
untersucht werde müsse, ob hier Napalm eingesetzt worden ist. Der im Kandil
als Lehrer arbeitende Abdurehman Mine İbrahim erklärte: „Kandil wird mit
Napalm bombardiert. Das war im 2. Weltkrieg verboten, aber der türkische
Staat benutzt das auf Kandil. Der türkische Staat behauptet, dass er die
PKK treffe, aber bisher hat er bei den Angriffen auf die Region Kandil
nur zivile Ziele ins Visier genommen. Die Zivilbevölkerung erleidet schaden,
Menschen sterben, Häuser werden zerstört.“
Am 10. Juni waren schon 2 Zivilist_innen vom türkischen Militär getötet
und sechs verletzt worden. Am 19. Juni wurden in Xakurke zivile Gebiete
bombardiert. Dabei starb die 15-jährige Zahide Mihemed Mecid, als sie
auf die Weide zog, ein 6-jähriges Kind und ein 36 Jahre alter Mann wurden
schwer verletzt. Am 10. Mai explodierte eine von Çukurca aus abgefeuerte
türkische Artilleriegranate in einem Haus in einem Dorf in der Nähe von
Duhok. Dabei starben der Hausbesitzer (27) und seine Frau. Ihre drei zwischen
vier und neun Jahre alten Kinder wurden schwer verletzt. Am 29. Juni bombardierten
Kobra-Helikopter in der Provinz Hakkari Dorfbewohner, die auf landwirtschaftliche
Flächen zogen. Nur durch Glück konnten sie fliehen, mussten aber ihre
Sachen zurücklassen.
Quellen: Hakkarinews,
DIHA, ANF, YUKSEKOVAHABER; YUKSEKOVAGUNCEL, GUNDEM Online, ÖP
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