„Pressefreiheit mit Füßen getreten“

Das Erscheinen der in Istanbul herausgegebenen Tageszeitung Ülkede Özgür Gündem ist per Beschluss des 12. Schweren Strafgerichts der Türkei für 15 Tage verboten worden. Das Gericht stützt sich mit seiner Entscheidung auf das Pressegesetz sowie auf Artikel 6 des neuen Antiterrorgesetzes.

Zeitgleich zu dem Verbot hat der türkische Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer die im Zusammenhang mit den Medien stehenden Artikel 5 und 6 des Antiterrorgesetzes vor den Verfassungsgerichtshof gebracht, weil er sie verfassungsrechtlich nicht für vertretbar hält. Auch Sezer vertritt die Meinung, dass eine vorübergehende Schließung eines Medienorgans nicht in der Verfassung vorgesehen ist und deshalb auch nicht über andere Gesetze durchgesetzt werden könne.

Im Gerichtsbeschluss gegen die Tageszeitung Gündem findet sich auch keine konkrete Begründung, sondern lediglich der Hinweis, es werde „kontinuierlich Propaganda“ für eine verbotene Organisation gemacht.

Einen Tag vor dem Verbot wurde bereits ein Verfahren gegen den Redaktionsleiter der Zeitung, Hüseyin Aykol, aufgrund eines Interviews, das er vor drei Jahren geführt hat, eröffnet. Auch in diesem Verfahren beruft sich das Gericht auf das Antiterrorgesetz. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe bis zu 15 Jahren.

Bis zum 20. Juli 2006 wurden gegen die im März 2004 gegründete Zeitung und ihre Mitarbeiter 550 Prozesse eingeleitet. In einer Erklärung der Zeitung heißt es: „Vom Generalstab bis zu Regierungsvertretern ist unsere Zeitung immer wieder zur Zielscheibe erklärt worden, weil unsere Berichterstattung die in der Türkei herrschende Realität widerspiegelt. Niemals wurden unsere Meldungen dementiert, aber immer wieder wurde die Zeitung auf die Zielscheibe gesetzt. […] Als das Antiterrorgesetz geändert wurde, haben Juristen, Menschenrechtler, zivilgesellschaftliche Organisationen und jeder, der Verstand im Kopf hat, gewarnt: Das ist kein Gesetz zum Kampf gegen den Terrorismus, sondern gegen die Gesellschaft!

Es ist ein Gesetz für den Kampf gegen die Gesellschaft, weil nach diesem Gesetz jeder ein potentieller Terrorist ist. In diesem Sinne werden auch alle in den letzten drei bis fünf Jahren gesetzten positiven Schritte im Rahmen des EU-Beitrittsprozesses mit dem neuen Antiterrorgesetz zunichte gemacht. Der Beschluss gegen unsere Zeitung ist nicht zu akzeptieren und tritt die Demokratie, die Presse- und Meinungsfreiheit mit Füßen. Aus diesem Grund rufen wir alle Medienorgane und demokratischen Einrichtungen dazu auf, sich gegen das Antiterrorgesetz zu stellen, bevor es zu spät ist und sie selbst an die Reihe kommen.“

Quelle: Gündem, 05.08.2006, ISKU

Übersetzung aus dem Türkischen
ISKU | Informationsstelle Kurdistan