III. Das Jahr 2000-1 beginnt

Kriegsdrohungen gegen Syrien / Öcalan in Rom
Die Europäisierung der Kurdenfrage
Die Reise von Rom ins "Ungewisse"
Öcalans Auslieferung an die Türkei
Einige Reaktionen aus Deutschland und Europa
Schily zu den Aktionen aus Anlass der Verschleppung Öcalans
Kay Nehm: "PKK keine Terrororganisation"
Der Vorfall in Berlin - die Tatsachen widerlegen Schily
Der Europäische Rat der EU zu den Demonstrationen und zum Öcalan-Prozess"
ERNK: "Aktivitäten im Rahmen der demokratischen Regeln und mit Vernunft entfalten"
Erklärung der deutschen Friedensbewegung
Wie sah es in Kurdistan aus?
Öcalan auf Imrali
Ein weiteres Beispiel der Zusammenarbeit: Schließung von MED-TV
Nach den Parlaments- und Kommunalwahlen: Trotz Repressalien viele Kommunen in den Händen der HADEP
Tribunal gegen Öcalan

Geteiltes Echo
Internationale Reaktionen auf das Urteil
Reaktionen der türkischen und kurdischen Seite
"Diplomatie und Piraterie"


Die Reise von Rom ins "Ungewisse"

Nach fast einem Jahr kommen nun Informationen an die Öffentlichkeit, die Aufschluss geben über das Schicksal des PKK-Vorsitzenden zwischen dem 16. Januar 1999, als er Rom in Richtung Russland verließ, und dem 15. Februar 1999, dem Tag seiner Entführung aus Nairobi. In dieser Zeit wusste fast niemand, wo er sich aufhielt und was er tat. Nach Informationen der PKK-Führung, die sich am ersten Jahrestag der Odyssee, welche am 9. Oktober 1998 begonnen hatte, zu diesen Fragen äußerte, waren es nicht nur ausländische Mächte, die Öcalan zwangen, Rom zu verlassen, sondern es seien sogar einige Kader "wissentlich oder unwissentlich" an der internationalen Zusammenarbeit beteiligt gewesen.
Ebenfalls am 9. Oktober 1999 wurde in Medya TV eine Dokumentation mit den neuen Bildern Öcalans während des Flugs von Rom in Richtung Russland ausgestrahlt. Hierin kamen auch viele Augen- und Zeitzeugen, Politiker, Diplomaten und Geheimdienstler zu Wort. Im Folgenden werden die Ereignisse dieser Phase zusammengefasst wiedergegeben, entsprechend den Angaben aus der Sendung von Medya TV und aus Özgür Politika. (40)
Nach dem Abflug aus Rom am 16. Januar 1999 endete die Reise mit der Ankunft auf dem Moskauer Flughafen. Öcalan wurde zunächst untergebracht und blieb bis zum 20. Januar in Russland. An diesem Tag haben dann die russischen Behörden Öcalan aufgefordert, noch vor der bevorstehenden Ankunft der US-Außenministerin Madeleine Albright das Land zu verlassen. Mit einer Militärmaschine sollte er nach Armenien geflogen werden. Als die Maschine in der Luft war, merkten die kurdischen Insassen, dass die Reise tatsächlich nach Tadschikistan ging, wo Öcalan und seine Begleitung eine Woche lang blieben. Am 28. Januar 1999 eröffneten ihnen russische Verantwortliche, dass sie Tadschikistan verlassen müssten. So wurde mit griechischen Behörden vereinbart, über St. Petersburg nach Griechenland zu fliegen. Via Moskau ist die Delegation dann in St. Petersburg eingetroffen. Nachdem Öcalan mit seinen eigenen Leuten gesprochen hatte, bestieg er die aus Griechenland zu diesem Zweck eingetroffene Maschine. Am 1. Februar verkündete der Außenminister Griechenlands dem US-Botschafter in Athen, Nicolas Burns, dass Öcalan in Griechenland sei. Die Griechen bestanden darauf, dass er und seine Begleitung das Land verlassen müssten. Zu diesem Zweck sei aber ein sicherer Ort gefunden. In der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1999 flog Öcalan mit einer aus der Schweiz gemieteten Maschine in Richtung Nairobi/Kenia. Am nächsten Morgen erklärte Nicolas Burns höchstpersönlich in Athen, dass Öcalan in Griechenland war, nun aber nicht mehr dort sei.
Alle diese Informationen wurden nach und nach an die Türkei weitergegeben, so dass türkische Behörden genau wussten, was mit Öcalan geschah und wo er sich aufhielt.
Am 3. Februar traf eine dreiköpfige Delegation des israelischen Geheimdienstes unter Führung von David Ivry in Ankara ein.
Am 10. Februar um 16.00 Uhr landete eine Privatmaschine vom Typ TC-CAG Falcon 900 der Nergis Holding (41) auf dem Flughafen Entebbe in Uganda. Unter den 7 'Passagieren' befanden sich auch ein General und ein Major. Einen Tag vorher wurden den Behörden auf dem Flughafen Entebbe folgende Namen übermittelt, mit der Bitte, ihnen zu helfen: Gelar Rahim Reha, Naki Kor, Hakan Yigit, Murat Gürlay, Onur Ates, Ali Sevgili und Baris Tayfun. Das Flugzeug wurde von Kapitän Atilla Sindal, Sadik Sindal und Yalcin Bal geflogen.
Um die Mission zu vollenden, startete dieselbe Maschine am 15. Februar 1999 um 13.35 Uhr in Richtung Nairobi. Zusammen mit dem abgeholten "Gast" aus Kenia ging der Flug dann um 18.30 Uhr in Richtung Türkei weiter.
Zu den Ereignissen in Nairobi kann man zusammenfassend sagen, dass griechische Botschaftsangehörige und Geheimdienstler alles getan haben, um den ungebetenen Besucher wieder aus dem Botschaftsgebäude hinauszuschaffen. Nachdem das griechische Außenministerium schließlich zusagte, dass Öcalan nach Europa geflogen würde, musste sich die kurdische Delegation einverstanden erklären und die Botschaft in Nairobi verlassen.(42) Die verhängnisvollen Folgen dieser Entscheidung sind bekannt.
Am 9. Oktober 1999 nannte PKK-Präsidiumsmitglied Duran Kalkan die Namen der bei der Ausreise aus Rom beteiligten Länder, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland. Sie sollen über ihre Kanäle und Kontakte Öcalan dazu bewegt haben, Italien zu verlassen und an der Reise ins "Ungewisse" erheblich mitgewirkt haben.

(40)Medya TV-Dokumentation vom 9.10.99; ÖP, 11.10.99

(41)der Besitzer Cavit Caglar wird von Demirel als Familienmitglied bezeichnet und hat gute Kontakte sowohl zur Unterwelt als auch zum harten Kern des Staates.

(42)Medya TV, 9.10.99; ÖP, 11.10.99