Gespräch mit Piroshan Dogrul, der Schwester von Leyla Zana
von Monika Morris

Sie berichtete, daß sich Leyla Zana als Kämpferin für das ganze kurdische Volk betrachte und sie nicht als einzige aus dem Gefängnis entlassen werden wolle, sondern nur gemeinsam mit allen politischen Gefangenen. Sie verlange Freiheit für das ganze kurdische Volk und die Freiheit, daß sich die Menschen als KurdInnen bekennen können. Die Realität ist, daß Frauen im Gefängnis auf vielfältige Weise mißhandelt werden, daß man sie hungern läßt oder ihnen kein Wasser gibt. 

Leyla sei ein Symbol für die kurdischen Frauen geworden. Sie gebe ihnen Kraft, sie sei ihre Seele. Sie begleite die Frauen auf jedem Marsch und auf jeder Demonstration. 

Frau Dogrul erzählte weiter, daß sie ihre Schwester am 1. Juni im Gefängnis von Ankara habe besuchen können. Leyla Zana habe auf sie einen sehr schwachen Eindruck gemacht; sie sei abgemagert und leide unter Knochenschwund - all dies eine Folge der früheren Folterungen, der Haftbedingungen und vor allem ein Resultat der Feuchte und Kälte im Gefängnis. Eine Krankenhausbehandlung habe sie abgebrochen.
Frau Dogrul schilderte, daß ihr jedesmal alle nur erdenklichen Steine in den Weg gelegt würden, bevor sie überhaupt eine Genehmigung zum Besuch ihrer Schwester erhalte. Zum Beispiel werde, wenn sie dort erscheine, behauptet, daß sie ja gar nicht ihre Schwester sei. Beschimpfungen und Bedrohungen seien obligatorisch. Es bedürfe jedesmal erheblicher Anstrengungen, um dann doch ins Gefängnis hineingelassen zu werden. Diese Kämpfe seien für sie eine ungeheure Belastung. 

Sie erzählte weiter, daß kürzlich Leyla Zanas Sohn und Tochter die Erlaubnis zum Besuch ihrer Mutter im Gefängnis verwehrt worden sei mit der Behauptung, bei Personen aus dem Ausland (Sohn und Tochter leben in Frankreich) könne es sich nicht um Leyla Zanas Kinder handeln. 
Während des Aufenthaltes der Kinder bei Frau Dogrul hätten diese schreckliche Furcht vor möglichen Repressionen oder Verhaftungen gehabt.

Frau Dogrul erfährt als Mitglied des IHD-Vorstands ebenso wie ihre FreundInnen Verhaftungen, Todesdrohungen oder die Drohung, vergewaltigt zu werden. Sie fühlt sich oft am Rande des Todes. Vielleicht werde man sie eines Tages tatsächlich töten. 

Sie betont wie nahezu alle unsere GesprächspartnerInnen, daß sie dennoch weiterkämpfen werde, bis dieser Kampf für die Rechte des kurdischen Volkes gewonnen sei.* 

Leyla Zana

Leyla Zana wurde 1995 mit internationalen Friedenspreisen ausgezeichnet, darunter dem Aachener Friedenspreis, und sie ist für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Geboren 1961 in Bahceköyü in NW-Kurdistan, galt sie, wie Frauen allgemein, wenig in ihrer Familie. Mit 14 Jahren wurde sie gegen ihren Willen verheiratet und mußte mit ihrem Mann Mehdi Zana nach Diyarbakir umsiedeln. Dort erlebte sie 1980 den Militärputsch, ihr Mann, inzwischen Bürgermeister von Diyarbakir, wurde verhaftet. Leyla Zana, Mutter von zwei Kindern, erlebte die Willkür der türkischen Militärherrschaft. Sie, die bisher unter dem Einfluß ihres Vaters bzw. ihres Ehemannes gestanden hatte, war nun gezwungen, „selbst zu denken und selbst voranzugehen". Der türkischen Sprache und des Lesens und Schreiben unkundig, begann sie, ihre mangelnde Schulbildung nachzuholen und machte das Abitur. Sie leitete die Gründung eines Frauenverbandes ein und arbeitete als Journalistin bei der Zeitung „Yeni Ülke" (Neues Land). 1991 wurde Leyla Zana als erste Kurdin und Abgeordnete der DEP ins türkische Parlament gewählt. Ihr Ziel ist es, den Krieg in Kurdistan auf parlamentarischer Ebene zu thematisieren und einer Lösung näherzukommen. Ihr engagiertes Auftreten im Parlament und ihre mutigen Aktionen (Sprach u.a. den Eid vor dem türkischen Parlament auf kurdischer Sprache) machten sie in den Augen des türkischen Staates zur gefährlichen Person. Leyla Zana ist seit März 1994 - gemeinsam mit 11 anderen DEP-Abgeordneten - im Gefängnis in Ankara inhaftiert, nachdem zuvor ihre Immunität aufgehoben wurde. Im Dezember 1994 wurde sie wegen „Seperatismus" zu 15 Jahren Haft verurteilt. Seitdem gibt es in der Türkei aber auch international Kampagnen zur Freilassung der ehem. DEP Abgeordneten.