Licht am Horizont
Annäherungen an die PKK
IV. Werte, Prinzipien und Methoden der PKK
IV.6.7. Kritik und Selbstkritik
IV.6.8. Organisationsprinzipien

IV.6.8. Organisationsprinzipien

a) Kollektivität/ Kollektivismus

Kollektivität/ Kollektivismus ist ein Parteiprinzip, daß sich durch alle Bereiche des Parteilebens zieht. Jede Individualisierung soll abgelegt werden (29). Ziel ist es, daß zu allen Genossinnen Beziehungen aufgebaut werden. Individuelle Beziehungen, also Auseinandersetzungen zu zweit oder in kleinen Grüppchen sollen so verhindert werden. Es ist ein Verhalten, daß scharf kritisiert und nicht geduldet wird. Ein Austausch mit allen Genossinnen muß gewährleistet sein, nicht nur mit denen aus der eigenen Klasse, Region oder von Genossinnen, die die gleichen Charaktereigenschaften haben, da sonst eine Verhaften in den alten Wertvorstellungen wahrscheinlich ist und sich nicht mit anderen Vorstellungen konfrontiert wird. Situationen sollen so verhindert werden, in denen man sich gegenseitig nicht kritisiert oder Genossinnen mit anderer Herkunft ablehnt. Daher sollen in einer Manga oder Takim immer Freundinnen zusammenkommen, die verschiedene Klasseneigenschaften haben, aus verschiedenen Gebieten kommen, damit sich jede/r ständig mit den eigenen und anderen Eigenschaften konfrontiert, der Klassenkampf geführt wird, Kollektivität entsteht, der gemeinsame Wille im Geiste, und nicht die alte Gesellschaft im kleinen reproduziert wird.

Jede/r Genosse soll sich ständig aus- und weiterbilden, gemäß seinen/ihren Möglichkeiten, soll dieses Wissen aber nicht anhäufen, sondern in einem ständigen Prozeß von Diskussion und Auseinandersetzung den Genossinnen weitervermitteln, damit das ganze Kollektiv ein höheres Niveau erreicht. Werden beispielsweise Bücher gelesen, soll der Inhalt den anderen weitervermittelt werden.

Auf Plattformen, Tekmils, Versammlungen findet eine ständige Auseinandersetzung statt. Jede Person kollektiviert die Ergebnisse ihrer Arbeit, ihrer Gedanken; in Kritik am anderen sieht man vor allem auch sich selbst, und das ganze Kollektiv kritisiert.

Die Leitung darf nicht individuell handeln und besteht meist aus mehreren Personen. Grundsätzliche Entscheidungen werden nicht von einer Person getroffen,. sondern mit den Vertreterinnen der nächsthöheren Leitungsebene diskutiert werden. Z.B. der Takim-Kommandant mit dem Bölük-Kommandant. Die Leitung wird vor allem danach bewertet, ob sie dem Anspruch der Kollektivität gerecht wird. Verhindert wird so das Entstehen einer individuellen Praxis, die von der Linie der Partei abweicht. Ergebnisse sollen im Dialog entstehen, als dialektischer Prozeß. Dieses Prinzip geht davon aus, daß niemand in der Partei perfekt ist, weder die Leitung noch die Kämpferinnen. Der Erfolg der Entscheidung hängt von dem koordinierten und bewußten Engagement aller ab. Kollektiver Kampf setzt kollektive Verantwortung an der Basis voraus, kollegiale Verantwortung in der Leitung. Alle müssen für das gemeinsame Wohl in den Kampf einbezogen werden, jede/r muß jederzeit bereit sein, jede Aufgabe zu übernehmen.

b) Möglichkeiten der Teilnahme am Kampf

Die Teilnahme am Befreiungskampf kann laut Satzung unter verschiedenen Voraussetzungen erfolgen. Die PKK gibt jedem, der sich an der Revolution beteiligen will die Möglichkeit dazu, nach den eigenen Voraussetzungen teilzunehmen.

Als PatriotInnen werden Personen verstanden, die Sympathie für die Partei empfinden, die Linie der Partei unterstützen, ohne sie dabei restlos akzeptieren zu müssen.

PatriotInnen, die aktiv sind und sich nach Kraft und Möglichkeit beteiligen, die Partei moralisch und materiell unterstützen, sind Anhängerinnen.

Aktive organisierte AnhängerInnen, die sich kontinuierlich an der Parteiarbeit beteiligen und Mitgliederbeiträge zahlen, sind Parteisympathisantinnen.

Mitglieder sind Personen, die das Parteiprogramm akzeptieren, verantwortlich ausführen, den Willen der Partei mit dem eigenen Willen verbinden, sich damit identifizieren. Sie bemühen sich, damit eins zu werden, geben ihr Privatleben auf und sind sozusagen 24 Stunden für die Partei da. Mitglieder müssen sich selbst analysieren, sich in Tempo und Lebensart der Partei annähern. Das Mitglied entscheidet sich dafür, sein Leben für die Sache zu geben. Mitglieder, die Verantwortung, also bestimmte Aufgaben, übernehmen, sind Kader. Jedes Mitglied entscheidet sich mit dem Eintritt in die Partei für den Kampf, was auch die Teilnahme am bewaffneten Kampf heißen kann. Dazu muß das Mitglied grundsätzlich bereit sein.

Durch die verschiedenen Möglichkeiten der Teilnahme am Kampf ergibt sich die Gelegenheit für alle Menschen, die Partei kennenzulernen, sich zu entscheiden, wie weit die eigene Teilnahme geht. Viele Patriotinnen entscheiden sich nach einiger Zeit, wenn sie die Partei besser kennen, diese mehr zu unterstützen und werden dann Anhänger usw.

c) Organisierung auf allen Ebenen

Die Partei strebt eine Organisierung der gesamten Bevölkerung an. Strukturen werden geschaffen, die alle gesellschaftlichen Bereiche umfassen, nicht nur in Kurdistan, auch im Exil. Das Ziel ist, daß die Bevölkerung die Partei und ihre Ziele kennenlernt, versteht und somit schon Strukturen geschaffen werden, die Ansätze der revolutionären sozialistischen Gesellschaft ausbilden. Die Menschen in der Bevölkerung lernen nicht nur die Partei kennen, sondern auch sich selbst. Und sich untereinander. Sie lernen sich selbst als Kraft kennen, bauen Selbstbewußtsein auf und entwickeln eine neue Lebensart. Nur ein festes Bewußtsein in der Bevölkerung schützt die Partei davor, daß Kader, die von der Linie abweichen, im Namen der Partei handeln. Die Bevölkerung, die bewußt ist, ist eine Entscheidungskraft, die die Partei langfristig überflüssig macht. Sie ist eine Garantie für die revolutionäre sozialistische Gesellschaft. Die Organisierung wird von der Partei nicht übergestülpt, sondern nach dem Kennenlernen der Partei entsteht in der Bevölkerung selbst der Wunsch, Teil dieser Kraft zu werden. Die jeweiligen entstehenden Organisationen können bestimmte Bereiche der politischen, ökonomischen, sozialen Aufgaben übernehmen. Zum Beispiel gibt es Organisationen, in denen Sprache, Musik, Literatur im revolutionären Sinn aufgearbeitet und weiterentwickelt werden; Organisationen, die Frauen, Jugendliche, Kinder erreichen. Jeder Bereich wird nach den bestimmten Bedingungen aufgebaut und strukturiert. Alle Ressourcen sollen genützt werden, jedem/r die Möglichkeit gegeben werden, sich nach eigenem Wollen, eigener Kraft für die Bewegung einzusetzen, ein Teil des revolutionären Kampfes zu sein.

d) Demokratischer Zentralismus

Der Krieg bedingt eine zentrale Leitung und klare Befehlsstruktur. Die Entwicklung des Kampfes führte zu einer Zentralisierung der Leitung, die die Perspektiven und Anweisungen gibt. Damit trotz der zentralen Leitung keine Bürokratisierung einsetzt, die jeden dynamischen Prozeß verhindern würde, wurden verschiedene Methoden der Kontrolle entwickelt. Jedes Mitglied hat die Pflicht, in Form von ausführlichen systematischen Berichten seine eigene Praxis und die der Leitung zu kritisieren. Das Berichtssystem gewährleistet, daß Mängel der Leitung der nächsthöheren Ebene, den jeweils übergeordneten Komitees bekannt werden. Berichte können auch direkt an das Zentralkomitee oder den Generalsekretär gegeben werden. Diese Form der Bewertung kann nicht unterbunden oder von dazwischenliegenden Leitungsebenen kontrolliert werden. Es werden also ständig Perspektiven von oben nach unten und Berichte von unten nach oben gegeben. Jedes Mitglied ist somit verpflichtet, initiativ zu sein und nicht als Befehlsempfängerin teilzunehmen, sondern trägt die Verantwortung einzuschreiten. Bei Mängeln wird so nicht nur die Leitung kritisiert, sondern auch die übrigen Mitglieder, da sie die Verantwortung tragen, bei Fehlern der Leitung initiativ zu werden. Bei groben Fehlern oder Vergehen gibt es eine Kontrollkommission, die die Fälle untersucht, so daß sich Fraktionen, die der Parteilinie widersprechen, sich nicht etablieren können.

In regelmäßigen Abständen finden Tekmils und Versammlungen statt, auf denen die Plattform die gesamte

Praxis in einem bestimmten Zeitraum bewertet. Die Leitung muß die Ergebnisse in ihre Praxis mit einbeziehen. Gleichzeitig müssen offensichtlich falsche Entscheidungen der Plattform von der Leitung nicht angenommen werden.

Im Aufbau der Partei findet der demokratische Zentralismus seinen Niederschlag in der periodischen Wahl aller leitenden Komitees bzw. Parteiorgane von unten nach oben, demnach auch in der Leitung der Partei von einem gewählten Zentrum aus und in der periodischen Rechenschaftspflicht der Komitees und Leitungsorgane vor den Organisationen, durch die sie gewählt wurden.
 


(29) Kollektivismus meint nicht die Verabsolutierung der Gemeinschaft. Es ist ein auf Freiwilligkeit beruhendes Prinzip und eine Haltung, die von der Einsicht ausgeht, daß die freie Entfaltung der Menschen sowie die Befriedigung ihrer Interessen und Bedürfnisse nur in der Gemeinschaft und durch sie möglich ist. Im Gegensatz dazu verabsolutiert der bürgerliche Individualismus das isolierte Individuum als Selbstzweck.