Zur Isolation von Abdullah Öcalan

An die Presse und Öffentlichkeit

Herrn Abdullah Öcalan, der seit dem 15. Februar 1999 ohne Unterbrechung auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftiert ist, werden seit dem 27. Juli 2011 Konsultationen mit seinen Anwält_innen verwehrt. Seit dem 06. Oktober 2014 wird nun auch seinen Familienangehörigen der Besuch auf Imrali untersagt. Zuletzt konnte ihn am 05. April 2015 eine Delegation der HDP (Demokratische Partei der Völker) auf Imrali besuchen und seinen Haft- und Gesundheitszustand in Erfahrung bringen.

Die Besuchsanfragen seiner Anwält_innen und Familienanghörigen werden seit knapp vier Jahren mit ähnlichen Begründungen abgelehnt. "Wiedrige Wetterbedingungen" und "das Boot ist funktionsunfähig" gehören zu den beliebtesten Begründungen. Im Jahr 2011 hatten zuvor Tayyip Erdoğan und das Justizministerium - ohne jegliche rechtliche Grundlage - mehrfach erklärt, dass sie keine weiteren Konsultationen von Anwält_innen auf der Insel Imrali zulassen würden.

Dasselbe Schicksal wie Herr Öcalan erleiden auch die anderen Gefangnen auf Imrali. Die Anwält_innen der auf der Gefängnisinsel festgehaltenen Personen müssen für ihre Mandanten sowohl die laufenden Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als auch die gegen ihre Mandanten verhängten Disziplinarverfahren führen, ohne dabei mit diesen Rücksprache halten zu können. Damit ist das Recht auf Fair Trail verletzt und eine angemessene Verteidigung de facto außer Kraft gesetzt. Die Gefängnisinsel Imrali ist quasi aus dem Rechtssystem der Türkei ausgeschlossen. Es werden noch nicht einmal die geltenden – bereits unzureichenden - Gesetze der Türkei auf die Gefangenen in Imrali angewandt.

Der seit 16 Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali aufrecht erhaltene juristische Ausnahmezustand, wie der Ausschluss von Verteidiger_innen aus Verfahren oder die Aufzeichnung von Gesprächen zwischen Verteidigung und Angeklagten wird in der Türkei unter einem zunehmend autoritären Regime allmählich zum Normalzustand. Das Imrali-Gefängnis, das ähnlich wie Guantanamo zu einem Symbol eines Ortes der Rechtslosigkeit geworden ist, spielt hierbei eine Vorreiterrolle.

Wir in Europa lebenden Rechtsanwält_innen und Menschenrechtsaktivist_innen betrachten die seit vier Jahren andauernde Verletzung des Rechts auf Verteidigung von Herrn Öcalan, wozu selbstredend der persönliche Kontakt zu seinen Anwält_innen gehört, als einen grundlegenden Verstoß gegen die Menschenrechte.
Wir fordern, dass anwaltliche Besuche bei Herrn Öcalan und den anderen Gefangenen auf Imrali umgehend ermöglicht werden. Auch fordern wir ein Ende der seit 16 Jahren anhaltenden und einer systematischen Folter in Nichts nachstehenden Isolationsbedingungen der Gefangenen auf Imrali.

Sowohl für die Demokratisierung der Türkei als auch damit verbunden für den Friedens- und Verhandlungsprozess in der kurdischen Frage, bei dem Herr Öcalan als Hauptverhandlungspartner der kurdischen Bevölkerung akzeptiert wird, ist es von großer Bedeutung, dass für seine Friedensmission die notwendigen Bedingungen geschaffen werden. Die Freilassung von Herrn Öcalan und aller politischer Gefangenen in der Türkei würde dabei einen historischen Beitrag zum inneren Frieden der Türkei leisten.

Wir in Europa lebenden Rechtsanwält_innen und Menschenrechtsaktivist_innen rufen zur Sensibilität in dieser kritischen Phase und zur Solidarität mit den Forderungen der kurdischen Bevölkerung auf.

Heike Geisweid

Vorsitzende von MAF-DAD

Köln, 23 Juli 2015


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