Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.: Zusammenstellung der Äußerungen der KCK, HDP und AKP, 02.03.2015

Offizielle Erklärung zum Verhandlungsbeginn zwischen der Türkei und der PKK

Am Tag nach der Zusammenkunft zwischen der HDP (Demokratische Partei der Völker) und der AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) bewertete die KCK in einer Erklärung den durch HDP-Abgeordneten Sırrı Süreyya Önder an die Öffentlichkeit getragenen Aufruf Abdullah Öcalans. Die KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften aus Kurdistan) erklärte, dass der Aufruf Öcalans ein wichtiges Zeichen des guten Willens ist und dadurch die Grundlage für den türkischen Staat und die Regierung darstellt, die Demokratisierung und die Lösung der kurdischen sowie weiteren grundlegenden Fragen der Türkei voranzutreiben. „Unser Vorsitzender hat aufgrund seiner Verantwortung gegenüber der Bevölkerung ein weiteres Mal dem AKP-Staat eine Gelegenheit für die politische Lösung gegeben. Die Regierung sollte dieses Mal ihre Verantwortung gegenüber der Bevölkerung ernsthaft gerecht werden“, heißt es unter anderem in der Erklärung.

„Damit die demokratische Politik den Platz des bewaffneten Kampfes einnimmt“

Am 28. Februar wurde nach der Zusammenkunft zwischen der HDP-Delegation und Yalçın Akdoğan, dem Stellvertreter des türkischen Ministerpräsidenten, sowie dem türkischen Innenminister Efkan Ala ein kurzes Statement des inhaftierten PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan vor der Presse verlesen. „Auf dem Weg von 30-Jahren militärischer Auseinandersetzungen zu einem dauerhaften Frieden, handelt es sich bei der demokratischen Lösung um unser Hauptziel. Bei der Übereinkunft der Grundprinzipien, rufe ich die PKK zu einem außerordentlichen Kongress im Frühjahr auf, um auf Grundlage für ein Ende des bewaffneten Kampfes eine strategische und historische Entscheidung zu treffen. Bei diesem Aufruf handelt es sich um eine Absichtserklärung, damit die demokratische Politik den Platz des bewaffneten Kampfes einnimmt.“, so Öcalan.

Die zehn Punkte auf die sich die Türkei und der PKK-Vorsitzende Öcalan als Verhandlungspunkte geeinigt haben und auf der gemeinsamen Pressekonferenz der HDP und AKP vorgetragen wurden:

  1. Die Bedeutung und der Inhalt demokratischer Politik;
  2. Definition der nationalen und lokalen Dimensionen der demokratischen Lösung;
  3. Die rechtlichen und demokratischen Garantien/Sicherheiten der freien Staatsbürgerschaft;
  4. Die Beziehungen der Demokratischen Politik zum Staat und zu der Gesellschaft und die Institutionalisierung dieser Beziehungen und dessen Unterpunkte;
  5. Die sozio-ökonomischen Dimensionen des Lösungsprozesses;
  6. Gewährleistung der Öffentlichen Ordnung und der Freiheiten in der Beziehung zwischen Sicherheit und Demokratie während des Prozesses;
  7. Rechtliche Garantien zur Lösung der Frauenfrage, sowie kulturellen und ökologischen Fragen;
  8. In Bezug auf Identität, als Begriff, Definition und Assoziierung, die Entwicklung eines pluralistischen Demokratieverständnisses;
  9. Die Neudefinition der Demokratischen Republik, des gemeinsamen Heimatlandes und der Nation nach demokratischen Maßstäben. Die rechtliche und verfassungsrechtliche Garantie dessen innerhalb eines pluralistischen demokratischen Systems.
  10. Eine neue Verfassung, welche diese demokratischen Transformationen einbezieht und umsetzt;

Entgegen den Behauptungen in den türkischen Medien erklärte die stellvertretende HDP- Fraktionsvorsitzende Pervin Buldan, dass dieser Aufruf als Zeichen des guten Willens zu verstehen ist. Sie betont, dass es im Mindesten zu einer Übereinkunft zwischen beiden Parteien hinsichtlich der Prinzipien für eine Lösung kommen muss, damit die PKK den bewaffneten Kampf gegen die Türkei einstellt.

KCK: Ernsthafte Schritte der AKP-Regierung müssen folgen

Hierfür müsse, so die KCK in ihrer Erklärung, die Regierung ihrer historischen Verantwortung ernsthaft gerecht werden und eine Übereinkunft bei den von Abdullah Öcalan vorgeschlagenen zehn Schritten zur Lösung der kurdischen Frage in der Türkei geschaffen werden.

Die KCK erklärte, dass sie bis zum aktuellen Stadium des Prozesses alle in ihrer Verantwortung stehenden Schritte getätigt habe. Aus diesem Grund werde jeder weitere Schritt von ihrer Seite allein von der Haltung der AKP und den Schritten des türkischen Staates abhängig sein. Das viel diskutierte Sicherheitspaket allerdings, welches die AKP im Parlament durchbringen möchte, offenbare das Gegenteil der Haltung, die von der türkischen Regierung angesichts des gegenwärtigen Stands des Lösungsprozesses erwartet wird. „Die demokratische Politik kann nur in einem demokratischen Umfeld mit Leben gefüllt werden. Allerdings wird der Weg in Richtung Demokratie durch die Gefahr einer immer autoritärer werdenden Politik versperrt, für die das Sicherheitspaket der AKP das beste Beispiel darstellt. Das Festhalten an diesem Paket entspricht einer Geisteshaltung, welche nicht mit dem Verständnis des Prozesses vereinbar ist“, erklärt die KCK und verweist in ihrer Erklärung darauf, dass die türkische Regierung im Lösungsprozess bereits mehrfach Gelegenheiten verpasst habe, auf die einseitigen Schritte der kurdischen Freiheitsbewegung entsprechend zu reagieren und in Richtung einer Lösung voranzuschreiten.

Direkter Dialog zwischen Öcalan und KCK-Führung

Die KCK schließt ihre Erklärung mit zwei Forderungen an die türkische Regierung ab. Sie fordert die AKP auf, Möglichkeiten für einen direkten Dialog zwischen Öcalan und der Führung des KCK zu schaffen. Zugleich müsse dem inhaftierten PKK-Vorsitzenden auch die Gelegenheit gegeben werden, Gespräche mit anderen politischen Parteien und Vertretern der Zivilgesellschaft zu führen. Die zweite Forderung an die Regierung lautet, dass die Lösungsverhandlungen ohne weitere Umschweife angegangen werden müssen.

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Bereits Anfang Dezember 2014 wurde der »Entwurf für Frieden und Demokratie im Verhandlungsprozess« von Abdullah Öcalan veröffentlicht.
»Entwurf für Frieden und Demokratie im Verhandlungsprozess«

Am 29. November traf sich die Delegation der Demokratischen Partei der Völker (HDP) auf der Gefängnisinsel Imralı mit der inhaftierten kurdischen Führungspersönlichkeit Abdullah Öcalan. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Firat (ANF) ging Sırrı Süreyya Önder, HDP-Abgeordneter und Delegationsmitglied, kurz auf die Inhalte des von Öcalan vorbereiteten Entwurfs ein. Er erklärte, dass der vollständige Entwurfstext nach Gesprächen mit Vertretern der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) in Kandil und des türkischen Staates mit der Öffentlichkeit geteilt werden würde.

Der Entwurf gliedert sich in vier Hauptkategorien.

1. Kategorie: Die Methode

Diese Kategorie enthält neun Artikel: Alle Stufen des Prozesses sollen dokumentiert, die erreichten Einigungspunkte unterzeichnet aufgenommen und alle grundlegenden Begriffe und Institutionen genau definiert werden.

2. Kategorie: Die geschichtliche und philosophische Dimension

Diese Kategorie enthält elf Artikel:

  • Charakter der kurdisch-türkischen Beziehungen im Mittleren Osten im Laufe der Geschichte und ihr heutiger Status.
  • Interne und externe Gründe für die zunehmende Verschlechterung der kurdisch-türkischen Beziehungen und ihre Beziehung zur kapitalistischen Moderne.
  • Notwenigkeit einer Transformation des Staates hinsichtlich der kurdisch-türkischen Beziehungen; Nutzung dieser Problematik als Machtmittel durch die Machthabenden; blinde Gewalt und deren Folgen.
  • Systemische Eigenschaft der Lösung und deren unvermeidliche Auswirkungen auf den Mittleren Osten.
  • Verbindung der Lösung mit Frieden und globaler Demokratie; unvermeidliche Reformen in den Strukturen des Staates und der Gesellschaft für einen demokratischen Frieden.
  • Verfassungsrechtliche und gesetzliche Folgen des Prozesses.
  • Dimension der Sicherheit des Prozesses.
  • Soziale und kulturelle Auswirkungen des Prozesses.
  • Auswirkungen des Prozesses auf die Frauenfreiheit; ökologische Folgen.
  • Anerkennung aller im Laufe der Geschichte der Republik verfolgten und ausgegrenzten Volksgruppen als frei und gleichberechtigt; Eigenschaften und Formen im neuen Normensystem für diese gesellschaftlichen Einheiten.
  • Neue pluralistische und demokratische öffentliche Ordnung.
3. Kategorie: Zentrale Tagesordnungspunkte

Diese Kategorie enthält fast vierzig grundlegende Fragen, Bestimmungen und Vorschläge. Eine Grundreferenz als Antwort auf die Frage »Wie muss ein Demokratisierungsprogramm aussehen?«.

Einige Punkte für den ersten Überblick:

Inhalte und korrekte Definition demokratischer Politik.
• Definition und Anerkennung des Begriffs der Identität; eine pluralistische, demokratische und verfassungsrechtlich garantierte Lösung.
• Korrekte Definition der nationalen und regionalen (kommunalen) Dimensionen einer demokratischen Lösung; verfassungsrechtliche und gesetzliche Bestimmungen.
• Definition der Staatsbürgerschaft; der rechtmäßige und freie Bürger.
• Beziehung zwischen Prozess und sozioökonomischem System; eine Neudefinition.
• Kultureller Pluralismus und Freiheit.
• Mechanismen der Aufarbeitung der Ereignisse der jüngsten Vergangenheit, die vom Parlament bestimmt werden sollten.

4. Kategorie: Aktionsplan

Diese Kategorie enthält sechs Artikel. Wichtigster Punkt ist dabei die genaue Bestimmung des zeitlichen Ablaufs.
Nach dem Besuch der HDP-Delegation bei den KCK-Vertretern in Kandil erklärte der KCK-Exekutivratsvorsitz am 10.12.2014: »Der von Abdullah Öcalan im Rahmen des Besuchs der HDP-Delegation am 29. November übergebene ›Entwurf für Frieden und Demokratie im Verhandlungsprozess‹ wurde von allen Teilen unserer Freiheitsbewegung diskutiert und als Demokratisierungsprojekt bewertet, das bei einer Verhandlung mit demokratischer Mentalität eine tiefe demokratische Transformation für die Türkei und den Mittleren Osten bewirken kann. Wir haben entschieden, dieses Projekt zu akzeptieren und in die Praxis umzusetzen.« Aus diesem Grund müsse so bald wie möglich mit den Verhandlungen im Rahmen dieses Entwurfs begonnen werden. Der Staat müsse seinen Willen zur Umsetzung öffentlich machen und Schritte in diese Richtung unternehmen.